Heilsplan und natürliche Entwicklung
Formen der Gegenwartsbestimmung
im Geschichtsdenken des hohen Mittelalters
Nymphenburger Verlagshandlung
ORIGINALAUSGABE
Meiner Frau
© 1965 Nymphenburger Verlagshandlung GmbH., München.
Alle Rechte, auch der photomechanischen Vervielfältigung und des auszugsweisen Abdrucks, vorbehalten.
Druck: Presse-Druck- und Verlags-GmbH. Augsburg.
Umschlagentwurf: Gerhard M. Hotop.
Verlagsnummer 659. Printed in Germany.
D 188
Die vorliegende Studie befaßt sich mit der vorscholastischen und vorjoachimitischen Geschichtsdeutung. Ihr umständlicher Titel ist einschränkend. In den letzten Jahrzehnten sind die bedeutendsten Texte und Ideen der antiken und mittelalterlichen Geschichtsanschauung in zahlreichen Untersuchungen erforscht und beschrieben worden. Hier soll nicht die Geschichte der Geschichtstheorien rekapituliert, sondern nur einer ihrer Aspekte in betonter Einseitigkeit zur Geltung gebracht werden. Ausgangspunkt ist die rationale Geschichtsdeutung seit der Patristik. Darunter verstehe ich den Versuch, Vorstellungen vom »natürlichen« (und dem »natürlichen Verstand« einleuchtenden) Geschichtsverlauf mit dem sicheren Wissen dieser Zeiten vom übernatürlichen Ziel der Geschichte zu verknüpfen, die Entwürfe einer immanenten Teleologie also. Die Untersuchungen gelten vornehmlich dem Beitrag dieser Ideen zur »Gegenwartsbestimmung«, d. h. zur Fixierung des Standortes der jeweiligen Gegenwart in der als Einheit gedachten Universalgeschichte. Daß diese Weise der historischen Gegenwartsdeutung vornehmlich in der Geschichtsschreibung vorzufinden ist, erklärt sich, wie ferner zu zeigen sein wird, auch aus der mittelalterlichen Geschichtsmethodologie. Aber auch in diesem ihrem eigentlichen Untersuchungsfeld ist die Arbeit in keiner Weise vollständig; nur wenige Autoren wurden ausführlich behandelt, vor allem Otto von Freising. Ob seine Geschichtswerke Höhepunkt der mittelalterlichen Geschichtsschreibung schlechthin sind, mag bezweifelt werden; desgleichen, ob er an Reichtum und philosophischer Durchdringung seiner Deutungen unübertroffen blieb. Nicht zufällig aber stellt er den Höhe- und Abschlußpunkt der reflektierenden Universalgeschichtsschreibung im Mittelalter dar.
Die Beweisführung wäre überzeugender ausgefallen, wenn es [8]mir gelungen wäre, Präzision der Gedankenführung mit der notwendigen Einfachheit des Ausdruckes zu verbinden. Nur der Umstand, daß ich nicht in meiner Muttersprache schreibe, mag mich ein wenig rechtfertigen. Um den Gedankengang durch relevante, doch weniger wesentliche Ausführungen nicht zu hemmen, wurden diese in den Anmerkungsteil verlegt. Auseinandersetzungen mit der Literatur habe ich nach Möglichkeit vermieden. Arbeiten zum Thema, die nach dem April 1965 erschienen sind, konnten leider nicht mehr berücksichtigt werden; das ist mir besonders im Hinblick auf den angekündigten Sammelband: »Speculum Historiale. Geschichte im Spiegel von Geschichtsschreibung und Geschichtsdeutung«, herausgegeben von Cl. Bauer, L. Boehm, M. Müller, sehr bedauerlich.
Die Arbeit wurde im Jahre 1964 von der Philosophischen Fakultät der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen. Ihr damaliger Titel war: Gegenwartsbestimmung, Heilsplanbegriff und Entwicklungsgedanke im Geschichtsdenken des hohen Mittelalters. Sie ist nur geringfügig geändert worden. Die Anregung zu dieser Arbeit kam von meinem verehrten Lehrer der mittelalterlichen Geschichte, Herrn Prof. Wilhelm Berges. Er hat sie in allen Stadien ihrer Entstehung mit Rat, Ermutigung und Geduld gefördert. Ihm verdanke ich es auch, daß ich die Schwierigkeiten eines Auslandstudiums überwinden konnte.
Für seine Ermutigung und für sein Verständnis bin ich auch meinem Lehrer der jüdischen Geschichte, Herrn Prof. Adolf Leschnitzer, zu tiefem Dank verpflichtet. Wichtige Hinweise verdanke ich auch meinen Lehrern der Geschichte, Philosophie und Judaistik, den Herren Professoren Reinhard Elze, Dieter Henrich und Jacob Taubes. Herr Dr. Kurze hat die Arbeit durchgesehen und wichtige Verbesserungsvorschläge gemacht; in sachlichen und stilistischen Fragen sowie in der Korrektur haben mir Frl. Uta Litz, Frl. Monika Richarz, die Herren Michael Erbe, Gerd Hinzmann, Michael Koser und Horst-Jürgen Miethke sehr geholfen. Mit Herrn cand. phil. Reinhard Häcker, der zur Zeit ein verwandtes Thema bearbeitet, [9]hatte ich oft Gelegenheit, gemeinsame Fragen zu durchdenken. Ihnen sei hier sehr gedankt, besonders auch der Nymphenburger Verlagshandlung, die diese vom üblichen Verlagsprogramm abweichende Arbeit großzügig übernahm.
Das Buch ist meiner Frau gewidmet, die die Mühen und Unsicherheiten meines Studiums geduldig und helfend mitgetragen hat.
Berlin, im Juli 1965
A.F.
Seit Irenäus von Lyon bemühte sich die christliche Geschichts-philosophie auf verschiedenen Wegen, den eschatologischen, geschichtstranszendenten »Sinn« der Geschichte auf naturnotwendige Gesetze innerweltlichen Geschehens zu beziehen. Im Gegensatz zur griechischen Philosophie ging ihre Überlegung von der Gewißheit eines Heilsplanes und eines absoluten Endzwecks der (darum einmaligen) Geschichte aus1; im Gegensatz zur jüdischen Apokalyptik hielt sie an dem Gedanken der allmählichen Verwirklichung des Heilsplanes als sichtbarem Fortschritt fest, sichtbar darum, weil er als Anpassung des göttlichen Heilsplanes an die menschliche Entwicklung begriffen werden kann. Im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen nicht Ursprung und Aufgabe dieses Begriffes einer Vernunft in der Geschichte innerhalb der christlichen Geschichtstheologie, sondern die Bedeutung und der Beitrag des so definierten Entwicklungsbegriffes für die Ortsbestimmung der jeweiligen Gegenwart in der Heilsgeschichte. Wir unterscheiden diesen Modus der eschatologischen Gegenwartsbestimmung von dem apokalyptischen. Der Begründung dieser Unterscheidung folgen im einführenden Kapitel einige Beispiele der antik-christlichen Geschichtstheologie. In den weiteren Kapiteln wird auf einige hochmittelalterliche Formen der Gegenwartsdeutung, vor allem in der Geschichtsschreibung, hingewiesen, die ohne die Ersetzung der »revolutionären« Apokalyptik durch eine »evolutionäre« Eschatologie unverständlich bleiben müssen.
Die Betrachtung der Geschichte als fortschreitender Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes hat ihren Ursprung in der jüdischen Apokalyptik. Mit der Vorstellung einer »in den himmlischen Tafeln«2 festgelegten Bestimmung und Einteilung des gesamten Geschichtsablaufs, von der Sündenverstrickung bis zur Erlösung, begründete die Apokalyptik ihre drängende Erwartung der bevorstehenden Aeonenwende. In diesem »von Trauer und Schmerz« erfüllten Aeon3 erschien ihr jeder tätige Widerstand der Gerechten gegen die Mächte dieser Welt unnütz. Ohne gewaltsamen Widerstand zu propagieren, war die Apokalyptik dennoch die radikalste Antwort auf den Schwund der nationalen Autarkie seit der Seleukidenherrschaft. Aus einem und demselben Grund fügte sich der Apokalyptiker dem vorherbestimmten Lauf der ohnehin ihrem Ende zueilenden Geschichte4 und verneinte zugleich die Möglichkeit einer Mitwirkung in der Geschichte: nur indem er seine Zukunftshoffungen auf eine »in allen Stücken« andere Welt richtete5 und auf eine vorausbestimmte, vom menschlichen Tun gänzlich unabhängige Heilsordnung stützte6, konnte der Apokalyptiker seine zum radikalen Gegenwartspessimismus gesteigerte politische Resignation überwinden. Für die stufenweise Entfaltung der Menschheit zum Besseren ist in seiner Vorstellungswelt kein Raum vorhanden. Die Apokalyptik müßte ihre Naherwartung aufgeben, wollte sie den Heilsplan auf die natürlichen Wachstumsmöglichkeiten auch nur eines Teils der Menschheit bezogen wissen. Der neue Aeon, vorausgesagt und vorausgeahnt, sollte dennoch »blitzartig« eintreffen7, ein plötzlicher Umsturz aller bisherigen, auch kosmischen Ordnungen.
Auch das Wissen um die Aeonenwende, ihre Bedeutung und chronologische Bestimmung sind der Apokalyptik nicht ein Ergebnis allmählicher historischer Aufklärung oder Vorbereitung. Weder der Verlauf der bisherigen Geschichte noch kosmische Gesetzmäßigkeiten oder auch das überlieferte Schrifttum genügten dem [12]Apokalyptiker, um aus ihnen den Sinn der Geschichte, die Logik ihrer Zeitenfolge zu begreifen.8 Sogar als eine stete und jederzeit offenkundige Manifestation der Weisheit göttlicher Führung erscheint ihm die bisherige Geschichte nicht, sie gibt sich nicht als eine harmonische Fügung von Gut und Böse, These und Antithese in jedem Abschnitt der Vergangenheit zu erkennen.9 Erst mit dem Wissen um den neuen Aeon, dessen »Wege« dem Menschen unbegreiflich sind, kann die Forderung gestellt werden, vom diesseitigen Geschehen abzusehen10, zwischen Schein und Wirklichkeit in der Geschichte zu unterscheiden. Erst im Hinblick auf die geheime Offenbarung der letzten Dinge glaubt der Apokalyptiker, den Sinn, die propädeutische Aufgabe des alten Aeons11 erkennen zu können. Aber dieses Wissen und diese Offenbarung sind der Endzeit und der Heilsgemeinschaft vorbehalten, schon ihr Besitz ist Zeichen der nahenden Aeonenwende. Die Apokalypse ist darum nicht bloß formale Einkleidung eschatologischer Vorstellungen verschiedenster Provenienz: als eine Offenbarung der Vorzeit, dazu bestimmt, für die eigentliche Dauer dieser Welt geheim zu bleiben12, zählt sie, nunmehr wiederentdeckt, selbst zu den Vorzeichen des Weltendes; ihre Aussagen sind dem Anspruch nach vom tradierten Schrifttum unabhängig13; ihre Gleichnisse und Bilder wollen als* kekrummna ¢pÕ katabolÁj verstanden werden14, deren Deutung der endzeitlichen Heilsgemeinschaft vorbehalten ist. Die historische Rückschau über den bisherigen Geschichtsverlauf dient sodann nicht nur der inneren Verifizierung ihrer Aussagen15, sondern auch einer vorausbestimmten und geschichtsnotwendigen Umdeutung aller bisherigen Geschichtsauffassungen.
Darum sind Voraussage und Rückschau, Erkenntnislehre und Literaturform der Apokalyptik aufeinander bezogen und schließen gleichermaßen den Gedanken eines steten, offenkundigen Fortschritts und aktiven, wirksamen Strebens aus. Die radikale Scheidung [13]der Aeonen ist mit der Vorstellung eines natürlichen Überganges dieser Welt in die kommende unvereinbar. Historisch unwirksam muß auch die unmittelbar vor dem Ende sich in der Welt konstituierende Heilsgemeinschaft bleiben; die Weltentrückung befähigt sie, den ewigen Aeon zu erkennen und zu repräsentieren.10 Die stete Vervollständigung der Zahl der Gerechten ist darum geheimes Ziel und nur latenter Fortschritt dieses Aeons.17 Auch von einer steten Steigerung des Bösen in der ganzen historischen Zeit kann nicht die Rede sein: sie ist der Zeit unmittelbar vor der Aeonenwende vorbehalten. Am Ende der Geschichte steigert sich die Zeit selbst18, mit dem neuen Aeon sollen dann Geschichte und Zeitlichkeit aufgehoben sein19; aber während der eigentlichen Weltdauer wiederholt sich eine Bewegung und bestimmt die Weltperioden: diese sind der Aeon im Kleinen. Die Folge der Weltreiche und Herrschaftsübertragungen im Daniel-Buch ist bis Alexander dem Großen als eine aufsteigende Bewegung gesehen, erst mit den Diadochen beginnt der Abfall20. Die Weltwochen im Henoch-Buch lassen sich deutlich in drei Perioden einteilen: zwei Wochen reichen bis zum »ersten Ende«, zur Sintflut, weitere fünf bis zur Gegenwart des Apokalyptikers, die restlichen drei sind ein Interim der Kompensation und Vorbereitung auf das »große, ewige Gericht«. In der ersten Woche, an deren Ende Henoch geboren war, galt die Gerechtigkeit; in der zweiten wird »große Bosheit aufkommen«. Von der dritten zur fünften Woche wächst die Gerechtigkeit erneut, dann soll der Abfall einsetzen.21 Im IV. Esra-Buch reflektiert jede der fünf Epochen von Adam bis Noah, von Noah bis Abraham, von Abraham bis Moses, von Moses bis David, von David bis zur ersten Tempelzerstörung dieselbe Bewegung von Neuanfängen und wiederholter Überhandnahme des Bösen.22 Antithetisch sind die zwölf Weltperioden im syrischen Baruch geordnet: je ein »helles« Wasser folgt einem »dunklen«, erst die Endzeit, die schon außerhalb der eigentlichen Weltgeschichte stehende dreizehnte Periode, sieht die maßlose Steigerung der Verderbnis.23 In diesem Moment periodischer Wiederholung manifestiert [14]sich das erkannte Gesetz des alten Aeon, das nicht zuletzt durch die Reduktion astrologischer und kosmologischer Spekulationen, deren Einfluß unbestreitbar ist, auf die einmalige Dauer der Welt gekennzeichnet ist.24
Die christliche Urgemeinde, die sich schon im neuen Aeon wußte, bedurfte der Bestätigung ihrer Naherwartung aus der historischen Rückschau des alten Aeon nicht; doch war ihre Vorstellungswelt apokalyptisch auch insofern, als sie weder im Eintritt des Reiches Gottes noch in seiner Vollendung einen allmählichen Vorgang, noch dazu einen vom menschlichen Vervollkommnungsdrang angetriebenen Vorgang, zu sehen vermochte. Dies behaupten, bedeutet nicht die unterschiedlichen Positionen im fortschreitenden Selbstverständnis der Kirche verkennen, denn es gilt für die lukanische Deutung der Heilsgeschichte sowohl wie auch noch für die paulinische. In der lukanischen Theologie folgen die Zeitalter Israels, der ersten Parusie und der Kirche nach einem geordneten, jedoch geheimen Plan Gottes, und zwar plötzlich, nämlich ohne zeitliche Vorverkündigung, aufeinander; und wiewohl die Zeit der Kirche im Hinblick auf die Parusieverzögerung nicht mehr terminiert wird, kann von einer sichtbaren Vervollkommnung als Vorbedingung der Erfüllung nicht die Rede sein; auch das Ende soll plötzlich eintreten.24a Auch die paulinische Unterscheidung zwischen der »Kindheit« unter dem Gesetz als »Zuchtmeister« (paidagwgÕj ej CristÒn) und dem »Mannesalter« der Freiheit im Glauben ist eher juristisch denn biologisch: »der Übertretung wegen« ist das Gesetz auferlegt worden, um die Sünden zu mehren und die Erlösungssehnsucht zu steigern; nur eine negative Vorbereitung also und nur ein Gnadenakt machte die »Knechte« zu »Erben«.25 Die Einteilung der Geschichte in die Zeitalter des Naturgesetzes, des geschriebenen Gesetzes und der Gnade diente erst seit Irenäus einer neuen Interpretation des Heilsplanes, der Vorstellung vom Heils-plan als Erziehungsprogramm, dem Gedanken einer Anpassung des Heilsplanes an die natürlichen menschlichen Entwicklungsphasen. Die Dreiteilung der Geschichte ist schon in den älteren [15]apokalyptischen Schriften angedeutet26, die Ähnlichkeit der christlichen Trias mit der aus der rabbinischen Literatur überlieferten Berechnung der Weltdauer auf »zweitausend (Jahre) tohu, zweitausend tora, zweitausend die Tage des Messias«27 hatte schon das Hochmittelalter festgestellt; seit dem 12. Jahrhundert (das Zeugnis des Alanus ab Insulis scheint bisher übersehen worden zu sein) dienten diese talmudischen Überlieferungen auch der christlichen Polemik28, später sogar der humanistischen Geschichtsphilosophie.29 Aber eine Umdeutung apokalyptischer Vorstellungen durch eine Verschiebung der Akzente von der revolutionären zur evolutionären Betrachtung der Heilsgeschichte kannte die jüdische Geschichtsdeutung erst im Mittelalter und vollends im 16. und 17. Jahrhundert.30
Mythisches Denken, so versichert uns die vortreffliche Analyse eines Kenners, ist durch seine »Flucht vor der Geschichtlichkeit« gekennzeichnet: es kennt nur zwei Zeitmodi, die punktuelle, vergängliche, profane und die sich ewig wiederholende, heroische oder göttliche Zeit.31 Durchbruch zum historischen Denken war demnach jeder Versuch, auch der menschlichen, »profanen« Geschichte Bedeutung verleihen zu wollen. Das biblische und nachbiblische Geschichtsbewußtsein überwand das Mythische durch die Hinordnung des Einmaligen und Vergänglichen auf ein geschichtstranszendentes Ziel; im griechischen Denken manifestierte sich die Überwindung mythischer Zeitanschauungen dort, wo mit dem Fortschritt seiner Rationalisierung nur noch ein Zeitbegriff dem Einmaligen und Ewigen übergeordnet wurde und wo das einzelne historische Ereignis paradigmatische Bedeutung gewann.32 Aus der Gleichsetzung von Natur und Geschichte entstand der immanente Entwicklungsbegriff. Schon Xenophanes formulierte dessen historischen Gehalt: »Nicht von Anbeginn offenbarten die Götter den Sterblichen alles, sondern erst allmählich (crÒnJ) finden diese suchend das Bessere.«33 Notwendigerweise war der teleologische Entwicklungsgedanke, auch in seiner Übertragung auf die Soziallehre [16]und auf die Kulturphilosophie, an zyklische Zeitanschauungen gebunden; so bei Aristoteles, dem darum der Fortschritt der Philosophie und die allmähliche Differenzierung von Kultur und Gemeinschaft — die Verwirklichung des Menschen in der Polis — weder wertfrei noch als unbestimmter »Fortschritt« oder »Verfall« galt.34 Dagegen begründete die Zyklenlehre der Stoa gerade die Deutung der Urzeit als Urvollkommenheit, in welcher die Natur die Ordnung der Gesellschaft vorbildete und die Menschen noch natürlicherweise in der Kosmopolis vereint waren; den Hellenen als Erziehern der Barbaren fällt die Aufgabe zu, das Weltbürgertum wiederherzustellen.35 Den Widerspruch zwischen Natur als Ursprung und Natur als Ziel überbrückte die stoische Ethik mit dem Begriff der *oke wsij36 und dem Hinweis auf die »Selbstverwirklichung« des Menschen. Auch auf den Entwicklungsbegriff als kulturhistorische Kategorie konnte die Stoa nicht verzichten. Ein frühes Entwicklungsstadium innerhalb ihrer Urzeit nahm auch Poseidonius für die verschiedenen Völkerstämme bis zur Entfaltung ihres Volkscharakters an. Goldenes Zeitalter war demnach die Urzeit, solange Künste und Weisheit integriert waren, solange die allmähliche Differenzierung und Entwicklung der Künste secundum naturam vorgeschritten waren und die Weisen, von der *recta ratio (ÑrqÒj lÒgoj) geführt, Erfinder und Kulturstifter waren. Entwicklung ist für die Urzeit das Ineinanderwachsen von Mensch und Natur, die Entfaltung der Logossamen, die nicht nur von der Not diktiert ist.37 Erst mit der unnatürlichen Differenzierung und Verfeinerung der Künste und der Lebensgewohnheiten begann der Verfall: bei Varro38 mit dem Übergang von der Agrikultur zum Städtebau. Das poseidonische Axiom einer aurea aetas sollte Seneca schließlich durch die Annahme der immanenten Notwendigkeit einer Überwindung des goldenen Zeitalters ergänzen39; so deutet er den Begriff einer defizienten Urvollkommenheit an, defizient wegen der ihr immanenten Entwicklungsgesetze, die aus ihr herausführen müssen; vergleichbar ist der marxistische Begriff des Urkommunismus. Und nur mit diesem immanenten Entwicklungsbegriff [17]— mit den Vorstellungen von der inneren Dynamik der Verfassungswandlungen — wagte Polybius die Zukunftsaussage aus der bisherigen Entwicklungsrichtung auch für Rom.40
Es waren jedoch vornehmlich die Epikureer, die den Mythos der aurea aetas durch die Vorstellung einer durch Anpassung vorangetriebenen Entwicklung ersetzten.41 Am stärksten stellen sich bei Lukrez beide Entwicklungskonzeptionen als parallel heraus: die Vorstellung der alternden Erde, mit der Zeit nicht mehr fähig, ihre Geschöpfe zu gebären und zu nähren (Degeneration), und die Vorstellung der Menschen, die sich an die immer schwerer werdenden Existenzbedingungen anpassen, ihre Fähigkeiten entwickeln und differenzieren und die Unkultur allmählich (paulatim) überwinden (Fortschritt).42 Diese Entwicklungen sind nicht nur ziel-, sondern auch wertfrei: vom Zustand der Unkultur bis zur differenzierten und verfeinerten Kultur sieht Lukrez das Maß menschlichen Glükkes konstant.43
Der Entwicklungsbegriff gehört zweifelsohne jenen Kategorien an, mit denen die »christliche Philosophie« die Offenbarungswahrheiten »begründete« und »ergänzte«44; aber seine Rezeption seit dem 2. Jahrhundert45 geschah nicht aus einem systematischen Impetus heraus, sondern aus der wiederholten Notwendigkeit eines neuen Selbstverständnisses und aus den Forderungen der Polemik gegen Juden, Ketzer und Heiden. Von den verschiedenen Formen, in denen die Geschichtstheologie die Synthese zwischen Heilsplan und natürlicher Entwicklung, den Gedanken einer Akkommodation des göttlichen Erziehungsprogramms an die immanenten menschlichen Fähigkeiten entfaltete, seien hier drei wegen ihres Beitrages zum Verständnis der mittelalterlichen Geschichtsdeutung [18]eingehender beschrieben. Auf die jüdisch-christliche Geschichte beschränkt und von chiliastischen Ideen noch nicht losgelöst war der Fortschrittsbegriff bei Jrenäus und Tertullian; die Relevanz der Profangeschichte für die Heilsgeschichte und die Absage an die Apokalyptik waren die Voraussetzungen der Geschichtstheologie Eusebs; die erneute Isolierung der Heilsgeschichte vom politischen Geschehen und die radikale Ablehnung des Chiliasmus, ja der exakten Gegenwartsbestimmung in der Heilsgeschichte überhaupt sind jene Ideen der augustinischen Geschichtstheologie, die der Entstehung einer genuinen, eigenständigen Geschichtsdeutung im Mittelalter im Wege standen.
Ein bewußter Ausdruck für den gesetzmäßigen Ablauf des Aeons findet sich auch schon in der apokalyptischen Literatur — wenngleich als endzeitliche »Belehrung« aufgeführt — im Beweis aus der Naturordnung. Als rationale Begründung des Heilsplans wendet er sich vornehmlich an die Drängenden und Zweifelnden, so nach der zweiten Tempelzerstörung im IV. Esra-Buch. An die Versicherung, daß auch alle vergangenen Generationen vor dem Endgericht — das darum einem Reigen (corona) gleicht — stehen werden, knüpft die Esra-Apokalypse die Frage, warum überhaupt Generationenfolgen notwendig wurden und das Weltgericht nicht »schneller erscheinen« konnte; die Antwort führt aus, warum »jedes zu seiner Zeit« kommen mußte: *non potest festinare creatura super creatorem, nec sustinere saeculum qui in eo creati sunt in unum.46 In der göttlichen Disposition ist die Welt ihrem natürlichen Lauf überlassen worden, gleich der gebärenden Mutter bringt sie ihre Generationen nach und nach (secundum tempus) hervor47, aber es sind, wie es im folgenden heißt, um so schwächere Generationen, je mehr die Erde altert. Ihr Ende ist naturnotwendig.48 Mit einem Gleichnis aus dem Reifeprozeß in der Naturordnung begründet auch der Clemens-Brief die Parusieverzögerung. Aber noch ist von der menschlichen Entwicklung als Moment des Heilsplanes nicht die Rede, und noch ist die Plötzlichkeit des Gestaltwandels der Sinn des Bildes.49
[19]Als lex humani generis, der sich Gottes Heilsplan gewissermaßen »anpaßt« und somit zu einem Erziehungswerk wird, definiert Irenäus von Lyon die allmähliche Entwicklung. Die Stelle50 ist ein polemischer Anhang einer grundsätzlichen Erörterung gegen die Gnosis und begründet zugleich die Parusieverzögerung: *Irrationabiles igitur omni modo, qui non exspectant tempus augmenti, et suae naturae infirmitatem adscribunt Deo. Neque enim Deum neque semetipsos scientes, nolentes primo esse hoc quod et facti sunt, homines passionum capaces; sed supergredientes legem humanigeneris, et antequam fiant homines, iam volunt similes esse factori Deo, et nullam differentiam infecti Dei, et nunc facti hominis, qui plus irrationales sunt quam muta animalia. Torheit ist also nicht die Sehnsucht nach der Vergöttlichung, sondern die Verkennung der Wege, die zu ihr führen müssen. Die natürliche Schwäche des Menschen ist seine Kreatürlichkeit; er »wird«, während Gott »ist«.51 Der Mensch erreicht seine maturitas, seine Bestimmung, nur im allmählichen Prozeß der Anpassung und Erziehung52 gemäß dem Gesetz des Menschengeschlechtes. Die Anwendung dieser Begriffe wurde von Irenäus in der vorangehenden grundsätzlichen Erörterung vorbereitet. Wie der Verfasser des IV. Esra-Buches geht auch Irenäus von der Frage aus, warum Geschichte, warum Zeitenfolge überhaupt notwendig seien. Im Esra-Buch richtet sich die Frage auf das Endgericht und die separatio temporum, bei Irenäus dagegen auf die Vollendung des Menschen.53 Beide begründen die Zeitenfolge mit der Unterscheidung zwischen Schöpfer und Schöpfung.54 Wiederholt kommt Irenäus auf den Anfang seiner Ausführungen zurück. Gott allein sei vollkommen (tleioj), ungeschaffen (¢gnnhtoj) und daher gleichbleibend (¢e kat¦ t¦ aÙt¦ ên). Deshalb widerspricht es der Allmacht Gottes nicht, daß der Mensch, wie alle Geschöpfe, höchstens auf die Vollendung gerichtet, vervollkommnungsfähig, aber nicht *¢p' ¢rcÁj tleioj sein kann.55 Da Vollkommenheit nicht seine Natur, sondern ihm durch Gnade ermöglicht ist56, kann sie für ihn nur Ziel sein, das seinen Naturanlagen angepaßt ist.57 So konnte [20]Gott dem Menschen zwar von Anfang an die Vollkommenheit in seinem Vorbild vorausstellen (parcein ¢nqrèpJ tÕ tleion), »der Mensch aber nicht sie von Anfang begreifen: er war noch ein Kind«58. Die Verwirklichung des Heilsplanes und das Altern der Erde im Esra-Buch, der Fortschritt der Menschheit bei Irenäus geschehen *secundum tempus59, kaqÕ d neètera, kat¦ toàto ka n»pia60: wobei das Esra-Buch das Gleichnis der gebärenden Mutter, Irenäus das Gleichnis der nährenden Mutter (im Anschluß an 1. Kor. 3, 2) anführt; der Verfasser des IV. Esra, um die Dekadenz des gegenwärtigen Menschen gegenüber dem ersten, Irenäus, um den Fortschritt des Menschen zu behaupten: nach dem Grad der Entwicklung verfestigte sich auch die Nahrung, die dem Menschen zukommt. Es ist mehr als lediglich eine andere Formulierung desselben Gedankens, in der er im folgenden die Rekapitulationslehre erwähnt.61 In einer anderen Stelle begründet Irenäus auch sie mit der lex humani generis einer allmählichen Entwicklung.62 Die Zusammenfassung und Heiligung aller vorangegangenen Generationen63 und Altersstufen in Christus und aller vorangegangenen Testamente im Neuen Bund64 konnte nur das tatsächlich historisch Gewesene betreffen. Ihre Gegenbegriffe sind *praefiguratio und praeformatio.65 Auch sie setzt daher die »Reife« der Menschheit voraus.66
Daß der Mensch *Ð gennhtÕj ka peplasmnoj kat' ekÒna ka Ðmo wsin toà ¢genn»tou g netai qeoà, ist eine Zielangabe und keine Beschreibung seines Urzustandes67; seine Bestimmung wird der Mensch nur allmählich (ºrma prokÒptontoj, paulatim proficiente) erreichen. Aber *prÕj tleion gelangen, bedeutet dennoch nicht, vollkommen zu sein, sondern nur *plhs on toà ¢genn»tou gnomnou; vollkommen ist nur Gott. Irenäus denkt an einen ewigen Prozeß der Annäherung68; er soll — das geht aus einer anderen Stelle hervor — auch nach der Auferstehung andauern.69 Die Rückkehr zum Paradies, die reformatio, ist auch für ihn, wie für Tertullian und Augustin später, eine *reformatio in melius.70 Wie für Theophilus von Antiochien71 übertrifft bei ihm das Ende den [21]Anfang. Die Gleichsetzung der ecclesia in hoc mundo plantata mit dem Paradies bekräftigt es: Irenäus denkt an eine unendliche Annäherung, die auch durch das Weltende und die zweite Parusie nicht begrenzt ist. Damit überwand die ältere Patristik die apokalyptische Revolutionslehre, die Lehre von der Endkatastrophe und dem Endgericht als Aufhebung der Geschichte. Wie nach ihm Origenes, sieht auch Irenäus im allmählichen Prozeß der »Gewöhnung« und »Erziehung«72 den einzigen vorgesehenen Weg zur Vergottung, zur Rückführung der Seelen zu Gott (Origenes), ohne den *character indelebilis der Freiheit zerstören zu müssen (Origenes)73, ohne diesen Weg erzwungen zu sehen (Irenäus)74.
Durch die immer präziser werdende Formulierung des Entwicklungsprinzips in seinem Verhältnis zur Offenbarungsgeschichte ließ sich den marcionitischen und gnostischen Häresien ein reicherer Begriff der Kontinuität vom Alten zum Neuen Testament entgegensetzen, als die paulinische »Aufhebung« des Gesetzes implizierte. Für die Auseinandersetzung mit Marcion und Gnosis war die paulinische Gesetzesauslegung unzureichend, wenn nicht gar, wie man bemerkt hat, Marcion den paulinischen Ansatz nur konsequent durchführen mußte, um mit der Trennung der Inhalte des Alten und des Neuen Bundes eine Trennung zwischen Schöpfergott und Erlösergott zu postulieren.75 In der Geschichtstheologie Justins waren zwar ungeschriebenes und geschriebenes Gesetz, Parusie und zweite Parusie Offenbarungsstufen des Logos — aber neben der angedeuteten Gleichsetzung der Stufe des mosaischen Gesetzes mit der der griechischen Philosophie weiß auch er von der verderbenden Wirkung des Gesetzes.76 Justins Ausführungen über die Veränderung des Gesetzes baute Irenäus aus, von der verhängnisvollen Absicht der Engelmächte ist bei ihm jedoch nicht die Rede.77 Für ihn waren Naturgesetz, Gesetz und Evangelium Inhalt bestimmter historischer Abschnitte und Momente im allmählichen Fortschritt der Anschauung Gottes78; nur aus dieser Sicht konnte er im Neuen Bund die vorausgegangenen Testamente rekapituliert wissen: *Qualis igitur dispositio Filii Dei, talis et animalium forma; [22]et qualis animalium forma, talis et character Evangelii. Quadriformia autem animalia et quadriforme Evangelium et quadriformis dispositio Domini. Et propter hoc quatuor data sunt testamenta humano generi; unum quidem ante cataclysmum sub Adam; secundum vero post cataclysmum sub Noe; tertium vero legislatio sub Moyse; quartum vero, quod renovat hominem et recapitulat in se omnia, quod est per evangelium, elevans et pennigerans homines in caeleste regnum.79 Die »Böswilligen« wagen über Gott und Jerusalem zu behaupten, *si esset ›magni Regis civitas‹ (Ps. 47,3; Mt. 5,35) non derelinqueretur80; ihr Irrtum ist, daß sie die Vergangenheit mit den Maßstäben der Gegenwart messen, daß sie punktuell, nicht teleologisch denken. »In ähnlicher Weise könnte man sagen, daß, wäre der Strohhalm Geschöpf Gottes (conditio Dei), er niemals vom Getreide getrennt worden wäre.«81 Da aber Gott alles mensura et ordine schuf, mußte auch Jerusalem ein Ende nehmen, so wie das Zeitalter des Gesetzes von Moses bis Johannes begrenzt war; der Übergang zum Neuen Bund geschah nicht plötzlich: *necesse fuit auferri quidem vincula servitutis, quibus iam homo assueverat 82 In jedem der entscheidenden Übergänge blieb lediglich der Dekalog, das Naturgesetz, das Gott *extendit et implevit83, unverändert. Gegen die gnostische Lehre einer Entwicklung innerhalb der Gottheit ist vor allem seine wohl prägnanteste Formulierung des Entwicklungsgedankens gerichtet: Entwicklung ist die lex humani generis par excellence. Die Gnostiker, so muß man ergänzen, projizieren sie auf ihre dergestalt anthropomorphisierte Gottheit.84
Noch steht der Entwicklungsbegriff, wie ihn Theophilus und Irenäus einführten, nicht im erklärten Gegensatz zur apokalyptischen Endzeitbestimmung. Zwar ist die Vorstellung vom latenten Fortschritt, vom plötzlichen Eintreten der Chilias korrigiert und die Naherwartung beschwichtigt; gleichwohl galt es, die Tradition apokalyptischer Eschatologie gegen die individualisierende Eschatologie der Gnosis zu verteidigen und zu begründen. Am deutlichsten wird diese Tendenz bei Tertullian, der ja nicht nur in ähnlichen [23]polemischen Fronten stand, sondern darüber hinaus die montanistische Gegenwartsbestimmung zu begründen hatte.
Kein anderes Thema durchzieht alle Schriften Tertullians von Anfang an wie die Bedeutung der Zeitlichkeit. Das Wissen um das Zeitgesetz der steten Veränderung, so heißt es aristotelisch in »De pallio«85, schließt die Annahme von ewigen Ideen, von unveränderten Paradigmen des Wandelbaren aus, müßte man sich doch sonst zum Paradoxon bequemen, auch das Veränderliche als konstitutives Moment des Unveränderlichen anzunehmen.86 Tertullian versteht unter steter Veränderung den steten Wechsel von Trennung und Vereinigung87, die stete Aufeinanderfolge der Gegensätze als das Gesetz alles Zusammengesetzten, d. h. alles Geschaffenen. Aber aus diesem Gesetz der ewigen Wiederholung der Weltvorgänge lassen sich zugleich die Grenzen seiner Geltung deduzieren, denn der Zeitlichkeit dieser Welt in ihrer Gesamtheit muß die Ewigkeit folgen88, hebt sich doch der Begriff des ewigen Wechsels der Gegensätze zu guter Letzt doch selbst auf: der Gegensatz zu Wechsel ist Beständigkeit, nach dem Gesetz des Wechsels muß sie den Wechsel endgültig aufheben. Auch dieser Gedanke wurzelt im tradierten »Hinweis auf die Naturordnung« als Beweis der Auferstehung.89
In einem steten Wandel, in einem Kreislauf sieht Tertullian auch die Kulturentwicklung.90 Zwar wird die Welt *cultior de die91, der Erdkreis nahezu ganz befriedet92, aber im Bevölkerungszuwachs liegt eine Gefahr, der die Erde zunächst zwar mit ihrer eigenen Fruchtbarkeitsökonomie begegnet war93, die aber in der Gegenwart, in welcher der Gipfel der Zivilisierung erreicht und überschritten worden ist, zur zwangsläufigen Dezimierung des Menschengeschlechts durch Krieg, Seuchen und Hunger führen wird94; aber retrospektiv bedeutet der Fortschritt nicht unbedingt Zunahme des Glücks.95 Mit der Heilsgeschichte hat aber die Kulturgeschichte nur die Übereinstimmung mit dem Naturverlauf gemein, nicht aber ihr Objekt, welches nur die Geschichte des Gottesvolkes ist96, noch ihren Sinn, denn sie allein ist Fortschritt (reformatio in melius)97. [24]Dennoch waltet in der Heilsgeschichte qua Geschichte dasselbe Gesetz allmählicher Entwicklung wie in den immanenten Naturvorgängen auch, insofern sie sich der Situation der Menschen — Tertullian spricht von der mediocritas humana so, wie Theophilus und Irenäus von der lex humani generis — anpaßt. In seiner bereits montanistischen Schrift »De virginibus velandis« ist der Ansatzpunkt zur Beantwortung seiner konkreten Frage die grundsätzliche Erörterung über das Verhältnis zwischen Wahrheit und Gewohnheit, möchte er doch eine scheinbare novitas zur christlichen Lebensgewohnheit erheben. Es genügt ihm daher nicht, darauf hinzuweisen, daß Gott *veritatem se, non consuetudinem cognominavit98 — ein Schlagwort Gregors VII. in der Auseinandersetzung mit den *pravae consuetudines seiner Zeit99 — und auch die regula fidei, da sie *una omnino, sola immobilis et irreformabilis100 ist, als oberstes Kriterium der Kontrolle aller novitates hinzustellen: er muß, um die Notwendigkeit der Einführung neuer Bräuche zu beweisen, die Notwendigkeit der Entfaltung der Lehre und Disziplin über ihre bloße Möglichkeit hinaus beweisen.
Der ersten Begründung: unvorstellbar ist die Bekämpfung des Teufels, der »täglich Neues ersinnt«, ohne entgegengesetzte Erneuerungen101, folgt eine ihr übergeordnete Begründung. Die Vervollkommnung der disciplina102 ist in der Zeit Tertullians das »Mandat« des Parakleten103. *Ut, quoniam humana mediocritas omnia semel capere non poterat, paulatim dirigeretur et ordinaretur et ad perfectum perduceretur disciplina ab illo vicario Domini spiritu Sancto.104 Wie bei Theophilus und Irenäus sind es auch hier die »Schwäche« des Menschen (Irenäus), seine Mittelmäßigkeit, will sagen: sein non posse capere, auf die sich der Heilsplan einstellt, um den Menschen zu vervollkommnen durch stete, notwendige, weil durch seinen jeweiligen Entwicklungsstand bereits ermöglichte Neuerungen und Wiedererneuerung der Disziplin und Lehre per gradus temporum105. Die Veränderlichkeit des Gesetzes hält Tertullian den Kirchenverfolgern vor: menschliche Gesetze müssen sich ändern; er hält sie den Juden vor: auch die von Gott [25]für Menschen erlassenen Gesetze müssen sich *pro temporibus et causis et personis ändern106, jedoch nur so, daß die *primordialis et generalis lex107, die Adam und Eva im Paradies *quasi matrix omnium praeceptorum Dei108 gegeben wurde (wie später in der Kirche die regula fidei), bewahrt bleibt. Auch die Gesetzgebung am Sinaiberg war nur ein Glied in der Kette der Gesetzgebungsakte seit Abraham, in seiner Bedeutung gegenüber anderen Akten kaum hervorragend.109 Das gilt gewiß nicht für den Übergang vom Alten zum Neuen Testament; dennoch setzt er die allmähliche Vorbereitung dieses Übergangs dem *subito Christus, subito Johannes Marcions entgegen.110
Die allmähliche *perfectio ad meliora der Disziplin und Lehre setzt Tertullian mit der allmählichen Entfaltung der Gerechtigkeit gleich, gemäß den natürlichen Entwicklungsgesetzen überhaupt und den menschlichen Lebensaltern. Ist es doch ebenfalls der Paraklet, durch den die Gerechtigkeit zur Reife kommt. Gemeint kann nicht die göttliche Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit als Attribut Gottes sein, der Entfaltung zuzuschreiben Gnosis wäre; aber auch nicht nur die menschliche Gerechtigkeit (Gottesverehrung, Religion)111 und ihre Institutionen (Gesetz und Lehre), in denen sich Gott offenbart (wie er sich auch in der Natur offenbart, — *nam idem deus iustitiae et creaturae), indem er in angemessenen Abständen Förderer der Gerechtigkeit ausschickt. Er visiert vielmehr die übergeordnete Bedeutung an, den vom Logos geförderten Angleichungs-prozeß der menschlichen und göttlichen Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit zwischen Gott und den Menschen. Voraussetzung ist, daß man auch hier mit Adv. Marc. II, 27,7112 als Ziel der Entwicklung jenen Zustand postuliert, in dem der Mensch *divine agere oder *ex aequo agere cum deo gelernt haben (und dieses also seine Gerechtigkeit sein) wird. Der Vergleich zu unserem Text drängt sich durch die Weise der Gegenüberstellung der Allmacht und Würde Gottes mit der Unzulänglichkeit und Mittelmäßigkeit des Menschen (mediocritas humana) auf. Um die Angleichung, die Adaequatio zu erreichen, *conversabatur deus (humane) ex aequo [26]agebat cum homine; anders ausgedrückt: Gott, dessen Milde (lenitas) *pro captu mediocritatis humanae deiectius conversata, hat sich scheinbar erniedrigt. So heißt es auch am Anfang des Kapitels, auf die Menschwerdung bezogen113: * proponam: deum non potuisse humanos congressus inire, nisi humanos et sensus et adfectus suscepisset, per quos vim maiestatis suae, intolerabilem utique humanae mediocritati, humilitate temperaret, sibi quidem indigna, homini autem necessaria, et ita iam deo digna, quia nihil tam dignum deo quam salus hominis.
In seinen »Affekten« offenbart sich aber Gott von Anbeginn »menschlich«. Sein Zorn114 wie seine Milde und seine Geduld115 sind nicht nur darum Ausdruck seiner Gerechtigkeit, weil sie zur rechten Zeit walten, um die Weltordnung aufrechtzuerhalten. Die göttliche Gerechtigkeit ist auch pädagogisch, auf Adäquation gerichtet. Ihre Ausdrucksformen, wenn auch gewiß nicht ihre immanenten Eigenschaften, müssen daher menschenähnliche Affekte sein, denn nur so kann sie von Menschen begriffen und nachgeahmt werden, nur durch menschenähnliche Ausdrucksformen den Adäquationsprozeß göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit beginnen und fördern. Durch Gottes Entgegenkommen überwindet die Menschheit allmählich ihre »Schwächen«. Am Ende steht die »gegenseitige« Gerechtigkeit.116 Keine aequitas ohne ad-aequatio! Es handelt sich nicht, wie so oft, um überspitzte Formulierungen Tertullians: seine Adäquationslehre, wenn auch nicht an einem Ort zusammengetragen, so doch wiederholt begründet, ersetzt ihm die Vergöttlichung, wie sie von griechischen Kirchenvätern verstanden wurde. Eine Entwicklung zur Vergöttlichung, und sei sie nur wie bei Irenäus als Limesbegriff, als ewige Annäherung gedacht, kennt er nicht, auch nicht die Unterscheidung zwischen imago und similitudo Dei.117 Er betont auch nicht so ausdrücklich wie Irenäus, daß die lex humani generis allmählicher Entwicklung nur am Absoluten gemessen Schwäche ist, vom Standpunkt des Menschen aber seine Stärke. Für Tertullian sind es nicht so sehr die seelischen Kräfte der Menschen, ihre geistige Substanz, die sich [27]im Laufe der Geschichte entwickeln, als vielmehr die kollektiven Einrichtungen, die »Umgebung«, welche die immer vorhandenen Keimkräfte des Guten im Menschen durch ihre Entfaltung fördern oder hemmen können.118
In »De virg. vel.« folgt die Analogie zwischen Gerechtigkeitsstufen und natürlichen Wachstumsstufen.119 Sie wird damit begründet, daß idem Deus iustitiae et creaturae, in der Kreatur aber *nihil sine aetate est, omnis tempus expectat.120 Die Stufen natürlicher Entwicklung definiert Tertullian zunächst am Beispiel des Pflanzlichen. *Aspice ipsam creaturam paulatim ad fructum promoveri , wobei es ihm in diesem Teil der Analogie vornehmlich um die Allmählichkeit der Entwicklung zur Reife ankommt; darum die weitaus detailliertere Stufenaufzählung in diesem Teil der Analogie (also keine eindeutige Äquivalenz zur Abstufung der Gerechtigkeit), darum schließt er diesen Teil mit einem wiederholten Hinweis auf die Allmählichkeit.121 Nur durch den Hinweis *sic et iustitia (nam idem Deus iustitiae et creaturae) wird der Vergleich (der Gerechtigkeitsstufen mit den Stufen pflanzlichen Wachstums) nachträglich hergestellt, während die Gerechtigkeitsstufen selbst, mit den Menschenaltern gleichgesetzt, als Menschenalter beschrieben werden: *(iustitia) primo fuit in rudimentis, natura Deum metuens, dehinc per legem et prophetas promovit in infantiam, dehinc per Evangelium efferbuit in iuventutem, nunc per paracletum componitur in maturitatem. Der Analogiewechsel verdeutlicht, daß die Entwicklung der Gerechtigkeit der spezifisch menschlichen Entwicklung folgt, und nur insofern sie allmählich der Reife zustrebt, auch unter dem allgemeinen Entwicklungsbegriff (aller Lebewesen) subsumiert werden kann.
Den Topos der »Pflanze der Gerechtigkeit, die ihre Frucht zur rechten Zeit hervorbringt«122, hatte auch Irenäus auf die Heilsgeschichte übertragen. Indem er die Weinbergparabeln Matth. 21,33; 20,1 ff. auf diese eine Grundvorstellung zurückführte123, vermochte er im Anbau des Weinberges und in den Tagesstunden gleichermaßen Sinnbild der fünf Perioden der Heilsgeschichte (Adam — [28]Moses — David — transmigratio — Christus)124 zu sehen. Gleich Tertullian führt er die Analogie zwischen natürlichen Wachstumsstufen und Gerechtigkeitsstufen nur bis zur »Reife«; damit aber heben sich diese Periodisierungsversuche von den »Weltaltern« eines Prudentius oder Augustinus als Perioden der Heilsgeschichte deutlich ab.125 Mit der Rechenschaft aber, die sich Tertullian über die bisherigen Entwicklungsstufen der Heilsgeschichte gibt, will er seine Gegenwartsbestimmung begründen, die Gewißheit nämlich, daß die vierte Stufe, das Geisteszeitalter, schon angebrochen ist.
Bei Lactanz ist zwar keine über die apokalyptischen Endzeitberechnungen hinausgehende Gegenwartsbestimmung zu finden, wohl aber waren seiner Vermittlung viele einzelne Vorstellungen und Argumente zu verdanken. Auch er versinnbildlichte die drei weltgeschichtlichen Gerechtigkeitsstufen mit der (allerdings nur angedeuteten) Parallele zum Einzelleben. Diese Entfaltung zur Tugend sah er, wie auch später Ambrosius, darin begründet, daß »die Unsterblichkeit nicht mühelos erlangt werden sollte«126. An Seneca erinnern seine Ausführungen über die »Unerschöpflichkeit« der Weisheit127, die er der blinden Verehrung der alten Denker und des herkömmlichen Kultes überhaupt128 entgegenstellte. Lactanz ist sich schließlich auch des Fortschritts der christlichen Apologetik seit Tertullian und Cyprian bewußt, und er schreibt diesen Fortschritt einer naturgemäßen Pädagogik zu.129 Gegen die »platonische« Aeonenlehre betonte Lactanz, wie schon vor ihm mit subtileren Argumenten Tertullian, das »absolute« Altern der Welt.130 Im gleichen Zusammenhang widerlegt er die römischen Renaissance-ideologien mit einer Vorstellung, der sich diese Ideologien selbst bedienten: mit dem Vergleich der Epochen römischer Geschichte und der Lebensalter des Einzelnen.131 Lactanz ist somit der erste christliche Schriftsteller, der diese römische Aetateslehre ausdrücklich aufführt; aus ähnlichen Quellen kannten sie auch Jordanes und Orosius132; diesen ist ihre Weitertradierung im Mittelalter zuzuschreiben. Die römische Aetateslehre deutete schon Livius an [29]und begnügte sich nicht mit der bloßen Metapher des »Kindesalters« des römischen Volkes, sondern bestimmte auch, was die eigentliche Entwicklung der Stadt ausmachte: die Assimilierung der hinzugezogenen plebs.133 Nun verbindet aber die Aetateslehre in ihrer späteren, sehr schematischen Form134 die Einsicht in die stete, »naturgemäße« und dem Einzelleben vergleichbare Depravation mit der in der kosmischen Kreislauflehre begründeten Hoffnung auf Regeneration. Lactanz, der die Aeonenlehre bereits widerlegt hatte, reduzierte die Aetateslehre auf den konsequenten Vergleich mit dem Einzelleben und erhielt so den »biologischen Beweis gegen die Ewigkeit Roms«135. Augustin ging einen Schritt weiter. Die Übertragung der Aetateslehre auf das Gesamtgeschehen mag auch der römischen Aetateslehre zugrundegelegen haben. Unbedingt neu war sein Beweis, daß die einzige Möglichkeit eines unbegrenzten Fortschritts nur im Geistigen, nicht in der quasi biologischen Entwicklung gelegen sein kann.
»Frosch- und Regenwurmperspektive« nannte Celsus den jüdischen und christlichen Auserwähltheitsdünkel, die eingebildete Vorstellung eines im Verborgenen wirkenden Gottes, der »die ganze Welt und den Lauf der Himmelsgestirne« vernachlässigt, um seine ausschließliche Aufmerksamkeit einer unscheinbaren Gemeinschaft zu widmen.136 Auf die Geschichte übertragen hieß dieselbe Frage: Wenn Christus Erlöser war, warum erschien er nicht früher, und worum kümmerte sich die Vorsehung bis zu ihm?137 Und auf die konkreten politischen Verhältnisse bezogen lautete die Konsequenz: sind die Christen eine Gemeinschaft der Weltentrückten, so dürfen sie nicht in den Genuß jener politischen Einrichtungen kommen, die sie ablehnen müssen.138 Tatsächlich war für Irenäus, [30]Hippolyt und Tertullian die radikale Scheidung der Heilsgeschichte von der Profangeschichte selbstverständlich. Die für den Beweis des Alters und der unübertroffenen Genauigkeit der christlich-jüdischen Überlieferung unumgängliche Beschäftigung mit der heidnischen Geschichtsschreibung nennt Tertullian »Wandeln in der Fremde«139, der christliche Geschichtsschreiber (oder Apologet) soll sich zur heidnischen Historie und Philosophie wie der Christ zu dieser Welt überhaupt verhalten: nichts »Heimisches« und Verwandtes begegnet ihm da. Vollends undenkbar ist die Verwirklichung des Reiches Christi auf Erden, während die bisherigen politischen Einrichtungen bestehen; die Vorstellung vom Millenium ist revolutionär.140
Der universalen Geltung des Heilsplanes sowohl wie seiner notwendigen Anpassung141 an die immanenten Möglichkeiten aller geschaffenen Geisteswesen gab Origenes die bis dahin geschlossenste philosophische Begründung: indem er Akkommodation und Heilserziehung aus dem Prinzip der Willensfreiheit allein ableitete, führte Origines die alexandrinischen Ansätze zur Individualisierung der Eschatologie und der Heilsgeschichte konsequent bis zur Relativierung der Geschichte (als Gemeinschaftsgeschichte verstanden) überhaupt fort. Da die Güte Gottes die intelligible Welt, die *logika oÙs ai oder nÒej schuf, schuf sie sie nur, »soweit sie seine Vorsehung umschließen konnte«. Ihre unzerstörbare, immanente Freiheit, sich auch von Gott abzuwenden (*yuca zu werden), läßt der Vorsehungslenkung Gottes nur einen Weg offen, die Seelen zurückzuführen, »nämlich den der Erziehung , deshalb wird Vorsehung, *prÒnoia, mit pa deusij identisch«.142 Da auch der Fortschritt der Erziehung am Faktum der Freiheit nichts ändert, ist stets der Rückfall möglich; die Vollendung des göttlichen Erziehungswerkes erstreckt sich daher über unzählbare Aeonen.143 Die Vorstellung der Aeonenfolge als begrenzte Strecken in einem Läuterungsprozeß von einer unermeßlich langen, doch nicht ewigen Dauer143a ist zwingend, bedenkt man, daß jede Seele ihren eigenen Heilsweg hat, daß es keine in jeder Hinsicht gemeinschaftlichen Vervollkommnungsstufen [31]gibt. In jedem der Aeonen sind die Seelen in verschiedenen Vervollkommnungsstufen, in einer gröberen oder feineren körperlichen Gestalt, die an ihnen für die Dauer des Aeons haftenbleibt.144 Es stimmt zwar, daß jeder Aeon nach demselben Entwicklungsschema abläuft, da aber jede apokatastasis eine neue Differenzierung bestimmt und die Individuen, die in diesem oder jenem Zustand sich befinden, je andere sind, aber da auch mit der Zeit die Anzahl derer, die die Vollkommenheit erlangten, wächst, bedeutet die Aeonensukzession niemals die Wiederholung des Gleichen.145
Aber diese entapokalyptisierte Eschatologie enthält noch nicht die historische Antwort auf die Frage nach der Vorsehung in der Geschichte. »Verwandtes« in der heidnischen Geschichte entdeckten die Alexandriner seit Philo zumindest in der griechischen Philosophie. Die Rolle der Philosophie in der Vorbereitung (propaide a) des Evangeliums, die Erkenntnis, daß auch die Hellenen im Kindesalter, zur gleichen Zeit wie die Juden, unter dem Gesetz waren, sind für Clemens von Alexandrien ein Ausdruck dafür, daß nirgends und zu keiner Zeit die gentes vom göttlichen Erziehungswerk ausgeschlossen waren.146 Sein Schüler Origenes deutete bereits die Einbeziehung auch der politischen Geschichte der Weltreiche in die positive Heilserziehung an; die pax Romana erkannte er als Voraussetzung der weltweiten Verkündigung147; Christus selbst wollte nicht die *st£sij148; die Verwirklichung seines Reiches in den Seelen der Einzelnen149 und die Ablehnung des Chiliasmus machen durchaus die allmähliche Verwandlung des Imperiums in ein christliches — dessen Waffe das Gebet ist — denkbar.150
In der Geschichtstheologie des Eusebius von Caesarea ist aus der Möglichkeit Notwendigkeit geworden. Die Begründung für die Notwendigkeit des christlichen Imperiums gewann er aus der universalhistorischen Rückschau; ihm waren alle historischen Ereignisse, sei es die Geschichte des Volkes Gottes, sei es die politische Geschichte, heilsgeschichtlich relevant; in den verschiedenen Aspekten der Universalgeschichte — Religion, Machtgeschichte und Zivilisationsfortschritt [32]— sah er verschiedene, aber einander bedingende Momente im Wiederherstellungsprozeß der eigentlichen Menschennatur, an dessen immanente Dynamik sowohl die Offenbarungsgeschichte als auch die strafenden Eingriffe Gottes je angepaßt151 waren. Neu ist weder sein Entwicklungsbegriff noch sein Periodenschema, wohl aber die Übertragung bisheriger Kategorien — darunter auch die Trias ante legem, sub lege, sub gratia — auf die ganze Breite historischer Erscheinungsformen; neu ist vor allem die Ortsbestimmung der eigenen Gegenwart in der Heilsgeschichte aus der kausal und teleologisch begründeten universal-historischen Epocheneinteilung.
Auch die Frage nach der scheinbaren Neuheit und eigentlichen ¢rc» des Christentums152 tut Eusebius nicht mit dem Hinweis auf die Praeexistenz des Logos153 und auf die ununterbrochene Sukzession der Gerechten, die man auch schon Christen nennen könnte154, ab. Die ¢rc» des Christentums setzt Eusebius nicht nur mit dem bloßen Vorhandensein und örtlich begrenzten Fortschritt der wahren Religion, sondern vor allem mit der universalen, immanent-historischen Wirkung der Logossamen auch in den vorchristlichen Zeiten. Ohne diese universale Wirkung wäre weder ein Fortschritt der Politeia noch der Künste möglich. Als Theologe begründet sie Eusebius teleologisch, als Historiker umreißt er ihren kausalen Zusammenhang.
Von Natur aus ist der Mensch ein königliches Wesen und als solches Ebenbild Gottes.155 Im Paradies sollte sich die Menschheit, die sich noch im Kindesalter befand156, ungestört entfalten. Der Ungehorsam aber, der Mißbrauch der königlichen Freiheit steigerten sich allmählich zum Polytheismus, zum religiösen Chaos. Um so leichter geriet die natürliche, monarchische Gemeinschaftsordnung in die Polyarchie, schließlich in das totale politische Chaos (Anarchie). Wo aber keine Gemeinschaft ist, da sind auch (hier liegt wohl die griechische Lehre von der Arbeitsteilung zugrunde) keine Künste.157 Der Mensch lebte in der »Einöde« nomadisch. Das Wachstum der prädiluvialen Menschheit vergleicht Eusebius mit [33]dem Wuchern eines Urwaldes (¢gr a Ûlh)158. Ûlh bedeutet aber auch Urmaterie und Chaos. Indem der Mensch also seine wahre Natur von sich abstreifte, blieb nur die »Materie« Mensch, die animalisierte Menschheit, im gesellschaftlichen Chaos übrig. Die strafenden Eingriffe Gottes änderten nichts an der immanenten Entwicklung des Zeitalters zur Selbstauflösung, sie retteten nur die wenigen Gerechten, die in ihrer Zeit weder unmittelbar noch mittelbar wirken konnten. Das zweite, auf die Sintflut folgende Zeitalter begann mit der Wiederherstellung der Gemeinschaft und Einführung von Gesetzen (Polyarchie) und endete mit dem Zusammenwachsen der verschiedenen Gemeinschaften zu einer umfassenden Politeia, zur Universalmonarchie. Es ist also das Zeitalter, in dem die Menschen — überall unter Gesetzen lebend — wieder Gehorsam lernten. Der Historiker kann sich aber nicht mit der Vorstellung mehrerer, unabhängig voneinander begonnener Gemeinschaftsbildungen begnügen. Die Entstehung aller Gesetzeswerke läßt sich auf die Rezeption oder auf den Einfluß der mosaischen Gesetzgebung zurückführen.159 Zwar beschränkte sich die Offenbarung seit Abraham auf das jüdische Volk, mittelbar aber wirkten die Logossamen überall. Auch die Universalmonarchie verdankt ihnen ihr Entstehen. Überspitzt könnte man das Zeitalter des Chaos ein Zeitalter ohne Wirkung des Christentums und das Zeitalter des Gesetzes ein Zeitalter der mittelbaren Wirkung des Christentums nennen. Unmittelbar konnte das Christentum erst nach der vollen Offenbarung des *swt»rion dÒgma und dem Erscheinen der Christen als eigenständiges Volk160 wirken.
Zur Reichstheologie des Eusebius wurde gelegentlich bemerkt, sie beruhe auf dem »do-ut-des«-Prinzip.161 Das gilt eher für die Apologetik alten Stils, für Melito von Sardes oder sogar Tertullian, der die Tolerierung des Christentums verlangte, weil die Christen für den Fortbestand der Welt und somit des römischen Reiches beten. Eusebius aber wollte mehr. Ihm konnte es nicht genügen, gegenseitige Verdienste aufzuzeigen, wollte er die konstantinische Wende als geschichtsnotwendige Bestätigung und als Höhepunkt eines [34]längst begonnenen Prozesses hinstellen. Die unmittelbare Wirkung, das Wachstum des *non Ðmologoumnwj qnoj zum p£ntwn tîn qnîn poluanqrwpÒtaton162 im dritten Zeitalter verdankt zwar dem Imperium ihren raschen Vorgang und zunächst ungehinderte Verbreitung; aber eben durch das christliche Volk bekommt das Imperium erst seinen Sinn und inneren Zusammenhalt, sind doch die Christen das einzig wirkliche, weil übernationale, imperiale Volk und dazu berufen, aus vielen Völkern ein Volk zu schaffen und die Aufhebung der Politeia in der Basileia Gottes163 vorzubereiten. Die entapokalytisierte Eschatologie verwandelt sich in ein sich in der Geschichte allmählich verwirklichendes politisches Ideal.164 Das Bewußtsein, ins letzte historische Stadium dieser Bewegung eingetreten zu sein, und die Deduktion dieser Gewißheit aus der historischen Rückschau blieben Vorbild auch für spätere Versuche einer eschatologischen Gegenwartsbestimmung.
Im Banne der eusebianischen Reichstheologie standen auch die christlichen Geschichtsdeutungen des Westens im vierten Jahrhundert. Ambrosius, an den nicht zufällig eine der ersten originellen Geschichtsdeutungen des Mittelalters anknüpfen wird, übernahm nicht nur rezeptiv die eusebianische Zuordnung der pax Romana zum Christentum165; er fügte sie auch in seine von anderen Quellen angeregte Lehre von der weltgeschichtlichen Entfaltung und fortschreitenden Harmonisierung der Tugenden ein.166
Eindeutig interpretierte Ambrosius die reformatio in melius dahingehend, daß das Ende den Anfang übertreffen wird, daß es der Sündenfall dem Menschen ermöglichte, vollkommener ins Gottesreich einzutreten als sogar im paradiesischen Urzustand; die *felix culpa (fructuosior quam innocentia) eröffnete erst den mühevollen und widerstandsreichen Weg, den die Tugend notwendigerweise braucht, um sich entfaltend zu vervollkommnen.167 Die Perioden der Heilsgeschichte, vorgeformt in den vier paradiesischen Flüssen, galten ihm als die universalhistorische Zeit der Entfaltung der iustitia. Die Gerechtigkeit selbst ist keine *pars virtutum, denn *ubi iustitia ibi concordia virtutum est ceterarum.168 Ihrer Verwirklichung [35]im Zeitalter des Evangeliums aber mußten die Zeitalter der *prudentia (tempus ex mundi principio usque ad diluvium), der temperantia (Zeitalter der Patriarchen), der fortitudo (Zeitalter des Gesetzes und der Könige) vorangehen.169 Vorgeformt waren die Kardinaltugenden und die Zeiten ihrer Entfaltung in den vier paradiesischen Flüssen.170 Aufgehoben sind sie in der Harmonie der Tugenden; das Zeitalter des Evangeliums ist folgerichtig das Zeitalter ihrer *impletio.171 Der exegetische Ursprung der Lehre findet sich bei Philo172, aber erst Ambrosius erweiterte diese Deutung zu einer universalhistorischen Periodenfolge.173
Wieder begegnen wir der Vorstellung einer naturgemäßen Notwendigkeit kulturellen Fortschritts als Argument in der Polemik gegen Symmachus, bei Ambrosius sowohl174 als auch bei Prudentius. Seine Aetateslehre brachte die eusebianische Geschichtstheologie auf eine denkbar einfache Formel. Er belehrt seine Widersacher über den ihnen entgangenen Unterschied zwischen der unvermeidbaren Entwicklung zum Besseren und der Depravation, zwischen natürlichem und widernatürlichem Wandel.175 Die rhetorische Eloquenz176 des Symmachus schützt ihn nicht vor Inkonsequenz. Wenn er und seine Anhänger jeden Wandel als Depravation brandmarken, so denken sie nicht etwa daran, die urrömische Religion, die dem Urmonotheismus noch nahestand177, zu eruieren, so wie es ihnen nie einfallen würde, sich für die Wiederherstellung der wilden Primitivität, der Frühstadien der Unkultur, einzusetzen.178 Gerade das historische Produkt religiösen Wandels seit den Anfängen römischer Expansion möchten sie konservieren, das chaotische Nebeneinander aller eingeführten, fremden, besiegten Gottheiten.179 Der Polytheismus als solcher ist als Abfall vom Urmonotheismus zu werten, auf dessen Wiederherstellung die menschliche Entwicklung naturgemäß zielt. Aber auch dem urrömischen Polytheismus muß die Entsprechung zur Kindheitsstufe konzediert werden, der spezifische Abfall der römischen Religiosität zur *prava observatio besteht darin, daß sie mit dem natürlichen Wachstum der geistigen Kräfte nicht Schritt zu halten vermochte. [36]Denn die Entwicklungsstufen des Menschengeschlechts im Vorbereitungsprozeß der göttlichen Unterweisung — in diesem Prozeß fiel Rom die Aufgabe zu, die Welt zu pazifizieren — sind mit dem *mobilis ordo des Einzelnen identisch.180 Aus den Gesetzen organischen Wachstums gewinnt Prudentius seinen Glauben an den unaufhaltsamen Fortschritt der Wahrheit, der schließlich mit dem Kulturfortschritt verknüpft ist, also auch mit der Kulturmission Roms.181 Beides unterscheidet ihn von Augustin.
Die Krise der römischen Reichstheologie wird mit den Äußerungen des Hieronymus zur Belagerung und Eroberung Roms sichtbar. Die Vorstellung von der pax Romana als steter Voraussetzung für die Verbreitung des Christentums und als Gewähr für den Fortbestand der Welt182 — die romfeindliche Lehre von den vier Weltreichen Hippolyts wandelte Hieronymus zu einer Stütze der Reichstheologie um — ließ nur noch die Gewißheit des nahenden Weltendes zu.183 Um Angreifern und Zweiflern eine andere Antwort geben zu können, mußten die Vorstellungen vom weltverbessernden Christentum neu überdacht werden.
Die wesentlichen Begriffe und theoretischen Begründungen der Geschichtstheologie Augustins finden sich bereits in seinen Frühschriften zur Widerlegung des Manichäismus. Diese Widerlegung geschieht nicht anders als durch eine Umkehrung manichäscher Vorstellungen, durch ihre Reduktion auf ihren wahren Kern. Wenn auf manichäische Residuen aufmerksam gemacht wurde184, so wollen wir deren Vorhandensein weder bestreiten noch in ihrem Umfang bestimmen, glauben jedoch, daß Augustin sie bewußt rezipierte. Er beweist nämlich185, daß der Dualismus zwar kein göttliches und kosmisches Prinzip ist, wohl aber ein historisches; daß [37]zwar nicht die Gottheit, vom Bösen herausgefordert, in ihrer Selbstentfaltung und in der Erlösung ihrer selbst fortschreitet, wohl aber die Menschen; somit wäre der Ursprung des manichäischen Irrtums aufgedeckt: die Übertragung menschlicher Tatbestände in den Bereich des Göttlichen.186 So wollen wir seine »mittelbare«187 Widerlegung des Manichäismus in »De vera religione« im Hinweis auf die spezifischen Triebkräfte der Geschichte, welche der Manichäismus abstreiten mußte, verstehen.
Aus diesem Grunde betont Augustin gerade in dieser Frühschrift (389/91) bereits die radikale Scheidung des *genus humanum ab Adam usque ad finem huius saeculi in duo genera quorum in uno est turba impiorum in altero series populi uni deo dediti.188 Genetisch betrachtet, hinsichtlich ihrer ursprünglichen Möglichkeit, bilden die Menschen ein Geschlecht; vom Ende her betrachtet zerfallen sie in zwei Geschlechter. Augustin übernimmt an dieser Stelle die Analogie der Menschen-und Zeitalter: *sic proportione universum genus humanum, cuius tamquam unius hominis vita est ; aber im Gegensatz zur Tradition dieser Analogie189 unterscheidet er sehr genau zwischen natürlicher Entwicklung und geistigem Fortschritt. Die Stufen beider hat er im Vorhergegangenen kurz beschrieben. Diese Unterscheidung deckt sich nicht restlos mit dem (paulinischen) Gegensatz *homo terrenus — homo coelestis; die natürlichen Phasen der Entwicklung bleiben auch dem homo coelestis und mithin dem pius populus nicht erspart. Ziel der natürlichen Entwicklung des »äußeren Menschen« ist die Einordnung in die Gemeinschaft; schon hier spricht Augustin von der civitas terrena. Höhepunkt der Gemeinschaftsentwicklung, so wird es in »De civitate Dei« heißen, ist die pax terrena. Darin zeigt sich die *dispensatio temporalis et medicina divinae providentiae gegen die, die infolge ihrer Sünde die Sterblichkeit verdienten.190 Die Vorsehung nimmt sich nicht nur des Einzelnen an, sondern auch des gesamten Menschengeschlechts *tamquam publice.191 Nun ist der homo coelestis (interior) der natürlichen Entwicklung zumindest anfangs unterworfen. Auch er ist mit einem Körper begabt, dessen geringste [38]Schönheit (extrema pulchritudo) sich erst in der zeitlichen Aufeinanderfolge entfaltet (rapitur in ordinem successionis).192 Gering ist diese Schönheit *quia simul non potest habere omnia, weil erst am Ende ihres Entfaltungsprozesses die Einheit ihrer vorläufigen Formen offenbar wird.193 Schönheit kann aber keinem Geschöpf abgesprochen werden, welches Einheit, und sei es eine in der Zeit sich vollziehende Einheit, hervorbringt und seinen Ort in der vorbestimmten Ordnung einnimmt, d. h. mit sich und seiner Umgebung zur »Übereinstimmung«194 gelangt. Der Werdegang der Körper ist meßbar; er ist als allmähliche Entfaltung der *seminales rationes195 zu begreifen, als allmähliche Verwirklichung von Zahlen und Maßen in »äußerlichen«, räumlichen Formen und Gestalten, wobei auch die Dauer der Entfaltung numerus und ratio hat.196 In Zeiteinheiten meßbar ist daher auch der Werdegang des homo terrenus und analog zu diesem der procursus der civitas terrena bis zum Zeitpunkt vollendeter natürlicher Entfaltung. Darum entbehrt auch sie nicht ein bestimmtes Maß an Schönheit (modum quendam pulchritudinis suae).197 Auch hat jeder Einzelabschnitt *decorum suum, insofern er nämlich ein Teilziel verwirklicht.198 Nicht in Zeiteinheiten meßbar ist hingegen der geistige Fortschritt, die *spiritales aetates. Von der naturgesetzlichen Notwendigkeit im Ablauf der natürlichen Alter bleibt hinsichtlich des geistigen Fortschritts, der von der individuellen Freiheit der Entscheidung in jeder seiner Phasen abhängt198a, nur noch die Allmählichkeit. Gewiß setzt die Wiedergeburt im Geiste äußere Reife voraus, aber auf keinen Fall ist mit der natürlichen Entfaltung auch geistiger Fortschritt gesichert. Vielmehr wird der geistige Mensch stärker, je schwächer der fleischgebundene, äußere Mensch wird, sein Fortschritt, der *non annis sed provectibus199 meßbar ist, fällt — das wird in anderen Schriften noch deutlicher — in die Zeit des Körperverfalls, die einzige Zeit also, die auch beim homo terrenus nicht meßbar ist; lediglich dem Inhalt nach stehen Reihenfolgen, Anfang und Ziel fest. Auch hier zählt Augustin sechs Zeitalter, die sich jedoch auch bei dem homo coelestis mit den sechs Zeitaltern seiner natürlichen [39]Entfaltung decken. Den Vergleich mit weltgeschichtlichen Zeitaltern konstatiert er in »De vera religione« bloß, ohne ihn auszuführen; dies hatte er bereits in »De Genesi contra Manichaeos« unternommen.
Dort beschrieb Augustin die Struktur natürlicher Entfaltung beim Menschen und in der Geschichte200, nachdem er im vorangegangenen Kapitel den Inhalt jeder der natürlichen Phasen des Gottesvolkes bestimmt hatte. Nun teilt er die Geschichtszeitalter in drei größere Abschnitte. Die Entwicklungseinheit des Menschen ist das Jahr, die der Menschheit die Generation. Infantia und pueritia sind der Entfaltung der Sinne vorbehalten; ihre Dauer beträgt daher je zehn Generationen, Produkt von fünf (Sinne) und zwei (Geschlechter), sie ist zweckbestimmt. Adulescentia, iuventus, gravitas sind der Entwicklung der Vernunft (actio und cognitio) vorbehalten und dauern daher je vierzehn Generationen, die Summe von fünf (Sinne) und zwei (Fähigkeiten, die hinzutretenden actio und cognitio)200a mal zwei (Geschlechter). Die spezifische (äußere) pulchritudo, so darf hinzugefügt werden, ist somit im fünften Zeitalter erreicht; darum wird die senectus, das sechste Zeitalter, *nullo annorum tempore begrenzt: weder kennt der Einzelne seine Todesstunde201 noch die Welt ihre Endzeit. Aus der Fragestellung Augustins — warum die Zeitalter ungleich seien — ergibt sich das Beweisziel, die Widerlegung aller Versuche der Endzeitberechnung. Daß diese Widerlegung ein Argument umkehrt, das gelegentlich schon zur Bekräftigung der Endzeiterwartung benutzt wurde, beweist schon das oben erwähnte Beispiel Tertullians, der den Einbruch des Geisteszeitalters organologisch begründete. Demselben Zweck dient der Hinweis auf die Generationen als Grundlage der Aetatesberechnung.202
Man beachte aber, daß sich die drei großen Abschnitte — Entfaltung der Sinne, Entfaltung der spezifisch menschlichen Eigenschaften, Erwartung des natürlichen Todes — nicht ganz mit der heilsgeschichtlichen Trias ante legem, sub lege, sub gratia decken, wie sie etwa — als quattuor differentiae — im »Enchiridion« vorkommen.203 [40]Den aetates mundi entsprechen gewissermaßen tempora mundi. Weil sie auch (aber nicht nur) den Werdegang des Gottesvolkes bestimmen, wenngleich nur »äußerlich«, dienen sie zur Erläuterung der Heilsgeschichte.204 Ihre ersten Entwicklungsstufen durchläuft die Heilsgemeinschaft bis Abraham mit der übrigen Welt: Assimilation und Dissimilation sind ja die äußeren Merkmale jeder Entwicklung.205 Vom dritten Zeitalter an ist ihre Geschichte gesondert, wenn auch noch immer unter dem Gesichtspunkt der natürlichen Entwicklung zu betrachten. Erst im sechsten Zeitalter wird das Gottesvolk wiedergeboren; dann erst beginnen seine spiritales aetates. Vom Standpunkt des auserwählten Volkes aus gesehen sind die ersten beiden Zeitalter — die Zeit der Sinne — Vorgeschichte. Sie sind es auch für die übrige Welt, da das erste Zeitalter sine memoria gewesen sein soll, das zweite wenig Erinnerungen aufweist.206 Die Struktur der »Vorgeschichte« mag Augustin den »Antiquitates« Varros verdanken207, die Bestimmung der infantia als der Zeit der Erinnerungsschwäche geht auf Plato zurück.208 Die eigentliche Heilsgeschichte ist in den sechs Schöpfungstagen vorgeformt. Dem Morgen und dem Abend entsprechen die wiederholten Neuanfänge jedes Zeitalters und die wiederholte Überhandnahme des Bösen in seinem Verlauf: so stehen Erlösungszuversicht, Rettung, Noe, Abraham, David, babylonische Gefangenschaft, Christus gegen Sintflut, Turmbau, Saul, Vertreibung, Verlust der Autonomie, Antichrist. Nur ist jeder Neuanfang gleichsam der höheren Entwicklungsstufe angepaßt, die das Volk Gottes natürlicherweise erreicht hat. Darum wählte sich Augustin die so seltene Sechsteilung der Menschenalter.209 Mit dieser Analogie hebt Augustin den Eindruck eines bloßen Kampfes zwischen Gut und Böse, der sonst entstanden wäre, auf, indem er beides, Heilsökonomie und Teufelslist, gleichsam der natürlichen Entwicklung angepaßt sieht210, welche daher insofern immanent und indifferent zugleich ist, als sie sich dem Guten wie dem Bösen öffnet; nur insofern sich auch das Böse der Harmonie am Ende einfügt, ist auch die natürliche Entwicklung nicht indifferent.211
[41]Der unvollständigen Antwort auf die Frage *quare non ante venit Christus — sie wurde nicht nur von der antichristlichen Polemik (Porphyrios) aufgeworfen, sondern laut Augustin auch von Christen — dient die Aetateslehre in »De diversis quaestionibus«: *Quia omne pulchrum a summa pulchritudine est temporalis autem pulchritudo rebus decedentibus succedentibus peragitur. Habet autem decorum suum in singulis quibusque hominibus singula quaeque aetas Sicut ergo absurdus est qui iuvenilem tantum aetatem vellet esse in homine temporibus subdito , sic absurdus est qui in ipso universo genere humano unam aetatem desiderat; nam et ipsum tanquam unus homo aetates suas agit. Nec oportuit venire divinitus magistrum, cuius imitatione in mores optimos formaretur, nisi tempore iuventutis.212 Aus den »Retractationes« geht hervor, daß Augustin hier eine Dreiteilung der Zeitalter gemäß der Trias meint.213 An einer anderen Stelle in »De div. quaest.« wiederholt er die Überlegungen von »De Gen. con. Man.« c. 24 nahezu wörtlich214, wiederum in der Auseinandersetzung mit Endzeitberechnungen.
Im Streit um den doppelten Kirchenbegriff der Donatisten und um ihren Zweifel an dem unaufhaltsamen Wachstum der Kirche als Erfüllung der göttlichen Verheißung schien es Augustin, als sei Tychonius, selbst Donatist, »erwacht« und habe den richtigen Standpunkt gegen die Sektierer angenommen; tatsächlich war Tychonius von der Unmöglichkeit überzeugt, bis an das Weltende »Spreu« und »Weizen« in der Kirche völlig zu scheiden. Auch vom steten Wachstum der Kirche war er überzeugt. Dieses Wachstum der »Zahl der Gerechten« vergleicht er mit dem Wachstum des Einzelnen; es ist ein Wachstum ohne Veränderung, denn *ab initio gratia data est per Christum.215 Beide Anschauungen — die Leugnung der Möglichkeit, in der Welt endgültige Unterscheidungskriterien zwischen *intus videri und *intus esse in der Kirche aufzustellen216, und darum die Meinung, daß der eigentliche Fortschritt der Kirche die latente Auffüllung der Zahl der Erwählten, der Bürger der civitas Dei, eher denn als Glaubensfortschritt zu [42]begreifen ist217 — sind die Momente des »eschatologischen« Kirchenbegriffes Augustins.218 Es entspricht insofern der Ablehnung jeglicher Endzeitberechnung, als hier wie dort die Überzeugung zugrunde liegt, es gebe keine äußeren Kriterien dafür, in welchem Umfang die Kirche ihre Aufgaben in ihrer gesamten Weltzeit (als welche Augustin das regnum Christi per mille annos betrachtet)219 bereits erfüllt habe und wann das Ende kommen werde; die Heilsverkündung, so schreibt Augustin an Hesychius, sei noch nicht überall hingelangt; und wäre sie es, so würde auch das noch immer kein Endzeitzeichen sein.220
Eine andere Konsequenz der Anschauung vom »monotonen« Wachstum der Kirche sind die Ausführungen des Vinzenz von Lerin, eine Generation nach Augustin, zum Dogmenfortschritt. Sie sind ebenfalls zur Bekämpfung der Ketzereien vorgetragen; die Sprache ist die des Tychonius und vor allem Augustins. Wenn Vinzenz die Zulässigkeit von novitates in der Kirche leidenschaftlich bestreitet221, so hat er zweifelsohne auch solche Häresien im Auge, die nicht nur der Sache nach Neuheiten einführen, sondern sie als solche anerkennen und ihre Notwendigkeit verteidigen: so zumindest argumentierte Tertullian, dem Vinzenz große Verdienste um die Verteidigung der Lehre bescheinigt, als dieser noch an der universalis ac vetusta fides festhielt, ehe er seine Meinung *mutata fecit ad extremum.222 Sollte Vinzenz nicht nur an die sachliche Verteidigung des Montanismus, sondern auch an die mit ihr verknüpfte Verteidigung der novitates, insofern diese der Schrift und der regula fidei nicht widersprechen, gedacht haben? Tatsächlich erscheint Vinzenz Begründung des wahren *profectus fidei (nove docere) im Gegensatz zur *permutatio (nova docere)223 mit dem Beispiel des Organischen wie eine Umkehrung der Beweismittel Tertullians gegen dessen Beweisziel gerichtet.224 Beweist ihm doch gerade die Analogie von *religio animarum und *ratio corporum, daß die Kirche wie der Einzelne zwar *aetatum ac saecularum gradibus an Verständnis, an Wissen und Weisheit zunimmt, jedoch nur als Entfaltung des je Vorhandenen; »religio«, [43]»ratio« sind nur im Hinblick auf die Wachstumsordnung verglichen. Was sich nach einer *recta proficiendi regula, nach einem *pulcherrimus crescendi ordo in je vorbestimmten Lebensaltern entfaltet, ist schon in der *ratio seminis latent enthalten.225 Die eigene natura bleibt beim Jüngling wie beim Greis sich gleich, die Körper bleiben immer dieselben, wenn sie auch ihre Glieder *processu annorum evolvant et explicent; und ähnlich die Seele des Einzelnen, ähnlich auch die Kirche.226
Anlaß zur historischen Konkretisierung der Trennung zwischen den duo genera hominum in ihrem Werdegang und Ziel waren für Augustin die Vorwürfe gegen das Christentum und die *murmurantes in den eigenen Reihen angesichts der Eroberung Roms durch Alarich. Die christliche Reichstheologie konnte sich nur eine Zeit vorstellen, in welcher der Bestand des Reiches (und mithin, ihren Voraussetzungen entsprechend, der Kirche) nicht mehr gewährleistet ist, die Endzeit nämlich227; andernfalls mochte man gegen das Christentum dasselbe Do-ut-des-Prinzip anwenden, das die Reichstheologie dem Verhältnis Imperium—Kirche zugrunde legte, um mit einer zwingenderen Logik als bisher von der Vergeltung jener Götter, die von der religio verdrängt wurden, zu sprechen. Zwar blieben der Apologetik, die auf die Vorstellung von der politischen Verantwortung des Christentums nicht verzichten wollte, auch nach dem »Sacco di Roma« noch andere Antwortmöglichkeiten als die apokalyptischen offen, sie wurde aber auf jeden Fall in jene defensive Stellung verdrängt, von der sie Eusebius befreite. Im ersten, »polemischen«228 Teil von DCD scheint auch Augustin den Weg der Do-ut-des-Apologetik einzuschlagen. Rom sei zwar nicht ewig, mit dieser Einschränkung aber würde Augustin das Wort des Rutilius Namatianus vom *ordo renascendi Roms nicht völlig abgewiesen haben, denn auch er weist auf die Wahrscheinlichkeit, daß sich Rom von den jüngsten Niederlagen erholen könnte, anhand der Geschichte nachdrücklich hin.229 Vorausgesetzt aber, daß Rom einen unwiderruflichen Machtverlust erlitt — so ließe sich noch immer die Vorstellung vom Beitrag des Christentums [44]zur Kultur und Gemeinschaft über den Rahmen des Imperiums hinaus erweitern. Man stelle sich vor, so lautet die erste Erwiderung Augustins, wie die gotischen Eroberungszüge ausgefallen wären ohne den mildernden Einfluß des christlichen Glaubens.230 Es ist dieser Gedankengang, den Orosius konsequent verfolgt. Auch er geht von der Voraussetzung aus, daß die tempora Christiana auch in der Profangeschichte, wenngleich diese in allen ihren Epochen *series calamitatum ist, besser seien.231 Zwar ermöglichte der Aufstieg Roms zur Weltmacht die Verbreitung des Christentums (und dieses war der heilsgeschichtliche Sinn und Grund der pax Romana)232; aber durch die assoziierten Barbaren dringt das Christentum auch über die Grenzen des Imperiums hinaus, und durch das Christentum ist der Bestand, wenn nicht der bisherigen Machtstellung Roms, so doch der romanitas gewährleistet.233 In den zehn Plagen Ägyptens sah Orosius ein Vorbild der zehn Verfolgungen, die die Kirche erdulden mußte und die mit der konstantinischen Wende ihr Ende nahmen: auch gegen diese Gegenwartsbestimmung seines Schülers polemisierte Augustin.234
Wenn aber Apologetik nicht wieder defensiv werden sollte, bedurfte es einer grundsätzlicheren Revision ihrer Voraussetzungen. Augustin gelangte zur Einsicht, daß auch die unausgesprochene Anerkennung des Do-ut-des-Prinzips die Notwendigkeit, nach jedem politischen Mißgeschick eine darauf zugeschnittene Apologetik oder gar Theodizee anzustrengen, heraufbeschwört; ist doch die Gesamtgeschichte series calamitatum. Darum soll im systematischen Teil von DCD bewiesen werden, daß die Suche nach dem Beitrag des Christentums zur irdischen Gemeinschaft und zur Verwirklichung ihrer Ziele sinnlos sei. Ausgangspunkt ist wiederum die Frage des Porphyrius nach der Historizität des Heilsweges: *Haec est igitur animae liberandae universalis via, id est universis gentibus divina miseratione concessa, cuius profecto notitia ad quoscumque iam venit et ad quoscumque ventura est, nec debuit nec debebit ei dici: Quare modo? et: Quare sero? quoniam mittentis [45]consilium non est humano ingenio penetrabile.234a Wohl gilt es, die Universalität und Allzeitlichkeit der Heilswirklichkeit historisch darzulegen; das aber bedeutet nicht, daß jede politische Gemeinschaft auf ihre Leistung in der praeparatio evangelica befragt werden kann, und umgekehrt, daß die bestehenden irdischen Gemeinschaften in den tempora christiana leichter an ihr Ziel, den irdischen Frieden, kommen. Wohl gab es eine Vorbereitung des sichtbaren Gottesstaates, der Kirche, aber nur eine dem Gottesstaat immanente Vorbereitung.
Nicht zufällig wechselt die Terminologie in »De civitate Dei« im Vergleich zu »De vera religione« von der biologischen zur juristischen Metaphorik. Wohl kam in »De vera religione« der Gegensatz zwischen natürlicher Entwicklung und geistigem Fortschritt zum Ausdruck, unklar blieb aber, in welcher Weise der pius populus vor seinem Durchbruch zur Geistigkeit Träger der imago des himmlischen Menschen gewesen sein soll, wenn auch er die natürlichen Entwicklungsstufen durchgehen mußte. Nunmehr spricht Augustin von beiden Menschengeschlechtern mystice als zwei Staaten (civitates) oder Gemeinschaften (societates)235, weil er sie von Anbeginn als Wahlgemeinschaften, als Zusammenschlüsse des Wollens und Strebens begreifen will. Nicht von Natur aus sind die Engel oder die Menschen Bürger des einen oder anderen Staates, sondern kraft eigener, freilich von der Gnade abhängiger Entscheidung. Die Engel, die nicht mit dem Teufel von Gott abfielen, konstituierten den Gottesstaat, dessen Bürger sie sind.236 Die Menschen, ursprünglich in ihrer Gesamtheit zur Ergänzung der vom Gottesstaat ausgeschiedenen Engel geschaffen237, konstituieren sich nach dem Sündenfall zu zwei »irdischen« Gemeinschaften, von der die eine mit dem Teufel untergehen soll238, die andere aber, schon jetzt den auf Erden pilgernden Teil des Gottesstaates darstellend, im himmlichen Gottesstaat aufgehen wird.239 Aber trotz dieser eschatologischen Bestimmung beider civitates kann zu keiner Zeit von »vier, nämlich zwei Engel- und ebenso vielen Menschenstaaten« die Rede sein.240 Die Gemeinschaft der [46]Engel und Menschen besteht schon jetzt im Willen, Gott anzuhangen, wie ja umgekehrt von Natur aus alle Engel gut waren und sich nur im Wollen und Begehren voneinander unterschieden.241 Der procursus des Gottesstaates auf Erden, die Pilgerschaft der Heiligen auf Erden und ihre schließliche »Sammlung« in der civitas Dei242 ist so zu verstehen, daß die Gemeinschaft der Menschen und Engel zwar schon im Wollen besteht, daß aber erst nach Ablauf der peregrinatio »innerhalb« des anderen Staates243 und nach der Auffüllung der vorherbestimmten Zahl der himmlischen Bürger auch den Menschen jene Gottesschau, nach welcher die Engel nicht mehr streben müssen, zuteil werden wird. Der Unterschied zwischen der civitas Dei coelestis und civitas Dei peregrinans in terra besteht nicht in dem, was vor allem eine Gemeinschaft zu einer solchen macht, nämlich in der Entscheidung über den Modus, in welchem ihre Bürger existieren wollen; der Unterschied ist ein anderer: ihn bestimmt der Grad, in welchem das Gewollte jetzt und nach der Aufhebung der Geschichte verwirklicht werden kann.244
Was ist es, das einen *coetus multitudinis zu einer res publica macht? Cicero sprach von *consensus iuris und *communio utilitatis. Augustins Erwiderung ist zugleich Definition der civitas terrena.245 Die iustitia, welche Cicero die wahre res publica bestimmen ließ und deren Werden er in den Altersstufen des römischen Staates beschreiben wollte246, bedeutete auch ihm nach der stoischen Definition, jedem das Seine zu gewähren. Wenn aber der irdische Staat den Menschen von Gott abbringt, so verwehrt er ihm den Weg zur höchsten beatitudo. Wie jede irdische Gemeinschaft, die in der Verherrlichung der irdischen Güter verharrt, ist auch die Gründung und der Fortschritt Roms dem Machtstreben und der Ruhmsucht zuzuschreiben247; von Gerechtigkeit zeugen weder das Selbstbewußtsein noch die Geschichte irgendeines irdischen Staates; folglich kann von keinem irdischen Staat als von einer »Sache des Volkes« die Rede sein, von einer Gemeinschaft des Rechts also; dennoch aber von einem Staat, d. h. einer communio utilitatis, die [47]sich aus der Übereinstimmung (concordia) von Wollen und Ziel ergibt.248 Den Ursprung auch der irdischen Gemeinschaften sieht Augustin im natürlichen Friedenstrieb.249 Er ist der Wille zum Frieden, also zur Eintracht (Harmonie) und zur beständigen Ordnung. *Ordo est parium dispariumque rerum sua cuique loca tribuens dispositio.250 Eine gewisse Harmonie erreicht auch der irdische Staat251, nicht aber die höchste und nicht einmal die von ihm erstrebte. Die ideale Stufenordnung der irdischen Gemeinschafts-formen — Hausgemeinschaft, Stadtgemeinschaft (civitas im engeren Wortsinn), Weltmacht252 — jene Stufenordnung, deren Entfaltung bei Eusebius eine positive und notwendige praeparatio evangelica war — bleibt besonders in ihrem letzten Ziel Utopie. Denn die treibende Kraft des irdischen Staatswesens, das, was die irdischen Staaten zur Expansion bis zur Erlangung der Universalherrschaft drängt, ist die libido dominandi, von der ja auch die innere Struktur jeder civitas — die Gemeinschaft von Herrschaft und Knechtschaft — bestimmt ist.253 Die Expansion ist notwendigerweise eine gewaltsame, wenn man die natürlichen Gegensätze der Völker und Sprachen betrachtet.254 Wohl ist das natürliche Ziel auch des Krieges der irdische Frieden255, aber jede Machtexpansion erzeugt im gleichen Maße Gegensätze, Zwietracht, in welchem sie Gegensätze in der ihr eigenen Weise, mit Gewalt, beseitigt. Die Zahl der äußeren Gegensätze scheint für Augustin in umgekehrtem Verhältnis zur Zahl innerer Gegensätze zu stehen, und das Maß der Zwietracht ist konstant, da jede Macht Gegenmacht erzeugt. Darum ist das Weltreich in seiner inneren Struktur die labilste aller Gemeinschaftsformen, und seine Eintracht ist die unvollkommenste.256
Die irdische civitas Dei unterscheidet sich von den irdischen Staaten nicht etwa darin, daß ein irdischer Staat, der den wahren Gott anbetet, undenkbar wäre. Gerade in einem so beschaffenen Grenzfall läßt sich der eigentliche Unterschied beider Staaten aufs genaueste bestimmen: *Et hoc est terrenae proprium civitatis, Deum vel deos colere, quibus adiuvantibus regnet in victoriis [48]et pace terrena, non caritate consulendi, sed dominandi cupiditate. Boni quippe ad hoc utuntur mundo, ut fruantur Deo; mali autem contra, ut fruantur mundo, uti volunt Deo; qui tamen eum vel esse vel res humanas curare iam credunt.257 Soweit überhaupt Vertrauen auf Gott in der civitas terrena vorhanden ist, so ist es durch den Leitsatz do ut des bedingt und auf das eigene Wohl gerichtet. Der Gottesstaat aber ist durch die Entscheidung seiner Bürger konstituiert, dem Willen Gottes, nicht dem eigenen Willen zu folgen. Peregrinans ist er nicht nur hinsichtlich der vorläufigen Unvollkommenheit seiner irdischen Bürger, sondern auch in der einfachen politischen Bedeutung des Begriffes, daß seine Bürger keine irdische Macht ausüben wollen258, da keine Brücke vom irdischen »Frieden eines Leichnams«259 zum ewigen Frieden vorhanden ist. Sie leben im irdischen Staat, weil sie keine politische Macht begründen wollen, und stehen seinen vernünftigen Zielen nicht im Wege, sollten sich aber auch nichts von ihm erhoffen und sind ihm auch nichts schuldig.260
In keiner Stelle der DCD weist Augustin auf die augusteische Weltkreisbefriedung als notwendige Voraussetzung der Verbreitung der Kirche hin.261 Die parallele Beschreibung der Geschichte beider Staaten dient nicht dem Nachweis ihrer schließlichen Einigung zu einem imperium christianum, sondern umgekehrt dem Beweis, daß, je sichtbarer die civitas Dei in der Geschichte wurde, desto deutlicher auch der Gegensatz zu allen Formen des irdischen Staates war. Von einem eigentlichen Staatsgebilde, das die eine oder andere Gemeinschaft repräsentiert, kann von der Sintflut bis zum Turmbau nicht die Rede sein. Der erste Begründer eines Großreiches, Ninus, und Abraham waren nicht zufällig gleichzeitig: mit dem assyrischen Reich kam die wahre Natur eines irdischen Staates zutage, mit Abraham sonderte sich jenes Volk, *in quo Dei civitas et in sanctis peregrinata est et in omnibus sacramento adumbrata262 sichtbar vom Weltstaat, den Abraham als seine ursprüngliche Heimat verließ.263 Das Werden des jüdischen Volkes beschreibt Augustin auch hier im Vergleich zu den Lebensaltern. [49]Als die irdischen Verheißungen an Abraham erfüllt waren, blieb das jüdische Volk im Irdischen haften; nach David, im »Mannesalter« des jüdischen Volkes, begann der Abfall, der jüdische Staat wurde ein Staat wie alle anderen, *et regni terreni surrexit exordium, ubi non defuerunt spiritales264, er wurde sich Selbstzweck265, und erneut trat eine Vermischung beider Staaten zutage. Die Kirche wurde gegründet, als der jüdische Staat gewissermaßen sich selbst zu Tode wirtschaftete und somit der Auserwähltheitsanspruch des fleischgebundenen Israels immanent widerlegt war.266 Sie wurde prophezeit, als Rom, dem die Weltherrschaft zufallen sollte, entstand, und begründet, als Rom die Weltherrschaft antrat267, um den entgegengesetzten Universalanspruch zu verkörpern. Die Entwicklung beider Staaten ist nichts anderes als die allmähliche, in ihren zeitlichen Stufen koordinierte Verwirklichung eines entgegengesetzten Universalanspruches. Weder vor noch nach der historischen Gründung der ecclesia bestimmten die Geschicke des irdischen Staates das Fortschreiten des Gottesstaates.
So stellte sich Augustin in allen seinen wesentlichen Äußerungen zur Geschichtstheologie nicht nur gegen apokalyptische Gegenwartsbestimmungen, sondern auch gegen jede mögliche Form heilsgeschichtlicher Gegenwartsbestimmung, sei sie aus der ausschließlichen Betrachtung der Kirchengeschichte oder gar aus der Betrachtung des Verhältnisses zwischen Profan- und Heilsgeschichte gewonnen. Das Mittelalter konnte einzelne Lehrstücke und Termini der augustinischen Geschichtstheologie so rezipieren, daß es der späteren Betrachtung schien, als wäre die Geschichte der mittelalterlichen Geschichtsanschauung nur eine fortwährende Anpassung augustinischer Ideen an die jeweiligen Zeitumstände (BERNHEIM). Aber die eigentlichen Aussagen Augustins konnten nur unverändert wiederholt oder abgelehnt werden. Um eine eigenständige Anschauung von der Geschichte — und das hieß auch für das Mittelalter: vom eigenen Ort in der Heilsgeschichte — zu gewinnen, mußten die wesentlichen Positionen Augustins aufgegeben werden. Die Tatsache aber, daß eine eigenständige Geschichtsphilosophie [50]erst nach Jahrhunderten entstand und daß sich auch dann die Abwendung von Augustin oft als erneute Hinwendung zu ihm ausgab, bedeutet indessen, daß die Geschichte der Geschichtsanschauung nicht einfach an Augustin vorbeiging.
Unsere Aufmerksamkeit gilt nicht in erster Linie der Rolle des Akkommodationsgedankens in der Religionsphilosophie, d. h. im grundsätzlichen Nachweis der Weisheit der Vorsehung in der Geschichte und der rationalen Begründung der Fortschrittsrolle des Christentums. Vielmehr fragen wir danach, ob und in welchen Formen er zu einem Begriff der Zeitdeutung und der Historiographie wurde. Daß aber sein primärer Ort der theologische war, bleibt auch noch für das 12. Jahrhundert, das Jahrhundert der intensivsten Bemühungen um eine eigenständige Geschichtsdeutung, gültig. Die Frage, warum der unwandelbare Gott seine Ratschlüsse (sententiae) wandelbar sein lassen sollte, versucht Guibert von Nogent mit dem Argument zu entkräften, Gott habe diese Wandelbarkeit nicht nur konzediert, sondern auch gewollt, um sich der naturnotwendigen menschlichen Wandelbarkeit anzupassen, ja sogar um durch die *exempla mutationis seiner eigenen Verfügungen die Menschen zu belehren, sich durch stete Neuerungen (novitates) zur Vollkommenheit zu erziehen. Die Neuerungen in der Heilsgeschichte erfolgen je nach dem Entwicklungsstand. Den Übergängen vom Naturgesetz zum geschriebenen Gesetz, vom Gesetz zur Gnade folgten Abstände der Gewöhnung; es fehlt auch nicht der Vergleich mit den Lebensaltern eines Schülers.1 Dieselben Gedanken liegen den Ausführungen Wilhelms von Champeaux über die heilsgeschichtliche Toleranz zugrunde: Gott kann zwar contra naturam handeln; er erzieht durch Konzessionen und hat die Menschen nicht gewaltsam (violenter) vom Teufel befreit, da dies als Verstoß gegen das Vernunftsgesetz erscheinen würde.2
[52]Die Systematik der Sakramentenlehre Hugos von St. Victor ist eine historische. Der Aufbau seiner Summe entspricht dem Aufbau der Heiligen Schrift, die nach ihm nur einführend vom *opus conditionis berichtet, um sich ihrem eigentlichen Inhalt (materia), dem *opus restaurationis und seinen Sakramenten3, zuzuwenden. Die Einführung der Sakramente hatte dem Stand der menschlichen »Krankheit«4, der jeweiligen geistigen Entwicklungsstufe Rechnung getragen; Hugo begründet so die Entstehung jedes der christlichen Sakramente. *Oportuit enim heißt es über die Zwischenzeit, in der Tauf- und Beschneidungsritus nebeneinander galten, ut et illa quae finienda erant nequaquam subito vel praecipitanter, sed paulatim et quasi cum quadam reverentia dimitterentur, ut ostenderentur bona fuisse tempore suo. Et similiter quae incipienda erant non subito in auctoritatem assumerentur, sed cum mora et gravitate incoharentur, ne velut aliena et praeter rem aliunde inducta subito putarentur.5 Dieselbe Rücksicht auf die Mittelmäßigen, die hier angedeutet wird, also auf die Entwicklungsfähigkeit der Einfältigen einer Epoche, charakterisiert seine Stellung in der *quaestio scholastica de fide antiquorum et modernorum, die er in einem besonderen Kapitel erörtert.6 Mit Gregor dem Großen und Augustin weiß er sich einig, daß *secundum incrementa temporum, crevit et scientia spiritualium patrum und verweist wie Gregor auf Dan. 12, 4.7 Nicht anders als Gregor und Augustin besteht Hugo am Ende der Diskussion auf der Glaubenseinheit in allen heilsgeschichtlichen Perioden: *crevit per tempora fides in omnibus, ut major esset, sed mutata non est, ut alia esse.8 Das »Mehr« am Glauben ist die Vermehrung der materia fidei, des Glaubensinhaltes, der cognitio9, und es betrifft nicht bloß die verschiedenen Zeitbestimmungen der Inkarnation in der Gegenwart und im Zeitalter der Erzväter10. Denn in diesem Fall, argumentiert der Victoriner, müßte die gegenwärtige Glaubensstufe als eine niedrigere im Vergleich zum Glauben im Zeitalter vor der Gnade gelten, denn er käme einer bloßen opinio gleich; umgekehrt würde es für die simplices des Gesetzeszeitalters bedeuten, daß ihre Erkenntnisbeschränkung [53]sie für alle Zeiten vom Glauben und vom Heil ausgeschlossen hätte — eine Forderung, die sich mit der Heilsökonomie nicht vereinbaren läßt.11 Der allmähliche Fortschritt des Wissens und der Heilsgewißheit richtet sich zwar nach den *illustriores — Hugo spricht nicht von perfecti —, umfaßt aber nicht nur diese. Sie sind nur die Avantgarde ihres Zeitalters, so daß die *vere boni im Zeitalter der Gnade — im Gegensatz zu den *aperte mali und *ficte boni der vorangegangenen Zeitalter — nicht die Mehrzahl bilden, dennoch ob ihrer öffentlichen Wirkungsmöglichkeit ihr Zeitalter bestimmen.12
Die Notwendigkeit des processus religionis halten auch Abaelard, Alanus ab Insulis und andere den Juden entgegen13; oft berief man sich wiederum auf die zitierten Aussagen Gregors des Großen. *Noluerunt Judaei mutari cum tempore lautet die zusammenfassende Formulierung Joachims von Fiore14: es gibt, und dies ist auch der Sinn der Lehre Hugos vom *status excellentior, anachronistische Gruppen, die sich nicht »entwickeln«. Wenn aber der konvertierte Petrus Alfunsi ebenfalls mit der allmählichen Veränderung des mosaischen Gesetzes argumentiert15, so erkennen wir darin zwar uraltes Gedankengut der Polemik, ebenso aber Gedankengänge, die er ohnehin aus dem jüdischen Gesetzesverständnis seiner Zeit mitgebracht haben könnte; denn dieses war seit jeher vom starren Nomismus, den ihm die christliche Polemik vorwarf, ebenso entfernt wie sich das christliche Gesetzesverständnis selbst wußte. Der extrem rationalistischen Position Saadias, der sich wohl ein nachmosaisches Gesetz, das sich ebenso vom mosaischen unterscheidet wie dieses von den Geboten, die Abraham einhielt, vorstellen konnte16, setzte schließlich (allerdings nach der Zeit des Alfunsi) Maimonides seine organologische Gesetzesinterpretation entgegen; nach ihr offenbart sich dieselbe göttliche Vernunft in der allmählichen Entfaltung des Organischen und in der zeitlichen Stufensetzung des Gemeinschaftslebens; die allmähliche Einführung der Gebote entsprach der allmählichen Anpassung und Gewöhnung der Auserwählten an sie.17 Gelegentlich werden wir [54]sogar an die »Milch der Einfältigen« in der christlichen Literatur erinnert — ohne einen Einfluß der christlichen Theologie annehmen zu müssen.
Das 12. Jahrhundert kannte den historischen Evolutionsgedanken nicht nur im Zusammenhang mit der Exegese und der Religionsphilosophie. An die antike Kulturphilosophie erinnert gerade im 12. Jahrhundert die Überzeugung des Giraldus Cambrensis, man könne sich die urzeitliche Unkultur anhand ihrer vermeintlichen Residuen vergegenwärtigen. An seine Ausführungen zum englischen Herrschaftsrecht über Irland schließt Giraldus Betrachtungen über die »äußere und innere Beschaffenheit« der Iren an: bar jeglicher Kultur, eine *gens silvestris, gens inhospita, gens ex bestiis solum et bestialiter vivens, gens a primo pastoralis vitae vivendi modo non recedens.18 Ein urzeitliches Volk also, weil es hinter dem allgemeinen Fortschritt der menschlichen Gemeinschaft zurückblieb.19 Daß dieser Fortschritt von der Wildheit des Nomadentums über die bäuerliche Landkultur zur Stadtkultur führt, mag ein Gemeinplatz der antiken Kulturphilosophie gewesen sein, die Tatsache aber, daß Giraldus das Schema rezipiert, bedeutet eine Aussage zur Rolle des städtischen Bewußtseins in der historischen Gegenwartsbestimmung des 12. Jahrhunderts. Ohne Zweifel versucht Girald mit dem Anschein theoretischer Begründung den »wahren« Kern von Vorurteilen zu retten; so zählt er zwar nicht die verteufelten Merkmale der Iren nach der vulgi opinio auf und spricht auch nicht von angeborener Bosheit, sondern führt die schlechten und guten Eigenschaften auf ein Charakterprinzip zurück, auf die Maßlosigkeit im Guten wie im Schlechten, die wiederum in einer historischen Tatsache ihre Erklärung findet: daß die Iren *tanquam in orbe quodam altero von der übrigen Welt isoliert waren.20 Nicht anders verfuhr im 13. Jahrhundert Alexander von Roes, als er aus der Funktion der Franzosen, Italiener und Deutschen im christlichen ordo ihre Vorzüge und Nachteile deduzierte.
In diesen und ähnlichen Beispielen glauben wir lediglich mögliche Kategorien einer gegenwartsbezogenen Geschichtsdeutung erkennen zu können, Begriffsmittel, die seit Irenäus Gemeingut christlicher Geschichtsdeutung waren; ob aber eine gegenwartsbezogene Geschichtsdeutung zustande kam und welche Aufgabe der Akkommodationsgedanke in ihr erfüllte, ist damit in keiner Weise beantwortet. Denn zumindest die frühmittelalterliche Geschichtstheologie stand im Banne Augustins und rezipierte nicht bloß die Aetates- und Temporalehre21, sondern auch die Ablehnung des Chiliasmus22 und die Abneigung gegen jegliche, auch nichtapokalyptische22a Formen der genaueren eschatologischen Gegenwartsbestimmung. In seinem Brief an Ethelbert von Anglien weigert sich Gregor der Große, Zeichen der Endzeit — Zeichen, daß die Endzeit angebrochen sei — aufzuspüren, er betont darüber hinaus, daß Ereignisse, die um die Endzeit zu erwarten wären, diesen aber »vorauseilen« (praemittuntur), nur der individuellen praeparatio dienen.23 Erst allmählich bahnte sich in der Apokalypse-Auslegung des 12. Jahrhunderts die chronologische Differenzierung des *incrementum Ecclesiae in Zeitalter der *nascens Ecclesia, persecutio, haeretici, falsi fratres usf.23a an und die Identifizierung dieser Epochen mit den apokalyptischen Bildern — Bildern, die in der vorausgegangenen Tychonius-Tradition nur auf »das, was immer geschieht, solange die Ecclesia auf ihrem Wege ist« bezogen waren.24 Die Lehre von den Weltreichen entbehrt auch bei Isidor nicht der eschatologischen Aussage; sie unterschied das Zeitalter imperialer Machtkonzentration vom Zeitalter der gentes und des regnum Christi; aber es war nicht der Untergang des Westreiches, mit dem man das Ende des vierten Weltreiches und den Anfang der discessio gentium sah, sondern diese wurde als stete Bewegung des dritten heilsgeschichtlichen Zeitalters überhaupt gedacht.25 Von der politischen Konkretion entfernt war noch Alcuins [56]Begriff des imperium christianum26, mochte er schon die intensive und extensive Christianisierung in seiner Zeit eschatologisch deuten.27 Aber schon mehrten sich die Stimmen, die in der Gründung des Karolingerreiches eine eschatologische Wende28 oder gar den Anbruch der Endzeit29 sahen, freilich noch ohne Begründung und ohne starke Nachwirkung; wohingegen die sich allmählich durchsetzende Translationslehre zunächst noch keine endgerichtete Epocheneinteilung bot.30
Wir wissen: Ermahnungen über die nahende Endzeit sind kein Zeichen eines eschatologischen Wendebewußtseins und um so weniger ein Zeichen einer weitverbreiteten Weltuntergangsstimmung. Letzteres wurde auch der Jahrtausendwende abgesprochen.31 Das besagt nicht, daß wir keinerlei Zeugnissen apokalyptischer Endzeitbestimmung (und somit Bestimmung der Gegenwart nach ihrem zeitlichen Abstand von den endzeitlichen Vorgängen) begegnen. Gerade im 11. und 12. Jahrhundert spielen apokalyptische Vorstellungen, die ja nicht immer chiliastisch zu sein brauchten, eine zwar nicht entscheidende, jedoch wahrnehmbare Rolle. Ihre Geschichte kann nicht wie im Spätmittelalter nach dem Maß ihres Einflusses auf die religiösen Bewegungen der Zeit geschrieben werden, denn noch handelt es sich um ein Wachstum an der Peripherie. Daß ihre Bedeutung wächst, lernen wir nicht nur aus der Tatsache, daß die Zahl der aus der Zeit erhaltenen apokalyptischen Texte zunimmt, sondern auch aus der Beschaffenheit dieser Texte, die ja bereits gegenwartsbezogene Umarbeitungen älterer Apokalypsen sind32, sodann aus dem Niederschlag der aktualisierenden Apokalyptik in der Polemik33 und schließlich aus der unmittelbaren und mittelbaren Antwort der Theologie. Zwar gilt nach wie vor die Ablehnung jeglicher Versuche einer eschatologischen Chronologie, welcher etwa die Aufzählung der Herrscherreihe bis zum Endkaiser denkbar nahekommt. In den Augen eines vorsichtigen Theologen gewinnt eine conjectura humana nicht schon darum an Glaubwürdigkeit, weil sie, wie es in den apokalyptischen Texten des 11. und 12. Jahrhunderts meistens der Fall [57]ist, eher der Beschwichtigung der unmittelbaren Naherwartung dienen. Aber die Auseinandersetzung mit der aktualisierenden Apokalyptik beschränkt sich nicht mehr auf den bloßen Hinweis, daß »niemand Tag und Stunde« vorauszusagen vermag.34 Seit dem 11. Jahrhundert beschäftigen sich auch Theologie und Geschichtsschreibung mit Möglichkeiten der heilsgeschichtlichen, eschatologischen Gegenwartsbestimmung, Möglichkeiten, die eine Alternative für die abzulehnende apokalyptische, chronologische Bestimmung des Abstandes zwischen Gegenwart und Endzeit durch Pseudoprophetie und Zahlenspekulationen bedeuten. Allerdings wäre es übertrieben, in den verschiedenen geschichtstheologischen Versuchen des 12. Jahrhunderts nur Gegenkonstruktionen zur Apokalyptik aufspüren zu wollen; letzten Endes gehen Aufwertung und steigende Verbreitung der Apokalyptik sowohl wie die zahlreichen Versuche einer nicht-apokalyptischen Gegenwartsbestimmung wohl auf eine gemeinsame Wurzel zurück, auf ein weit über das Topische hinausgewachsenes Gefühl für die novitates der eigenen Zeit, auf ein Wendebewußtsein also.35 Doch der Gegensatz zwischen Apokalyptik und Geschichtstheologie beginnt erst mit dem Gegensatz zwischen apodiktischer Prophetie (oder Zahlenspekulation) und symbolisch oder theologisch, exegetisch oder historisch begründeter Voraussage. Eben in der Artikulation des Wendebewußtseins entsteht wieder der uralte Gegensatz in der Anschauung von der Natur der eschatologischen Vorgänge. Für die Apokalyptik (im weitesten Sinne des Wortes) ist die Endzeit die radikale Steigerung der mala und ihre plötzliche Überwindung; das eschatologische Drama setzt unvorbereitet ein, oder anders: nur innerhalb der letzten Zeitabschnitte kennt die Apokalyptik eine »Vorbereitung« der bevorstehenden Aufhebung von Natur und Geschichte. Das ist nicht neu und steht auch bei Adso36; neu ist der Ansatz der »Revolution« in der eigenen Zeit und die daraus resultierende Berechenbarkeit der folgenden Ereignisse. Die Geschichtstheologie aber, die sich um eine begründete eschatologische Gegenwartsbestimmung bemüht, weiß zwar auch vom Umwälzenden [58]der Endzeit, sieht aber neben der Steigerung des Bösen die sichtbare Steigerung auch der Heilskräfte und betont die Kontinuität der Wende, die sie oft ebenfalls als Einleitung der Endphase definieren wird, mit der bisherigen Ereignisfolge der Heilsgeschichte. Sie ist in gewissem Maße evolutionär und auch, im Hinblick auf die Gegenwart, optimistischer.
Das bedeutet nicht immer die Anwendung eines teleologischen, jedoch immanenten Entwicklungsbegriffes und nicht einmal die Anwendung des Akkommodationsgedankens. Und eben hierin unterscheidet sich die reflektierende Geschichtsschreibung, die wir vor allem in der Gestalt Ottos von Freising studieren werden, von der symbolischen Geschichtsdeutung. Die reflektierende Geschichtsschreibung gelangt zur Gegenwartsbestimmung aus der Summe der Erkenntnisse, die ihr die historische Darstellung vermittelt. Sie kann nicht anders, als die von Augustin gerissene Kluft zwischen Profan- und Heilsgeschichte zu überwinden; und ihr Entwicklungsbegriff ist darum die Entwicklung auch der eigenständigen menschlichen Handlungen. Die Wende, die Otto von Freising seit dem Investiturstreit konstatiert, begründet er anhand einer historischen Teleologie als natürliche Folge der Kirchengeschichte und als allmählichen Übergang zur jenseitigen civitas Dei. »Evolutionär« war auch die symbolische Geschichtsdeutung, aber in einem viel allgemeineren Sinne. Auch sie hatte augustinische und frühmittelalterliche Voraussetzungen zu überwinden, aber es waren andere als die, welche einer begründeten Einbeziehung der Geschichte christlicher Reiche und Königtümer in die Heilsgeschichte im Wege standen. Ihr Grundsatz war die Betrachtung der Gesamtgeschichte als Gegenstand der Exegese, der fortschreitenden intelligentia spiritualis, »deutbar« und »bedeutend« wie die biblische Geschichte und wie diese der Gliederung durch ein System figuraler Beziehungen fähig und bedürftig. So gelangte auch sie durch exegetische Spekulationen zur eschatologischen Gegenwartsbestimmung, zur Einteilung der sexta aetas in *aetatunculae37 von je anderer heilsgeschichtlicher Aufgabe. Evolutionär ist die symbolische Geschichtsdeutung [59]nicht schon darum, weil sie das incrementum ecclesiae mit der biokosmischen Metaphorik beschreibt38, sondern vornehmlich, weil ihr die Sukzession der status ein allmählicher Prozeß der Heilsplanverwirklichung ist, dem sich ein allmähliches Vertiefen der Erkenntnis hinzugesellt.39 Und auch die gegenwärtige Wende, wie immer sie definiert und wann immer sie angesetzt wird, trägt den Charakter des allmählichen Überganges. Als allmählichen Übergang zum dritten status, zum bevorstehenden Zeitalter des Heiligen Geistes, sah Joachim von Fiore das Zeitalter seit Benedikt; und die Konkordanz jedes status begründete diese seine Gegenwartsbestimmung nicht prophetice, sondern mit dem legitimen Reduktionsmittel der spiritualis intelligentia: so begann auch der zweite status mit Hosea und gelangte zur Frucht (fructificavit) erst mit Christus.40 Nicht nur hier entdecken wir Ähnlichkeiten mit Hugo von St. Victor, schon die Formulierung bonum in suo tempore fanden wir bereits bei jenem41; wir glauben darum, daß es nicht die Kategorien des »historisierenden« Urteilens sind, die Joachim von der »katholischen Theologie« unterscheiden (GRUNDMANN), sondern vielmehr, daß diese eine ungeahnte Zuspitzung erfuhren durch die Erwartung eines dritten, dem evangelischen gleichrangigen Zeitalters des Heiligen Geistes vor dem Weltende.42
Das »Evolutionäre« in der Gegenwartsdeutung bezieht sich also nicht auf die Idee einer eigenständigen Entwicklung menschlicher Einrichtungen und Handlungen und auch nicht immer auf den Akkommodationsgedanken43, sondern im wesentlichen auf die allmähliche Verwirklichung und Offenbarung des Endzustandes. In seiner vorzüglichen Analyse des Traktats Gerhohs von Reichersberg über das Aufspüren des Antichrist fand P. CLASSEN das Ergebnis der Schrift schon in der Vorrede. In der Auseinandersetzung mit Stimmen, die seit dem Investiturstreit bei jeder Katastrophe den Antichrist geboren wähnten, bemühte sich Gerhoh um den Nachweis, daß sich die Schriftzeugnisse über den Anti-christ in einer Reihe von typischen Antichristi während der gesamten bisherigen Kirchengeschichte nacheinander erfüllt hätten.44 [60]In der Gegenwart stünde demnach dem Endgericht kein vorausgesagtes Ereignis mehr im Wege, andererseits aber blieben Tag und Stunde unberechenbar. Die Ankunft des Reiches Christi ist wiederum kein voraussagbares, aber auch kein die Geschichte mit einem plötzlichen Endakt terminierendes Ereignis: es kommt »allmählich zu seiner Zeit« und wächst allmählich zur Vollkommenheit.45 Die letzte epochale Wende der Kirchengeschichte sah Gerhoh im Investiturstreit. Wie Hugo von St. Victor und Bernhard von Clairvaux bringt auch er in seinem Spätwerk »De quarta vigilia noctis« diesen Gedanken durch das Gleichnis von den vier Nachtwachen zum Ausdruck.46 Seit Gregor VII., der das Zeitalter der corruptio morum überwand, ist die Kirchengeschichte durch den Kampf der avari mit den pauperes Christi gekennzeichnet. Und im Zusammenhang der religiösen Erneuerung erscheint wieder das Bild von der allmählich aufsteigenden Morgenröte.
Gegenwartsdeutung und Gegenwartsbestimmung vermochte die aktualisierende symbolische Exegese auf den ihr eigenen Wegen, auch ohne wesentliche Anlehnung an den Akkommodationsgedanken — an die Vorstellung von der Anpassung der Heilsplanverwirklichung an die natürlichen Anlagen und Fortschritte des Menschen, an eine ausgearbeitete Anschauung von der göttlichen Pädagogie —, wohl zu erreichen. Welche Möglichkeiten auch ihr der Akkommodationsgedanke bot, zeigte Anselm von Havelberg in weitaus prägnanterer Form als sogar Joachim von Fiore. Dabei war sein Ausgangspunkt in der wichtigsten Darstellung seiner Geschichtslehre — im ersten Kapitel seiner »Dialogi« — nicht die Frage nach den endzeitlichen Zügen seiner Gegenwart. Die eschatologische Gegenwartsbestimmung diente ihm eher als Beweismittel; Beweisziel war die Vereinbarkeit der Ordensvielfalt, der Vielfalt [61]religiöser Bewegungen mit der Einheit des Glaubens. Nicht die Frage nach der Vielfalt des Historischen in der Heilsgeschichte war hier neu — die weitreichende Geschichte dieser Frage ist jüngst von A. BORST dargestellt worden —, wohl aber die eigentümliche Verknüpfung der drei Fragen nach der Vielfalt, der Akkommodation und der Periodenfolge der Kirchengeschichte zu einem organischen Ganzen. Denkt man einmal den Beitrag der Apokalypse-Exegese — das Gerüst der Gegenwartsbestimmung — von den Ausführungen Anselms fort, so scheint es, als stünde er mit seiner Begründung der Vielfalt im Kirchlichen den Ausführungen Walahfrid Strabos zu diesem Thema am nächsten.
Die konkrete historische Entwicklung von Sprache, Sitte und Gesetz war für Augustin und in seiner Folge für Isidor und Gregor heilsgeschichtlich irrelevant. *Ut, cum tot tantaeque gentes per terrarum orbem diversis ritibus moribusque viventes multiplici linguarum, armorum, vestium sint varietate distinctae, non tamen amplius quam dua quaedam genera humanae societatis existerent47, wobei es geradezu das Kennzeichen der coelestis civitas ist, daß sie * dum peregrinatur in terra, ex omnibus gentibus cives evocat atque in omnibus linguis peregrinam colligit societatem, non curans quidquid in moribus, legibus institutisque diversum est.48 Daß die diversitates innerhalb der Kirche ihre Entwicklung fördern oder bestätigen, ist auch Isidor ein fremder Gedanke; dennoch konzediert er jene Bräuche, *quae varie per diversa loca observantur und fügt hinzu: *Quod enim neque contra fidem, neque contra mores bonos habetur, indifferenter sequendum, et propter eorum inter quos vivitur societatem servandum est, ne per diversitatem observationum schisma generetur.49 Auf ähnliche Weise begründet auch Gregor der Große die Legitimation zur consuetudo diversa.50 Kurz vor dem großen Schisma heißt es auch in einem Brief Leos IX. an den Patriarchen von Konstantinopel: *Nil obsunt saluti credentium diversae pro loco et tempore consuetudines, quando una fides, per dilectionem operans bona, quae potest, uni Deo commendat omnes.51
[62]Rigoroser wird die Forderung des Hrabanus Maurus: *Differentia non debet esse in diversitate nationum, quia una est ecclesia catholica per totum orbem diffusa.52 Will man aber den »karolingischen Rationalismus« als »geschichtsfeindlich« kennzeichnen53, so müßten Walahfrid Strabos Erörterungen in »De exordiis et incrementis quarundam in observationibus ecclesiasticis rerum«54 übergangen werden. Im Gegensatz zu Hraban weist Walahfrid, ähnlich wie Anselm von Havelberg im 12. Jahrhundert, auf die Historie als notwendige Dimension der Kirche hin; wie Anselm geht es auch ihm um die *diversitatum confusio.55 Ohne stete Anpassung der Kirche an historische und geographische Gegebenheiten ist für ihn der Fortschritt der Kirche undenkbar. Zeigen doch die großen Übergänge der Gottesverehrung vom Naturgesetz zum geschriebenen Gesetz, vom Gesetz zur Gnade, daß es Gott selbst ist, der sich der *fragilitas carnalium anpaßt. In der Urzeit56 (primis temporibus) war der Kult, wenn nicht dem Inhalt, so der Form nach bei den Dei cultores derselbe wie bei den *daemonum veneratores: sub divo, ungeregelt, frei, naturhaft. Darum fiel es den Dämonen leicht, die Menschen zur Tierverehrung zu verführen und schließlich als erste ihren Kult zu institutionalisieren.57 Die Opfergaben im Gesetzeszeitalter sind daher Befehl und Konzession zugleich. Walahfrid meint wohl damit, daß Gott, indem er das Konzedierte gebietet, zugleich auch das Konzedierte allein gebietet und die Auswüchse des Dämonenkultes untersagt. Damit wurde die Umdeutung des alten Kultes erreicht. Nur so war Fortschritt möglich, da *omnipotens et patiens creator facturae suae volens undecunque consulere, quia vero propter fragilitatem carnalium omnes consuetudines pariter tolli non posse sciebat. Nicht ohne Absicht betont Walahfrid den Gegensatz von creator und facturae, carnales; das Gesetz, dem der Mensch als Geschöpf unterliegt, ist seine begrenzte Anpassungskraft, nur der Allmacht Gottes kommt ein unbegrenzte Anpassungskraft zu. Der nur langsamen Entwicklung des Menschen begegnet Gott mit einer, wenn angebracht, unbegrenzten Toleranz. Was Walahfrid nur andeutet, [63]beschrieben wir früher als erste rationale Begründung des göttlichen Heilsplanes.
Auch die Liturgiegeschichte, die Geschichte kirchlicher Institutionen überhaupt, gehorcht dem Gesetz allmählichen Wachstums. *Nec mirum videri debet, quod paulatim aucta narrantur officia, dum adhuc multa in rebus necessariis defuissent, cum videamus usque hodie et lectiones et collectas et diversas laudum species iam paene abundantibus omnibus superaddi, ut et in hoc illud propheticum videatur impleri: ›Pertransibunt plurimi et multiplex erit scientia‹.58 Wir erinnern an den Zusammenhang des Daniel-Verses bei Gregor dem Großen.59 Aber Walahfrid kommt es auf die Interpretation der konkreten Verhältnisse in der fränkischen Kirche seiner Zeit an. Die Kirche muß, je nach Ort und Zeit, sich den Gegebenheiten anpassen, immer wieder das Vorgefundene umformen und umdeuten.60 Die diversitates in der Kirche61 — insofern sie, das setzt er wohl voraus, nicht Glaubensinhalte betreffen — sind (erfreuliche) Zeichen kirchlichen Wachstums. Gewiß, auch Walahfrid erstrebt die Einheit und glaubt sie im Westen nahezu erreicht, aber wie sonst wäre die Kirche bei wachsender Glaubensschar imstande, den Anfechtungen ihrer Feinde zu widerstehen, wenn nicht durch ständige Neuerungen. Solche Neuerungen aber haben immer einen zeitlich und örtlich konkreten Ursprung und unterscheiden oft die einzelnen Gemeinden voneinander.
Dieselben Gedanken, wenn auch nicht mit der Ausführlichkeit Walahfrids und spärlicher begründet, wiederholt Regino von Prüm in seinem »Liber de synodalibus causis«. Vielleicht deutlicher als bei Walahfrid kommt bei ihm die Umdeutung und Umakzentuierung der Formulierungen Augustins heraus. *Nec non et illud sciendum, heißt es im Vorwort62, quod sicut diversae nationes populorum inter se discrepant genere, moribus, lingua, legibus, ita sancta universalis ecclesia toto orbe terrarum diffusa, quamvis in unitate fidei conjungatur, tamen consuetudinibus ecclesiasticis ab invicem differt. Aliae siquidem consuetudines in Galliarum Germaniaeque regnis in ecclesiasticis officiis reperiuntur, aliae in orientalium [64]regnis, transmarinis regionibus. Ähnlichkeit mit den Gedankengängen Anselms stellt BORST fest.63 Aber Regino, im Gegensatz zu Walahfrid und Anselm, bejaht die diversitas consuetudinum nicht darum, weil sie Fortschrittsfaktor sei, sondern eher (wie schon Isidor), weil sie ein durch kein Wunschbild zu beseitigendes Faktum ist. An der gleichen Stelle heißt es denn auch, man müsse die kirchlichen Anordnungen den neuen Zuständen *hoc pessimo tempore anpassen.64 Überzeugend hingegen ist der Hinweis auf Abaelards Sprachphilosophie; er wird gestützt durch die Erkenntnisse über den weitreichenden Einfluß Abaelards auf Anselm überhaupt.65
Bereits im Streitgespräch, das Anselm 1136 in Byzanz hielt und 1149 auf Wunsch des Papstes Eugen III. niederschrieb, findet sich der Grundsatz: *et licet pro diversitate cuiusque gentis diversi mores et ecclesiasticae consuetudines habeantur, et in his minime conformari possint omnes Romanae Ecclesiae; tamen in ecclesiasticis sacramentis, nulla unquam debet esse discordia66; noch ist nur von einem geduldeten und noch nicht als Fortschrittsprinzip bejahten Tatbestand die Rede. Aber die Toleranz, die der Gesprächspartner Anselms, Erzbischof Nechites (Niketas) von Nikomedien, an ihm rühmt67, ist nicht auf konzedierte Gebräuche beschränkt. Die »Dialogi« sind ein Lehrvorgang und wollen vielleicht einen weit umfassenderen Lehrvorgang repräsentieren, durch den die Kirchenunion allmählich erzielt werden könnte. Wenn sich Niketas den Argumenten der ratio beugt67a und schließlich auch die Notwendigkeit des Dogmenfortschritts68 einsieht, so heißt es für Anselm das letzte Argument des Byzantiners anerkennen, nämlich die Unumgänglichkeit der allmählichen Gewöhnung an die gewonnenen Einsichten69; die Einsicht ist noch keine Gewähr für ihre reale Durchsetzung. In diesem Zusammenhang ist die Forderung des Byzantiners nach einem neuen Generalkonzil, eine Forderung, der sich Anselm nicht verschließt, zu begreifen, und zwar als pädagogisches Mittel besonders im Hinblick auf die minus prudentes.70 Die weitergehende Bejahung der varietates [65]und der mutabilitas — der Vielfalt und der Beweglichkeit — in der Kirche, der wir im ersten Buch der »Dialogi« (im *liber de unitate fidei et multiformitate vivendi ab Abel justo ad novissium electum) begegnen, erklärt sich aus der Fragestellung. Eine Verteidigung der neuen Ordensgründungen, die sich auf die Vorstellung von der bloßen Zulässigkeit der Vielfalt unter Beibehaltung der Glaubenseinheit als »Konzession« beschränken wollte, würde noch immer auf die Frage, ob es nicht die Aufgabe der Kirche sei, die diversitates nach Kräften aufzuheben anstatt ihnen nachzugehen, die Antwort schuldig bleiben. Gewiß weiß auch Anselm: letzten Endes sind mutabilitas und varietas in der humani generis infirmitas begründet: *Facta est haec varietas non propter invariabilis Dei, qui semper idem est, et cujus anni non deficient (Ps. 101, 28) mutabilitatem, sed propter humani generis variabilem infirmitatem et temporalem mutationem de generatione in generationem.71 Daß Gott die Menschen nur allmählich, »in Rücksicht auf ihre Schwäche und Erdverhaftetheit«, zur Vollkommenheit führt, war seit Irenäus Kernbegriff der Geschichtstheologie.72 Ist aber die varietas bloß Schwäche oder rechnet sie bereits zu den Heilsmitteln? Anselm schließt auch hier vom Unbestrittenen auf das Fragliche. Es gibt eine mutabilitas (und folglich eine zeitliche varietas), eine Einführung von novitates, die ohne Zweifel Heilsmittel ist, bestimmt durch den allmählichen Fortschritt des Glaubens zu je höheren Lebens- und Erkenntnisformen. *Opportebat, ut secundum processum temporum crescerent signa spiritualium gratiarum, quae magis ac magis ipsam veritatem declararunt, ut sic cum affectu salutis incrementum acciperet de tempore in tempus cognitio veritatis heißt es in deutlicher Anlehnung an Hugo von St. Victor.73 Anselm führt die Epochen des Fortschritts auf74 und setzt mit Bedacht, in deutlichem Anschluß an Gregor von Nazianz, neben die drei großen transpositiones — vom Götzendienst zum mosaischen Gesetz, von diesem zum Evangelium, vom Evangelium zur Ewigen Beständigkeit — die Vorbereitungszeiten innerhalb jeder Epoche der Trias. Den Umwälzungen, von kosmischen [66]Erschütterungen begleitet, folgen Zeiten der allmählichen Gewöhnung und Vorbereitung auf höhere Entwicklungsstufen, Zeiten, in denen das Alte und das Neue nebeneinander gelten75 und die er mit den sechs Weltzeiten schon zuvor beschrieben hatte.76 *Paedagogice et medicinaliter ist mit dem paulatim nahezu gleichgesetzt, mit der allmählichen Einführung neuer Lebensordnungen und der allmählichen Offenbarung der Glaubenswahrheiten. Über die Offenbarung des Evangeliums hinaus reicht die Entfaltung des Trinitätsglaubens77, und das sechste Zeitalter ist von der steten renovatio durch den Heiligen Geist gekennzeichnet als das Zeitalter seiner eigentlichen Wirkung.78
Die sieben status, die allmählich aufeinanderfolgen79 und die Kirchengeschichte bestimmen, beschreibt Anselm mit dem Sinnbild der sieben Siegel der Apokalypse; die eigene Zeit, der vierte status, versinnbildlicht durch das fahle Pferd, ist hierin mit der symbolischen Tradition als das Zeitalter der falsi fratres und des Scheinfriedens bestimmt.80 Die größte Gefahr der Hypokriten, der falsi fratres, ist ihre Unsichtbarkeit. Gegen das Erlahmen religiösen Eifers — die größte Gefahr im vierten status — wirkt der Heilige Geist durch Akkommodation an jene Grundtatsache, daß *insolita et inusitata magis solent mirari omnes, quam solita et usitata81 und ebenso durch die Steigerung der varietas, durch die unaufhaltsame Folge von *viri religiosi82, die stets neues Leitbild sind und neue Anregung, »Aufstachelung« vermitteln. Daß Anselm die folgenden Perioden bis zum Endgericht nur anhand der Laoner Glossen gerade noch erwähnt83, bezeugt seinen Willen, die eschatologische Gegenwartsbestimmung nicht zu einer apokalyptischen werden zu lassen, noch mehr aber die Gewißheit, daß die eigentliche historische Aufgabe der Kirche mit dem vierten status aufhört, eine bestimmte zu sein und daß in den folgenden status die bisher auf bestimmte Zeiten verteilten Leiden und Tugenden zugleich eingesetzt werden müssen; wegen dieses Momentes der Wiederholung mögen sie als unmittelbare Vorbereitung der endzeitlichen Umwälzungen definiert werden.
[67]Anselms Antwort auf die Frage *quare tot novitates in Ecclesia Dei fiunt und auf die hinter ihr stehende Anschauung: *Omnem religionem tanto esse contemptibiliorem, quanto mobiliorem84 besteht aus dem Beweis, daß jedem heilsgeschichtlichen Zeitalter heilsame Wandelbarkeit innewohnen muß, besonders aber dem gegenwärtigen Zeitalter. Diese Wendung des Akkommodationsgedankens macht ihn, eher als bei irgendeinem Vertreter der symbolischen Exegese im 12. Jh., zu einer vernünftigen Begründung der Heilsgeschichte und zugleich zu einer Kategorie der Gegenwartsbestimmung geeignet. Für sein Beweisziel brauchte Anselm nicht die Profangeschichte oder gar die Machtgeschichte in seine Überlegungen mit einzubeziehen. So bleibt sein Akkommodationsbegriff dennoch ohne die Möglichkeit, zum ausgeprägten historischen Entwicklungsbegriff zu werden, der zur Idee einer sich eigenständig entfaltenden Folge menschlicher Handlungen wird, an welche sich der göttliche Heilsplan anpaßt.
Den eindeutigsten Beitrag des Entwicklungsgedankens zur historischen Gegenwartsdeutung erwarten wir von der Historiographie; nicht als unbewußte Handhabung selbstverständlicher Begriffe wie Wachstum, Zeitenfolge, allmähliche Veränderung, sondern als Teil einer reflektierenden Geschichtsschreibung, die den Wandel menschlicher Handlungen und Einrichtungen in eine Beziehung zum Ziel der Geschichte zu bringen weiß und sich dabei bewußt an die historische Darstellung zu halten versucht. So müssen wir einige Erörterungen über die Möglichkeiten einer reflektierenden Geschichtsschreibung im Mittelalter und über die Grenzen ihrer Kategorien vorausschicken. Der Eingang geschichtstheologischer Räsonnements in die Geschichtsschreibung war selbst für die Zeit, die eine genuine Geschichtsdeutung hervorbringen konnte, weder selbstverständlich noch gewöhnlich.1 Auch in ihren ausgereiftesten Erscheinungsformen konnte oder wollte die reflektierende Geschichtsschreibung, der wir seit dem 11. Jahrhundert begegnen, den herkömmlichen Geschichtsbegriff überwinden, die herkömmliche Anschauung von der Eindeutigkeit des historischen Faktums umwandeln, die gültigen Bestimmungen der Aufgaben des Geschichtsschreibers — Aufstellung von exempla, Fortsetzung, Beweis — durch die Forderung nach Deutung ersetzen. Wenn eine reflektierende Geschichtsschreibung dem Mittelalter überhaupt zugesprochen werden kann, so muß sie von der Geschichtsmethodologie ebenso wie vom Stand der theologischen Diskussion abhängig gewesen sein.
Als *narratio rei gestae, per quam ea, quae in praeterito facta sunt, dinoscuntur definiert Isidor von Sevilla — wie vor ihm die Antike und mit ihm die mittelalterliche Geschichtsmethodologie — das Wort historia. Er hält sich auch streng an diesen Wortsinn.2 Für den mittelalterlichen Geschichtsschreiber gilt es vor allem, die facta zu erzählen, im Gegensatz zu den mysteria und figurae, die der Aufdeckung und der explanatio bedürfen; die einen fallen in den Bereich der bloßen Wahrnehmung (videre), die anderen in den Bereich des Verständnisses (intelligere): das historische Faktum ist, im Gegensatz zu den mannigfachen Deutungsmöglichkeiten der Exegese3, eindeutig, unmittelbar wahrnehmbar4; der Bericht über das historische Faktum ist demnach simplex narratio gestarum5 und kann ohne Schwierigkeit dem ordo naturalis des Geschehens folgen.6 Alles historische Geschehen, so lautet die unausgesprochene Voraussetzung der mittelalterlichen (und antiken) Geschichtsmethodologie, ist, zumindest in der Zeit und am Ort seines Geschehens, restlos wahrnehmbar und — bei ausreichender Wahrheitsliebe, proprium des Historikers7, — auch lückenlos darstellbar; einer immanenten Deutung bedarf es nicht, auch ist nicht jede Geschichtsschreibung eo ipso Interpretation. Einen Nachklang dieses Postulats, der Historiker dürfe bloß Erzähler sein, gewiß ohne die ihm ursprünglich zugrundeliegende Anschauung vom historischen Faktum, finden wir im Wort Burckhardts: »historia scribitur ad narrandum, non ad probandum, aber wenn sie dann durch ihre bloße Wahrheit der Darstellung beweist, so hat sie um so größeren Wert«.8
Darum ist Geschichte (historia) im eigentlichen Sinne des Wortes Erlebnisbericht. Isidor fährt in seiner Definition fort: *dicta autem Graece historia ¢pÕ toà storen, id est videre vel cognoscere. Apud veteres enim nemo conscribebat historiam, nisi is qui interfuisset, et ea quae conscribenda essent vidisset.9 Er selbst deutet also [71]bewußt eine Begriffsverschiebung an.10 Der Oberbegriff historia, den er vorfindet, umfaßt auch *annales (eorum annorum quos aetas nostra non novit)11 und wohl auch *quae auditione colligimus.12 Ihm entging aber die wesentliche Begriffsverschiebung vom storen der klassischen Geschichtsschreibung, das auch »forschen, erwägen« bedeutet13, zur historia seiner Etymologie, in der videre als Synonym für cognoscere gebraucht wird. Auch die Ausführungen des von ihm benutzten Servius über den gestaltenden, erklärenden Charakter der historia im Gegensatz zu den bloß erzählenden Annalen14 übernahm Isidor nicht, obwohl gerade er sie benutzt, um eine weitere Unterscheidung zwischen Historien und Annalen als die zwischen Zeitgeschichte und Vergangenheitsbericht aufzuführen — Historien als Annalensammlungen.15 Diese Definition entspricht eher der späteren Praxis der Annalistik; sie mochte ihr als Theorie dienen, insofern die Annalistik die unmittelbarste Form historischer Berichterstattung zu sein schien; *Quaeque enim digna memoriae domi militiaeque, mari ac terrae per annos in commentariis acta sunt, ab anniversariis gestis annales nominaverunt; »historia« ist dagegen die Sammlung der so definierten Annalen zu einem Buch. Da ein Abstand zwischen dem Ereignis und seiner Beschreibung in dieser Anschauung auf jeden Fall abträglich ist, weil jedes historische Faktum eindeutig und unmittelbar wahrnehmbar ist, gilt die primäre Geschichtsquelle nicht bloß als die beste Quelle (was auch heute die historische Methode zugibt), sondern auch zugleich als die beste Geschichtsdarstellung, der nichts hinzugefügt werden kann. Daß andere Zeiten mit neuen Fragestellungen an die Quelle herangehen müssen, Fragen, die dem unmittelbaren Augenzeugen aus der Zeitbefangenheit unbegreiflich wären, daß darum jede Zeit die Darstellung der Vergangenheit umgestalten muß, ist im Rahmen dieser Anschauung vom historischen Faktum undenkbar.16 Auch wo Orosius (und in seiner Folge Otto von Freising) die heidnische Geschichte anders erzählen will als ihre Geschichtsschreiber, als series calamitatum nämlich, betrifft dieses nur die Gesamtordnung hinsichtlich [72]einer theologischen Deutung, die aber in der Schilderung der Ereignisse die Quellen unverändert rezipiert. Die Ereignisse des Alten Testaments hatten, darüber bestand kein Zweifel, mehr »bedeutet«, als es den Zeitgenossen erschien; *historialiter facta sunt, et intellectualiter Ecclesiae mysteria per haec designantur17 ist eine feststehende Formel; allein diese Bedeutung ist metahistorisch in ihren Kriterien wie in ihren Folgerungen und ändert an der historischen Bedeutung des Faktums nichts. Worin besteht diese Bedeutung? In der unmittelbaren Wirkung, im Beispiel, sogar als Rechtsbeweis18; diese Bedeutung aufzufangen, war die utilitas der Historiographie. Die Bestimmung der eigenen Zeit im Heilsgeschehen überließ man aber der Theologie, auch im einzelnen Beispiel scheute man sich, die mysteria in die Geschichtsschreibung aufzunehmen, es sei denn, sie leuchteten aus der Darstellung allein ein.19
Die Zeit definiert Isidor als begreifbar durch die Folge menschlicher Handlungen: *Nam tempus per se non intellegitur, nisi per actus humanos20; actus humani konstituieren auch die historische Zeit, insofern sie digni memoria sind, Bedeutung haben. Aus derselben Anschauung vom historischen Faktum, die der Historiographie vor dem Historismus zugrunde lag, erklärt sich auch die Überzeugung, daß seit dem Aufkommen der Schriftlichkeit die wichtigsten Ereignisse, die ja von ihren Zeitgenossen unmittelbar und eindeutig erkannt werden konnten, auch festgehalten wurden im kollektiven Gedächtnis: *haec disciplina (d. h. historia) ad Grammaticam pertinet, quia quidquid dignum memoria est litteris mandatur heißt es ohne Einschränkung bei Isidor21; und der Ausdruck »historische Zeit« als Kennzeichen jenes Zeitalters, das (im Gegensatz zur Urzeit) eine historiographische Kontinuität besitzt, war schon der Antike geläufig. Von Varro berichtet im 3. Jahrhundert Censorinus, er habe drei Zeitalter (tria discrimina temporum) unterschieden: *primum ab hominum principio ad cataclysmum priorem, quod propter ignorantiam vocatur adelon, secundum a cataclysmo priore ad olympiadem primam, quod quia multa [73]in eo fabulosa referentur mythicon nominatur, tertium a prima olympiade ad nos, quod dicitur historicon quia res in eo gestae veris historiis continentur.22 Versteht man vera historia als Erlebnis- oder Augenzeugenbericht, so ist die historische Zeit durch eine Kontinuität von Erlebnisberichten, denen kein wichtiges Ereignis ebendieser historischen Zeit entging, gekennzeichnet. Zumindest über die Antike glaubten daher die Humanisten alles Wissenswerte zu wissen: * ut libri prophetici melius intelligantur, omnium temporum historia complectenda est. Et considerent Iuniores, fere ibi Herodotum ordiri suam historiam, ubi Hieremias desinit Erit igitur continua mundi historia: libri prophetici, Herodotus, Thucydides, Xenophon, Diodorus de Philippo, Alexandro et successoribus, Polybius, Livius et deinde alii post Livium heißt es bei Melanchthon23; Bacons Dreizeitalterlehre24 richtete sich ebenfalls nach diesem Aspekt der Quellensukzession; erst die historische Methode seit dem 18. und 19. Jahrhundert betrachtete Faktenkenntnis ohne Interpretation ihres individuellen Zusammenhanges, aus der Fakten erst ihre Bedeutung beziehen, als unvollkommen; und diese neue Interpretation ist gerade darum notwendig, weil eine Zeit ihre eigenen Voraussetzungen nicht bestimmen kann; die Maßstäbe der Darstellung werden andere als die der Zeit selbst. Eine Kontinuität der Historiographie, wenn Historiographie zur »Rechenschaft einer Kultur über sich selbst« (HUIZINGA) wird, ist unmöglich — Historiographie ist nicht mehr Erzählung, sondern Übersetzung und Deutung des Fremdgewordenen, und jede Zeit bildet sich das ihr eigene Geschichtsbild.
In der antiken wie in der christlichen Geschichtsperiodisierung ist die Urzeit auch darum mit dem Kindesalter des einzelnen vergleichbar, weil sie gedächtnislos war, also keine Kontinuität der Historiographie bewahrte. Eine der bekanntesten Stellen in Platos »Timaios« war schon in der Antike das Gespräch Solons mit dem ägyptischen Priester.25 Erst in Ägypten, behauptet der Priester, könne Solon über die Abstammung der Athener vom »schönsten und edelsten Menschengeschlecht« belehrt werden, denn bei den [74]Griechen hätten die periodisch eingebrochenen Naturkatastrophen wiederholt den Niedergang von Kultur und Schriftlichkeit verursacht und das griechische Volk immer wieder ins Kindesalter zurückversetzt; in Ägypten hingegen sei, »was sich sei es bei Euch oder hier in anderen Gegenden, von denen uns kund ward, Schönes und Großes oder in einer anderen Beziehung Merkwürdiges sich begab von alten Zeiten her hier in den Tempeln aufgezeichnet und aufbewahrt«. In einer ähnlichen Stelle kennzeichnet Josephus Flavius die unverfälschte Tradition einer historiographischen Kontinuität und ihre Fortsetzung als eigentliche Aufgabe des Geschichtsschreibers. Unbegründet, so behauptet Josephus, sei der Überlegenheitsdünkel griechischer Geschichtsschreiber, in Wahrheit seien ihre Werke nicht nur der jüdischen, sondern überhaupt der orientalischen Historiographie weit unterlegen: während im Orient die Sorge um die unverfälschte chronikalische Überlieferung und ihre Fortsetzung in Ägypten und Judäa den Priestern (Josephus, selbst Priester, zog hieraus die Legitimation seines literarischen Schaffens), in Babylon den Magiern von jeher übertragen worden seien26, hätten sich die Griechen nicht bemüht, »von Anfang an die Geschehnisse jedes Zeitalters in die Annalen einzuzeichnen«27 und hätten darüber hinaus die schädliche Gewohnheit, aus literarischem Ehrgeiz das (wenige) Überlieferte immer wieder umzuschreiben und zu ändern28; schließlich findet Josephus, daß der griechische Geschichtsschreiber in der Regel auch in der Beschreibung der Gegenwart mehr als unkorrekt vorgehe.
Zum Altersnachweis des Volkes, wie ihn Josephus führt, gehört in der jüdischen wie christlichen Apologetik der Nachweis lückenloser Schrifttradition. So ist auch jene für mittelalterliche Chroniken so typische Aussage zu begreifen, man beginne mit der Weltschöpfung im Gegensatz zur heidnischen Historiographie, die sich für die Zeit bis Ninus in Mythen verliere.29 Auch die Bestimmung der Geschichtsschreibung als Augenzeugenbericht ließ sich damit vereinbaren; Moses, heißt es bei Ambrosius, sei gewissermaßen zum Augenzeugen der Schöpfung geworden.30 Neben [75]dem Beweis (testimonium) der Lehre aus der lückenlosen schriftlichen Tradition gab es allerdings in der Antike wie im Mittelalter andere, populäre: »Sieben umfaßten die gesamte Welt: Methusalem sah Adam; Sem sah Methusalem; Jakob sah Sem; Amram sah Jakob; Ahia von Schilo sah Amram; Elias sah Ahia von Schilo und lebt noch.«31 Die christliche Legende kennt dazu noch das Ewige Leben des Johannes32, im Mittelalter begegnen wir seit dem 13. Jahrhundert der Legende vom christlichen Büßer Cartaphylus, der von Christus zum Fortleben bis zu seiner Wiederkehr verurteilt wurde33; an einige Berichte über diese Gestalt lehnt sich die im 16. Jahrhundert entstandene Legende vom Ewigen Juden an.34 Das Auftauchen solcher Gestalten ist oft mit der religiösen Polemik verknüpft.
Auch im Mittelalter galt es, die Geschichtsschreibung, vor allem aber die Kirchengeschichtsschreibung, als kontinuierliches Fortsetzungswerk, als Sukzession authentischer Berichte auszuweisen, die mit Moses (oder Lukas) begannen und bis zur Gegenwart hinreichen. So ist die Aufzählung der Vorgänger zu verstehen, die wir bei Evagrius, Isidor oder Beda vorfinden. Am deutlichsten aber wird dies im Prolog der »Historia Pontificalis« Johanns von Salisbury35: Die Bücher der Chronik, Esra und Makkabäer sind *quasi epilogus Veteris Instrumenti und reichen bis unmittelbar vor die christlichen Zeiten; *Lucas nascentis ecclesie texit infantiam; cui succedens Eusebius Caesariensis, adolescentis ecclesie processus enarrat, eamque in virilem producit etatem Cassiodorus quoque sicut previos in cronicis descriptionibus habuit, sic illustres viros huius studii reliquit successores. Versantur in hoc Orosius, Ysidorus, et Beda, et alii etatis quoque nostre quam plurimi sapientes , er nennt die Weltchronik Hugos von St. Victor, die bis Innozenz II. und Ludwig VII. reiche; *secutus est eum Sigebertus Iamblensis monachus, dessen Geschichtswerk mit Valentinian und Gratian beginnt und bis zum Reimser Konzil, 1148, reicht. Von da an ist ihm keine Chronik mehr bekannt, *licet aliquas rerum memorabilium subnotationes in archivis ecclesiarum [76]invenerim, und er sieht in der eigenen Chronik eine continuatio36 der Chronik Sigeberts, da er seinen Bericht mit demselben Jahr und am selben Ort beginnt, wo dieser endete, obwohl er zu wissen glaubt, die Chronik Sigeberts sei einseitig und parteiisch.37 Denn, so könnte man überspitzt formulieren: es gibt nur eine historia mundi (oder ecclesiae), die kontinuierlich fortgesetzt — nicht umgeschrieben — werden muß und die der jeweilige Augenzeuge von seinem Ort, von seiner Zeit aus am besten erzählen kann. Darum ist der Geschichtsschreiber vornehmlich Fortsetzer.
Im Zusammenhang mit der Timaiosstelle erwähnten wir bereits die christliche Aetateslehre. Wenn Augustinus die erste aetas mundi der infantia des einzelnen verglich, so darum, weil beide ohne memoria sind, aber auch darum, weil beide ohne actio sind.38 Die letzte Konsequenz jener Anschauung von der Folge des Weltgeschehens, die immer durchsichtig ist, weil jedes Zeitalter am besten zu bestimmen vermag, was dignum memoria ist — aber diese letzte Konsequenz wurde weder in der Antike noch im Mittelalter deutlich ausgesprochen —, ist diese, daß man tatsächlich die Geschichte mit der Geschichtsschreibung anheben sieht, daß man der Urzeit nicht allein deswegen Geschichtlichkeit abspricht, weil sie keine Geschichtsschreibung kennt, sondern auch darum, weil sie keine bemerkenswerten Ereignisse enthielt, weil alles, was bemerkenswert ist, mit der Fähigkeit, es für kommende Generationen zu tradieren, begonnen habe. In der infantia mundi hat die Profangeschichte für die christliche Geschichtsanschauung tatsächlich keine bedeutenden Ereignisse, die der menschlichen Initiative entsprangen (actus humani), aufzuweisen; war sie doch, ob man sie als aetas aurea betrachtet oder nicht, ohne Staatswesen.39 Kein Staatswesen ohne Geschichtsschreibung — *Acta vero rei publicae mori simul cum eius rectoribus arbitrati sunt, nisi quod accidit notaretur heißt es bei Wipo40 im Anschluß an Macrobius; nur das aufgezeichnete Ereignis hat Wirkung; daher erlaubt sich Hieronymus, die Geschichte der Arianer zu unterdrücken.41
Erst Hegel sprach diese Konsequenz ausdrücklich aus. Er begründete [77]die Tatsache, daß »Geschichte in unserer Sprache die objektive sowohl als die subjektive Seite« vereinigt und »ebensogut die historiam rerum gestarum als die res gestas selbst« bedeutet, damit, daß diese »nicht zufällige« Vereinigung (das Lateinische kannte sie, wie wir sahen, nicht) aus dem gleichzeitigen Erscheinen der »Geschichtserzählung« und den »eigentlich geschichtlichen Taten« in der staatlichen Gemeinschaft entsprang.42 Nur technischen, nicht grundsätzlichen Charakters, vor allem aber auf das Aufkommen schriftlicher Quellen überhaupt, nicht auf den Beginn der Geschichtsschreibung bezogen, ist dagegen unsere heutige Unterscheidung zwischen Geschichte und Vorgeschichte.43
Für unsere weiteren Betrachtungen ergeben sich zwei Schlußfolgerungen. (1) Begriffe und Vorstellungen vom Geschichtsablauf zielten bis zum Durchbruch des Historismus nicht auf das Individuelle, sondern auf das Typische und Wiederkehrende einerseits, auf das Einmalige andererseits nur dann, wenn es universalgeschichtlich gedacht werden konnte. (2) Im Mittelalter mußte es auch dem reflektierenden Geschichtsschreiber darauf ankommen, sein »Geschichtsbild« als strenge Darstellung des Geschehens auszugeben. Daß sich auch nach diesem Prinzip eine eschatologische Gegenwartsbestimmung — nunmehr vollends zur teleologischen Gegenwartsbestimmung geworden — ergab, mag das Beispiel Rodulfus Glabers im 11., Ottos von Freising im 12. Jahrhundert beweisen.
Das Geschichtswerk des Kluniazensers Rodulfus Glaber (abgeschlossen um 1046)44 sei hier als erstes Beispiel einer reflektierenden Geschichtsschreibung, die sich um eine Gegenwartsbestimmung bemüht, genannt. Gegenstand seiner Darstellung sind *eventus, signa und figurae der Zeitgeschichte, und demgemäß kennzeichnet Glaber im Vorwort seine Aufgabe als eine dreifache. [78]Er möchte die eventus seiner Zeit, die Vielfalt des Geschehens beschreiben, ihre novitates würdigen. Zeitgeschichte allein galt im eigentlichen Sinne des Wortes als historia.45 Sein Bericht soll von der gängigen Methode historischen Erzählens nicht abweichen, *memoriale seriei temporum sein, und das bedeutet auch: am natürlichen ordo der Ereignisse festhalten.46 Sein Geschichtswerk sieht er als Fortsetzung der bisherigen Kirchen- und Profange-schichtsschreibung.47
Sein Auftrag lautete indessen, *maxima iam ex parte eventorum atque prodigiorum, quae circa et infra incarnati Salvatoris annum contigere millesimum48 aufzuzeichnen, auch die »Praefatio« nennt die Auffindung der signa an zweiter Stelle. Der Vielfalt der Ereignisse entspricht und entspringt eine Vielfalt besonderer Zeichen göttlicher Unterweisung, nicht zuletzt auch Vorzeichen der Endzeit.49 Diese müssen nach ihrem tatsächlichen Aussagegehalt befragt werden, eine systematische Untersuchung, die den Aufbau des Werkes bestimmt: die Bücher II bis III beschäftigen sich mit den *»signa« circa millesimum humanati Christi salvatoris, Buch IV ist vornehmlich den Ereignissen und Zeichen passionis anno millesimo gewidmet, das V. (unvollständige) Buch den folgender.50 Innerhalb der einzelnen Bücher gliedern sich die Ereignisse nach geographischen Prinzipien.51 Das erste Buch gilt der Vorgeschichte.52 Gerade weil Glaber kein Chiliast ist, den eschatologischen Ort der Gegenwart jedoch bestimmen will53, wendet er sich zur Geschichte. Die millenarischen Daten bestimmen zwar das Ende der Welt nicht, sind aber im Zusammenhang der zunehmenden Zahl von signa um das Millenium nicht ohne Aussagewert. Sie deuten eine historische Wende an, vielleicht die entscheidende vor dem Weltende. So bedarf er, um diese Wende anders als mit einer apokalyptischen Chronologie begreifen und begründen zu können, der figurae, der geschichtstheologischen Schemata, von denen es darum abschließend in der »Praefatio« heißt, daß er sie dem Werk »einfügen« (inserere) werde.54
Aus der »Vielfalt« der figurae, der Ordnungsprinzipien der [79]Schöpfung55, die letztlich alle in der Heiligen Schrift begründet sind56, sind ihm zwei besonders aufschlußreich, die divina quaternitas und das Gleichnis aetates mundi — Schöpfungstage. Den immanent-historischen Aspekt des christlichen Fortschritts scheint ihm die Lehre von den vier weltgeschichtlichen Gerechtigkeitsstufen am besten auszudrücken. Auch entsprechen diese Stufen der kosmischen Ordnung überhaupt.57 Die Analogie der Schöpfungswoche verdeutlicht hingegen den Charakter des Fortschritts als Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes innerhalb eines vorherbestimmten Zeitraumes. Organologische Metaphern benutzt Glaber nicht. Auch von der augustinischen Geschichtstheologie Glabers58 kann nicht die Rede sein. Die unmittelbare Quelle seiner Ausführungen über die strukturelle Übereinstimmung der Evangelien, Tugenden, Sinne, Paradiesesflüsse und schließlich Weltalter ist das Hexaemeron des Ambrosius.59 In der Begrenzung der Geschichte auf sechstausend Jahre sieht er, im Gegensatz zu Augustin, den Sinn der Aetateslehre. Der Gegensatz civitas terrena — civitas Dei wird an keiner Stelle erwähnt60; er weicht dem individualisierten Gegensatz bonus, iustus — malus, iniustus. Auch sieht er den Gegensatz imperium christi — imperium terrenum in der Geschichte aufgehoben.
Die teilweise wörtliche Anlehnung an Ambrosius — m. W. bisher übersehen — ist keinesfalls mit bloßer Ausschmückung der »Praefatio« gleichzusetzen. Sie ist Rezeption und Umdeutung zugleich. Rezipiert ist der Gedanke, daß der kosmischen Harmonie die concordia der geschichtlichen Triebkräfte (Tugenden) entspricht; wobei die kosmische Harmonie mit der Weltschöpfung vollendet war, die historische aber sich in der Geschichte erst in vier Stufen verwirklichen mußte. Das vierte Zeitalter der Gerechtigkeit ist das Zeitalter der Vereinigung und Aufhebung aller Tugenden in ihr.61 An diese Bestimmung der iustitia als fundamentum et finis knüpft Glaber seine Vorgeschichte des gegenwärtigen Zeitalters. Das Vorangegangene dient ihm also zum Beweis, daß die Geschichte vor und bis zu seiner Zeit nur als universale Geschichte [80]der iustitia geschrieben werden kann, da mit dem Erscheinen Christi zwar das regnum iustitiae begründet wurde, sich aber noch nicht durchgesetzt hat; erst seine eigene Zeit, darauf will Glaber hinführen, sieht die entscheidende Phase der Verwirklichung des regnum Christi auf Erden, die Pazifizierung des Erdkreises und seine Christianisierung, die Verwirklichung der Gerechtigkeit also, und somit, so könnte man hinzufügen, den Ansatz zur Versöhnung der Natur mit der Geschichte.62 Mit dieser aber, mit der endgültigen Verwirklichung der Gerechtigkeit, käme — so muß geschlossen werden — das Ende des Geschichtsablaufs und mithin der Welt.
Die Geschichte der Gerechtigkeit betrachtet Glaber vornehmlich anhand des Umwandlungsprozesses des römischen Reiches bis zu seiner Zeit hin. Damit wird die ambrosianische figura historisch konkretisiert. Das setzt, wie schon erwähnt, voraus, daß die Gerechtigkeit mit der Zeitenwende nicht im vollen Umfange schon realisiert (oder wiederhergestellt) worden war, sondern daß es die Aufgabe des vierten Zeitalters war, ihre Verwirklichung allmählich anzustreben. Im *totius orbis imperium principale, scilicet Romanum ging die Verbreitung des Christentums Hand in Hand mit dem Untergang der Weltmachtstellung und Schreckensherrschaft der Stadt Rom. Durch die Bekehrung vieler principes vom römischen zum christlichen Imperium wurde die *stirps Caesarum allmählich zerstreut und verdrängt; selbst die Stadt Rom, bisher gewohnt, Gesetze und Rechte anderer an sich zu reißen, blieb nunmehr herrenlos.63 Noch immer aber war die Herrschaft der Gerechtigkeit nicht hergestellt, denn nun begannen die abgefallenen gentes einzeln das nomen imperii zu usurpieren.64 Die stärksten unter ihnen, die Franken, hatten nur darum Anrecht auf das Imperium, weil — und solange — sie die iustitia christianitatis vorantrieben und Einigkeit unter sich und im Reich aufrechterhielten. Es scheint, als sehe Glaber im Karolingerreich das erste imperium christianum, die erste geglückte Synthese zwischen imperium terrenum und imperium (oder regnum) Christi.65
[81]Der allmähliche Untergang des Karolingergeschlechts ist wiederum von Uneinigkeit und Wirren66 im Inneren, von Auseinandersetzungen mit Byzanz67 und Invasionen der Heidenvölker im Äußeren68 und von Naturkatastrophen begleitet. Es scheint, als wiederholten sich für Glaber die Zustände nach dem Untergang Roms69, jedoch auf einer höheren Fortschrittsstufe, denn um das Jahr 1000 setzt die restauratio ein.70 *Evacuato siquidem priorum regum genere sedatisque jurgiis, cepit orbis novorum regum pace sub amica reflorescere, Christique regnum per fontem sacri baptismatis circumquaque tirannos sibi subjugare.71 Die Wiederherstellung der Gerechtigkeit, die Eintracht christlicher Herrscher, die der Christianisierung und Pazifizierung Europas vorausgeht72, die rechtliche Regelung der Kaiserwahl73, die Ausbreitung des Mönchtums und der Kirchenreform74 sind Aspekte und Momente der sich nun verwirklichenden iustitia christianitatis in seiner Zeit. Es kommt, sowohl um die Jahrtausendwende als auch um das Jahrtausend nach der Passion75, noch zu Rückschlägen, die wiederum Vorzeichen der nahenden Endzeit sind: *Sacro premonente eloquio, luce clarius conpertum habetur quoniam in processu novissimorum dierum, frigiscente in hominibus caritate ac superabundante iniquitate, instabunt periculosa animarum tempora. Nam et multiplicibus antiquorum patrum intimatur assertionibus quod, crassante avaritia, preteritarum jura vel ordines religionum ex eo unde consurgere debuere ad incrementi profectum, exinde sumpsere corruptionis defectum.76 In der Ketzerei, Simonie, Abstumpfung des Herzens sieht er Vorboten der Endzeit.77 Auch der Zerfall des Imperiums hat wohl schließlich eschatologische Bedeutung.78 Das unvollendete fünfte Buch endet mit dem Lobpreis Heinrichs III. und mit der Gewißheit einer reformatio in melius.79
Die Historien Glabers, vor allem aber ihr erstes Buch, sind darum bewußte Fortführung und Konkretisierung der ambrosianischen Stufenlehre der Gerechtigkeit. Daß aber die Verwirklichung der Gerechtigkeit, selbst Zeichen und Gradmesser der nahenden Aufhebung der Geschichte, von zunehmenden Endzeichen begleitet [82]sein muß, bestätigt ihm die (wiederum nicht augustinische) Aetateslehre. Die fortschreitende Christianisierung und Befriedung im Westen, die er beschrieb, veranlaßt ihn, am Ende des ersten Buches die Frage aufzuwerfen, warum dieser Fortschritt ungleichmäßig verläuft, warum das Menschengeschlecht in den verschiedenen Weltgegenden nicht gleichermaßen capax salutis wurde.80 Er stellt dabei den Norden (wohl Normannen) und Westen dem Osten und Süden (wohl Sarazenen) gegenüber.81 Zwar steht von vornherein fest, daß eine so gestellte Frage nicht beantwortet werden kann; *hoc soli Deo nosse competit. Aber die Gewißheit des Fortschritts und seiner Grade läßt sich doch bei einer vorsichtigen82 Betrachtung der Schrift, da in ihr *omnis forma invenitur expressa mundani saeculi erschließen83, ein Zeugnis der iustitia und bonitas Gottes. Mag auch der Heilsplan selbst verborgen sein: *spaciatim per incrementa temporum offenbart sich die Allmacht, Güte und Wahrheit der göttlichen Führung durch ihre *opera pietatis sowohl als auch durch *ultionem vindictae iuste retributionis.84 Folglich steigert sich auch *paulatim ab ipso humani generis exordio die Erkenntnis Gottes (cognito auctoris)85, und diese Zeichen verdichten sich, je mehr die Welt sich dem Ende nähert. Den sechs Tagen der Schöpfung, gefolgt vom Ruhetag, entspricht das Wirken Gottes *per sex milia annorum86 spatia pro eruditione hominum, exhibendo illis frequentia signanter ostenta. Abermals wird damit begründet, warum Vorzeichen des Endes sich verdichten, je mehr sich die Welt der aetas quietis nähert. Vielleicht wäre Glabers Beweisgang weniger umständlich, wenn er ihm stärker den Akkommodationsgedanken zugrunde gelegt hätte. Aber es ging ihm vornehmlich um die Frage: hat die unmittelbare Gegenwart Anlaß für eine gesteigerte Endzeiterwartung? Und diese hat er klar und eigenständig beantwortet: zwar müsse man sich von Endzeitberechnungen distanzieren, jedoch böte die Betrachtung des immanenten Geschichtsablaufs Zeichen und Deutungsschlüssel genug, um den heilsgeschichtlichen Ort der Gegenwart genauer als mit dem bloßen Hinweis auf die aetas sexta zu bestimmen. Seine [83]letzten Endes gegenwartsbejahende Anschauung von der Verwirklichung der Gerechtigkeit in der Geschichte stellt Glaber bewußt der gegenwartsverneinenden, apokalyptischen Weltuntergangsstimmung entgegen.
Worin unterscheidet sich Glaber von der herkömmlichen Historiographie? Sein Zeitgenosse Wipo leitet seine Beschreibung der ersten Handlungen Konrads II. mit einer bekannten Anekdote ein. Auf dem Wege zur Konsekration unterbrach Konrad den feierlichen Einzug, um einem Bauern, einer Waise und einer Witwe Recht zu sprechen.87 Der Erzählung schickt Wipo eine umständliche Entschuldigung voraus. Er möchte Ereignisse in seinen Bericht aufnehmen, welche *licet parva videantur, mysterio tamen magnifice pollent. Das Schicksal von Personen niederer Herkunft gehört zu den parvae res, die nicht in dem Sinne dignae memoria waren, wie es die antike Historiographie von ihrem Gegenstand forderte. Diese Forderung bestand neben und gegen die biblische Geschichte, deren Ereignisse je unscheinbarer desto erfüllter von hohen mysteria waren.88 Die Entschuldigung Wipos ist zugleich Rechtfertigung: *Sed quoniam historia publica scribitur, quae animum lectoris ad novitatem rerum quam ad figuras verborum attentiorem facit, magis videtur congruere ipsam rem integram persequi, quam mysticis rationibus aliquid promiscue commentari. Er setzt voraus, daß man das Unscheinbare exemplarisch berichten dürfe, aber nur dort, wo seine tiefere ratio unmittelbar aus der Erzählung, ohne weitere Auslegung, gewonnen werden kann. Das ist im Grunde auch die Auffassung Glabers, allein nicht als Ausnahme, sondern als durchgehende Reduktion der Geschichte auf ihre Zeichen und exegetischen Schemata. Seine Unterscheidung zwischen eventus, signa, figurae in der Geschichte erinnert unwillkürlich an die Trichotomie exegetischer Mittel. Aber auch ohne diesen von Glaber nicht ausdrücklich vollzogenen Vergleich sind in seinem Geschichtswerk zwei mögliche Methoden der genaueren eschatologischen Ortsbestimmung der Gegenwart angedeutet. Die eine ist die aktualisierende Exegese des Symbolismus, die bei Glaber [84]nur insofern angedeutet wird, als er die nachbiblische Geschichte für deutbar und »bedeutend« wie die biblische Geschichte selbst hält, wenn auch seine exegetischen Schemata nicht über das in der Tradition Vorhandene hinausgehen. Die zweite Methode war die reflektierende Geschichtsschreibung, die aus dem Wissen um das Ziel der Geschichte die Ereignisse gegeneinander abstuft, ohne zur Exegese zu greifen. Man kann nicht sagen, daß Glaber bewußt die eine Methode der anderen vorzieht, da ihre Ausbildung erst im 12. Jahrhundert erfolgte.
Die Frage nach dem Ursprung und dem Sinn von Zeiterscheinungen — und die heilsgeschichtliche Gegenwartsbestimmung ist die mittelalterliche Form historischer Selbsterkenntnis — erscheint in Krisenzeiten den unmittelbar Betroffenen aktueller denn je und wird dennoch in der Regel erst in den folgenden Generationen aus dem zeitlichen Abstand heraus beantwortet. Das Zeitalter des Investiturstreites kannte nur in einer Weise eindeutige historische Werturteile: in der Streitschriftenliteratur, oder überall dort, wo die Suche nach der Schuld an den gegenwärtigen Wirren dominieren mußte, wo »Neuerungen« angeprangert oder verteidigt wurden89, wo »Umwälzung« und »allmählicher Übergang« Begriffe der Polemik oder Praxis, nicht der grundsätzlichen Reflexion waren. So stellt etwa der kompromißsuchende Wenrich von Trier die Laieninvestitur nahezu wie seine Parteigegner als bloße consuetudo hin, die durchaus durch bessere ersetzt werden könnte: *Illud sane, quod de aecclesiasticis ventilatur beneficiis ab omni saecularium iura perpetua emunitate asserendis, de episcopis quoque manu principis in episcopatum minime introducendis, etsi pro rei novitate primo sui aspectu offensionem generat, aliquam tamen speciem rationis exhibet, si non res vel tali tempore mota, vel tali [85]impetu properata vel tali foret contentione agitata.90 Aber die Betrachtung des Streites selbst als Glied einer Entwicklung — als die Geburt des Neuen aus dem Alten, als notwendiges Moment in einer sich steigernden Bewegung in seiner Kontinuität und Diskontinuität zugleich, gelang erst im 12. Jahrhundert; und mit ihr die Antwort auf die historische Eigenart und den heilsgeschichtlichen Sinn der Krise, in der man dann eine Epochenwende sieht. Aber die polemische Literatur des Invetiturstreites kennt die Gegenwartsbestimmung nur als Aufdeckung der Mißstände und ihrer Ursachen91; wohingegen Versuche einer engagierten und doch unpolemischen Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Zeitwirren im Eingeständnis, keine eindeutige Antwort erreichen zu können, mündeten; so zumindest in der Weltchronik Frutolfs von Michelsberg, die hier auch darum untersucht wird, weil sie die wichtigste Materialsammlung für die Geschichtsdeutung Ottos von Freising werden sollte, in welcher der Investiturstreit in der Tat Brennpunkt der Gegenwartsbestimmung wurde. Wenn unsere Vermutung zutrifft, daß sich bei einigen Geschichtsdenkern des Mittelalters eine bewußte Beschränkung auf die historische Darstellung feststellen läßt, so gilt es zugleich, den allgemeinen Stand der Historiographie am Beispiel einer der meistgelesenen Chroniken darzustellen.
Frutolfs Darstellung seiner Gegenwart und der unmittelbaren Vergangenheit — sein Bericht für die Jahre 1057—1099 — vermittelt uns, wie vielleicht keine andere Chronik, einen Eindruck von den Bemühungen um ein historisches Verständnis der confusio in Kirche und Reich, einer Verwirrung, von der man glaubte, sie überträfe alle Krisen der Vergangenheit.92 Mit dem Jahre 1057 verliert Frutolf das annalistische Gerüst, das ihm bis dahin die Würzburger Chronik bot93, sein Bericht wird weitgehend zur historia im mittelalterlichen Sinne des Wortes. Von da an gelten nicht mehr die bisherigen Motive seiner Geschichtsschreibung: komputistische Interessen94, Sammeltrieb, *delectatio noticiae rerum mirabilium95, sondern vor allem die Suche nach den Ursachen [86]der gegenwärtigen Mißstände.96 Wenn in den vorangehenden kompilatorischen Partien die kritische Handhabung der Quellen gerühmt wurde — seine systematische Bemühung um die Aufstellung aller diversitates und discordiae in seinen Quellen und um ihre solutio (vor allem in chronologischen Fragen)97 steht in Parallele zu den Anfängen der methodischen concordia diversitatum in der Kanonistik98 — so war auch seine Schilderung der eigenen Zeit, wiewohl parteiisch, dennoch von den Bemühungen um Objektivität und um ein differenziertes Verständnis getragen. Frutolf stützt seinen Bericht auf Aktenstücke und Briefe besonders dann, wenn er umstrittene Ereignisse zu schildern hat.99 Um eine richtige Proportionierung seines Materials bemüht er sich auch in diesem Abschnitt: er gehört einer Generation von Chronisten an, die sich bewußt vor der topozentrischen Darstellung, im Zeitlichen wie im Räumlichen, hüteten.100 Noch wichtiger sind die inneren Merkmale seines Gegenwartsberichtes.
Auftakt und Interpunktion der Darstellung bilden Naturkatastrophen; daran hielt auch Otto fest.101 Kaiser Heinrich III. ist die letzte Schlüsselgestalt, die Frutolf homogen und ohne innere Widersprüche sieht.102 Schon Agnes, obgleich sie das Land sapienter et strenue regierte, machte sich schuldig, indem sie ein Versprechen Heinrichs III., das Herzogtum Schwaben Berthold von Zähringen zu geben, nicht einhielt und nach dem Tode Ottos von Schwaben Rudolf von Rheinfelden, der sich zuvor die Ehe mit ihrer Tochter erzwungen hatte, als Herzog einsetzte — *quod magnum fuit seminarium earum quibus regnum perturbatur commotionum.103 Was nun folgt, wird mit der Überzeugung berichtet, daß Unrecht Unrecht zeugt: Die Entschädigung durch das Herzogtum Kärnten befriedigt Berthold nicht, es wird ihm ohnehin später von Heinrich IV. abgesprochen, was ihn »wie eine Erneuerung des früheren Unrechts aufgebracht« hatte. Er wird zum Gegner des Königs und Rudolfs zugleich. »Vielerlei Dinge, die damals in unbedachter Weise vorgenommen wurden, trafen zusammen«: Der Sturz Ottos von Northeim, die Ermordung des [87]königstreuen Konrad.104 »Es verschwören sich also Otto von Sachsen, Berthold von Schwaben«, und am Ende kommt es zur Empörung Rudolfs. All das wird zum Jahre 1057 berichtet und zwar im Zusammenhang mit dem Wortbruch des Königshauses.105 Otto von Freising zitiert diesen letzten Absatz ohne den Bezug auf Agnes, wohl aber als allgemeine Bestätigung der discordia im Reich, die sich das Papsttum in seinem Kampf um die libertas zunutze machte.106
Den Raub von Kaiserswerth erwähnt Frutolf schon einmal vor der Berthold-Erzählung, nämlich in der Gesamtwürdigung der Gestalt der Agnes. Ein anderes Mal spricht er davon in seinem Bericht zum Jahre 1062.107 Die Entführung des Königs ist die zweite Ursache für die darauffolgenden Wirrnisse im Reich, die Frutolf aufspürt: *multa incommoda extunc orta et deinceps aucta, certum tenemus. Nam perinde dissensiones in regno108, aecclesiae perturbatio, monasteriorum destructio, clericatus despectio, totius iusticiae ac religionis conculcatio et coepit et permanet.109 Am meisten verwundert ihn aber die Rolle Annos von Köln. Er nennt ihn später — anläßlich seines Todes — *plenus sanctitatis meritis.110 Hier aber drückt er sein Staunen über die Dissonanz von Person und Tat offen aus. Die Regierung der Kaiserin sei glücklich gewesen, meint er, *donec principes aliqui invidia ducti, puerum matri abstulerunt, eamque regimine regni abalienaverunt; quorum numero dominus Anno Coloniensis archiepiscopus se immiscuit, Quod ille qua intentione fecerit vel qualiter divino iudicio placuerit discernere non volumus111; Otto von Freising erwähnt den Raub nicht ausdrücklich, er erwähnt nur, daß Heinrich dem Einfluß seiner Mutter entzogen wurde, *quod seminarium maxime dissentiones fuit112, ersetzt aber *principes aliqui invidia ducti durch consilio quorundam — enthält sich also des Urteils.113
Auch von den Vorgängen in Sachsen vor dem Sachsenkrieg hat Frutolf kein rechtes Bild, vermutet aber in ihnen ebenfalls eine Hauptursache des Unheils seiner Zeit. Die Untaten des Königs sieht er nur als adolescentiae usus an, vielleicht sind sie doch, [88]»wie manche sagen«, dem schlechten Rat und Einfluß Adalberts von Bremen zuzuschreiben. Dennoch tut Frutolf diese Untaten nicht ab; er beschreibt sie ausführlich114 und kommt zu dem Ergebnis, daß *his discordiae seminariis contigit regi quam plurimos insidiatores tam vitae quam regni succrescere. Ein Aufstand des Markgrafen Dedi (nach Frutolf 1070, in Wahrheit 1069), *non sine Saxoniae principum consilio, bleibt erfolglos; erfolgreicher ist jedoch die Verschwörung Ottos von Northeim, die kurz darauf folgt.115 Der Bericht Frutolfs über die Ereignisse, die zu diesem Aufstand führten, läuft etwa darauf hinaus, daß weder Otto noch Heinrich der eigentlich Schuldige ist. Zwar räumt er ein, daß Ottos großes Ansehen dem König mehr als unbehaglich gewesen, die Absetzung Ottos als Herzog von Baiern aber erst anläßlich der Verleumdung Eginos, eines »durch Frechheit und Schändlichkeit verrufenen« Mannes, geschehen sei. Für Frutolf bleibt Otto ein »Held« und »ein Mann von hoher Gesinnung«, die Gegnerschaft des Königs ein von ihm »erlittenes Unrecht«116, das Otto nun zu rächen trachtet. »Seine Unschuld jedoch (in bezug auf die Verleumdungen) oder Eginos Schändlichkeit blieb keinem verborgen.« Nach Frutolfs Schilderung blieb sie aber zumindest einem verborgen, dem König nämlich; er beteuert die Unschuld Heinrichs. Den Bericht schließt er mit folgenden Worten: * Quid multa? idque tam principalis discordiae semen in perpetuos heu! praeliorum et seditionum, praedarum et incendiorum, scismatum etiam et heresium, atque mortium lamentabiles fructus germinavit atque succrevit.117 Auch diese Vorgänge bringt Otto von Freising unter der erwähnten Bemerkung über die divisio in se ipsum des Reiches. Ein Versuch einer näheren Charakteristik Heinrichs ist auch bei ihm nicht zu finden.118
Mit der Wahl Gregors VII. kommt nach Frutolfs Darstellung ein neuer Faktor in die Geschichte. Gregor ist für ihn nicht wie für Otto die radikale und konsequente Verkörperung der Strömungen, die in der Kirche bereits vorhanden waren. Frutolf zieht nicht die Schlüsse, die er sogar auf Grund einiger seiner Notizen119 hätte [89]ziehen können. Zur Wahl Gregors heißt es: *Hiltebrandus, qui postea Gregorius dictus est, Romanae sedi successit; sub quo Romana res publica et omnis aecclesia novis et inauditis scismatum erroribus periclitari coepit.120 Das nächste, was wir von Frutolf über den Kirchenstreit hören, ist die ausführliche Schilderung der Wormser Synode121, der Versammlung zu Oppenheim und der Ereignisse um Canossa. In dem Zitat, das Frutolf den Beschlüssen der Synode entnimmt, wird Gregor beschuldigt, durch novitates die Kirche in große Wirren gebracht zu haben — der Wortlaut ähnelt der zum Jahre 1074 von Frutolf selbst gebrachten Würdigung des Papstes, ist jedoch schärfer.122 Zum Aufstand gegen Heinrich während und nach dem Canossa-Gang bemerkt Frutolf: *Inter haec quae gesta sint, totus iam mundus sui commotione testatur.123
Was nun in der Erzählung Frutolfs folgt, ist eine nicht kausal zusammenhängende Aufzählung der Bewegungen des Königs und des Gegenkönigs, wobei er zum größten Teil nur über die Geschehnisse in Franken einigermaßen unterrichtet ist.124 Zum Jahre 1080 berichtet er ausführlich über die Synode zu Brixen, über die Wahl des Gegenpapstes und das Echo, das diese Wahl hervorrief. Das ist ihm eine Gelegenheit, um die Worte, die dort gegen Gregor fielen, zustimmend wiederzugeben.125 Neue Ursachen für die zunehmenden Wirrnisse im Reich findet er nicht mehr. Von der Versammlung zu Quedlinburg weiß Frutolf nur Nebensächliches.126 Ab 1091 berichtet er fast nur noch von Naturerreignissen.127 Die Wichtigkeit der Kreuzzugsbewegung erkannte er kaum; die ersten Durchzüge scheinen in Franken — nach Frutolf — nicht sehr wohlwollend aufgenommen worden zu sein.
Die entscheidenden Jahre in der Geschichte des Reiches ab 1057 sind demnach für Frutolf die Jahre 1057—1076. Hier findet er bereits alle Momente, die die Reichsgeschichte bis zu seiner Zeit bestimmten. Aber auch für diese Jahre bietet Frutolf kein zusammenhängendes Entwicklungsbild. Eine grundlegende Unsicherheit in der Beurteilung und Bewertung von Geschehnissen und Personen [90]beeinflußt die ganze Erzählung. Wäre der Umfang seiner Darstellung (der Jahre 1057—1076)128 nicht so gering, so könnte man mit BUCHHOLZ129 meinen, daß Frutolf zuweilen zu »entgegengesetzten Schlüssen« kommt. Am geringen Umfang dieser Darstellung liegt es auch, daß wir kaum annehmen können, Frutolf habe seine Auffassung erst im Laufe der Erzählungen geformt. Vielmehr ist die Unsicherheit in der Beurteilung zeitgenössischer Vorgänge und Personen nichts anderes als ein stets von neuem ansetzender Versuch, die Genesis der confusio aufzudecken. Aus dem Gegensatz zur polemischen Reduktion der Ereignisfolge auf eine Ursache und einen Schuldigen (so Bernold von Konstanz oder die Vita Heinrici Quarti, von den Streitschriften selbst ganz zu schweigen) ist polykausales Denken und die Einsicht in die Dissonanz zwischen Menschen und ihren Handlungen entstanden: Es handelt sich hierbei nicht um ein historiographisches Prinzip, wie später bei Wilhelm von Tyros130, oder um einen biographischen Leitsatz, einen Ansporn zur psychologischen Einfühlung also, wie sie gerade von Zeitgenossen Frutolfs zu hoher Meisterschaft entwickelt wurde131, sondern um Resignation des sich um Objektivität bemühenden Betrachters.
Geschichtsdeutung im Sinne einer differenzierenden Bestimmung der eigenen Zeit in der Heilsgeschichte versuchte auch Hugo von Fleury in seiner Chronik oder Kirchengeschichte132 nicht, wohl aber Geschichtsbetrachtung in dem Sinne, daß sie ein gegenwartsbezogenes Beweisziel hat und im Beweisgang die überlieferten geschichtstheologischen Kategorien auszunutzen weiß. Der von WAITZ gegebene Name Kirchengeschichte erscheint im Widmungsschreiben an Adela von Poitou im Zusammenhang mit den verschiedenen Motivationen seines Geschichtswerkes. In der Darlegung der erzieherischen, exemplarischen Aufgabe der Chronik wird zunächst auf die Kirchengeschichte, die sie enthält133, dann aber auf die Herrschergeschichte, die in ihr ebenso zu finden sein wird134, hingewiesen und diese Verbindung mit dem Topos verteidigt: daß die Verwebung [91](texere) von Profan- und Heilsgeschichte im Alten und Neuen Testament (Lukas) begründet ist.135 Sodann sollen aus der Geschichtserzählung die sacramenta der Kirche deutlich hervortreten136: Sinn und Struktur der Geschichte werden schon hier mit einer wörtlichen Wiederholung der Aetateseinteilung, wie sie im Prolog des 2. Buches vorgenommen wird, dargelegt.137 Abermals geht es Hugo von Fleury um die Koinzidenz von Profan- und Heilsgeschichte, die er bis zur Zeitenwende anhand der Weltgeschichte seit Ninus in wörtlicher Übereinstimmung mit Orosius und anhand der Geschichte des Volkes Gottes von der dritten aetas an — die ersten erwähnt er darum nicht — in wörtlicher Übereinstimmung mit Augustin untersucht. So stark ist die Anlehnung an Orosius, daß Hugo von Fleury sein eigentümliches Regnaschema als einziger mittelalterlicher Autor übernimmt.138 Wie bei Augustin, wie bei Orosius begann das römische Reich mit dem Untergang des Ostreiches (Assyrerreich) *paulatim exsurgere139, das Verhältnis beider gleicht einem Vater-Sohn-Verhältnis140, die Geschichte der Weltreiche durchläuft alle Weltteile in einer aufsteigenden Linie (distinctis gradibus eminentes) bis zur Geburt Christi. Darum ist römische Geschichte nicht bloß die Geschichte einer gens, sondern Weltgeschichte.141 Ihre heilsgeschichtliche Relevanz ist, wie bei Orosius ausgeführt, durch die Parallele Abraham (im 43. Regierungsjahr des Begründers des Assyrerreiches, Ninus, geboren) — Christus (im 42. Regierungsjahr des Augustus geboren)142 bestätigt. Es sind dies zusätzliche Begründungen für das Erscheinen Christi im augusteischen Zeitalter; voran steht die Erfüllung der Prophetie, der Erlöser der gentes würde nach dem Erlöschen des jüdischen Königtums erscheinen. Christus, der wahre rex et sacerdos, ist *cessante iam regno ac legitimo sacerdotio Judaeorum gekommen, *mundo salutarem afferens fidem, in qua pupulum gentilem atque Judaicum fabricando sibi connecteret atque uniret.143 Von der propädeutischen Mission des römischen Reiches ist nicht die Rede, die Frage quare non ante venit Christus wird augustinisch beantwortet: *Nam si ante venisset, cuncta forsitan legis novae precepta [92]vetustas temporis abolevisset144 und keinesfalls mit einer Reichstheologie. Propädeutisch ist dagegen die Rolle des Alten Testamentes, *velut paedagogus, rudibus atque carnalibus hominibus primum posita est, erudiens eos vel peccare prohibens metu poenae presentis.145 Anhand der biblischen Geschichte, iuxta historiae textum kann er den Fortschritt der *recta eruditio fidei per quosdam gradus et articulos aetatum ac temporum aufzeichnen146, den Fortschritt vom Knaben- zum Mannesalter.147 Die Scheidung zwischen den duae societates hominum148 bedeutet in der Tat bis zur konstantinischen Wende die Scheidung zwischen Profan- und Heilsgeschichte.
Im gewiß unbewußten Gegensatz zu Augustin steht die Absicht des »Liber de regia potestate et sacerdotali dignitate«.149 Die Einheit zwischen Königtum und Priestertum, die Notwendigkeit ihrer gegenseitigen Unterstützung im corpus ecclesiae leitete Hugo dort aus der Einheit beider in Christus und denjenigen, welchen die *terreni regni dispositio non a Deo, sed ab hominibus ordinata sive disposita erschien, stellte er entgegen, daß *noster conditor et salvator rex simul et sacerdos sacrosancto misterio vocari dignatus est.150 Auf die paradigmatische unitas der Gewalten in Christus ging er schon in der Chronik ein151 und zeigte auch ihre Verwirklichung unter Konstantin.152
Eine Reichstheologie entwickelte er aber dennoch nicht. Zwar verneint er die theologische Notwendigkeit des Imperiums nicht ausdrücklich, aber es scheint, als sehe er die Geschichte des Imperiums mit Ludwig dem Frommen abgeschlossen. Hier beendet er, und zwar mit der Schlacht bei Fontenoy und der Reichsteilung, seine Kirchengeschichte153; und hier beginnt die der Kaiserin Mathilde gewidmete Geschichte der Herrscher Frankreichs, in deren Widmungsbrief es heißt, er habe in einem früheren Werk die Geschichte des römischen Reiches erzählt.154 Die Schlacht bei Fontenoy bezeichnet Hugo wiederholt als Wendepunkt, und in einer eingefügten allgemeinen Zusammenfassung der Wechsel der Herrschergeschlechter in Gallien seit den Merowingern nennt er dennoch ihr [93]Datum und fährt fort: *et ab illo die usque in hodiernum diem regnum Francorum manet ab imperio Romano seiunctum ac separatum.155 Nicht der Investiturstreit, wie bei Frutolf, sondern der erste Kreuzzug steht im Mittelpunkt der Gegenwartsschilderung; und wenn auch nicht ausdrücklich von den *gesta dei per Francos die Rede ist, so doch vom Sieg Gottes *per christianae plebis manum.156 Derselbe Ansatz nationaler Geschichtsschreibung, der bei Ordericus Vitalis gefunden worden war (SPÖRL)157, ist auch bei Hugo vorhanden, ohne der Einheit des populus christianus zu widersprechen; nicht polemisch — wie sonst hätte er sein letztes Geschichtswerk der Kaiserin Mathilde widmen können — sondern als historische Feststellung.
Otto von Freising nennt seine Chronik auch ein opus de duabus civitatibus158; sie soll Geschichtsschreibung und Geschichtsbetrachtung zugleich sein. Geschichtsschreibung bedeutet ihm Chronographie im herkömmlichen Sinn, sie hat sich um das faktisch Wahre zu kümmern und soll es in der natürlichen Folge der Ereignisse berichten. Als Geschichtsbetrachtung gelten ihm nicht ad-hoc-Beurteilungen159, sondern Erkenntnisse über Sinn und Struktur des Geschichtlichen. Die Vereinbarkeit von Geschichte und Reflexion betrachtet er keinesfalls als selbstverständlich, vielmehr als ein Charakteristikum seiner eigenen Zeit und mithin selbst als historische Tatsache.
Aufgabe (officium) des Geschichtsschreibers ist es, einen unverfälschten Tatsachenbericht zu überliefern, und sei es unter Gefahr. Diesem Beweis ist der erste Teil des Begleitbriefes an Rainald von Dassel gewidmet. Die scheinbare Langatmigkeit des Beweisganges erweist sich als vollauf begründet, bedenkt man, daß Otto von Freising die Selbständigkeit der Historiographie innerhalb [94]der artes liberales als Zwischenglied in den Beweisgang einfügt. Wollte er von der Geschichte expressis verbis behaupten, sie sei selbständige ars, so befände er sich im Gegensatz zur Tradition.160 Er tut es umständlicher und weiß die Aufmerksamkeit des ungeübten Lesers ohnehin durch das erklärte Beweisziel abgelenkt. Auch scheint es zunächst, als führe Otto das methodisch Gemeinsame in allen Disziplinen aus, um auf die Geschichtsschreibung, als Teil der Rhetorik, zu schließen. In Wirklichkeit tut er das Umgekehrte, indem er die Aufgaben der verschiedenen Disziplinen trennt und sie sich hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes steigern sieht. Von den Disziplinen161 des Trivium führt er Grammatik und Logik an; die Rhetorik, der nach geltender Anschauung die Geschichte zugehört, läßt er aus. Für beide gilt zwar dasselbe methodische Prinzip der *fuga et electio, doch sorgt die erste lediglich für den sauberen Aufbau des Satzes, die zweite bereits für das schlüssige Denken. Es fehlt bislang die Disziplin, die für die Wahrheit des Festgestellten — oder, um am Beispiel zu bleiben, der Prämissen — sorgt, denn auch im Quadrivium, aus dem er exemplarisch die primäre Disziplin — Geometrie — anführt, geht es um die Schlüssigkeit und Richtigkeit, nicht um die Wahrheit. Um Wahrheit, so will Otto vielleicht ergänzt werden, geht es auch nicht in der Rhetorik, die gleichermaßen fabulae, argumenta und Historien zum Gegenstand hat162; von allen artes, so lautet sein unausgesprochener Schluß, hat vornehmlich die Chronographie Wahrheitsfindung zur Aufgabe163, sie ist darum selbständige ars, im Trivium ja sogar die abschließende.
Noch ist die Historiographie als Tatsachenbericht gemeint. Wiederholt bestätigt Otto im Laufe des Werkes, daß es ihm zunächst um den einfachen Wahrheitsbericht geht. Und wenn es gelegentlich heißt: *res enim gestas scribere, non rerum gestarum rationem reddere proposuimus164, so steht es nicht im Widerspruch zu dem an anderen Stellen hervorgehobenen Versuch rationem reddere165, denn der Satz ist nur auf Einzelereignisse gemünzt und bedeutet nicht eine Absage an die Geschichtsdeutung schlechthin, [95]sondern an ad-hoc-Beurteilungen.166 Dennoch ist hier eine klare Aussage über die Wahrheit der Chronographie: sie besteht im bloßen Tatsachenbericht. Darum bemüht sich Otto auch um den in der historiographischen Methodik der Zeit als der Wahrheit angemessen gesehenen ordo naturalis der Erzählung.167 Darum geht es im zweiten Teil des Briefes, der die qualitas, d. h. *quo ordine currat haec historia bestimmt. Es ist die natürliche, chronologische Ordnung, die sich vornehmlich an die Sukzession der vier *principalia regna hält.168 Diese lösen einander nach dem »Gestz des Ganzen« (lex totius) ab und sind schon aus dem Daniel-Buch bekannt.
Von der Aufgabe des Weisen (officium sapientis) ist hingegen im Prolog (an Isingrim) die Rede.169 Der Weise läßt sich nicht von der Unbeständigkeit der Dinge beirren und sucht sie zu ergründen und zu überwinden170; der reflektierende Geschichtsschreiber deckt die Strukturen der Geschichte und ihr Ziel auf. Es ist vom Ursprung, Fortschritt und Ziel beider Staaten die Rede, vom Parallelismus der translationes im Politischen und in den Wissenschaften. Otto nennt hier und auch an anderen Stellen seine Vorbilder, Augustin und Orosius. Aber er weiß sich von ihnen abzusetzen. Zwar will auch er über Ursprung, Fortschritt und Ende beider Staaten handeln, zwar sieht auch er in der irdischen Geschichte eine series calamitatum; aber während die Schriften beider, so heißt es im Prolog des II. Buches, polemischer Natur waren (und durch sie der Glaube ausreichend verteidigt ist), möchte er *non disputantis more, sed disserentis ordine171 vorgehen; die Betrachtung soll sich in die Ordnung der Erzählung einfügen.
Aber eben diese Einheit von Geschichtsbericht und Reflexion sieht Otto erst in der eigenen Zeit ermöglicht. Mit welcher Geschicklichkeit er unumstrittene Topoi zu Prämissen eines überraschenden, unkonventionellen Schlusses verwandelt, hatten wir schon einmal Gelegenheit zu beobachten. Im Prolog des V. Buches172 konfrontiert er zwei Zitate miteinander, den Satz Priscians: *Grammatica ars cuius auctores quanto sunt iuniores, tanto perspicatiores und Dan. 12, 4: *Pertransibunt plurimi, et [96]multiplex erit scientia. Das erste Zitat bezog man im Mittelalter häufig auf den Fortschritt der Wissenschaften überhaupt173 — auch bei Otto heißt es, die Gegenwärtigen (nos) könnten im Studium der Weisheit um so leichter als die Alten und mit demselben geistigen Aufwand wie diese *(eodem spiritu) nova invenire, da man die Schriften der Vorgänger kenne und dazu durch eigene Erfahrung reifer belehrt werden könne, je fortgeschrittener in der Zeit man sei (*processu temporum et experientiis rerum tanto maturius, quanto in provectiori orbis aevo positi edocemur). Der Daniel-Vers soll scheinbar nur das Gesagte bekräftigen. Aber weder Otto noch der geübte Leser könnten übersehen haben, daß er im ursprünglichen sowohl wie in dem im Mittelalter üblichen Zusammenhang die Zunahme des Wissens um die Endzeit174, die Zunahme des Heilswissens meint. Otto spricht auch von *senium mundi und nicht mehr, wie einige Zeilen zuvor, bloß vom provectius aevum orbis; das Wissen, der Endzeit nahe zu sein, leitete er schon oben175 von der Daniel-Prophetie, die sich *ex ipsis nostris temporibus experimentis bestätigte, ab. Da, so scheint Otto sagen zu wollen, das Wissen überhaupt zunimmt, so muß um so eindeutiger das historische Verständnis zunehmen. Was den Vorgängern, auch den Weisen unter ihnen, an historischen Zusammenhängen verborgen bleiben mußte, weil sie nicht auf einen so langen Zeitraum zurückschauen konnten und sich bestenfalls auf Prophetien verlassen mußten, beginnt nunmehr *processu temporum ac eventu rerum — allein durch den Lauf des Geschehens — deutlicher zu werden176 (man beachte, daß anstatt experientiis rerum, eventu rerum auftritt und das Unausweichliche im Wachstum geschichtlicher Erfahrung andeutet). Das Heilswissen verwandelt sich in ein historisches Verständnis; und im Gegensatz zur historischen Rückschau des Apokalyptikers ist damit ein immanenter Vorgang gemeint. *Translatio studii und *translatio imperii, auf die er dann zu sprechen kommt, sind aus der bloßen Schilderung der Ereignisse deutlich und auch in ihrer Entwicklungsrichtung schon erkennbar. Das besagt, daß sich dem Geschichtsschreiber der [97]Gegenwart, der zugleich sapiens ist, ohne jegliche Spekulation bei der Schilderung der Ereignisse selbst der Ort der Gegenwart im Weltlauf offenbart. An Jean Bodin, der als philosophhistoricus (Geschichte comme un philosophe schreiben ist also eine Redewendung, die noch vor Voltaire auftaucht) die Prophetien zwar methodisch verwarf, um einige von ihnen, die ihm den immanenten Lauf der Geschichte dennoch zu beschreiben schienen, wieder aufzunehmen177, erinnert Ottos Gleichsetzung der reflektierenden Geschichtsschreibung mit der sapientia, die processu temporum dahin gelangt, in ihren Deutungen nicht mehr von Prophetien abhängig zu sein. Dem Gedanken, daß die Geschichte selbst die Vollendung des historischen Verständnisses bedingt, hat Otto hinzugefügt: auch und gerade dann, wenn die Geschichtsbetrachtung sich allein auf die faktische Darstellung verläßt.
Ottos Methodologie erklärt die Tatsache, daß die wichtigsten Überlegungen an die Ereignisse selbst anknüpfen, wobei einige178 als Frage am Anfang des Werkes angedeutet werden, um sie gegebenen Ortes (suo loco), der chronologischen Ordnung entsprechend, zu beantworten; sie sollen aus der Darstellung der Ereignisse selbst hervortreten. Dies erklärt auch den scheinbaren Widerspruch in seiner Haltung zu rationes und sententiae in der Geschichtsschreibung179: nicht die einzelnen Ereignisse sollen stets motiviert oder beurteilt werden, sondern nur die wichtigen Bewegungen nach ihren Teil- und Gesamtzielen befragt werden, nach ihrem (chronologisch entsprechenden) »geistigen« Ort.
Aber im Gegensatz zur reflektierenden Historiographie der Neuzeit war Otto weit davon entfernt, eine »Säkularisierung« des Geschichtsverständnisses anzustreben, eine Reduktion der Geschichte auf immanente Ursachen und Ziele zu versuchen. Die »Hand Gottes in der Geschichte« sieht auch er unmittelbar180; Ziel der Geschichte, der Bewegung (mutabilitas) ist die jenseitige Beständigkeit; um die Unbeständigkeit der Welt vorzuführen, habe er Geschichte geschrieben, heißt es gelegentlich.181 Am Ende der Geschichte zeigt sich auch, wie einfach diese Bewegung ist. Es ist [98]die Endzeit, in der sich civitas Dei und civitas terrena endgültig scheiden182, und vom Standpunkt dieser manifest gewordenen Trennung lassen sich auch die Wege beider, in den Zeitaltern ante gratiam, sub gratia und post praesentem vitam eindeutig als entgegengesetzte erkennen: Aufstieg zur Seligkeit hier, Abstieg zum tiefsten Elend da.
Wären aber diese Scheidung und diese Bewegung auch in der Geschichte so eindeutig, so könnte er nicht vom Abstieg und Kräfteverfall des Imperiums durch die translationes und durch den Investiturstreit sprechen183, da er wiederholt die Geschichte des Reiches und der Kirche seit Theodosius als die »Geschichte nahezu eines Staates, der Kirche« bezeichnet.184 Dieser Widerspruch läßt sich mit dem Hinweis, daß er seit dem Investiturstreit die Einheit gefährdet sieht, nicht abtun: denn ähnlich erging es dem römischen, byzantinischen und karolingischen Reich. Und das heißt: auch die Tatsache, daß die Kirche selbst permixta ist, weil sie noch von *reprobi bevölkert ist, hilft uns nicht in der Deutung der Frage; da dies ja nicht nur die civitas permixta seit Theodosius, sondern die ecclesia in ihrer gesamten irdischen Zeit185, also seitdem die civitas Dei in ihrem zweiten status aus der Verborgenheit hervorgetreten ist186, betrifft. Ist die ecclesia daher seit der Erhebung des Christentums zur Staatsreligion in einem zusätzlichen Sinn permixta? Otto führt diese zusätzliche Bedeutung ausdrücklich ein, indem er als civitas permixta vornehmlich die Kirche, die von *duae personae, sacerdotalis et regalis regiert wird, verstanden haben will; man beachte, daß es hier nicht die reprobi überhaupt, sondern nur die schismatischen und exkommunizierten Könige sind, deretwegen Otto das paene hinzufügt.187 Die neue Bedeutung ergibt sich aus seinen Fragen zur Teleologie der weltlichen Gewalt in ihren verschiedenen historischen Erscheinungsformen; sie besteht darin, daß die Kirche in jeder Phase ihrer Verbreitung das Imperium benötigt. Und so müssen wir zwischen der ecclesia permixta und der ecclesia als civitas permixta unterscheiden: die erste ergibt sich als notwendige Folge der Willensfreiheit und Pilgerschaft188, [99]die zweite ist zwar keine theologische, jedoch historische Notwendigkeit für die Kirche gewesen, wollte sie ihre Mission erfüllen. Dieser zusätzliche Sinn von permixtio war Augustin fremd, und er ist nur insofern eusebianisch beeinflußt189, als die Einheit von Staat und Kirche geschichtsnotwendig erscheint. Das Bewußtsein der dieser Einheit innewohnenden Diskrepanz, wie es die Geschichtstheologie Ottos besitzt, fehlte Eusebius.
Was ist die civitas permixta? Ohne Zweifel die historische Konkretisierung der civitas Dei, der ecclesia, im größten Teil der Dauer ihres zweiten status.190 Mit der permixtio ist hier nicht die Vermengung des Gottesstaates mit dem Weltstaat gemeint, denn der Weltstaat besteht ja auch im zweiten status — als *perfida Iudaeorum infidelium et gentilium civitas, wenn auch entmachtet und sogar ad saeculum, nach ihrem eigenen Maßstab, ruhmlos.191 Zwar wird das Endgericht einigen Bürgern der beiden Staaten ihre wahre Zugehörigkeit zum anderen Staat bestätigen, doch ist das kein Grund, die an den Sakramenten Teilhabenden nicht, wie der *usus locutionis es gebietet, der civitas Christi eindeutig zuzurechnen.192 Eine permixtio besteht dennoch, nicht so sehr der »Staaten« selbst als ihrer charakteristischen Instrumente: solange die ecclesia auf der Wanderschaft ist, noch nicht die stabilitas erlangt hat, muß sie auch mit der potestas temporalis193 regieren, mit der irdischen Macht, die, sei sie sich Selbstzweck (wie im irdischen Staat), sei sie »Gefäß« der Kirche, stets demselben immanenten Entwicklungsgesetz unterworfen ist. Nur so läßt sich jener Ausruf erklären, den Otto der Erörterung über die durch die konstantinische Schenkung dem Papsttum verliehenen Regalien anschließt: *Ego enim, ut de meo sensu loquar, utrum Deo magis placeat haec ecclesiae suae, quae nunc cernitur, exaltatio quam prior humiliatio, prorsus ignorare me profiteor. Videtur quidem status ille fuisse melior, iste felicior.194 Nicht daß Otto die historische Notwendigkeit der exaltatio durch irdische Macht verkennt, oder daß er sich die Kirche zurück in die vorkonstantinischen Verfolgungen (humiliatio) wünscht: so gut ihr Zustand damals war, so notwendig war [100]auch ihre Erhebung zur Machtposition, wollte sie sich verbreiten. Nur hinsichtlich ihrer Aufgabe, der weltweiten Verbreitung, ist der gegenwärtige Zustand der Kirche felicior. Gerade weil Otto einerseits die Notwendigkeit dieser Fortschrittsstufe der Kirche einsieht, andererseits aber vom immanenten Gesetz jeder Macht weiß, betont er hier bewußt, trotz seines Vorsatzes, *sententiae vel moralitates zu vermeiden, das Subjektive (ut de meo sensu loquari videtur) an seinem Urteil.
Das Gesetz jedes *nativum (und darum *compositum) sieht Otto in den »Gesta Friderici« im hypokratischen Dictum ausgedrückt: *melius est ad summum quam in summo. Es gilt, so heißt es dort, im besonderen Maße für den Menschen als das am vielfältigsten zusammengesetzte und daher am stärksten gefährdete organische Wesen.195 Daß ähnliche Gesetze die Machtgeschichte — die Geschichte der einzelnen Mächte sowohl als die Geschichte der Macht in der gesamten Erdenzeit — bestimmen, glaubte Otto in der Chronik »aus der Erfahrung«196 beweisen zu können: im Gegensatz zur Kirche, die, ohne zu altern, »täglich ein neues Volk gebiert«197, strebt zwar der weltliche Staat (nicht nur der Weltstaat im engen Sinne des Begriffes) zur größtmöglichen Machtentfaltung, gerät aber stets, sobald er seinen Kulminationspunkt erreicht hat, in Verfall. Sein allmählicher Abstieg ist stets vom Aufstieg eines neuen Staates begleitet, dem die Macht des älteren, sobald er erstarkt ist, übertragen wird. Als die Geburt des römischen Reiches unmittelbar bevorstand, begann das alternde Assyrerreich zu erschlaffen198; sein Untergang, seine Selbstzerstörung erfolgte allmählich; seit Sardanapallus hatte Babylon das Imperium *solo nomine, während die auctoritas (Orosius sprach von proprietas) auf die Chaldäer überging, die potentia, die wirkliche Macht, aber schon in den Händen der Meder lag.199 Darum bedrohte das alternde Reich »durch eigene Umwälzungen sich selbst mit dem Untergang«.200 Wiederum mit Orosius spricht er vom persischen und griechischen Weltreich als tutores201, als Vermittler der Macht zwischen Babylon, gewissermaßen Vater, und Rom, dem noch unmündigen [101]Sohn202; beide explizieren einen Gedanken Augustins (das ius haereditatis auf die Macht erklärt sich bei Orosius, und somit bei Otto, aus der heilsgeschichtlich orientierten Parallele Rom—Babylon, jener neuen Interpretation Augustins)203. Mit dem Diadochenkampf, der Selbstzerfleischung des griechischen Zwischenreichs204, seiner »Verödung« durch »Selbstteilung«, begann das Römerreich *tamquam paedagogo defuncto in propria auctoritate ac libertate stare205, ein Prozeß, der erst mit Caesar abgeschlossen war.206 Erst nach dem (wenn auch nur noch nominellen) Erlöschen der Diadochenherrschaften und der Errichtung der Monarchie in Rom ist die translatio imperii ad Romanos vollendet: deutlicher, schematischer als bei Orosius gelang Otto die Parallele Babylon—Makedonierherrschaft, weil er Karthago nicht unter die Weltmonarchien rechnete; hierin folgte dem Orosius im Mittelalter nur Hugo von Fleury.207 Am Ende des zweiten Buches widmet Otto seine Betrachtungen dem scheinbar bevorstehenden Untergang Roms; die Sätze *Iam enim in tantum rei publicae profecerat status, ut alterius non posset. Et cum extrinsecus corrumpi non valeret, iuxta poetam in se ipsam ruere debuit könnten auf die Machtgeschichte überhaupt übertragen werden. Und tatsächlich begegnen wir dem Lucan-Vers auch in anderen Zusammenhängen.208 Otto vergleicht schließlich das Auf und Ab der Macht dem Meereswechsel, *quod nunc succiduis attolitur incrementis, nunc naturali dampno ac defectu subducitur — eine häufige Metapher für die Unbeständigkeit der Welt, hier aber, wie Ottos Gedanken zur mutabilitas überhaupt, auf die immanente, natürliche, unabwendbare Machtgeschichte gemünzt — er gibt im folgenden zu verstehen, daß nur die Erscheinung des Friedensfürsten im Zeitalter des Augustus den natürlichen Untergang des Römerreiches hinausgezögert habe.209 Hinausgezögert, aber nicht abgewendet: wenn Orosius Rom und Babylon in allem, sogar im Abstieg (defectus), nur nicht im Ende (exitus) gleichsetzt, da Rom christlich wurde210, so schließt sich Otto dem nicht an; er führt den Vergleich durchweg aus, denn Macht, so scheint sein grundsätzlicher Standpunkt zu sein, hat ihre eigenen immanenten [102]Entwicklungsgesetze, welche nicht nur für die Zeit gelten, in der Gott den Weltstaat *propriae voluntati deseruit, seinem eigenen freien Willen überließ211, sondern in gleicher Weise für die irdische Macht und ihre Träger in der civitas Dei (permixta); womit aber, darauf wird gleich zurückzukommen sein, keinesfalls gesagt ist, daß die civitas Dei auf Erden zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer »öffentlichen« Periode ohne potentia auskommen könnte. Die Lehre von den Lebensaltern des römischen Volkes, deren Tradition bis Livius und Cicero reicht und in die christliche Literatur zunächst von Lactanz eingeführt wurde, kannte Otto nicht nur aus den häufigen Andeutungen des Orosius, sondern auch aus Jordanes (Romana)212; er gebraucht auch diese, um am Ende des römischen Reiches — d. h. am Zeitpunkt angelangt, von dem an Rom nur noch das nomen imperii blieb213 — seine Geschichte im Vergleich zur Geschichte Babylons zu überblicken; sie ist ihm Ausdruck der natürlichen Entwicklung jedes Trägers des Imperiums. *Sed nemo repente fit summus vel precipitanter de summo infimus214: wie das eine Reich bald nach seiner Gründung Völker zu unterjochen begann, so auch Rom *cum ad robustam venit aetatem, paulatim crescendo ac primo vicinas urbes subvertendo, post ad ulteriora se extendendo ad tocius orbis pedetemptim apicem venit, und dem allmählichen Aufstieg entspricht der allmähliche Abstieg. Als die Stadt *in summo, quo alterius non potuit in terra gelangte, sollte sie erniedrigt werden — konnte sie nur noch erniedrigt werden215; sie begann *paulatim vires perdere et quasi iam senili aetate posita ihren mühselig erlangten Rufeinzubüßen. Alarich und Odoaker werden Arbaces und Cyrus verglichen216, die translatio imperii auf Griechen und Franken der des babylonischen Reiches an die Meder (an einer späteren Stelle an die Meder und Perser)217: in beiden Fällen blieb nur der Name, eine Spur der ehemaligen dignitas. In beiden Fällen ist beim Untergang des einen Reiches schon jenes Volk, das zu gegebener Zeit die Macht erben wird218, über seine Anfänge hinaus. Den Aufstieg des Karolingerreiches vergleicht Otto mit dem Aufstieg des regnum [103]Teutonicorum: in drei Generationen machten beide eine Wandlung von der bloßen Herrschaftsfunktion über die königliche Würde zur imperialen Würde durch219; aber im Gegensatz zum ottonischen Reich (das Otto mit dem regnum Teutonicorum meint) erlebten die Franken eine Regeneration, eine retranslatio. Otto von Freising ist eher geneigt, die Sachsenherrschaft, ähnlich der langobardischen Herrschaft, als »Unterbrechung« (eclypsis) anzusehen.220 Die Folgerung, von Otto nur angedeutet, ist die Parallelisierung des Endes des Frankenreiches (Karolinger) mit dem Ende der Salier, mit dem sich abzeichnenden Ende des Deutschen Reiches überhaupt. Das Ende des Karolingerreiches führt Otto auf die Reichsteilungen und die Bruderkriege zurück221; wie er oben222 den Gang der Macht mit dem Meer verglichen hatte, so vergleicht er jetzt die Machtträger mit den Meeresfischen, die sich gegenseitig zerfleischen, und zitiert wiederum den Lucan-Vers: *in se magna ruunt223.
Ein anderer Lucan-Vers steht im Prolog des ersten Buches zur Charakteristik des gegenwärtigen Zustandes des »altersschwachen« Imperium Romanum: *magna stet nominis umbra — nur noch der Schatten eines Namens, die Bezeichnung ist geblieben224; die auctoritas und potestas wird er später in ihrem allmählichen Übergang auf die (hierarchische) Kirche zeigen. Dasselbe Gesetz, das die Geschichte der potentia der einzelnen Staaten bestimmt, offenbart sich auch in der Geschichte der summa potentia, der irdischen Höchstmacht, die im Römerreich ihren Gipfel erreichte225 und seither von wiederholten Translationen erschüttert wurde.226 Für Otto konvergieren in der Gegenwart zwei Verfallslinien — die des deutschen Weltreiches und die der menschlichen Fähigkeit überhaupt, ein Weltreich zu schaffen. Halten wir daran fest, daß Otto stets die gleiche Bewegung in jeder Periode der Machtgeschichte wahrnimmt, sich im Kleinen widerspiegeln sieht, die auch die Weltgeschichte der Macht bis zu seiner Gegenwart vollzieht: Aufstieg, höchste Entfaltung, allmählicher Niedergang. Aber auch abgesehen von den Metaphern und Topoi, die ihrer Beschreibung dienen, darf diese Bewegung darum natürliche Entwicklung genannt [104]werden, weil sie stets von denselben Gesetzen bestimmt wird, die im Wesen der Macht selbst begründet sind.
Otto beschreibt die immanente Konsequenz, mit der jede Macht ihre corsi und ricorsi erlebt, historisch: Erörterungen über das natürliche Streben nach pax und ordo, das auch noch im Werdegang der Imperien spürbar ist, und über die libido dominandi als Folge der Sünde227, wie wir sie bei Augustin finden, vermissen wir bei Otto ebenso, wie die Geschichte der civitates vor der Welterschaffung228, ohne in Zweifel stellen zu wollen, daß Otto sich solchen Überlegungen anschlösse. Konsequenter als Augustin und Orosius ist Otto, wo es gilt, die historischen Voraussetzungen der Imperien aufzudecken. Augustin verglich den raschen Aufstieg des assyrischen Reiches mit dem allmählichen und mühseligen Wachstum des römischen229: während dem assyrischen Reich die bisherige Arglosigkeit und kriegerische Unerfahrenheit der Völker zugute kam, hatten die Römer »die inzwischen zahlreich gewordenen, starken und kriegerischen Nationen« zu bezwingen. Otto übernahm diesen Vergleich nicht — vielleicht weil er ihn auch bei Orosius vermißte —, obwohl er an verschiedenen Stellen beides erwähnt, den mühseligen Aufbau der res publica230 und den raschen Aufstieg der Assyrer zum orientalischen Imperium.231 Letzteres wurde von Augustin an einer anderen Stelle ausführlicher erörtert.232 Wo sich Augustin jedoch auf Justin stützt233, stützt sich Otto von Freising auf Eusebius und Cicero234, und das heißt: wo sich Augustin den politischen Vorstellungen einer goldenen Urzeit zumindest nicht ganz verschließt, betont Otto nicht nur die kriegerische Unerfahrenheit, sondern gerade das gleichzeitige politische und kulturelle Chaos, den tierhaften Zustand der Menschen in der Urzeit. Otto hütet sich, die Ausführungen Justins, die er bei Augustin zitiert fand und die Frutolf von Michelsberg zu einer Lehre von der simplicitas der Urzeit (bis Ninus) ausbaute235, zu übernehmen. Justin sprach von den Urzeitkönigtümern, die gewohnt waren, die Herrschaft mehr zu sichern als zu erweitern, und von den Königen der Urzeit, die von den »Guten« ob ihrer Mäßigung [105]erhoben wurden. Auch in den Vorstellungen Justins galt die Urzeit als gesetzlos, freilich nicht, weil sie gemeinschaftsfeindlich, sondern weil sie eine Zeit natürlicher Ordnung war. So deutet Otto schon durch die Wahl der Meinungen, die den raschen Erfolg der aufkeimenden *libido propagandae dominationis begründen sollen, seine sowohl von Eusebius als auch von Augustinus abweichende eigene Meinung: nur die libido propagandae dominationis konnte in der civitas terrena Gemeinschaft, Gesetz und Zivilisation begründen und verbreiten.236 Bestätigt wird diese Interpretation an jener entscheidenden Stelle der Chronik, in der die Frage aufgeworfen wird, warum Christus sein Erscheinen bis auf die augusteische Zeit hinausgezögert habe.237
Auch hier zieht Otto die schon erwähnte Eusebius-Stelle heran und diesmal in ihrem ursprünglichen Zusammenhang, denn ihr, wie auch dem historischen Teil von Augustins »De civ. Dei«, lag die Frage *quare non ante venit Christus zugrunde.238 Otto führt zwei rationes239 an. Die civitas mundi, heißt es zunächst, wurde so lange »ihrem eigenen Willen« überlassen, damit die Menschheit um so eindringlicher ihr Unvermögen zur Selbsterlösung erfasse und so die Erlösung als ein ausschließlicher Gnadenakt Gottes erkennbar werde; nach der göttlichen Gerechtigkeit darf in diesem Zusammenhang nicht gefragt werden. Der zweite Grund240 ist die historische Präzisierung des ersten. Der göttliche Heilsplan, so heißt es im Anschluß an Eusebius, paßt sich dem allmählichen Fortschritt menschlicher Erkenntnis an. Die Menschheit lebte zunächst gemeinschafts- und gesetzlos; bar der virtus und der ratio waren die Menschen *veritatis non capaces. Ehe sie die lex legum, die christlichen Gebote erfassen konnten, mußten sie *›non solido cibo‹, sed ›lacte‹241 genährt werden. Wie Eusebius denkt auch Otto nicht nur an das mosaische Gesetz, sondern an die Gründung der Gemeinschaften und ihren Zusammenschluß zum Weltreich, an die Einführung der Gesetze und ihre Vereinigung zu einem Gesetz, an die Vorbereitungsarbeit der Philosophie. Diese Momente des »allmählichen Wachstums und Fortschritts« der Erkenntnis begründen [106]auch die Notwendigkeit einer Weltmonarchie, die Vorherrschaft einer Stadt. Einerseits konnte diese Vorherrschaft, der Natur der civitas entsprechend, nur terrore erlangt werden, nur Macht vermochte die Einheit der Gesetze zu verwirklichen; andererseits schuf sie damit die Voraussetzung für den Eintritt der civitas Dei in die »öffentliche« Geschichte. Im Unterschied zu diesem Problem der Teleologie der Macht ist die Frage, warum gerade Rom zur Weltherrschaft zugelassen wird, sekundär.242
Immanente, »kausale« und teleologische Begründung wechseln und ergänzen sich243 auch in der Betrachtung des Abstiegs weltlicher Macht. Solange die civitas Christi »verborgen« war, zunächst auf einzelne, die sich nach dem Sündenfall das vestigium cognoscendae veritatis erhalten haben, dann aber auf das jüdische Volk beschränkt244, konnte das (natürliche) Wachstum der civitas terrena zur Weltmonarchie nur von Nutzen sein. Zur gleichen Zeit vermochte der Gottesstaat zwar noch nicht die Weltherrschaft zu erreichen, wohl aber in einem Volke Fuß zu fassen. Als er sich »zur gegebenen Zeit« auch unter den Heiden verbreiten konnte, als dann schließlich die civitas Christi (denn Christus kommt die apex monarchiae auch auf Erden zu)245 *inter cives mundi progressa paulatim crescendo ad tantum fastigium profecerit , paulatim crescens ad summum apicem ac monarchiam profecit246 mußte die civitas terrena, aber auch das regnum mundi überhaupt abnehmen; ihre natürliche Selbstschwächung, ihr gesetzmäßiges Altern hatte somit auch heilsgeschichtliche Relevanz. *Vide regno Christi crescente regnum mundi paulatim imminui247, heißt es zur translatio regni Romanorum ad Graecos, die Otto durch die Verlegung der sedes regni eingeleitet sieht. Das erklärt uns, warum er an einer anderen Stelle248 auch die Verlegung des Herrschaftssitzes unter Konstantin für den Untergang Roms verantwortlich macht, *quae semper caducarum rerum interitus est. Aber gerade dieser sedis mutatio hat die Kirche ihre Regalien zu verdanken. Nun spricht Otto von einem allmählichen Prozeß: die »Erhebung« der Kirche, durch Konstantin eingeleitet und mit einer [107]Verminderung der irdischen Herrschaft verbunden, hat erst in seiner eigenen Gegenwart, seit dem Investiturstreit, wie er meint, ihren Höhepunkt erreicht, als die ecclesia, jener *lapis sine manibus excisus der Daniel-Vision, sich anschickte, das Reich endgültig zu zerschlagen.249 So konvergiert die »natürliche« Entwicklung der Macht auch in der civitas permixta mit der teleologischen Bestimmung dieser Macht: sie mußte aber auch darum abnehmen, weil sie ihren Zweck nahezu erfüllt hatte; nach beiden Betrachtungsweisen ist ihre Zeit abgelaufen.
Von der historischen Notwendigkeit ist schon im einleitenden Satz zur Schilderung der Vorgänge um den Investiturstreit die Rede: *Itaque cum, ut sepe dixi, diadema regni a sacerdotali gladio feriendum foret, in se ipsum dividitur.250 Der Hinweis auf frühere Äußerungen dieser Art — im Zusammenhang mit der konstantinischen Schenkung etwa oder anläßlich des Unterganges des Karolingerreiches251 — beweist uns, daß Otto nicht nur die seit Leo IX. erstarkten Bemühungen um die libertas ecclesiae252, die er unmittelbar davor schilderte, als Grund der Notwendigkeit annimmt, sondern jene Bewegung der Zunahme weltlicher Macht in der Hand der Kirche, die nach ihm mit der konstantinischen Schenkung begann. Eine historische Notwendigkeit, die sich im Laufe der Geschichte des gemischten Staates allmählich manifestierte, bestimmte den Aufstieg der Kirche auf Kosten der Weltmacht und bestimmte sie zum Stein, der die tönernen Füße des Reiches zermalmen sollte. Die Zwietracht im Reich, die sich nach Ottos Darstellungen seither steigerte253, ist demnach nichts anderes als Alterssymptom jeder Macht, die sich ebenfalls mit historischer Notwendigkeit einstellt. Darum hält sich Otto im Gegensatz zu seiner Vorlage, der Weltchronik Frutolfs von Michelsberg, nicht bei der Schilderung ihrer Gründe auf.254
Die epochale Wendung in der Geschichte der civitas permixta, die eigentliche Ursache für die Auflösung des Reiches und für die jedes Maß überschreitende Verfallsbewegung, die Otto von Freising in seiner Zeit beobachtet, ist der Investiturstreit. Man hätte [108]daher erwartet, daß Otto der Frühzeit Heinrichs IV. einen ausführlichen Bericht widmen würde; wenn er dagegen den Bericht Frutolfs nach Möglichkeit strafft, die verschiedenen Ursachen der inneren Kämpfe, von denen seine Vorlage berichtet, zusammenfaßt und als Begleiterscheinungen des Kampfes zwischen Reich und Kirche darstellt, so nicht darum, weil er eine monokausale Auffassung wiederherstellen will, sondern weil er die Frage nach den Wirkursachen überhaupt fallen läßt. Die dissensiones im Reich waren ihm, im Gegensatz zu Frutolf, nicht als Ursachen späterer Wirren untersuchenswert, sondern erschienen ihm nur als Symptome eines natürlichen, in der Struktur und im Ziel des gemischten Staates von Anbeginn begründeten Vorgangs. Durch die Straffung und Umakzentuierung des Frutolfschen Berichtes gewinnt sein Hauptgedanke zur Teleologie der Macht in der civitas permixta an Durchsichtigkeit und historischer Beweiskraft.
Es kann nicht behauptet werden, daß Ottos Gegenwartsbild widerspruchsfrei ist, daß er mit seinen Kategorien seine Gegenwart restlos einzufangen wußte. Bezeichnenderweise taucht schon in den Anfängen der civitas permixta die Frage auf: was bedeuten für die Kirche die ihr verliehenen weltlichen Regalien? Otto unterscheidet zwischen der zweifellos durch diese Übertragung erfolgten honoratio der Kirche und der Frage, ob diese honoratio (oder exaltatio), die dem Heilsplan innewohnt, dem Amt der Kirche »gezieme« und »nütze«.255 Schon hier beschäftigt er sich mit dem Widerspruch zwischen dem objektiven, geschichtsnotwendigen Verlauf der civitas permixta bis zur (nur angedeuteten) faktischen Übertragung der ganzen, auch weltlichen Macht an die Kirche und der Vereinbarkeit dieser Rolle der Kirche mit ihrem Amt. In der Darstellung der Gegenwart heißt es zwar nicht, das Imperium sei endgültig auf die Kirche übertragen256; freilich ist es auch nicht mehr der Bestand des Imperiums, der in der Gegenwart die Schrekken der Endzeit aufhält; dennoch ist der Eingriff der Kirche im Politischen, der Gebrauch, den sie von dem weltlichen Schwert macht, nicht ohne Gefahr für sie selbst. Vor allem aber verstärkt sich der [109]Rest des Unbehagens über diese, wenn auch geschichtsnotwendige Rolle der (hierarchischen) Kirche. Sacerdotali gladio sei das Reich notwendigerweise geschlagen worden, hieß es oben; die Kirche ist der losgelöste Stein der Daniel-Vision, der Todesstoß, den sie dem Reich zufügte, war für die Endzeit vorgesehen; war es aber notwendig, das Reich *non eius tantum, id est spiritali, sed suo proprio, materiali scilicet (gladio) zu schlagen257 — nicht nur mit der Exkommunikation, die beispiellos in der Geschichte ist258, sondern dazu durch Gewaltanwendung?259 Aber hinter der beißenden Ironie, mit der Otto den Kampf zwischen Regnum und Sacerdotium mit dem Kampf zwischen David und Goliath vergleicht — mit dem Schwert wurde dieser nur geköpft, zu Fall brachte ihn Gott —, hinter diesen und ähnlichen Vorwürfen260 steht die Erkenntnis, daß man der Kirche höchstens vorwerfen könnte, daß sie den inneren Zerfall des Reiches, das sich in ihrem Dienst erschöpfte, durch ihren Eingriff beschleunigte, daß sie sich aber nur den unaufhaltsamen Untergang des Imperiums unmittelbar zunutze machte, der ihr auch ohnehin mittelbar zugute gekommen wäre.261 Frutolf staunte über die fortschreitende, im Grunde von keinem gewollte Verstrickung ins Unrecht. Für Otto waren der Investiturstreit und seine Folgen kein Zufall, sie waren in der Teleologie der Macht begründet. Dennoch blieb ihm der Gegensatz von objektiver Notwendigkeit und subjektiver Verantwortung ein unauflösbares Problem.
Der Schlußsatz des sechsten Buches: *Tanta mutatione, tanquam a perfectione ad defectum vergente tempore, sexto operi finem imponamus, ut ad septenarium requiemque animarum, quae miseriam presentis vitae subsequitur, Deo ductore properemus262 scheint zunächst verfrüht. Erst im siebenten Buch wird Otto darstellen, wie, gleichzeitig mit der jedes Maß überschreitenden confusio des Reiches, der weltlichen Macht überhaupt, auch die exaltatio der Kirche ihren Gipfel erreichte — und zwar nicht nur auf Kosten des Reiches im Weltlichen, sondern durchaus in der ihr adäquaten »Erhöhung« durch die Kreuzzüge und die Ausbreitung der Mönchsorden, [110]die zwar gleichzeitig, aber gewiß nicht in einem kausalen Verhältnis zum Untergang des Imperiums steht. Gerade diese Herausbildung der Extreme in seiner Gegenwart ist für Otto ein Zeichen dafür, daß das Ende der Geschichte nahe ist.263 Der latente Gegensatz zwischen den sechs Zeitaltern und dem ihnen parallel laufenden siebenten Zeitalter wird bei Otto, anders als bei Augustin, nicht nur individualeschatologisch ausgelegt264, sondern bezieht sich auf historische Gebilde, auf das Mönchtum in seiner Vielfalt: *Omnes hii ab omni misero mundi rotatu seclusi, post senarii laboris perfectionem in veri sabbati pace eternam quietem pregustando positi sind die Schlußworte des historischen Teils der Chronik.265 Otto denkt nicht an ein noch bevorstehendes mönchisches Zeitalter in der Weise Joachims von Fiore, sondern an den im gesamten Verlauf der Geschichte latenten Gegensatz, der nunmehr offenbar wurde. Er deutet damit an, daß jene mit dem Investiturstreit abgeschlossene Herausbildung der weltlichen Machtstellung des Papsttums durch eine übergeordnete Bewegung, durch die Spiritualisierung der Kirche überwunden wird. Für diese spiritualisierte Kirche bedeutet das Endgericht nur noch eine Bestätigung, Stabilisierung ihrer schon auf Erden (im letzten Zeitalter) erreichten perfectio und quies.266
Oben267 wiesen wir bereits auf die in ihrem Endergebnis sehr ähnlichen Gegenwartsdeutungen Gerhohs von Reichersberg hin. Auch ihm erschien die Gegenwart als Höhepunkt und Ende der voraussagbaren Ereignisse, als das Zeitalter des Mönchtums — gleichzeitig aber des Verfalls (auch in der Kirche selbst), als allmählicher Übergang zum außergeschichtlichen Endreich. Von ihm wie von allen anderen Versuchen einer Gegenwartsbestimmung des »spekulativen Biblizismus« (HAUCK) unterscheidet sich Otto von Freising durch den Verzicht auf alle typologischen Deutungen und symbolischen Periodisierungsschemata, die sich nicht aus der Geschichtsdarstellung selbst (eingedenk seiner Voraussetzungen) aufdrängen. Dieser Unterschied zwischen historice und anderen Periodisierungsschemata scheint auch Hugo von St. Victor bewußt [111]gewesen zu sein, als er die *materia Sacrae Scripturae nach weltgeschichtlichen Aspekten einteilte und dabei weder die Weinbergparabel noch die Nachtwachen oder gar die apokalyptischen Siegel erwähnte, sondern nur die *duo status (vetus et novus), quia ad esse hominis pertinent, die tria tempora der Gesetzgebung, die sex aetates, eingeteilt secundum communes innovationes rerum — nach weltgeschichtlichen Ereignissen — und den Menschenaltern ähnlich, sowie die quatuor successiones (Zeitalter der Patriarchen, Richter, Könige und Priester).268 Die Notwendigkeit im Geschichtsablauf ergab sich für die symbolische Deutung aus außergeschichtlichen Hinweisen269; die Vorstellung Ottos von der historischen Notwendigkeit war eine andere.
Noch einmal wird am Ende des siebten Buches die dreifache Translationsreihe und Ost-West-Bewegung von *religio, sapientia und potentia bestätigt. Aus dem schroffen Gegensatz zwischen mutabilitas und stabilitas bei Hugo von St. Victor, welcher auch die Ost-West-Bewegung von imperium und studium lehrte, wird bei Otto eine differenzierte Lehre von den verschiedenen historischen Ebenen der Beweglichkeit. Einmal gibt es eine »natürliche« — fast im Sinne der Naturgesetzlichkeit und ihren Grundbegriffen der Wiederholung und der Vorausbestimmbarkeit von Erscheinungskomplexen — Wandlungsstruktur der Macht, jeder einzelnen Machtausbildung bis zur Weltmacht, aber auch der gesamten Macht im Laufe der Welt.270 Macht schwächt sich selbst, sie ist bereits insgesamt in einem derartig fortgeschrittenen Verfallstadium, daß sich Otto kaum eine weitere translatio der Weltmacht vorstellen kann; auch darum nicht, weil die (weltliche) Macht ihren Zweck bereits nahezu erfüllte; kein Begriff wäre Otto fremder als der staufische Begriff des sacrum imperium. Wie anders die Translationslehre der Zeitdeutung diente, wenn sie von teleologischen Gesichtspunkten entkleidet wurde, zeigt schon im 12. Jahrhundert Wilhelm von Malmesbury. Im Gegensatz zur passiven gens orientalis, die darum die Herrschaft eines Imperiums (der Perser) bis zur Gegenwart duldeten, setzt Wilhelm die gens occidentalis; sie habe [112]nur kurzfristig die Herrschaft eines Volkes ertragen, *saepe se servitio exuens, et de uno in aliud transferens271.
Sodann ist bei Otto von Freising vom Aufstieg der religio mit dem Wandel ihrer Zentren die Rede. Durch ihn gewannen in der Kirche, die bereits das Reich »erniedrigt« hat, jene Kräfte Oberhand, die das kommende Weltalter repräsentieren; durch ihn gewann der Gegensatz zwischen »Geist« und »Macht«, da Macht dem Geist nicht mehr dienen kann, eschatologische Schärfe. Auch dies hat Otto im Vorangegangenen angedeutet. Und schließlich wird der Wandel der sapientia genannt; wir haben gelernt, daß sapientia bei Otto nicht zuletzt historische Erkenntnis bedeutet, die sich mit der Zeit, besonders aber (in der Umwandlung des Daniel-Verses) vor dem Ende steigert. Die Wandlungen der weltgeschichtlichen »Potenzen« sind durch ihre gegenseitige Durchdringung gekennzeichnet. Die Endzeit wird zur historischen Größe: zwar nicht chronologisch berechenbar, jedoch aus der Tatsache, daß ihr eine allmähliche Vorbereitung vorausgeht, bestimmbar; als Höhepunkt dieser allmählichen, von den beharrenden wie von den progressiven Momenten des Geschichtsablaufs abhängigen Entwicklung kann die Gegenwart bestimmt werden. — Nur scheinbar widerspricht das VIII. Buch der Chronik der bisherigen Interpretation. Gewiß: hier knüpft Otto an die traditionelle Lehre vom plötzlichen Kommen des Antichrist und dem universalen Abfall vom Christentum als Vorstufe des Endgerichts, der ewigen Scheidung der civitates und der dauerhaften stabilitas an. Aber diese Vorstellungen wurden auch von der »evolutionären« Geschichtsdeutung zu keinem Zeitpunkt aufgegeben, sondern nur entschärft, d. h. als Konsequenz des Geschichtsablaufs begreifbar gemacht. Wenn die Gesamtgeschichte für Otto ein Scheidungsprozeß der civitates ist, so bedeutet die höchste Steigerung am Ende Rekapitulation der Geschichte und Manifestation des reinen Bösen.272 Durch die ganze Geschichte hindurch stand die Macht mittelbar im Dienst der Kirche; ihre völlige Verselbständigung am Ende erweist der Kirche den letzten, größten Dienst, insofern diese am [113]radikalsten »aufgerüttelt« wird, durch höchste »Täuschung«.273 Diese Plötzlichkeit ist nur noch ein Moment in dieser konsequenten Entwicklung; so widerlegt Otto denn auch die Annahme, daß die eigentliche Wandlung eine kosmische sei274, und betont, daß das Endgericht in einem Augenblick vollzogen sein wird275, da es nichts anderes sei als die Bestätigung der Zugehörigkeit des einzelnen zu einer der beiden civitates, eine Zugehörigkeit, von der das Gewissen des einzelnen Zeugnis ablegt, die sich also im Laufe der Gesamtgeschichte bereits erwiesen hat. Auch die Aufhebung der Geschichte ist eine voraussagbare Konsequenz ihres Verlaufs.
Mit den Geschichtsdeutungen des 12. Jahrhunderts sind unsere Untersuchungen nicht zufällig abgeschlossen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse soll die zeitliche Abgrenzung und daneben die im Laufe der Darstellung angewandte Terminologie rechtfertigen. Von der Geschichtsbetrachtung der folgenden Jahrhunderte unterscheidet sich die des 11. und 12. Jahrhunderts durch ihre »evolutionäre« Tendenz (im allgemeinen Wortsinn); sodann dadurch, daß sie auch in der Geschichtsschreibung Ausdruck fand und dort auch einen spezifischen historischen Entwicklungsbegriff herauszubilden vermochte. »Evolutionär« im allgemeinen Wortsinn war die Betonung der allmählichen Verwirklichung der in der Schrift vorabgebildeten Ereignisse und der damit verbundene Versuch, den katastrophalen, unabwägbaren Charakter der Endzeit, aber auch der Ereignisse, die das Endgeschehen in der Gegenwart andeuten, zu entschärfen.1 — Die christlich-antike Geschichtsdeutung entstand gegen die »revolutionäre« Welt- und Geschichtsverneinung der Apokalyptik. In der Begründung der Parusieverzögerung galt es, die Allmählichkeit der Heilsplanverwirklichung zu betonen und bald auch das Umwälzende in den Endzeitvorstellungen abzuschwächen. Gegen Gnosis und Marcioniten mußte die Kontinuität des Alten und Neuen Testamentes bewiesen, aber auch die Entwicklung der Heilsgemeinschaft und die »Aufhebung« des Alten im Neuen Testament bestimmt werden; schließlich wurde auch die räumliche Schranke überwunden und die römische Reichsidee in die so umgewandelte Konzeption der Heilsgeschichte aufgenommen, das Weltreich als Vorstufe und Gewähr für die Verbreitung des Christentums bejaht. In diesen Zusammenhängen kam den organologischen Metaphern die Aufgabe zu, rationale, »natürliche« Beweismittel im subjektiven wie objektiven Sinne zu [116]stellen, nämlich aus der immanenten Naturbetrachtung für den »natürlichen« Verstand. Schon die griechische Kulturphilosophie hatte organologische Vorstellungen vom Geschichtsverlauf über die überall und zu allen Zeiten anzutreffenden Personifizierungen der Gemeinschaft2 hinausgeschoben. Aber gerade die Patristik fragte immer präziser nach dem Aussagegehalt solcher Metaphern, Augustin schließlich leugnete ihre Relevanz für den eigentlichen, »geistigen« Fortschritt. Er leugnete aber auch die Möglichkeit einer genauen eschatologischen Gegenwartsbestimmung überhaupt.
Der Gang der mittelalterlichen Geschichtsdeutung war gewissermaßen umgekehrt. Kennzeichen der frühmittelalterlichen Geschichtsanschauung war der Verzicht auf jegliche Gegenwartsbestimmung innerhalb des sechsten Weltalters, in dem man sich zu befinden glaubte. Von den augustinischen Begründungen für diesen Verzicht war allerdings wenig bekannt. Eine genuine, auf die unmittelbare Gegenwart bewußt bezogene Geschichtsdeutung entstand erst im 11. Jahrhundert in einer lautlosen Absage an Augustin, als ein eigener, neuer Weg sowohl zur Einbeziehung der Profangeschichte in die Heilsgeschichte als auch zur heilsgeschichtlichen Gegenwartsbestimmung gefunden wurde. Dieser Weg bestand nicht in einer naiven Rückkehr zur Apokalyptik oder gar zum Chiliasmus — obwohl und gerade weil sich apokalyptische Vorstellungen im 11. und 12. Jahrhundert im Volksbewußtsein intensivierten —, sondern in einem behutsamen Abtasten nach Möglichkeiten einer Voraussage ohne Weissagung. Methode und Aussage stehen hier in einem Zusammenhang: Die »evolutionäre« Deutung der Gegenwart und der Wende, deren man sich seit dem 11. Jahrhundert bewußt ist, versteht zwar das Zeitgeschehen gleich der Apokalyptik als Auftakt des Endgeschehens (oder, im 13. Jh., des Reiches des ewigen Evangeliums); doch nicht als plötzlichen Durchbruch oder jähe Katastrophe, nicht als plötzliche Steigerung des Bösen (Antichrist) und plötzliche messianische Erlösung, sondern als letzte Phase in der allmählichen Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes, eine Phase, die man aus der [117]Geschichte erklären und in die Geschichte als deren Vollendung einordnen kann.
Die spekulative Exegese des 12. Jhs. unterschied sich von der früherer Jahrhunderte durch den Willen, auch die nachbiblische Geschichte in ihren einzelnen Abschnitten »auszulegen«, in der Schrift vorgebildet zu sehen. Aus der Kenntnis der allmählichen, über die gesamte Geschichte verteilten Verwirklichung der in der Schrift offenbarten Zeichen und Typen zog sie das Fazit der noch zu erwartenden Ereignisse. Neben der symbolischen Exegese fand die »evolutionäre« Geschichtsdeutung nicht zufällig auch in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung, die insgesamt als »one of the best expressions of the intellectual revival of the twelfth century« bezeichnet wurde3, ihren Ausdruck. Mit Otto von Freising erreichte die reflektierende Geschichtsschreibung ihren Höhepunkt und Abschluß zugleich. Diese verzichtete — entsprechend der mittelalterlichen Anschauung von der narrativen Aufgabe des Historikers — weitgehend auf die symbolische Konkordanz und beschränkte sich nach Möglichkeit auf die immanente Betrachtung historischer Bewegungen. Ihre Aufgabe war nicht die »Säkularisierung« der Geschichte, wohl aber der Versuch, die Annäherung der Geschichte an ihr Ziel aus dem Geschichtsverlauf sine glossa abzulesen. Wiederum bei Otto von Freising gewannen darum die der Tradition des Akkommodationsgedankens sowohl als auch der Tradition griechisch-römischer Geschichtsdeutung entnommenen organologischen Metaphern einen zusätzlichen Sinn. Sein Entwicklungsbegriff enthält mehr als den Hinweis auf die Allmählichkeit und die Relativierung der Bezeichnungen »Alt« und »Neu«, nämlich die Vorstellung von der naturnotwendigen Gesetzmäßigkeit in der Entstehung und im Untergang der Völker und Mächte. Von ähnlichen klassischen Anschauungen unterscheiden sich diese durch ihren mittelbaren Beitrag zur teleologischen Konzeption der Universalgeschichte, und indem dieser Entwicklungsbegriff weder mit dem Fortschrittsbegriff identisch ist noch die ewige Wiederkehr des Gleichen impliziert, dazu von jeglichen kosmologischen Spekulationen [118]ferngehalten wird, erscheint er uns in hohem Maße empirisch-historisch.
Eine Zäsur in der Geschichte mittelalterlichen Geschichtsverständnisses bedeutet das Auftreten der Joachimiten, aber auch die Systematisierung der Wissenschaften in der Hochscholastik.4 Die Joachimiten durchbrachen die gesamte, auch die apokalyptische Tradition abendländischer Geschichtsdeutung durch die Forderung nach einer aktiven Gründung der neuen Lebensordnung des dritten Zeitalters; sie bereiteten den Weg zur (apokalyptischen) Begründung der revolutionären Tat. Symbolische Deutung, Apokalyptik sowie astrologisch-kosmologische Beweise — unter diesen letzten auch organologische Vorstellungen5 — verloren in der Geschichtsdeutung der Joachimiten und Spiritualen ihre ursprüngliche Widersprüchlichkeit. Für die Hochscholastik hingegen fielen historische Vorgänge und historisches Detail eher in den Bereich des Kontingenten und ließen sich höchstens in eine systematische Lehre als exempla einfügen. Vom Vorzug der strengen historischen Methode ist nunmehr wenig die Rede. Die Gegenwartsbestimmung mit den Mitteln der historischen Darstellung und Interpretation war nur eine zeitbedingte und im Spätmittelalter nicht fortgesetzte Form der rationalen Begründung der Heilsgeschichte. Zwar kam der rationalen Deutung mit ihren Grundbegriffen der Akkommodation und Entwicklung auch weiterhin konstitutive Bedeutung zu6, war sie doch seit den Anfängen patristischer Geschichtstheologie die ebenbürtige Ergänzung »symbolischer« Begründungsmöglichkeiten. Und wenn im 12. Jh. die Anwendung des Entwicklungsbegriffes auch in der Erklärung »profanhistorischer« Vorgänge durch die zunehmende Loslösung von der bloßen Metaphorik und Topik gekennzeichnet ist, so gilt dies in verstärktem Maße für die Vorstellungen vom Fortschritt politischer Erfahrung bei Marsilius von Padua6a oder für den modern anmutenden Ansatz zu einer phonetischen Differenzierungstheorie in Dantes Sprachlehre.7 Aber im Gegensatz zum 12. Jh. finden diese und ähnliche Begriffe keinen Eingang mehr in die Universalgeschichtsschreibung. [119]Die Ablösung der Universalgeschichtsschreibung durch die enzyklopädische und die anekdotische Geschichtsschreibung ist nur zum Teil mit dem Niedergang der Reichsidee zu erklären; von einer Zuversicht in die Fortdauer des Imperiums war ja auch in Ottos Ausführungen wenig zu spüren. Vor allem die Verlagerung in den Methoden der Argumentation bewirkte, daß auch bei den Verfechtern des Reichsgedankens der Beweis aus der detaillierten historischen Darstellung dem systematischen, meist juristischen Beweis wich, bestenfalls noch dem Beweis anhand eines historischen Umrisses, also aus der Geschichtsstruktur.
Eine strenge Definition des antiken und mittelalterlichen Entwicklungsgedankens haben wir mit Bedacht vermieden. Insofern die Anlehnung an biologische Vorgänge vorherrscht, ist der Unterschied im Entwicklungsbegriff vor und nach dem 19. Jahrhundert deutlich faßbar; der Vergleich der Weltalter mit dem Leben des einzelnen erinnert uns an die vorherrschende Reduktion des Entwicklungsbegriffes auf die Ontogenese, der teleologische Begriff der »Entfaltung« des schon je Vorhandenen schließt in der Regel eine Entwicklung zum Entgegengesetzten und Unberechenbaren aus und mag auch von der Vorstellung vom Körper als einer »lebensfähigen, aber an sich noch nicht belebten Apparatur von organa, die erst durch die Seele oder den Geist belebt oder regiert wird«8, ausgehen. Aber das ist ja das Überraschende, wenn man einmal auf die vorgefaßte Definition verzichtet, jedoch eine genaue Umschreibung des Inhalts und der Aufgabe des historischen Entwicklungsgedankens in seinen konkreten Zusammenhängen versucht und die Vorstellungen aufspürt, die er korrigieren oder beseitigen sollte: er ist zunächst und vor allem nicht eine Begründung des Zieles der Geschichte9, sondern der Mittel und der Allmählichkeit seiner Verwirklichung; von Anbeginn sollte dieser Gedanke einen Begriff von der Eigenständigkeit, Kontinuität und Notwendigkeit im Geschichtlichen vermitteln; und je deutlicher er im Mittelalter wurde, um so deutlicher wird auch das Bestreben, ihn von der biologischen Metaphorik loszulösen und der Deutung genuiner [120]historischer Zusammenhänge vorzubehalten. An drei ausgezeichneten Orten kam der mittelalterliche Entwicklungsgedanke zur Sprache: In den Überlegungen zur Entstehung von Sprachen und Ethnika, denen A. BORST seine Untersuchungen gewidmet hat10; in den Erörterungen über den Übergang vom Alten zum Neuen Testament im polemischen, homiletischen oder systematischen Zusammenhang; schließlich im Gegensatz zum apokalyptischen Geschichtsbild, in den verschiedenen Versuchen einer neuen Gegenwartsbestimmung, welche in dieser Arbeit vornehmlich zur Sprache kamen. Es zeugt von der Lebendigkeit und Wirksamkeit des Begriffs, daß er, wenngleich ohne einschlägigen Terminus11, häufig die genannten drei Aspekte zugleich in einem Denkzusammenhang auszudrücken hatte.
Vom Standpunkt einer emanzipierten Disziplin aus, einer Wissenschaft, die unlängst die ihr adäquate Methode aufzuspüren begann und sich vorerst von ihren vorwissenschaftlichen Begründungen scharf abgrenzte, beharrte Burckhardt auf dem unüberbrückbaren Gegensatz zwischen Geschichtsbetrachtung und Geschichtsphilosophie; derselbe Gegensatz bestünde zur Geschichtstheologie, die er, wenn nicht dem Namen so der Sache nach kannte und mit weitaus größerer Ehrfurcht behandelte.12
Gewiß war es eine notwendige Folge der historischen Kritik, die Vorstellung vom einheitlichen Verlauf der Geschichte, ihren eindeutigen Gliederungsprinzipien und ihrer begrifflichen Durchsichtigkeit, als Postulat der bisherigen Geschichtsphilosophie und als ihre petitio principii zugleich erkannt zu haben. Und der Vorwurf, inadäquate, weil nicht aus der Anschauung immanenter Vorgänge gewonnene Begriffe zu handhaben, trifft die Geschichtsphilosophie auch da, wo sie zwar nicht mit einem »Sinn« der Geschichte schlechthin aufwartet, wohl aber Sinneseinheiten konstruiert, welche dennoch allgemeine Gesetze ausdrücken sollen. Zufällige Einsichten, die man geschichtsphilosophischen Systemen gelegentlich konzediert, bestätigen nur die methodische Regel, die von historischen Begriffen und Abstraktionen verlangt, daß sie [121]»einen starken unvertilgten Rest von Anschauung bestehen« lassen und »eben darum individuelle Totalitätsbegriffe« sein sollen.13
Soweit unsere Kategorien historischen Denkens auf das Individuelle ausgerichtet sein sollten, haben sie kaum Vorläufer. Dagegen aber bedeutete historisches Denken stets, die Darstellung der Deutung voranzustellen; auch dort, wo wir zunächst nur eine gewollte Konstruktion und fremde Voraussetzungen wahrnehmen. Es gilt mit Recht als erste Forderung der historischen Disziplinen, Vorstellungen der Vergangenheit nur äußerst vorsichtig mit Begriffen der gegenwärtigen Anschauung zu belegen. Diese Vorsicht darf aber nicht in eine Ableugnung jeglicher Übersetzbarkeit ausarten. Es gibt Gedanken und Grundhaltungen genug, die, sei es aus der historischen Kontinuität oder gar aus der condition humaine, in verschiedenen Ausdrucksformen dem Mittelalter genau wie uns eigen waren. Das historische Entwicklungsprinzip, der Gegensatz zwischen Entwicklung und Umwälzung, gehört zu ihnen.
1. Nur unter dem eschatologischen Gesichtspunkt untersuchte K. LÖWITH, Weltgeschichte als Heilsgeschehen, Stuttgart 1953, die (Untertitel) »theologischen Voraussetzungen der Geschichtsphilosophie«.
2. Aeth. Henoch 81, 2; 93, 2; Jub. 1, 29 (übers. E. KAUTZSCH, Die Apokryphen und Pseudoepigraphen des AT, Tübingen 1900, Neudruck 1962, II S. 41; 299). Eher als in der häufigeren Vorstellung von den »himmlischen Büchern« wird hier die Anspielung auf die Gesetzestafeln deutlich — als andere, geheime Gesetzestafeln; wohingegen der Midrasch vom Gott als Baumeister, der »die tora einsah und die Welt erschuf« (Gen. rabba 1, 1 hg. v. M.A. MIRKIN, Tel Aviv 1956 I S. 3 f.; dt. übers. A. WÜNSCHE, Leipzig 1880, S. 1) den überlieferten Kanon meint. Um den Gegensatz zu mechanistisch-astrologischen Vorstellungen (W. BOUSSET, Die Religion des Judentums in späthellenistischer Zeit, hg. v. H. GRESSMANN, Tübingen 31926) hervorzuheben, interpretiert D. RÖSSLER, Gesetz u. Geschichte, Untersuchungen zur jüd. Apokalyptik und der pharisäischen Orthodoxie = Wiss. Monographien zum Alten und Neuen Test., hg. v. G. BORNKAMM u. G. VON RAD, Neukirchen 1960 S. 55 ff., den apokalyptischen Heilsplan als »Programm göttlicher Handlungen« und Eingriffe in die Geschichte. Zur okonom a im NT siehe ThWB V Sp. 154.
3. IV. Esra 4, 27 ed. B. VIOLET, Die Esraapokalypse, I: die Überlieferung, Leipzig 1910 S. 36 f.; II: Die kritische Ausgabe Leipzig 1927 S. 17. Zum apokalyptischen »Pessimismus« BOUSSET-GRESSMANN S. 243 ff.; R. BULTMANN, Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen, Zürich 21954 S. 79.
4. Quoniam festinans festinat saeculum pertransire (IV. Esra 4, 26; ed. VIOLET I S. 36.)
[124]5. So E. SCHÜRER, Geschichte des jüd. Volkes im Zeitalter Jesu Christi, Leipzig 41907, Neudruck Hildesheim 1964, II S. 586. Gegen den Ausdruck J. KLAUSNER, Die messianische Idee in Israel (hebr.), Tel Aviv 41956 II S. 152 ff. Dennoch ist der von KLAUSNER hervorgehobene Unterschied zwischen Chilias (oder jemot hamaschiach) und Welterneuerung (chidusch olam; in der Apokalyptik: BOUSSET-GRESSMANN S. 281), wenn auch in der Apokalyptik vorhanden (RÖSSLER S. 25), erst in der rabbinischen Literatur begrifflich festgelegt; (Bab. Talmud, Sanhedrin 91 a: nichts unterscheidet diese Welt von den Tagen des Messias denn die Knechtung unter den Weltreichen [schibud malchujot]; andere Merkmale bei Klausner selbst). Welterneuerung ist das Ziel der Geschichte, die messianischen Tage ein Interim der Konzentration (ebd. 99 a; nach dem Psalmvers: Erfreue uns, den Tagen gleich, da du uns beugtest.). Vgl. auch H. GLATZER, Die Geschichtslehre der Tanaiten, Berlin 1933 S. 14 ff.
6. Zur Passivität des Menschen vgl. P. VOLZ, Die Eschatologie der jüdischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter, Tübingen 1934 S. 6, 107, 136 u. ö.; RÖSSLER S. 59 ff.; J. TAUBES, Abendländische Eschatologie = Beiträge z. Soziologie u. Sozialphilosophie, hg. v. R. KÖNIG, Bern 31947 S. 33 ff. Zu Dan. 2, 45: »wie du geschaut hast, daß sich vom Berge losriß ein Stein ohne Menschenhände (di la bijdajn) « A. BENTZEN, Daniel = HB zum AT, hg. O. EISSFELDT, Tübingen 21952 S. 33. Dennoch vermögen gelegentlich Bittrufe der Gerechten, das Ende zu beschleunigen (Aeth. Henoch 47, 1; 97, 35; 99, 3; weitere Beispiele BOUSSET-GRESSMANN S. 248), wohingegen IV. ESRA 4, 34 ff. (VIOLET I S. 40 ff.; II S. 19 ff.) gerade den Wissenden zur Geduld ermahnt, da sich Gott, der mit »vielen« rechnet, sich nicht auf den einzelnen einstellen kann. Wohl die älteste überlieferte Auseinandersetzung mit der apokalyptischen Vorstellung einer prädestinierten, von Taten und Versäumnissen des Volkes unabhängigen Erlösungszeit ist Sanhedrin 97 b — 98 a erhalten. Zwar heißt es (um 100), der Apokalyptiker habe überzeugt, aber auch R. Eliezer bar Hyrknos läßt die Erlösung nicht mehr gänzlich von der Bußwilligkeit des Volkes unabhängig sein. In ihrem späteren Zusammenhang ist die Stelle als Beispiel dafür, daß »alle Termine ausgelaufen sind« (kalu kol hakizin), herangezogen. Dazu A. MARMORSTEIN, Studies in Jewish Theologie, ed. J. RABBINOWITZ & U.S. LEW (The A. Marmorstein Memorial Volume), London 1950 S. 17 ff. (hebr.), 23 ff.
7. Matth. 24, 7; vgl. 2. Petr. 3, 10 (zur Begründung der auszuübenden [125]Geduld); in der jüd. Apokalyptik IV. Esra 4, 34 ff. In der heidnischen Eschatologie gilt Ähnliches. So bemerkt E. NORDEN, Die Geburt des Kindes, Geschichte einer religiösen Idee, Stuttgart 1924 (Neudruck Darmstadt 1958) S. 44, daß während »in der vorvirgilischen Schilderung des goldenen Zeitalters dessen Segensfülle auf einmal vorhanden« ist, es sich in Virgils IV. Ekloge »entfaltet, und zwar allmählich« (paulatim Z. 28) gemäß dem Heranwachsen seines Repräsentanten, obwohl Störungen und Rückfälle noch erwartet werden. Über die Plötzlichkeit und die Katastrophenlehre G. SCHOLEM, Zum Verständnis der messianischen Idee im Judentum, Eranos — Jb. 28 S. 193 ff., nachgedruckt in: Judaica, Bibl. Suhrkamp 106, Frankfurt 1963 S. 7 ff., insbes. S. 19 ff., 28 ff.
8. So kann das Fazit der Fragen IV. Esra 3,4—35 (VIOLET I S. 4 ff., II S. 3 ff.) verstanden werden. Ähnliches im Daniel-Buch, mit dem Hinweis auf Mal. 2, 17, BENTZEN S. 33, VOLZ S. 135 f.
9. In der Sap. Salom. z. B. wird die weisheitliche Führung des Volkes dadurch veranschaulicht, daß Natur und Geschichte sich ergänzen, indem dieselben Naturelemente in je anderer Funktion große Ereignisse begleiten (19, 18 ff.; zur Erläuterung KAUTZSCH I S. 507). Auch die Apokalyptik kennt den Beweis aus der Naturordnung, aber nur zur Welterneuerung, Auferstehung (Aeth. Henoch 2, 1 ff.; KAUTZSCH II S. 237) oder als Beweis der Vergänglichkeit dieses Aeons (unten S. 18). Das dem in Sap. Salom. erwähnten ähnliche, sehr bekannte Bild Augustins, in dem er den ordo saeculorum dem antithetischen Aufbau eines Gesanges vergleicht (DCD XI, 18 ed. HOFFMANN CSEL 30, 1 S. 537 f.; Ep. 138, 1, 5 CSEL 44, 130; Con. Secund. 15 MPL 42, 577; BONAVENTURA, Breviloquium 2, ed. Quaracchi V S. 204; E. VON LASAULX, Philosophie der Geschichte, hg. E. THURNHER, München 1952 S. 65 f.) mag anderen Quellen entnommen worden sein (H.-J. MARROU, Das Janusantlitz der hist. Zeit bei Augustin in: Zum Augustin-Gespräch der Gegenwart, hg. C. Andresen, Wege d. Forschung V, Darmstadt 1962 S. 379) und bezieht sich auf die Gesamtgeschichte; immerhin verweist Augustin selbst (DCD ebd.) auf Jes. Sir. 33, 14 (Gut und Böse sind im Kosmos paarweise geordnet).
10. IV. Esra 4, 11 (VIOLET I S. 26 ff.; II S. 12): Et quomodo poterit vas tuum capere altissimi viam, et iam exterius corrupto saeculo intelligere in corruptionem (evidentem) ; IV. Esra 7, 16 (Violet I S. 134, II S. 69: Absehen vom diesseitigen Geschehen).
11. IV. Esra 7, 13 (VIOLET I S. 132, II S. 69): Nam maioris saeculi introitus spatiosi et securi, et facientes immortabilitatis fructum. Si ergo [126]non ingredientes ingressi fuerunt qui vivunt, angusta et vana haec, non potuerunt recipere quae sunt reposita; vgl. IV. Esra 4, 27 (VIOLET I S. 38, II S. 17) aber auch syr. Baruch 20, 2 (KAUTZSCH II S. 419): »Darum habe ich Zion verstoßen, damit ich so eilig als möglich die Welt heimsuche zu ihrer Zeit.« Schließlich ist auch die paulinische Gesetzesinterpretation Ausdruck dieses Gedankens einer negativen Vorbereitung.
12. Dan. 8, 26; 12, 4.9; Aeth. Henoch 1, 2; 108, 1; Ascensio Mos. 1, 16 ff. (KAUTZSCH II S. 236, 309, 319); IV. Esra 4, 14; 4, 46; 14, 6 (VIOLET I S. 28, 46, 406, II S. 13, 21, 191. Nach G. ALON, Studies in Jewish History in the times of the Second Temple, the Mishna and the Talmud [hebr.], Tel Aviv 1957, S. 177 ff. ist letzteres auf die Apokryphen bezogen); vgl. Röm. 16, 25 f. Über Altersanspruch und Offenbarungsträger RÖSSLER S. 65 ff. Die wissenschaftliche Kritik der Apokalyptik seit der Spätantike (Porphyrius) hatte folgerichtig den Offenbarungsanspruch der wirksamsten Apokalypsen zum Ausgangspunkt der Widerlegung gemacht. E. BICKERMANN, Der Gott der Makkabäer, Berlin 1937 S. 143 f.; S. BARON, A Social and Religious History of the Jews, New York—London 21952, II S. 158 f.; 391 Anm. 38 (Lit.). Aber auch die systematische Suche nach exegetischen Begründungen beginnt da, wo sich der Offenbarungsanspruch lockert: keine der Sanhedrin 97a ff. zusammengestellten Endzeitberechnungen geht auf eine geheime Offenbarung zurück, mit Ausnahme der Sanhedrin 99b von R. Jehoschua erwähnten Auffindung einer Apokalypse »in römischen Archiven« durch einen römisch-jüdischen Soldaten, und auch hier bleibt der Offenbarungsanspruch unbestimmt, auch wenn es sich (so S. ZEITLIN, JQR 38, 1947, S. 36) um die Assumptio Mosis handelt.
13. Auch die »Erfüllung« biblischer Voraussagungen kennen die Apokalypsen nur in Andeutungen. Hingegen befaßte sich eine andere apokalyptische Schriftengruppe, die in der Qumrangemeinde stark vertreten war, mit der Deutung (pescher) der gängigen Prophetien; eine Deutung, die ebenfalls als den letzten Zeiten und der Heilsgemeinschaft vorbehalten verstanden wurde. Darüber K. ELLIGER, Studien zum Hababuk-Kommentar vom Toten Meer, Tübingen 1953, S. 150 ff.; F.N. CROSS, The Ancient Library of Qumran, New York 1961 S. 111 ff.
* Deutsche Rohübersetzungen der mit * bezeichneten fremdsprachlichen Zitate und Textstücke findet man im Anhang S. 247.
14. Matth. 13, 35; vgl. 13, 10 ff. im Gegensatz zur didaktischen Bedeutung eines Gleichnisses im Midrasch (maschal lma hadavar dome).
15. Durch den historischen Rückblick als vaticinium ex eventu erscheint die Apokalypse, vom Zeitpunkt ihrer vermeintlichen Offenbarung [127]bis zum Zeitpunkt ihrer »Wiederentdeckung«, als wären ihre Zukunftsaussagen durch den Verlauf der Geschichte zum größten Teil schon bestätigt; SCHÜRER III S. 183.
16. Zur eschatologischen Heilsgemeinde als »Stadt Gottes« D. FLUSSER, The Dead-Sea Sect and Pre-Pauline Christianity, Scripta Hierosolymitana (Publ. of the Hebrew Univ.) IV, Jerusalem 1958 S. 220 ff., 227 ff.; umgekehrt steht z. B. 1 Qp Hab 10, Z. 10 (ed. HABERMANN, Megilot Midbar Jehuda, Tel Aviv 1959 S. 47) ir schaw (Stadt der Nichtigkeit) für edat scheker (Truggemeinde), deren Abfall das Sich-Einlassen in das Weltliche verursacht habe. Auserwählung der Gerechten und ihre »siebenfache Belehrung« ist Aeth. Henoch 93, 9 f. (KAUTZSCH II S. 300) für die siebente Woche, die vom Exil bis zur echten Abfassungszeit reicht (siehe folgende Anm.), vorgesehen.
17. BOUSSET-GRESSMANN S. 248. Ursprünglich in diesen Zusammenhang gehört wohl auch die Lehre von den 36 Gerechten jedes Zeitalters (Sanhedrin, 97b).
18. Syr. Baruch 20, 1 (KAUTZSCH II S. 419); weitere Belege (u.a. Matth. 24, 22) W. BOUSSET, Der Antichrist in der Überlieferung des Judentums, des NT und der alten Kirche, Göttingen 1895 S. 143 ff.; vgl. TAUBES S. 33. Über eine ähnliche Steigerung der Zeit selbst in jedem der sich wiederholenden Weltzyklen in indischen Spekulationen M. ELIADE, Le mythe de léternel retour: archétypes et répétition, (erweiterte) engl. Übers. v. W.R. TRASK, Cosmos and History, The Myth of the Eternal Return, New York 1959 S. 113 (Indien), 125 (Iran). Im Gegensatz hierzu denkt die Apokalyptik nicht an eine stete Verkürzung der Perioden und Generationen, sondern nur an die endzeitliche Beschleunigung.
19. Slav. Henoch 65, 7—8 (bei BOUSSET-GRESSMANN S. 244): »Alsdann werden vernichtet alle Zeiten und Jahre, und fortan wird weder Monat noch Tag sein, noch Stunden « Derselbe Gedanke, nur undeutlicher gestaltet, ist Aeth. Henoch 91, 17 (KAUTZSCH II S. 301) ausgedrückt.
20. M. NOTH, Das Geschichtsverständnis der alttestamentlichen Apokalyptik, in: Gesammelte Studien zum AT, München 1957 S. 248 ff., nachgedruckt in: Geschichtsdenken und Geschichtsbild im Mittelalter, Wege der Forschung XXI hg. v. W. LAMMERS, Darmstadt 1961 S. 41 ff.
21. Aeth. Henoch 93, 3—10; 91, 12—17 (KAUTZSCH II S. 299 ff.); BOUSSET-GRESSMANN S. 281 f., RÖSSLER S. 57. Im folgenden zur Ähnlichkeit mit der jüdischen und christlichen Dreizeitalterlehre.
[128]22. IV. Esra 3, 45. Die Periodenfolge gleicht der in der chronistischen Literatur, auch des Frühchristentums. Vgl. THEOPHILUS V. ANTIOCHIEN, Ad Autol. III, 28 (unten S. 138 Anm. 71). Ein anderes Beispiel der »Grundbewegung des Aeons« finden wir Gen. rabba XIX, 7 zu III, 8 ed. MIRKIN I S. 139 f. (Übers. WÜNSCHE S. 84 f.): Die Auf- und Abbewegung der schechina von der Erde zum siebenten Himmel (rakia) in den sieben Zeitaltern von Adam bis Abraham, vom siebenten Himmel zurück zur Erde von Abraham bis Moses. Nur so ist der Anspruch desselben R. Abba bar Kahana Gen. rabba XIV, 6 zu II, 7 ed. MIRKIN I S. 104 (Übers. WÜNSCHE, S. 65) zu verstehen: Gott erschuf Abraham in der Mitte der Zeiten (beemtsa hadorot), damit er die Generationen vor und nach ihm trage. Es sind wohl Reflexionen zum Jubiläenbuch.
23. Syr. Baruch 69 (KAUTZSCH II S. 438) in Anlehnung an IV. Esra 14, 11. Zugrunde liegt wohl das Tierkreisbild.
24. Über den Einfluß der iranischen Eschatologie und babylonischen Astrologie BOUSSET-GRESSMANN S. 244, 247, 504, ff. Zum iranischen Ursprung auch des Milleniums (im Gegensatz zu Bousset) Aug. FRHR. V. GALL, Basile a toà qeoà. Eine religionswiss. Studie zur vorkirchlichen Eschatologie, Religionswiss. Bibl., hg. W. STREITBERG 7, Heidelberg 1926 S. 300 ff. Zur Abkehr von der Zyklenlehre BENTZEN S. 33 (mit Lit.). Dieser Verzicht ist nicht ein Kennzeichen jüdischer Geschichtsanschauung schlechthin, im Gegensatz zur christlichen Geschichtstheologie, in der die Einmaligkeit der Geschichte als Konsequenz der Christologie bald thematisch werden mußte. Schon in der Begründung der sechstausendjährigen Weltdauer mit der Parallele zur Schöpfungswoche, mit Ps. 90 und mit dem Schaltjahrzyklus kehrt die Zyklenlehre (Sanhedrin 97a) wieder: »Gleich R. Quattina wird gelehrt: Ebenso wie in jedem Siebenjahrzyklus ein Jahr brach liegt, wird die Welt in (je) siebentausend Jahren eintausend brach liegen « Eine andere spätapokalyptische Tradition (slav. Henoch 33, ed. BONWENTSCH, TU 3, Reihe 14, 2 Leipzig 1922 S. 31) bereitet VOLZ S. 35 Schwierigkeiten. Im Mittelalter hält an der Interpretation der Sanhedrin-Stelle im Sinne einer Zyklenlehre ABRAHAM BAR CHIJA fest, wobei er noch ähnliche, astrologische Spekulationen verwirft (Sefer megillat hamegalle, ed. POZNANSKI, Berlin 1924 S. 11). Zur Schemitot-Lehre der frühen Kabbala G. SCHOLEM, Ursprung und Anfänge der Kabbala, Berlin 1962 S. 407 ff. Vollends mit astrologischen Spekulationen durchsetzt bei Leone Ebreo, dessen Einfluß auf Humanisten Italiens und Frankreichs stark war. In seinen »Dialogi del amore« beschreibt er den [129]natural etate des Kosmos als 49 000-Jahre-Zyklus, nach welchem die Welt zur Urmaterie zurückkehrt, weiß aber zugleich, chel mondo interiore (die subluneare Welt) si corrumpe e rinova di sette milia anni so wird Plato (Timaios) zu einem der cabbalisti. (ed. S. CARMELLA, Scrittori dItalia 114, Bari 1929 S. 245 ff., 241).
24a. H. CONZELMANN, Die Mitte der Zeit. Studien z. Theologie des Lukas, Beiträge z. historischen Theologie, hg. v. G. Ebeling 17, Tübingen 1954 S. 5 ff., 80 ff., insbes. 86, 92 (Plötzlichkeit).
25. Gal. 3, 23 ff. (Zuchtmeister); 3, 19 (Steigerung des Bewußtseins eigener Sündhaftigkeit); 4, 1 ff.; Röm. 6, 15 ff.; 7, 1 ff. Die paulinische Geschichtstheologie kennt nur den Fortschritt vom irdischen zum himmlischen Menschen; sie stellt die Epochen Adam—Abraham—Christus einerseits, Adam—Moses—Christus andererseits — die Epochen der Verheißung und des Gesetzes — nicht als Epochen aktiver Vorbereitung, sondern als positive »Hinweise« und negative Vorbereitung (zur Epocheneinteilung H.D. WENDLAND, Geschichtsanschauung und Geschichtsbewußtsein im NT, Göttingen 1938 S. 23 ff., insb. 30 ff.; ebd. Lit.) auf den neuen Menschen, dessen Zeit bereits angebrochen, aber noch nicht den alten Aeon vollends zurückgedrängt hat, hin. (Zum Interim A. SCHWEITZER, Die Mystik des Apostel Paulus, Tübingen 1930 S. 38, 98 ff.; WERNER S. 201 ff.).
26. Oben S. 13 (Henochbuch); »Gesetzeszeitalter«, »vor dem Gesetz«; aeth. Henoch 93, 4; syr. Baruch 57, 2 (KAUTZSCH II S. 434); Ascensio Mosis 1, 12 ff. (KAUTZSCH II S. 319) (im Henochbuch das noachitische Gesetz).
27. Bab. Talmud Sanhedrin 99a; Avoda Zara 9a; Seder Eliahu rabba, ed. M. FRIEDMANN Jerusalem 21960, S. 6. Hierzu STRACK-BILLERBECK, Kommentar zum NT aus Talmud und Midrasch III München 21954, S. 826, IV 21956, S. 828 f.; SCHÜRER II S. 447; BOUSSET-GRESSMANN S. 247 und Anm. 1; KLAUSNER II S. 159; A.H. SILVER, A History of Messianic Speculation in Israel, Boston 1959 S. 27; J. BLOCH, On the Apocalyptic in Judaism, Philadelphia 1952 S. 11 (u. Anm. 22); zum Seder Eliahu BARON VI S. 401 Anm. 7 (Lit.). Zur Ähnlichkeit mit der christlichen Trias: Fr. HIPLER, Die christliche Geschichts-Auffassung, Köln 1884 S. 10 f.; H. GRUNDMANN, Studien über Joachim von Floris = Beiträge zur Kulturgeschichte d. MA und der Renaissance, hg. v. W. GOEZ 32, Leipzig 1927 S. 88 ff.; R. SCHMIDT, Aetates mundi, Die Weltalter als Gliederungsprinzip der Geschichte, ZKG 67 (1955-6) S. 299. J.H.J. VAN DER POT, De Periodiserung der Geschiedenis, Een overzicht der theorieen, Te [130]sGravenhage 1951 S. 43 ff. SCHMIDT weist zwar mit Recht die Behauptung von A. DEMPF, Sacrum Imperium, Geschichts- u. Staats-philosophie des MA und der Renaissance, München 1927, Neudruck Darmstadt 1954 S. 77, zurück, in der paulinischen Geschichtstheologie sei die Trias »erfunden« worden, geht aber weder den apokalyptischen Ursprüngen nach, noch auf die irenäischen Ursprünge der Aetates ein. Über verschiedene Kombinationen der Lehre mit der Weltwoche und der Aetateslehre — so schon im Talmud — siehe im folgenden. Als die ma.liche jüdische Geschichtstheologie daran ging, die augustinische Aetateslehre, die detaillierte Parallele von Schöpfungstagen und Heilsperioden zu rezipieren, war die Verknüpfung mit der talmudischen Trias selbstverständlich (ABRAHAM BAR CHIJA, Sefer megillat hamegalle — siehe oben Anm. 24 — S. 39 f.; von ihm beeinflußt RAMBAN zu Gen. 2, 3; ferner ISAAK ABARBANEL, Perusch hatora, Warschau 1862 S. 14 b. Vgl. J. GUTTMANN in der Einleitung zum Sefer megillat hamegalle und DERS., Philosophie des Judentums, Gesch. d. Philosophie in Einzeldarstellungen, hg. v. G. KAFKA 3, München 1933 S. 128 ff. Es sei noch bemerkt, daß in der jüd. Tradition das ZA der Tora mit dem 52. Lebensjahr Abrahams beginnt (Avoda Zara 9a; Sota 10a/b; Raschi zu Sanhedrin 97a, ABR. BAR CHIJA ebd.; RAMBAN ebd.), während die christl. Tradition zunächst unbestimmt bleibt, dann aber das ZA des Gesetzes mit Moses beginnen läßt. Sie ist darum zunächst unbestimmt, weil sie die zwei paulinischen Triaden Adam—Abraham und Moses—Christus nicht unterscheiden kann; darum auch die verschiedenen Periodisierungen nach sechs Weltaltern (SCHMIDT, a.a.O.).
28. ALANUS AB INSULIS, Contra Haereticos libri quattuor l. III c. 10 MPL 210, 410: Videmus etiam apud Judaeos in magna parte cessare quae ad legem pertinent: non enim est apud Judaeos sacrificium etc. in maxima parte abolita est lex: Videtur ergo quod lex locum non habeat. In Sehale etiam loquitur Elias, quod mundus duraturus est per sex millia annorum, et duo millia fuisse vanitatis, quod refertur ad tempus quod fuit ante legem Mosaicam, duo vero millia legis Mosaicae, sequentia duo millia, Messiae. Sed manifestum est, plus quam quatuor annorum millia transiisse; ergo manifestum est legem transiisse, et Messiam venisse. »Sehale« könnte eine Metathese von chasal sein; dann aber wäre die unmittelbare Quelle eine mündliche. Oder aber es ist aus der Kapitelbezeichnung (chelek) gebildet. Zur christlichen Kenntnis von Talmudfragmenten im 12. Jh. unten S. 169 Anm. 15. Zur spätmittelalterlich-humanistischen Tradition: A. KLEMPT, Die Säkularisierung der universalhistorischen [131]Auffassung, Göttingen 1960 S. 24 und Anm. 45. Über Melanchthon auch BORKOWSKI ZKG 19 (1899), S. 456 und V. D. POT S. 45; man vergleiche auch REUCHLIN, z. B. Augenspiegel, Tübingen, bei Thomas Anselm 1511 (Neudruck München 1961), Ratschlag usw. p. VII b f., als Argument zur Erhaltung des Talmuds sowohl wie als Widerlegung der jüdischen Messiasvorstellungen: Ich will nur ain argument daruß nemmen / das den iuden gar nach all ir fürnemmen mag brechen. Sie sprechen / wir glauben wol das Jesus seit komm / wir glaube aber nit das der recht Christus sei / dann Christus inn der bibel verhaissen ist noch nit kommen. Wa ich nun inn der Bibel nit so clar find das es kommen sei / so beweis ich das aus irem Thalmud / das ire maister geschriben haben / wie das Gesetz Moysi soll uffhoeren in dem viertausendste iar nach schoepffung der welt / unnd als dann sol den Messias gesetz anfahen / und wern zwai tausent iar / dan die Welt sol allain besto VI. tausent iar / als sie in sechs tagen gemacht ist / dz sind ire wort wie der thalmud inhalt / wie es die iunger Helie geredt sollen haben. Nun zelen die Juden yetzud nach Schcepffung der Welt 5271 (und die Zeit ist abgelaufen). Der Hinweis mag ihm aus der Exegese sowohl wie durch Leone Ebreo vermittelt worden sein. Allgemein über seine Quellen: A. GEIGER, Reuchlin, sein Leben und seine Werke, Leipzig 1871 S. 164 ff.; neben Paulus von Burgos, auf welchen Klempt die Kenntnisse zurückgehen läßt, sind Alanus ab Insulis u. Leone Ebreo (oben S. 128 Anm. 24) zu nennen.
29. J. Bodin erschien die Lehre (er kennt sie als vaticinium Eliae und weist auch in diesem Zusammenhang auf seine Quelle, Leone Ebreo, hin) tragfähig genug, um sie zwar als Vaticinium zu verwerfen, wohl aber als Periodisierungsprinzip pragmatisch auszuwerten; umgekehrt verfuhr er mit der Regnalehre, die er zwar als Vaticinium gelten lassen mußte, deren traditionelle Auslegung er jedoch verwarf. In je 2000 Jahren sah er die historische Führung dem Süden, der mittleren Klimazone und dem Norden vorbehalten. J. BODIN, Methodus ad facilem historiarum cognitionem V, Straßburg 1907 S. 108 f. 120; KLEMPT S. 67 f.; aufschlußreich ist der Vergleich der Dreizeitalterlehre Bodins mit der (ebenfalls enteschatologisierten) des Francis Bacon. Sie geht auf klassische Quellen, vielleicht auf Varro (unten S. 72 f.), zurück und ist auch darum interessant, weil in ihr der Begriff des MAs und der Moderne im Gegensatz zum humanistischen Sprachgebrauch steht, da er das Bewußtsein der Kontinuität der Nationalstaaten bewahrt. Der Zusammenhang ist (vgl. unten S. 72 f.) die Frage nach den Geschichtsquellen. [132]F. BACON, The Advancement of Learning Book 2, II6 (Oxford University Press, London 1960 S. 88): For the history of times (I mean of civil history), the providence of God hath made the distribution. For it hath pleased God to ordain and illustrate two exemplar states of the world for arms, learning, moral virtue, policy, and laws; the state of Grecia and the state of Rome; the histories whereof, occupying the middle part of time, have more ancient to them histories which may by one common name be termed the antiquities of the world: and after them, histories which may be likewise called by the name of modern history.
30. So G. SCHOLEM, Sabbatai Zvi und die sabbatianische Bewegung seiner Zeit (hebr.), Tel Aviv 1957, I S. 35 ff., 50 ff. S. 38 wird Jerus. Talmud, Brachot 1, 2 und Midrasch Tehilim 22, 13 mit Recht auf die Endzeit selbst bezogen; vgl. unten S. 18 u. Anm. 49. Zur Geula-Lehre in der lurianischen Kabbala siehe auch J. TISHBI, The Doctrine of Evil and the ›Kelippah‹ in Lurianic Kabbalism, Studies and Texts in Jewish Mysticism, ed. by G. SCHOLEM II, Jerusalem 1942 S. 91 ff., insbes. 134 ff.
31. ELIADE S. 40 ff., 117 (Refusal of History); R.B. DIXON, Oceanic Mythology, Boston 1916, S. 125 ff.; G. VAN DER LEEUW, LHomme Primitif et la Religion, Paris 1940, S. 22 ff.; Y. GARBER-TALMON, The Concept of Time in primitive Mythus, Iyyun, Phil. Quarterly 2 (1951), S. 201 (hebr.), S. 260 (engl. Zusammenfassung).
32. Für das folgende Ch. N. COCHRANE, Christianity and Classical Culture, A Study of Thought and Action from Augustus to Augustine, New York, 21957 (1944) S. 456 ff.; LÖWITH S. 15 ff.; wichtige Bemerkungen auch bei H. ARENDT, The Concept of History, in: Between Past and Future, six Exercises in Political Thought, Cleveland-New York 1963 (1954) S. 41 ff.
33. DIELS-KRANZ, Fragm. der Vorsokratiker, Berlin 61934, Neudruck 1952 I, Frg. B 18; G.S. KIRK and J.E. RABEN, Presocratic Philosophers, Cambridge 1962, S. 179 f.; Th. GOMPERZ, Griechische Denker, Leipzig 1896, I S. 123; A.O. LOVEJOY and G. BOAS, Primitivism and Related Ideas in Antiquity, Baltimore 1935 S. 194.
34. Kosmische Zyklen: LOVEJOY-BOAS, S. 169; Verfassungszyklen: ebd., 174; Wahrheitszyklen: W. JAEGER, Aristoteles, engl. Übers. Oxford 1948, S. 128 ff. Allgemein zur Zyklenlehre: E. ZELLER, Philosophie der Griechen I, 1, Leipzig 61919, S. 535 f., 549 f., GOMPERZ I S. 113, 115, 205; LÖWITH S. 223, Anm. 15; G.B. LADNER, The Idea of Reform, Its Impact on Christian Thought and Action in the Age of the Fathers, Cambridge/Mass. 1959 S. 10 ff. und ELIADE passim.
[133]35. M. POHLENZ, Die Stoa, Geschichte einer geistigen Bewegung, Göttingen 21959, I S. 79 ff., II S. 47 ff. (Zyklenlehre); I S. 137, II S. 75 (Kosmopolis bei Zeus); W. JAEGER, Early Christianity and Greek Paideia, Cambridge/Mass. 1961, S. 63 f. (Erziehung; Isokrates).
36. POHLENZ I S. 57 f., 84, 113, 190, 253 f., 345, 358, 397. E. SCHWARZ, Ethik der Griechen, hg. v. W. RICHTER, Stuttgart 1951 S. 202 f. (u. Anm. 17), S. 207 f.
37. K. REINHARDT, Poseidonius, München 1921, S. 392 ff., insb. S. 399 ff., Ferner ders., Poseidonius über Ursprung und Entfaltung (Orient und Okzident, hg. v. G. BERGSTRÄSSER u. O. REGENBOGEN 6), Heidelberg 1928; POHLENZ I S. 212.
38. VARRO, De re rustica, II, 1, 3 ff. bei LOVEJOY-BOAS, Primitivism S. 368 f.; REINHARDT, Poseidonius S. 402 ff.
39. So mit Recht N. COHN, The Persuit of the Millenium, (dt.: Das Ringen um das Tausendjährige Reich, übers. v. E. THORSCH, Bern 1961) S. 180 zu Ep. XC ad Lucilium. Vollends uneingeschränkt ist Senecas Wissenschaftsoptimismus, der eher von der Einzelleistung absieht zugunsten des allmählichen Wachstums der kollektiven Erfahrung. Dazu: Nat. Quaest. VII, 25; Ad Luc. Ep. LXIV, 6—9; LOVEJOY-BOAS, Primitivism S. 378. Ebd. ähnliche Belege anderer Zeitgenossen. Vgl. ferner S. SAMBURSKI, Laws of Heaven and Earth, Jerusalem 1954, S. 205.
40. Neben LÖWITH, COCHRANE, a.a.O., siehe S. MAZZARINO, Das Ende der antiken Welt, dt. Übers. München 1961, S. 18 ff.
41. Schon Demokrit (erhalten bei Diodorus Siculus Bibl. I, 8, vgl. K. REINHARDT in: Hermes 47, 1912, S. 509 ff. = DIELS, Nachträge zu Bd. II, S. XII, Z. 13—18). Spätere Hesiod-Scholiasten versuchten gewaltsam, die aetas-aurea-Vorstellung hinein zu interpretieren. (DIELS, ebd. S. XIV, Z. 13 ff.) Vgl. G. VLASTOS, On the Pre-history in Diodorus, American Journal of Philosophy LXVII 1946 (Lukrez und Demokrit).
42. LUKREZ, De rer. nat. (ed. Bailey, Oxford 1922) V, 826 ff.; (Erdentw.); 925 ff. (Menschenentw.); V, 1454 (paulatim) u. ö.; vgl. B. FARRINGTON, Greek Science, London 21953, S. 245 ff.; LOVEJOY-BOAS, Primitivism in Antiquity S. 222 ff.; unter seinem Einfluß VITRUVIUS, De architectura II, 1 (ebd. S. 374 f.). Lukrez betrachtet die Entwicklungsgesetze als die Naturgesetze par excellence: ex nihilo nihil fit bedeutet nicht nur die Ewigkeit der Materie, sondern auch, daß nichts in der Natur subito geschieht; und nur die Entwicklungsgesetze ergeben Paradigmata der exakten Meßbarkeit. Zum Naturbegriff vgl. K. REICH, Der historische Ursprung des Naturgesetzbegriffes, [134]Festschrift f. Ernst Kapp zum 70. Geburtstag, Hamburg 1958, S. 121 ff. (Meßbarkeit der Zeit).
43. LUKREZ, de rer. nat. V. 989 ff. Weiteres zur Urzeitlehre s. unten S. 32 f., 104 f.
44. So bezeichnet ORIGENES, Contra Celsum I, 3 (ed. P. KÖTZSCHAU, GCS 30 = Origenes I, Leipzig 1899, S. 58) die Intention der christlichen Philosophie, während er die Behauptung des Celsus richtigstellt, jedoch ihr nicht ganz widerspricht, die Barbaren verstünden es zwar besser, Lehren zu erfinden, die Hellenen aber, sie zu begründen und sittlich anzuwenden. Kelsos gibt einen alten Topos wieder, der im Zusammenhang dieser Origenesstelle von ANDRESEN, Logos und Nomos (Arbeiten z. Kirchengesch., hg. v. K. ALAND u. a., 30, Berlin 1955), S. 69, 206 erörtert wird. Über den dialektischen Beweis stellt Origenes »den Beweis von Geist und Kraft« (1. Kor. 2, 4), der von der Philosophie unabhängig ist.
45. W. KAMLAH, Christentum und Geschichtlichkeit, Untersuchungen zur Entstehung des Christentums und zu Augustins »Bürgerschaft Gottes«, Stuttgart 21951, S. 113. Zum Ganzen siehe auch den zusammenfassenden Überblick bei H. HEIMSOETH, Die sechs großen Themen der abendländischen Metaphysik, Darmstadt 31958 S. 139 ff.; hier auch über die Veränderung des griechischen Entwicklungsbegriffes durch seine christliche Universalsetzung.
46. IV. Esra 5, 41 ff. (VIOLET I S. 76 ff., II S. 79 ff.) Zur Datierung und Lokalisierung O. EISSFELDT, Einleitung in das AT, Tübingen 31964 S. 846 ff. (nach der Tempelzerstörung). Auch in der Zunahme rationaler Argumentation glaube ich eine Reaktion auf die Enttäuschung zu sehen (andere Reaktionen oben S. 124 Anm. 6). Man vergleiche diese Stelle mit dem Hinweis auf das Nacheinander und den Wechsel in der Naturordnung, Aeth. Henoch 2, 1 (und 5, 1; vgl. oben Anm. 9, unten Anm. 48).
47. IV. Esra 5, 41 ff. (Fortsetzung): Interroga matricem mulieris : Et si paris, quare per tempus? Et dixi: non utique poterit, sed secundum tempus Et dixit ad me: Quemadmodum enim infans non parit nec ea, quae senuit: sic ergo dispousi a me creatum saeculum.
[135]48. IV. ESRA 5, 50 ff. (ebd.); 14, 10. Vgl. GLATZER S. 22 und A. HÄUSSLER, vom Ursprung und Wandel des Lebensaltervergleichs, Hermes 92 (1964) S. 313 ff., S. 339.
49. 1. Clemens 23, 4: »O Unverständige, vergleicht euch mit einem Baum! Nehmt einen Weinstock: zuerst verliert er das Laub, dann entsteht ein Sproß, dann ein Blatt, dann eine Blüte und hierauf ein Herling, dann eine reife Traube. Seht, wie in kurzer Zeit die Frucht des Baumes zur Reife kommt! Wahrhaftig, schnell und plötzlich wird sein Wille in Erfüllung gehen « (MPG 1, 259; übers. v. J.A. FISCHER, Die apostolischen Väter, Schr. d. Urchristentums III, Darmstadt 1959, S. 56—7); vgl. 2. Clemens 11, 2 f. (MPG 1, 343 ff.); zur etwaigen Quelle E. MASSAUX, Influence de lEvangile de Saint Matthieu sur la littérature chrétienne avant Saint Irénée, Louvain 1950, S. 30 f.; vgl. auch Matth. 13, 31 ff.; aber auch das Senfkorngleichnis gehört im ursprünglichen Zusammenhang zu den eschatologischen »Rätseln« (oben S. 6 Anm. 14), auch von Geduld ist noch nicht, wie z. B. Jac. 5, 7, die Rede. Im Zusammenhang der Auflösung der Endzeitberechnungen und Enttäuschung der Parusieerwartung interpretiert M. WERNER, Die Entstehung des christlichen Dogmas, Bern—Tübingen 21953, S. 111 die Clemens-Stelle. Es fehlt bei Clemens die eschatologische Implikation des Pädagogiegedankens, das Bindeglied zwischen Pädagogie und Disposition. Zum Pädagogiegedanken bei Clemens: JAEGER S. 12 ff. In der jüdischen Eschatologie findet sich der Vergleich mit der Morgenröte (oben S. 132 Anm. 30).
50. Adversus Haereses IV, 63, 3 (IV, 38, 4) ed. W.W. HARVEY, Sancti Irenaei episcopi Lugdunensis libri quinque adversus haereses, 2 Bde. Cambridge 1857 II S. 297; (ed. A. STIEREN, Sancti Irenaei Episcopi Lugdunensis quae supersunt omnia, Leipzig 1853 S. 702). Vgl. A. SLOMKOWSKI, LEtat primitif de lhomme dans la tradition de lEglise avant St. Augustin, Paris 1928, S. 33 f.; H. de LUBAC, Katholizismus als Gemeinschaft, Einsiedeln—Köln 1943, S. 216 ff. beginnt mit dieser Stelle seine Erörterungen zum Entwicklungsgedanken im kirchlichen Selbstverständnis. Grundlegend für das folgende K. PRÜMM, S.J., Göttliche Planung und menschliche Entwicklung nach Irenäus Adversus Haereses, Scholastik XIII (1938), S. 206 ff. Vgl. auch A. BENOIT, Saint Irénée, Introduction à létude de sa Théologie, Etudes dhistoire et de Philosophie réligieuses (Straßburg), dirigée par R. MEHL 52, Paris 1960 S. 228 ff.
51. Vgl. Adv. Haer. IV, 21, 2 (IV, 11, 1) ed. HARVEY II S. 175 (ed. STIEREN, S. 589): Et hoc Deus ab homine differt, quoniam Deus quidem [136]facit, homo autem fit; et quidem qui facit, semper idem est: quod autem fit, et initium et medietatem et adiectionem et augmentum accipere debet. (Zu Gen. 1, 28: Crescite et multiplicamini) Dazu A. BENGSCH, Heilsgeschichte und Heilswissen. Eine Untersuchung zur Struktur und Entfaltung des theol. Denkens im Werk Adversus Haereses des Hl. Irenäus von Lyon, Erfurter Theol. Studien 3, Leipzig 1957, S. 125.
52. Gewöhnung als allmählicher Prozeß: IV, 8 (IV, 5, 1) ed. HARVEY II S. 154 (ed. STIEREN S. 569) Deus qui temporalia fecit propter hominem, ut maturescens in eis fructificet immortalitatem. Dazu F. LOOFS, Theophilus von Antiochien »Adversus Marcionem« und die anderen theologischen Quellen bei Irenäus, TU 46, 2, Leipzig 1930, S. 61, Anm. 3; S. 410.
53. Adv. Haer. IV, 62, 1 (IV, 38, 1) ed. HARVEY II S. 292 f. (ed. STIEREN S. 698): Si hoc dicat aliquis: Quid enim? Non poterat ab initio Deus perfectum fecisse hominem? (E de lgei tij etc.); vgl. IV. Esra 5, 43 f.
54. Diese Begründung der Zeitenfolge hat in der Hexaemeron-Exegese ihre Parallele, in der Lehre, alles sei am ersten Tag erschaffen, in den folgenden Schöpfungstagen entwickelt worden. Pirke Avot 5, 1; Gen. rabba 12, 4 ed. MIRKIN S. 83. (Übers. WÜNSCHE, S. 51); auch die Lehre von den rationes seminales bei Augustin entstammt diesem Fragenkreis.
55. Adv. Haer. IV, 62 (IV, 38, 1): Vgl. 38, 2; 38, 3; treffend H. EIBL, Augustin und die Patristik, Geschichte der Phil. in Einzeldarstellungen, Abt. III, Bd. 10/11, München 1923, S. 140.
56. Adv. Haer. IV, 63, 1 (IV, 38, 3) ed. HARVEY II. S. 295. Vgl. IV, 7 (IV, 4, 3) ed. HARVEY II. S. 153 f.; ed. STIEREN S. 569 (Willensfreiheit).
57. Adv. Haer. IV, 63, 3: Oportuerat autem primo naturam apparere, post deinde vinci et absorbi mortale ab immortalitate et fieri hominem secundum imaginem et similitudinem Dei agnitione accepta boni et mali.
58. Adv. Haer. IV, 62 (IV, 38, 1): Ðd ¥nqrwpoj ¢dÚnatoj laben aÙtÒ n»pioj g¦r Ãn. (nach dem Gleichnis aus 1. Kor. 3, 2).
59. IV. Esra 5, 46. 48.
60. Adv. Haer. ibid. Secundum enim quod sunt posteriora, secundum hoc et infantilia
61. Ibid.: Di¦ toàto ka Ð kÚrioj ¹mîn p' sc£twn tîn kairîn ¢nakefal-aiws£menoj ej aÙtÕn t¦ p£nta, Ãlqe prÕj ¹m©j, Irenäus selbst führt die Rekapitulationslehre auf Justin zurück (Adv. Haer. IV, 11, 2 [IV, 6, 2] ed. HARVEY II S. 158 f. [ed. STIEREN S. 573 f.]). [137]Wenn Rekapitulation gleichbedeutend mit der fructificatio Christi ist (s. unten), so hilft sie dem Irenäus, den pervertierten Fruktifikationsbegriff der Valentinianer (Adv. Haer. IV, Praef., 2, [3] ed. HARVEY II S. 144 f., [ed. STIEREN S. 559]) zu widerlegen. Zum Rekapitulationsgedanken LOOFS, Theophilus S. 357 ff.; E. SCHARL, Recapitulatio Mundi. Der Rekapitulationsbegriff des Hl. Irenäus und seine Anwendung auf die Körperwelt, Freiburger theol. Studien, 60, Freiburg 1941; BENGSCH S. 107; Lit. ebd. S. 120.
62. Adv. Haer. II, 33, 2 (II, 22, 4) ed. HARVEY I S. 330 (ed. STIEREN S. 358): Triginta quidem annorum existens quum veniret ad baptismum, deinde magistri aetatem perfectam habens, venit Hierusalem non enim aliud videbatur et aliud erat sed quod erat, hoc et videbatur. Magister ergo existens, magistri quoque habebat aetatem, non reprobans nec supergrediens hominem, neque solvens legem in se humani generis, sed omnem aetatem sanctificans per illam, quae ad ipsum erat, similitudinem ideo per omnem venit aetatem Mit dem Arundel-Mss. (vgl. HARVEY ebd. Anm. 2) soll nicht: neque solvens suam legem in se usf. gelesen werden; lex humani generis ist ein Begriff.
63. Adv. Haer. III, 32, 1 (III, 22, 3) ed. HARVEY II S. 123 (ed. STIEREN S. 544): Propter hoc Lucas genealogiam, quae est a generatione Domini nostri usque ad Adam, septuaginta duas generationes habere ostendit (Luc. 3, 23 ff.); finem coniugens initio et significans, quoniam ipse est, qui omnes gentes exinde ab Adam dispersas et universas linguas et generationes hominum cum ipso Adam in semetipso recapitulatus est. Zur Rekap. der Völker und Sprachen: A. BORST, Der Turmbau von Babel. Geschichte der Meinungen über Ursprung und Vielfalt der Sprachen und Völker, Stuttgart 1957 ff. I S. 230.
64. Siehe unten S. 21 f.
65. Adv. Haer. III, 32, 1 (anschließend an den in der vorherigen Anm. zitierten Satz): Unde et Paulo (Röm. 10, 14) typus futuri dictus est ipse Adam, quoniam futuram circa Filium Dei humani generis dispositionem in semetipsum fabricator omnium Verbum praeformaverat, praeformante Deo primum animalem hominem (!), videlicet ut spiritali salvaretur. Vgl. auch Adv. Haer. IV, 55, 1 (IV, 33, 10) ed. HARVEY II S. 264 f. (ed. STIEREN S. 671 f.).
66. Oben S. 19 u. Anm. 52. Darum ist Adam die seminatio, Christus die fructificatio (IV, 36, 4 [IV, 34, 4] ed. HARVEY II S. 272 [ed. STIEREN S. 679]; dazu BENGSCH S. 128 und oben S. 136 Anm. 61 [Rekap. Lehre]).
[138]67. Adv. Haer. IV, 63, 2 ed. HARVEY II S. 296. Während die imago dei die menschliche Natur immer ausmacht, verlor der Mensch die similitudo nach dem Sündenfall und bemüht sich um sie in einem menschlichen Annäherungsprozeß. Vgl. zur Unterscheidung zwischen imago und similitudo LADNER S. 83 ff.
68. Adv. Haer. ibid.: Edei d tÕn ¥nqrwpon prîton gensqai kai genÒmenon aÙxÁsai (augeri) ka aÙx»santa ¢ndrwqÁnai (corroborari) ka ¢ndrwqnta plhqunqÁnai (multiplicari) ka plhqunqnta niscàsai (convalescere) ka niscÚsanta doxasqÁnai (glorificari) ka doxasqnta den tÕn autoà despÒthn (videre suum Dominum).
69. Adv. Haer. V, 35, 1 ed. HARVEY II S. 423 (ed. STIEREN S. 814): in qua regnabunt (nach der zweiten Parusie) iusti in terra, crescentes ex visione Domini, et per ipsum assuescent capere gloriam Dei Patris vgl. V, 36, 1 ed. HARVEY II S. 426 (ed. STIEREN S. 816 f.).
70. Transmutatio in melius: Adv. Haer. V, 10, 2 f. ed. HARVEY II S. 346 ff. proficere in melius: Adv. Haer. V, 11, 1 (ed. HARVEY II S. 348); auch LADNER, The Idea of Reform S. 69 ff. notiert diese letztgenannte Stelle, glaubt ihr aber kein Gewicht beilegen zu müssen; da sie »after all a return to the pristina natura« zum Ausdruck bringt. Dagegen spricht IV, 63, 3 (IV, 38, 4). Wir glauben, durch unsere Darstellung Ladners Konzeption als sehr einseitig dargestellt zu haben. J. DANIELOU, Saint Irénée et les origines de la théologie de lhistoire, Rech. s. sc. rel. 34 (1947), S. 227 ff. hebt diesen Aspekt am deutlichsten hervor. Vgl. BENOIT S. 229.
71. Die von Loofs verfochtene These (der sich KAMLAH, Christentum S. 112 ff. anschließt) der weitgehenden Abhängigkeit des Irenäus vom verschollenen Werk des Theophilus gegen die Marcioniten ist kaum in vollem Umfang akzeptiert worden. Zur Diskussion in der neueren Literatur BENGSCH S. 189 ff.; zu den Quellen des Sukzessionsgedankens BLUM S. 225 f. Dennoch konnte Loofs gerade anhand des Entwicklungsbegriffes zumindest den Einfluß des Theophilus nachweisen. Ad Autol. II, 24 f., ed. J.C.T. OTTO, Corp. Apol. VIII, Jena 1861, S. 124 ff. heißt es vom Sündenfall, auch Adam sei im Paradies nicht vollkommen, wohl aber vervollkommnungsfähig gewesen; er habe einem Kind geglichen (vgl. oben Anm. 60), dessen Entwicklung zunächst vor Außeneinflüssen geschützt werden muß, daher habe ihn Gott von der Erde, aus der er erschaffen wurde, ins Paradies versetzt; aber auch nach dem Sündenfall wäre sein Weg zur Vergottung nicht gesperrt, sondern nur verzögert und gleichsam, so könnte man hinzufügen, auf die Erde zurückversetzt. Vgl. LOOFS, Theophilus S. 61 Anm. 3, S. 410 u. ö.; s. auch SLOMKOWSKI S. 27 ff. [139]Auch seinen chronologischen Studien leistete der Entwicklungsgedanke einen Beitrag; die allmähliche Entwicklung schließe die Annahme einer seit unzähligen Jahren stets unveränderten Menschheit aus. Dieses aber sei die Voraussetzung, wenn man den Anfang des Menschengeschlechts so weit zurückverlegt, wie es jene Historiographen tun, deren tatsächliches Wissen erst mit Cyrus und Darius beginnt. Die Bibel allein enthalte keine Mythen, sondern gesicherte Kunde vom Gang der Geschichte. Ad Autol. II, 31; 32; III, 16; 26. ed. OTTO S. 145 ff., 153 f., 227 f., 261 f.
72. Gewöhnung: IV, 62 (IV, 38, 1); IV, 10, 1 (IV, 5, 4) ed. HARVEY II S. 157 (ed. STIEREN S. 572); Erziehung und Belehrung: IV, 25, 2 (IV, 14, 2) ed. HARVEY II S. 185 (ed. STIEREN S. 599); BENGSCH S. 120 ff. (Erziehung und »schenken« als Grundlage der Entwicklung).
73. Grundlegend: H. KOCH, Pronoia und Paideusis. Studien über Origenes und sein Verhältnis zum Platonismus, Berlin 1932 S. 30 und unten S. 30 f.
74. Adv. Haer. IV, 59. 60, 1 ff. (IV, 37, 1 ff.) ed. HARVEY II S. 285 ff. (ed. STIEREN S. 692 ff.); auch dieses Kapitel über den freien Willen endet 37, 7 mit dem Maturitätsgedanken.
75. A. V. HARNACK, Marcion, Das Evangelium vom fremden Gott, Leipzig 21924 (Neudruck Berlin 1960), S. 30 ff., 106 ff.; WERNER S. 201 ff., 207.
76. B. SEEBERG, Die Geschichtstheologie Justins des Märtyrers, ZKG 58 (1939) S. 66 f.
77. WERNER S. 209 ff.; 214 ff. (»Teilrevision«).
78. Nach Adv. Haer. IV, 34, 5 (IV, 20, 5) ed. HARVEY II S. 216; LOOFS, Theophilus S. 62: »IQT (= der auf Theophilus zurückgehende Teil) kennt drei Stufen der göttlichen Offenbarung: das videri prophetice Gottes im AT, das videri per filium adoptive und das videri paternaliter in regno.« Übereinstimmend mit Loofs: KAMLAH, Christentum und Geschichtlichkeit a.a.O. Ebd. die Einordnung des Fortschrittsgedankens des Theophilus in der Auseinandersetzung mit Marcion. Zur Trias vgl. auch Adv. Haer. III, 11, 11(8) (unmittelbar vor der im folgenden von uns zitierten Stelle): Et ipsum autem Verbum Dei iis quidem, qui ante Moysem fuerunt patriarchis, secundum divinitatem et gloriam colloquebatur; his vero, qui in lege, sacerdotalem et ministerialem actum praebebat; post deinde nobis homo factus munus coelestis Spiritus in omnem misit terram, protegens nos alis suis.
79. Adv. Haer. III, 11, 11(8) ed. HARVEY II S. 50 (ed. STIEREN S. 471). Die »Viergestalt« des Evangeliums richtet sich zunächst gegen Gnosis [140]und Marcion wie auch gegen die Ebioniten, die je nur das Johannesevangelium, das Matthäusevangelium oder das Lukasevangelium anerkannten (III, 11, 9). Für die Triasstruktur ist es von Bedeutung, daß der griechische Text anstatt eines Bundes mit Adam einen Bund mit Abraham einfügt; vgl. auch IV, 39 (IV, 25, 1) ed. HARVEY II S. 233 (ed. STIEREN S. 641): circumcisio et lex operationum media obtinuerunt tempora. Wir erinnern uns, daß die talmudische Form die gleiche war und die Apokalyptik ähnliches andeutete. Im folgenden nimmt Irenäus (III, 11, 12) zum Montanismus Stellung und entwickelt seine Traditionslehre. In diesem Zusammenhang wird die Stelle von G. BLUM, Tradition und Sukzession, Studien zum Normbegriff des Apostolischen von Paulus bis Irenäus, Arbeiten z. Gesch. u. Theol. des Luthertums, hg. v. W. MAUERER u. a., 9, Berlin—Hamburg 1963, S. 100 (Auseinandersetzung mit dem Evangelium veritatis der Valentinianer) gesehen.
80. Adv. Haer. IV, 5 (IV, 4, 1) ed. HARVEY II S. 151 (ed. STIEREN S. 561). Malignantes: IV, 4, 3 ed. Harvey II S. 150 (unmittelbar vorangehend).
81. Dasselbe Bild bei HEGEL, Phänomenologie des Geistes, Vorrede (ed. Hoffmeister, Philos. Bibliothek, Hamburg 1932, S. 10) soll schon hier erwähnt werden, um deutlich zu machen, daß nicht Bilder und Topoi eine Geschichtsphilosophie ausmachen, sondern ihr Zusammenhang.
82. Adv. Haer. IV, 24, 2 (IV, 13, 2) ed. HARVEY II S. 182 (ed. STIEREN S. 596). Gegen Marcion und Gnosis führt er z. B. auch im Anschluß an Matth. 12, 6 aus: »Von mehr oder weniger« könne nur dann die Rede sein, wenn beide Ordnungen wesensgleich seien.
83. Adv. Haer. IV, 24, 1. Zur Unterscheidung zwischen praecepta (oder mandata) und leges und zur Gleichsetzung von Naturgesetz und Dekalog in der älteren Patristik und ihren Quellen: H.J. SCHOEPS, Aus frühchristlicher Zeit, Religionsgeschichtliche Untersuchungen, Tübingen 1950, S. 161 ff., 277 (ebd. Anm. 3: Irenäus). Zur impletio in der Kirche: Adv. Haer. IV, 56, 1 (IV, 34, 2) ed. HARVEY II S. 270 (ed. STIEREN S. 677): Omnia enim ipse adimplevit veniens, et adhuc implet in ecclesia
84. Vgl. auch II, 36, 2 (II, 24, 4) ed. HARVEY I S. 339 f. (ed. STIEREN S. 370 f.). Dazu BENGSCH S. XVIII, S. 185 (aus der Stelle geht aber nicht hervor, daß die Weltzeitalter gemeint sind): Adhuc enim totus homo in hunc numerum (quinque) potest dividi, caput, pectus, venter, femora, pedes. Quinque aetates transit humanum genus: primum infans, deinde puer, deinde parvulus, et post haec iuvenis, [141]sic deinde senior Et alia quoque multa milia huiusmodi, et in hoc numero, et in quo quis voluerit, sive ex Scripturis, sive ex subiacentibus naturae operibus colligere potest; et non iam ob hoc quinque Aeonas esse dicimus super Demiurgum etc. Auch hinsichtlich der Weinbergparabel (unten Anm. 125) richtet er sich gegen die Auslegung der Perioden als Aeonen. Es ist BENGSCHS These, Irenäus habe eine »Umkehrung« (eversio) gnostischer Lehren versucht, indem er behauptete, daß ihre Kategorien richtig seien, deren Zusammenhang falsch sei.
85. De pallio 2, 1 (CCSL II, 735): Sed et si quem Plato aestimat, cuius imago hic sit, etiam ille habeat necesse est proinde mutare. Quippe si mundus, ex diversis substantiis officiisque constabit, ad formam eius quod mundus hic est; neque enim mundus, si non ut mundus proinde. Diversa in unum ex demutatione diversa sunt. Denique diversitatis discordiam vices foederant. Ita mutando erit mundus omnis qui et diversitatibus corporatus et vicibus temperatus.
86. In De an. XXIV, 1 ff. CCSL II, 816 ff. widerlegt er auch die platonische Anamnesis, die epistemologischen Implikationen der Ideenlehre überhaupt. Diese Argumente übernahm Arnobius und fügte ihnen das Beispiel des in der Einsamkeit aufwachsenden Säuglings hinzu (Adversus nationes II, 20 f. ed. C. MARCHESI, Corp. Script. Lat. Paravianum, Turin 21953 S. 89 ff. UEBERWEG-GEYER S. 55). Allgemein zur späteren christlichen Auseinandersetzung mit dem Neuplatonismus siehe jetzt P. COURCELLE, Anti-Christian Arguments and Christian Platonism from Arnobius to St. Ambrose, in: The Conflict between Paganism and Christianity in the Fourth Century, ed. A. Monigliano, Oxford-Warburg Studies, Oxford 1963, S. 151 ff.
87. Siehe Anm. 85.
88. Apolog 48, 10—11 CCSL I, 167: Ergo, inquitis, semper moriendum erit et semper resurgendum? (nach dem vorangegangenen Beispiel aus der Natur; dazu die folgende Anm.) si ita rerum dominus destinasset, ingratis experireris conditionis tuae legem (der ewigen Wiederkehr!). Aber: Quae ratio universitatem ex diversitate composuit, ut omnia aemulis substantiis sub unitate constarent, ex vacuo et solido, ex animali et inanimali, ex comprehensibili et incomprehensibili, ex luce et tenebris, ex ipsa vita et morte, eadem aevum quoque ita destinata (et) distincta conditione conseruit, ut prima haec pars, ab exordio rerum quam incolimus, temporali aetate ad finem defluat, sequens vero, quam expectamus, in infinitam aeternitatem propagetur.
89. Vgl. oben S. 134 Anm. 46 und THEOPHILUS, Ad Autol. I, 13.
[142]90. Weil der stete Wandel, der Natur wie der Bräuche, natürlich ist, bedeutet — so argumentiert Tertullian in De pallio — secundum naturam vivere (in Tertullians Worten: man dürfe die Natur nicht vergewaltigen); die Bereitschaft, sich vom falsch verstandenen Konservativismus loszulösen.
91. De anima 30, 3 CCSL II, 827. Auch hier begegnet Tertullian der platonischen Seelenwanderungslehre mit dem Entwicklungsgedanken. Dazu und zum folgenden C.H. COCHRANE, Christianity and Classical Culture, New York 1957, S. 245 ff.
92. De pall. 2, 7 CCSL II, 737: Sed vanum iam antiquitas, quando curricula nostra coram. Quantum reformavit orbis saeculum istud! Quantum urbium aut produxit aut auxit aut reddidit praesentis imperii triplex virtus! Revera orbis cultissimum huius imperii rus est, laudans igitur orbem multantem, quid denotas nominem?
93. De pallio 2, 2 f. CCSL II, 735 f. Dazu auch L. THORNDIKE, History of Magic and Experimental Science during the First Thirteen Centuries of our Era, New York 1958 ff. I S. 493: »He seems to have in mind a gradual process of geological evolutions rather than Noahs Flood«, was allerdings nicht ganz zutrifft.
94. De anima, a.a.O.
95. COCHRANE a.a.O. Vgl. oben S. 17 (Lukrez).
96. Und im Zeitalter des Gesetzes also nur die jüdische Geschichte. Vgl. Apol. 18, 6; 21, 25 CCSL I, 119, 127. So auch Irenäus, Adv. Haer. V, 29, 1 ed. HARVEY II S. 404 (ed. STIEREN S. 797): Gentes autem quae et ipsae non allevaverunt oculos suos ad caelum iuste sermo ›ut stillicidum de cado‹ (Js. 11, 15, 17). Dazu auch De Praescr. 8, 2 ff. CCSL I, 193 f.: Die Aufforderung »suchet und ihr werdet finden« galt nur für die Juden, noch nicht für die Heiden, und sie gilt nicht mehr für Christen. Über die Haltung Ts. zur heidnischen Philosophie: COCHRANE a.a.O.; UEBERWEG-GEYER S. 50 f.
97. Zum Begriff LADNER S. 134 ff.; vgl. auch Adv. Jud. 2, 9 CCSL. II, 1345.
98. De virg. vel. I, 1 CCSL II, 1209.
99. Zur weiteren Überlieferung des Satzes LADNER S. 138, Anm. 29 ff.
100. De virg. vel. I, 3 (ebda.); zur regula fidei und Traditionslehre F. LOOFS, Leitfaden zum Studium der Dogmengeschichte I, hg. K. ALAND, Halle 51950 S. 118.
101. De virg. vel. I, 4; III, 2 CCSL II, 1209, 1211. Auf die Kirchen- und Dogmengeschichte bezogen, bedeutet es: die Lehre entwickelt sich [143]in der Abwehr des Irrtums. (De praescr. 13; De pud. 1). Auch hier kann er sich auf 1. Kor. 11, 19 berufen: oportet et haereses esse. Hierzu H. GRUNDMANN, Oportet et haereses esse, Das Problem der Ketzerei im Spiegel der mittelalterlichen Bibelexegese, AKuG 45 (1963) S. 129 ff., S. 132 ff. (Tertullian).
102. De virg. vel. I, 4 (ebd.): Hac lege fidei manente cetera iam disciplinae et conversationis admittunt novitatem correctionis, operante scilicet et proficiente usque in finem gratia Dei. (Vgl. Irenäus oben S. 22).
103. De virg. vel. I, 7: Non ab se loquitur, sed quae mandantur a Christo.
104. De virg. vel. I, 4 CCSL II, 1209.
105. De mon. III, 8 CCSL II, 1232: »Igitur si omnia ista obliterant licentiam nubendi, et condicione licentiae inspecta et praelatione continentiae imposita, cur non potuerit post apostolos idem spiritus superveniens ad deducendam disciplinam in omnem veritatem per gradus temporum (secundum quod Ecclesiastes: ›Tempus est omni rei‹ inquit) supermam iam carni fibulam imponere, iam non oblique a nuptis avocans, sed exerte, cum magis nunc tempus in collecto factum sit, annis circiter CLX exinde productis? Der Paraklet als Veränderer und zugleich advocatus der menschlichen Schwächen: De mon. XIV CCSL II, 1249 f.
106. De praescr. haer. 24, 2 CCSL I, 206; pro temporum conditione in hominis salutem: Adv. Jud. 2, 10 CCSL II, 1343.
107. Adv. Jud. 2, 6 CCSL II, 1341 f.
108. Adv. Jud. 2, 3 (ebd.).
109. Adv. Jud. 2, 9 CCSL II, 1343: Unde intellegimus dei legem etiam ante Moysen nec in Choreb tantum aut in Sina, nec in eremo primum, sed (antiquiorem) primum in paradiso, post deinde patriarchis, atque ita et Judaeis certis temporibus datam, quando voluit, et certis temporibus reformatam, ut non iam ad Moysei legem ita adtendamus, quasi ad principalem legem, sed ad subsequentem, quam certo tempore deus et gentibus exhibuit repromissam per prophetas et in melius reformavit, ut praemonuit futurum; ut, sicuti certo tempore data est lex per Moysen, ita temporaliter observata et custodita credatur.
110. Adv. Marc. IV, 11, 4 CCSL I, 566; De carn. Christi 2 CCSL II, 874 f. vgl. Adv. Marc. III, 2, 3 CCSL I, 510: Nil putem a Deo subitum, quia nihil a Deo nos dispositum. HIPLER S. 17 Anm. 42.
111. Scorp. VIII, 1 CCSL II, 1082; De ress. 58, 6 CCSL II, 1006; De Patientia 6, 1—3 CCSL I, 306. Auch hier bereits Anspielung auf die [144]Adaequationslehre: Abraham ahmt in seiner Gerechtigkeit Gott nach, mit Christus kommt das Prinzip der Geduld zur »Gnade des Glaubens« hinzu.
112. CCSL I, 507; dazu EIBL S. 160; LUBAC, Katholizismus S. 228 Anm. 37 (Vergleich mit Irenäus).
113. Adv. Marc. II, 27, 1 CCSL I, 505; vgl. noch De paen. III, 9 CCSL I, 325: mediocritas humana; ebd. VI, 1 (ebd. 329 mediocritas nostra).
114. Adv. Marc. II, 27 CCSL I, 505 ff.; I, 610 ff.; Adv. Prax. 16 CCSL II, 1180; De test. an. 2 CCSL I, 176 ff. (Zorn als Mittel, im Menschen Furcht zu erwecken; Furcht ist ja die erste Religiositätsstufe auch in unserem Text); De an. 16 CCSL II, 802 f.
115. Vgl. oben Anm. 111 (Patientia als Vorbild Abrahams).
116. Vgl. oben Anm. 112.
117. St. OTTO, »Natura« und »dispositio«, Untersuchungen zum Naturbegriff u. zur Denkform Tertullians (Münchn. theol. Studien, hg. J. PASCHER u. a., syst. Abt. Bd. 19, München 1960 S. 56 ff., 210 ff.).
118. Apol. 15; 49 (CCSL I, 113 f.; 168 f.; Umgebung).
119. Die Stelle ist eine der am häufigsten zitierten Stellen in der Literatur zur Geschichtstheologie. HIPLER S. 17; KLEINESORGE S. 3; GRUNDMANN, Studien S. 82; G. BOAS, Essays on Primitivism and related ideas in the Middle Ages, Baltimore 1948, S. 17 ff.; COCHRANE S. 247; VAN DER POT S. 44; ÜBERWEG-GEYER S. 53; OTTO S. 194 ff.; LUBAC, Kath. S. 219; HÄUSSLER S. 338.
120. Siehe auch Adv. Marc. V, 4, 15 CCSL I, 675.
121. Is quoque (sc. fructus), rudis aliquamdiu et informis, paulatim aetatem suam dirigens eruditur in mansuetudinem saporis (I, 6). Man beachte die Wortwahl, die das Folgende vorbereitet.
122. Jerem. 33, 15; Is. 5, 1 ff., Ps. 1, 3; Ps. 80; Jer. 2, 21; Is. 4, 2; Wir erinnern auch an die Ausführung im Clemens-Brief.
123. Überleitend Adv. Haer. IV, 57, 4 (IV, 35, 4) ed. HARVEY II S. 276 (ed. STIEREN S. 682): fructum iustitiae; im Periodisierungsschema IV, 58, 2 (IV, 36, 2) ed HARVEY II S. 278 (ed. STIEREN S. 684): fructum petebant iustitiae; IV, 58, 4 ed. HARVEY II S. 279: (homines) qui fructificare Deo non poterant; IV, 58, 7 (IV, 36, 6) ed. HARVEY II S. 281: iustitiae operibus adornari; IV, 58, 9 ed. HARVEY II S. 283: etenim vinea una, quoniam et una iustitia ; IV, 58, 10 (IV, 36, 8) zitiert er Luc. 13, 6 ff. und legt fructum in hac arbore fici als fructum iustitiae aus. Tatsächlich beruht das Weinberggleichnis des Evangeliums auf Is. 5, 1 ff.; die Beziehung des Gleichnisses auf den »Baum der Gerechtigkeit« oder »die Frucht der Gerechtigkeit« lag daher nahe (vgl. Adv. Haer. IV, 58, 2 und [145]Is. 5, 7: fructum petebant iustitiae), obwohl sie der Evangelist nicht mit übernahm.
124. Iren. Adv. Haer. IV, 58, 1 (IV, 36, 1) ff.; IV, 58, 2 ed. HARVEY II S. 278; IV, 58, 9 (IV, 36, 7) ed. HARVEY II S. 283 (ed. STIEREN S. 690); medias temporum = tempus legis, progressis iam temporibus = Zeitalter der Gnade. Allgemein zum Weinberggleichnis: DANIÉLOU, Vom Gleichnis der Geschichte, S. 195 ff.; Periodisierungsschemata: SCHMIDT, Aetates mundi S. 308 ff. Wenn Irenäus an eine fünfgliedrige Einteilung der Heilsgeschichte denkt (Adam—Moses—David—transmigratio—Christus), so steht dies nicht im Widerspruch zu seiner in anderen Zusammenhängen vorgetragenen Analogie des Weltverlaufs zur Schöpfungswoche (Adv. Haer. V, 28, 3 ed. HARVEY II S. 403, ed. STIEREN, S. 795 f.), denn hier handelt es sich um den Verlauf der Heilsgeschichte zur maturitas, dort um den Weltverlauf bis zur Apokatastasis, um eine Endzeitberechnung chiliastischen Ursprungs, der kein chronologisches Schema beigefügt ist.
125. Als zwei Auslegungsmöglichkeiten der Weinbergparabel (Matth. 20, 1 ff.) führt ORIGINES, Matthäuskomm. Tom. XV, 31 und XV, 36 (ed. KLOSTERMANN GCS 40 = Origenes X, insb. S. 446 ff., 456 ff.) Geschichtsperioden und bald darauf die Lebensalter in ihrer Auswirkung auf die Bekehrung an. Es sind jedoch zwei von einander unterschiedene Auslegungsmöglichkeiten, wenn auch an einer Stelle zusammengetragen. Für beide bedient er sich einer anderen Gliederung als Irenäus: Adam—Noah—Abraham—Moses—Christus—Weltende (a.a.O. XV, 31), pueritia — adolescentia — viri perfecti — senes — senes ad plenum (a.a.O. XV, 36). Über Hieronymus kam diese Exegese auf Gregor den Großen, unten S. 171 Anm. 21 und SCHMIDT, Aetates mundi S. 302 ff.; H. SCHOLZ, Glaube und Unglaube in der Weltgeschichte. Ein Kommentar zu Augustins De civitate Dei, Leipzig 1911, S. 154 ff.; wie Irenäus erwähnt auch Origenes die Analogie der Schöpfungstage ohne chronologische Ausführung (a.a.O. XV, 31 = GCS 40, 443 f.). Augustin versuchte als erster, dem Vergleich zwischen Schöpfungstagen und Geschichtsperioden auch einen chronologisch begründeten Vergleich mit den Menschenaltern hinzuzufügen. Er hatte dabei auch die verschiedenen Vergleiche der römischen Geschichte mit den Lebensaltern im Auge (siehe unten S. 28 f.). Wahrscheinlich kannte sie auch Tertullian; von Varro, den er bekämpft, und Seneca (über Lactanz), den er verehrt (Seneca saepe noster: De an. 20), sind uns ähnliche Schemata überliefert.
[146]126. De div. inst. VII, 5, 17 ed. S. Brandt CSEL 19, 1 (1890) S. 599. Dazu BOAS, Primitivism S. 40.
127. De div. inst. II, 7 CSEL 19, 1, 124 f. BOAS a.a.O. S. 176; zu Seneca oben S. 16.
128. De div. inst. II, 6, 7 ff. CSEL 19, 122 ff. In ähnliche Zusammenhänge stellte auch das MA den Satz Priscians: quanto iuniores, tanto perspicatiores zur Verteidigung der »Neuheiten«; siehe unten S. 95.
129. De div. inst. V, 4 CSEL 19, 411 f.—: tamen, quoniam aliut est accusantibus respondere, quod in defensione aut negatione sola positum est, aliut instituere, quod nos facimus, in quo necesse est doctrinae totius substantiam contineri nam cum ageret contra hominem veritatis ignarum, dilatis paulisper divinis lectionibus formare hunc a principio tamquam rudem debuit eique paulatim lucis principia monstrare, ne toto lumine obiecto caligaret. nam sicut infans solidi ac fortis cibi capere vim non potest ob stomachi teneritudinem, sed liquore lactis ac mollitudine alitur, donec firmatis viribus vesci fortioribus possit, ita et huic oportebat, quia nondum poterat capere divina, prius humana testimonia offerri id est philosophorum et historicorum, ut suis potissimum refutaretur auctoribus.
130. De div. inst. VII, 14 CSEL 19, 627 ff., insbes. S. 629 f. Tertullian: oben S. 23.
131. De div. inst. VII, 15 CSEL 19, 631 ff. (Aetateslehre S. 633 ff.). Vgl. ADAMEK, S. 41, vor allem aber W. HARTKE, Römische Kinderkaiser. Eine Strukturanalyse römischen Denkens und Daseins, Berlin 1951, S. 393 ff. (ebd. Lit.). Vielleicht bezieht sich das auch bei Seneca, Lactanz und Florus von HARTKE (S. 399 Anm. 1) beobachtete quasi eben auf die Tatsache, daß schließlich der Staat in einem — in seiner Regenerationstätigkeit — dem Einzelnen unähnlich ist. Zur Vorgeschichte und zur christlichen Umdeutung HÄUSSLER (Lactanz, Seneca S. 314 ff.).
132. MGH AA V, 1 (ed. MOMMSEN) S. 3; OROSIUS, Histor. adv. pagan. II, 4; Jordanes geht auf spätantike Autoren, Orosius nur auf Livius (unten Anm. 133) zurück. Zur mittelalterlichen Geschichts-schreibung unten S. 102.
133. Ab urbe con. II, 1. Da er jenen Zustand der secessio plebis als überwundene Gefahr beschreibt, der ja tatsächlich in der folgenden Periode erst eintraf, kann seine Darstellung als ein eminent historischer Gedanke interpretiert werden: käme die secessio plebis in einer früheren Entwicklungsstufe — und dieses wäre eingetroffen, [147]wenn Rom zu früh die Freiheit erhalten hätte — so wäre ihr Ausgang tödlich. Bei CICERO (De re publ. II, 3, ed. Ziegler); Entwicklung der res publia et nascentem et crescentem et adultam et iam firmam gezeigt als die Entwicklung der iustitia durch ratio; K. FROMM, Ciceros geschichtlicher Sinn, Diss. Freiburg 1954, S. 7 ff.
134. HARTKE S. 396.
135. HARTKE S. 393. In der Carusvita der Historia Augusta sieht H. (S. 397) eine direkte Antwort an Lactanz; vgl. HÄUSSLER S. 316 ff.
136. Origenes Contra Celsum VI, 23 ed. KOETSCHAU GCS, Orig. I, S. 281; ANDRESEN S. 226 ff.
137. Con. Cels. IV, 7; über PORPHYRIUS, »Gegen die Christen« Fragm. 81 (= AUGUSTIN, Ep. 102), 82 (= HIERONYMUS, Ep. 133) in der Ausgabe von A. V. HARNACK, Abhandlg. der Königl.-Preuß. Ak. d. Wiss. phil.-hist. Kl., Berlin 1916 S. 94 f. sowie über Eusebius, Symmachus (Ambrosius), Augustin im Zusammenhang dieser Polemik unten; ARNOBIUS Adv. nat. II, 63 ed. MARCHESI S. 139 f.: Sed si, inquunt, Christus in hoc missus a Deo est quid saecula commeruerunt priora, quae ante ipsius adventum mortalitatis condicione consumpta sunt? und weitere Belege in der Lit.: A. V. HARNACK, Mission und Ausbreitung des Christentums, Leipzig 41924 I S. 288 ff., 281 ff.; J. GEFFCKEN, Der Ausklang des griechisch-römischen Heidentums, Heidelberg 1929, Neudruck Darmstadt 1963, S. 63 ff. (Porphyr), 147 ff. (Symmachus), 151 f. (Ambrosius); BARON II S. 391, Anm. 57—40; LUBAC, Katholizismus S. 216 f.; COURCELLE (oben Anm. 86) S. 155 (Arnobius).
138. Con. Cels. VIII, 55 ed. KOETSCHAU II S. 271 f.; H. BERKOFF, Kirche und Kaiser. Eine Untersuchung der Entstehung der byzantinischen und theokratischen Staatsauffassung im vierten Jh., übers. G.W. LOCHER, Zollikon-Zürich 1947, S. 32.
139. Apolog. 19, 7 CCSL I, 121: Peregrinandum est in historias et litteras orbis. Zur Stellung des Irenäus zur Profangeschichte außer dem oben gesagten A.T. EHRHARDT, Polit. Metaphysik von Solon bis Augustin, Tübingen 1959, II S. 114 f.; Hyppolit, ebd., S. 125 ff.
140. In jenem Sinne, in dem es die Apokalyptik war: nicht revolutionäre Tat, sondern Erwartung, oben S. 11 ff.
[148]141. H. KOCH, Pronoia und Paideusis S. 71: In den mannigfachen Erscheinungsformen des Logos drückt sich die »Akkommodation« aus; aber sie läßt sich, weil sie individuell ist, nicht auf eine Formel bringen. Ähnlich wie der Gedankengang z. B. bei CLEMENS, Strom. VII, 2, 10, 2, ed. O. STÄHLIN GCS 17 = Clemens III, Leipzig 1909, S. 9, der in der individuellen »Emporführung« des Einzelnen »je nach Möglichkeit zu einer immer besseren Stufe« die »Gerechtigkeit des Erlösers« sieht. Hierzu J. MOINGT, Le Gnose de Clément dAlexandrienne, Rech. de sc. relig. 37 (1950) S. 198 ff., insb. S. 211. Zu den exeget. Implikationen des Akkommodationsgedankens: KOCH S. 60.
142. KOCH S. 18, 19 ff., 25 ff., 30 f.; vgl. EIBL S. 194 ff.
143. KOCH, S. 89 ff., insbes. 92 ff. ORIGENES, Comm. in Ep. ad Rom. VIII, 12: Gott wird in saecula saeculorum gelobt propter hoc, quod perfectio omnium non intra unum saeculum concluditur, sed in multa protenditur, et vix aliquando adimplenda speratur. Neben dieser Interpretation entwickelte AUGUSTIN, DCD XII, 20 (ed. B. DOMBART—A. KALB CCSL 48 = Aug. 14, 2 S. 376) eine alternative Lösung: quoniam sive saecula saeculorum sint non eadem repetita, sed alterum ex altero contextione ordinatissima procurrentia, liberatorum beatitudine sine ullo recursu miseriarum certissima permanente — offenbar also die richtig interpretierte, ihm bekannte (folg. Anm.) origenistische Aeonenlehre — sive saecula saeculorum aeterna sint temporalium tamquam dominantia subditorum, circuitus illi eadem revolventes locum non habent Augustin neigt zur Übertragung der Aeonen auf die Perioden der Weltzeit. Die Perioden Augustins, die Aeonen bei Origenes haben aber ein und dieselbe Struktur, eine Folge von Neuansätzen und wiederholter Überhandnahme des Bösen, wobei die Zahl der Gerechten dennoch stetig wächst. Auch in der Widerlegung der Kreislauflehre stimmt Augustin (DCD XII, 21 CCSL 48, 376 ff.) mit Origenes (Con. Cels. IV, 68 f., ed. KOETSCHAU I S. 338; De principiis II, 3, 4 ed. KLOSTERMANN GCS Orig. V, 119) überein. Der Antrieb der Periodenlehre Augustin in De Gen. c. Man. (unten S. 39) ist also nicht nur »apokalyptisch«.
143a. De princ. III, 6, 6 ed. KLOSTERMANN S. 287: paulatim per partes infinitis et immensis labentibus saeculis. Dazu auch G. BÜRKE SJ, Des Origenes Lehre vom Urstand des Menschen, ZKTh 72 (1950) S. 1 ff., insbes. S. 20 ff. (Zitat S. 21).
144. KOCH, a.a.O.; gegen diese Lehre wendet sich Augustin DCD XI, 23 CCSL 48, 341 f.
[149]145. Oben Anm. 34: LADNER S. 73.
146. JAEGER S. 60 ff. (Erziehungsbegriff); KLEINESORGE S. 4 ff.; EIBL S. 172 ff. (Lebensalter). Orig. Con. Cels. VI, 78 ed. KOETSCHAU II S. 149 f.: auch unter den Heiden war der logos spermatikos wirksam. Daß die Lehre von den logoi spermatikoi und ihre Zuspitzung in der Anschauung vom bonum naturale in Anlehnung an Paulus zur Abwertung des geschriebenen Gesetzes führte, beweist z. B. Ambrosius (unten S. 34 u. Anm. 167). Zum Ganzen HARNACK, Mission I S. 39 f., 62, 390 f.; über die Nachwirkungen des Pelagius im Mittel-alter neuerdings W.H. FRITZE, Slaven und Avaren im angelsäch-sischen Missionsprogramm, Zschr. f. slavische Philol. 31, 2 (1964) S. 316 ff., insbes. 328 ff.
147. Con. Cels. II, 30 ed. KOETSCHAU I S. 157 f. Der Gedanke des wech-selseitigen Auftriebs des Christentums und der Pax Romana ist seit Melito von Sardes bekannt. MELITO bei EUSEBIUS, Historia Ecclesiastica (im folgenden HE) IV, 26, 7—11 ed. SCHWARTZ, Kirchengeschichte kl. Ausgabe, Berlin, 51952 S. 163: »unsere Philosophie wuchs zunächst unter den Barbaren, ihre volle Blüte kam aber unter dem großen Herrscher Augustus und wurde für Euer Reich ein gutes Zeichen (¢ sion ¢gaqÒn), denn von da an wurde die Macht Roms groß und herrlich.« E. PETERSON, Der Monotheismus als politisches Problem, Ein Beitrag z. Gesch. d. polit. Theologie im Imperium Romanum. Theologische Traktate, München 1951 S. 45 ff., S. 81 ff. (Origenes), S. 86 (Melito). Hier (S. 85) auch die Gegenüberstellung zu Hippolyts Lehre von der satanischen »Nachahmung« des Christentums durch das Imperium. E. SALIN, Civitas Dei, Tübingen 1926, S. 127 (Origenes); KAMLAH, Christentum S. 175.
148. ORIG., Con. Cels. V, 33; VIII, 14 ed. KOETSCHAU II S. 54 f., S. 231; PETERSON, Monotheismus S. 79 f.; EHRHARDT S. 208.
149. LADNER S. 114 und Anm. 26.
150. Con. Cels. VIII, 69 ed. KOETSCHAU II S. 285 f.
151. HE I, 2, 17 ed. SCHWARTZ S. 7: oÙk Ãn pw cwren oÒj te t¾n toà cristoà p£nsofon ka pan£reton didaskal an Ð p£lai tîn ¢nqrèpwn b oj; vgl. auch I, 2, 21 (S. 8). Die Vorbereitung des Evangeliums ist ein pädagogischer Vorgang. Wir halten uns im folgenden vorwiegend an das »christologische« Kapitel (I, 2) der Kirchengeschichte.
152. HE I, 2; I, 4, 1 ff. ed. SCHWARTZ S. 14; siehe oben Anm. 151. E. SCHWARTZ, Eusebius, in: PAULY-WISSOWA RE VI, Sp. 1400 (Als Antrieb der Chronologia Sp. 1376 ff.).
153. HE I, 1, 7 ff. ed. SCHWARTZ S. 3; F. Ch. BAUR, Die Epochen der kirchlichen Geschichtsschreibung, Tübingen 1852, Neudruck Darmstadt [150]1962, S. 13 ff.; H. ZIMMERMANN, Ecclesia als Objekt der Historiographie, SB Österreich. Ak. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 235, 4, Wien 1960, S. 22 ff.
154. HE I, 4, 6 ed. SCHWARTZ S. 14.
155. In Psal. VIII, 7—9 MPG 23, 129; weitere Belege: F.E. CRANZ, Kingdom and Polity in Eusebius of Caesarea, Harv. Theol. Review 45 (1952) S. 51 und Anm. 23; zur Tradition LADNER S. 109 ff.; zur Ausbildung der Rex-Imago-Dei-Lehre im MA seit d. Ambrosiaster, W. BERGES, Die Fürstenspiegel des hohen und späten Mittelalters, Schriften d. MGH Stuttgart 1938, Nachdruck 1952, S. 26 ff.
156. De Theoph. I, 67 ed. GRESSMANN GCS 11, 2, 1904, S. 75.
157. HE I, 2, 19 ed. SCHWARTZ S. 8: ¢lla ka o te pÒlin oÜte polite an, oÙ tcnaj, oÙk pist»maj p noàn b£llonto, nÒmwn te ka dikaiwm£twn ka prosti ¢retÁj ka filosof aj oÙd ÑnÒmatoj metecon, nom£dej d p' rhm aj o£ tinej ¥grioi ka ¢phnej diÁgon weitere Belege: CRANZ S. 51, Anm. 27; vgl. PETERSON S. 89 (Die Übereinstimmung von Polytheismus und »Polis-Aberglaube«).
158. HE I, 2, 20 ed. SCHWARTZ S. 8.
159. HE I, 2, 22 ff. Zu Recht spricht CRANZ von einem »slow mouvement back to polity and civilization throughout the world«. Die Trias ist hier nicht als chronologisches Prinzip zu verstehen. Der Periodenbegriff, so deutlich er hier auch ist, wird nicht eingeführt; wann das Zeitalter wirklich begann, will und kann Eusebius nicht angeben, anders ausgedrückt: er vermeidet plötzliche Übergänge.
160. HE I, 4, 2; X, 4, 19; ZIMMERMANN S. 21 ff., 23 Anm. 39. Daß die Christen nicht in einem »Winkel der Erde« leben, ist versteckte Polemik gegen Celsus.
161. Dazu und zum folgenden PETERSON S. 86 ff.; H. BERKOFF, Die Theologie des Eusebius von Caesarea, Amsterdam 1939, insbes. S. 53 ff.; DERS., Kirche und Kaiser S. 14 ff., 31 ff. (S. 32: Tertullian), S. 85 ff. u. ö.; T.E. MOMMSEN, St. Augustin and the Christian Idea of Progress, Journ. of the History of Ideas 12 (1951), S. 346 ff., insbes. S. 359 ff., 368.
162. Vgl. Anm. 160.
163. CRANZ S. 51.
164. HE III, 39, 12 ed. SCHWARTZ S. 121 (Millenium nur mystice zu verstehen, gegen den »unverständigen« Papias). Verwandlung der Eschatologie in eine »politische Utopie«: KAMLAH, Christentum S. 176 (nach PETERSON). Unverständlich, warum EHRHARDT II S. 292 im Fehlen chiliastischer Erwartungen »das größte Rätsel« sieht.
165. PETERSON S. 95 f.; MOMMSEN, Augustin S. 366 ff.; AMBROS. Enn. in [151]Ps. XLV, MPL 14, 1196, 1198 f. (zu Ps. 45, 7; 10); die ähnliche Auslegung bei Euseb. (MPG 23, 412) und Origenes: PETERSON a.a.O.
166. AMBROS. Enn. in Ps. XLV zu v. 5 MPL 14, 1194 ist zwar noch nicht von der weltgeschichtlichen Entfaltung, jedoch von der Verwirklichung der Tugenden die Rede: Post domini passionem quid aliud sequi debuit, nisi quia de corpore Domini flumen exivit: quando de latere eius aqua fluxit et sanguis, quo laetificavit animas universorum, quia illo flumine lavit peccatum totius mundi? Est et fluvius qui de Eden exiit Verbum Dei quo paradisus intellegibilis irrigatur, et omnis anima vocatur ad gratiam Christi Ex illo enim unico Dei Verbo quatuor fluviorum prudentiae et fortitudinis, temperantiae quoque et justitiae fluenta manarunt.
167. De Jacob. I, 6, 21, CSEL 32, 2 S. 18; LADNER S. 142 ff., insbes. 146 und Anm. 67.
168. De Paradiso 3, 18, ed. C. SCHENKEL, CSEL 32 = Ambros. op. I S. 277 (ebd.: iustitia als mater). Die Quelle (Philo) unten Anm. 172.
169. De Paradiso 3, 19 ff. CSEL 32, 1 S. 277 ff.: In his ergo fluminibus quattuor virtutes principales quattuor exprimuntur, quae veluti mundi istius incluserunt tempora. Primum igitur tempus ex mundi principio usque ad diluvium prudentiae fuit secundum tempus est Abraham et Isaac et Jacob reliquorumque numerus patriarcharum, in quibus costa et pura quaedam temperantia religionis effusit tertium tempus est in Moysi lege et ceteris prophetis non immerito igitur in his species fortitudinis est
170. Vgl. 3, 12 ff. S. 272 ff. und 2, 4 S. 267 zu Galat. 4, 26: fluminis impetus laetificat civitatem Dei, und wiederum Enn. in Ps. XLV MPL 14, 1194: His igitur fluminibus superni meatibus civitas illa in qua Deus inhabitat irrigatur
171. Siehe oben S. 35 u. Anm. 168.
172. PHILO, Leg. Alleg. I, 19 ff. (63—87) Loeb. class. lib., 226 (Philo I) S. 187 ff.: die Entsprechung der Tugenden; I, 23: Aufhebung der Tugenden in der dikaiosÚnh. A. EBERT, Allgemeine Geschichte der Lit. im MA I, Leipzig, 21889, S. 147 f.; die Personifikation der Tugenden in der Sukzession der Dekaden vor der mos. Gesetzgebung, G. KAFKA—H. EIBL, Der Ausklang der antiken Philosophie und das Erwachen einer neuen Zeit, München 1928, S. 195 ff.; Die »Weltperioden der Gerechtigkeit« bei Tertullian und Lactanz, oben S. 36 f., 39. Diese sind wohl die Quellen der ambrosianischen Periodenlehre.
173. Von der Identifizierung mit den Tugenden abgesehen, erinnert sein Schema an die Sukzession der testamenta bei Irenäus, oben S. 22. Andere, scheinbar widersprüchliche Stellen, z. B. Ep. I, 49 (MPL [152]XVI, 1154: Adam und Eva) und Ep. LXXIII, 10 (CARLYLE I S. 105: Non fuit necessaria lex per Moysen etc.) sowie Reste der römischen Urstandlehre (EIBL, Augustin S. 281) gehen auf die Lehren griechischer Kirchenväter vom natürlichen Gesetz bei den Heiden zurück; vgl. oben S. 149 Anm. 146.
174. Epist. XVIII, 23 ff. (insb. 28) MPL 16, 1020 f. (1021); LADNER S. 157 ff.; und GEFFCKEN, oben Anm. 137.
175. Contra Orationem Symmachi (ed. BERGMANN CSEL 61) II Z. 270 ff., 303 ff. (II, 794: Indifferenz der Natur.) Zum folgenden: BOAS, Primitivism, S. 184 ff.; MOMMSEN, Augustin S. 367 f.; HÄUSSLER S. 332 ff.
176. Ebd. I Z. 77.
177. Ebd. II Z. 335 ff. Prudentius kann nicht alle Menschen vor der Sintflut, sondern nur die Gerechten, von denen eben die libri antiqui — die Heilige Schrift — berichten, meinen. Multos in Z. 345 ist nicht im Gegensatz zu unus (Deus), sondern wohl zu pauci (Z. 346) zu verstehen; die urrömische Religion war also keinesfalls monotheistisch, wohl aber enthielt sie geradesowenig Götter, wie es von einem primitiven Volk erwartet werden kann. Die Gleichung Primitivität — Barbarei — Polytheismus I Z. 145 ff.
178. Ebd. II Z. 270 ff.
179. Ebd. II Z. 335 B.; 368 ff.: frustra igitur solitis, prava observatio, inhaeres, / non est mos patrius, quem diligis, inproba, non est. Vgl. TERTULLIAN, Apol. 6 und 25, wo ähnliche Gedanken vorgetragen werden.
180. Ebd. II Z. 309 ff. (ed. Bergmann S. 258): quid mihi tu ritus solitos, Romane senator, / obiectas, cum scita patrum populique frequenter / instabilis placiti sententia flexa novarit? / nunc etiam quotiens solitis decedere prodest / praeteritosque habitus cultu damnare recenti, / gaudemus conpertum aliquid tandemque retectum, / quod latuit; tardis semper processibus aucta / crescit vita hominis et longo proficit usu. / sic aevi mortalis habet se mobilis ordo, / sic variat natura vices: infantia repit, / infirmus titubat pueri gressusque animusque, / sanguine praecalido fervet nervosa iuventa, / mox stabilita venit maturi roboris aetas, / ultima consiliis melior, sed viribus aegra, / corpore subcumbit mentem purgata senectus. / his genus humanum per dissona tempora duxit / curriculis aevum mutabile, sic hebes inter / primitias mersumque solo ceu quadrupes egit; / [ ] mox tenerum docili ingenio iamque artibus aptum / noscendis varia rerum novitate politum est; / inde tumens vitiis calidos adolevit in annos, / donec decocto solidaret robore vires; / tempus adest, ut iam sapiat [153]divina serenae / mentis consilio vivacius abdita sollers / quaerere et aeternae tandem invigilare saluti. Gegen eine Verbindung mit Augustin spricht nicht zuletzt die Beschränkung auf fünf aetates.
181. Ebd. II Z. 578 ff.; PETERSON S. 95.
182. Comm. in Mich. MPL 25, 1187 f.; PETERSON S. 97. Comm. in Dan. CCSL 75 A, 794 f. (zu 2, 40): ›Regnum autem quartum‹, quod perspicue pertinet ad Romanos, ›ferrum est quod comminuit et domat omnia‹. Sed pedes eius et digiti ex parte ferrei, et ex parte sunt fictiles, quod hoc tempore manifestissime comprobatur: Sicut in principio nihil Romano imperio fortius et durius fuit, ita et in fine verum nihil imbecillius. Zur Geschichte der Monarchienlehre J.W. SWAIN, The Theory of the four Monarchies, Opposition history under the Roman Empire, Class. Phil. 35 (1940) S. 1 ff.
183. Quid salvum est, si Roma perit? Ep. 123, 16, 4 CSEL 56, 94 (nach Lucan, Phars. 5, 274); und weitere Stellen bei LADNER S. 251 Anm. 55 und A. WACHTEL, Beiträge zur Geschichtstheologie des Aurelius Augustinus, Bonner hist. Forschungen 17, hg. von M. BRAUBACH, Bonn 1960, S. 89 f. und vor allem J. STRAUB, Christliche Geschichtsapologetik in der Krisis des römischen Reiches, Historia I (1950), S. 52 ff., insb. S. 60 ff. Man beachte den Zusatz quod hoc tempore manifeste comprobatur [oben Anm. 182]. Siehe auch unten S. 211 Anm. 194 (Verfall in der Kirchengeschichte).
184. E. BUONAIUTI, Manichaeism and Augustines Idea of the Massa perditionis, The Harvard Theol. Rev. 20 (1927) S. 177 ff.; W.A. CHRISTIAN, Augustin on the Creation of the World, The Harvard Theol. Rev. 46 (1953) S. 1 ff.; E. SALIN, Civitas Dei, Tübingen 1926, S. 176; WACHTEL S. 73 (ebd. Lit.).
185. Das Folgende nach De vera Religione, CCSL XXXII, 187—260. Zur pädagogischen Heilsgeschichte in De vera Religione siehe: KAMLAH, Christentum und Geschichtlichkeit S. 311 ff. Zur Vorform der Civitates-Lehre, SCHOLZ, Glaube und Unglaube S. 76; LADNER S. 263 f.
186. Diese Umkehrung wird am Begriff der conmixtio am deutlichsten. Was für die Manichäer die zweite kosmisch-theogonische Phase ist (De vera Religione IX, 16 [48] CCSL 32, 198; vgl. G. WIDENGREN, Mani und der Manichäismus, Stuttgart 1961, S. 56 ff., 58: gumēčišn), [154]ist für Augustin später die civita permixta. Von »Projektion« ist IX, 16 [47] die Rede: Offensi enim quibus rebus et rursus quibusdam delectati et cum consuetudinem suam vincere nequeunt iam carnalibus laqueis irretiti, duas animas esse in uno corpore existimant etc.
187. De vera rel. IX, 17 (49).
188. De ver. rel. XXVII, 50 (136 f.) CCSL 32, 219. Zur paulinischen Tendenz F.E. CRANZ, The Development of Augustines Ideas on Society before the Donatist Controversy, Harv. Theol. Rev. 58 (1954) S. 255 ff.; LADNER a.a.O. Man darf wohl schon den Einfluß der Terminologie des Tychonius annehmen.
189. Oben S. 27 ff.; unten S. 39 f.; vgl. auch SCHOLZ, Glaube und Unglaube S. 154 ff. und HÄUSSLER S. 336 ff. Ungewöhnlich ist schon im Formalen die Einteilung in sechs Zeitalter; unten Anm. 209.
190. De ver. rel. XXVI, 48 (130) CCSL 32, 217.
191. De ver. rel. XXV, 46 (125) CCSL 32, 216; De div. quaest. XLIV, MPL 40, 28.
192. De ver. rel. XXI, 41 (113) CCSL 32, 213; vgl. De div. quaest. XLIV, MPL 40, 28; unten S. 41 u. Anm. 212.
193. De ver. rel. XXI, 41 (ebd.): sed dum alia cedunt atque succedunt, temporalium formarum numerum in unam pulchritudinem complent.
194. Hierzu und zum ganzen L. SPITZER, Classical and Christian Ideas of World Harmony, Prolegomena to an Interpretation of the World »Stimmung«, Baltimore 1963 S. 28 ff.
195. De ver. rel. XLII, 79 (224 ff.); CCSL 32, 239 f.; zur Lehre: LADNER S. 174 ff., 459 ff.; A. MITTERER, Die Entwicklungslehre Augustins im Vergleich mit dem Weltbild des hl. Thomas v. Aquin und dem der Gegenwart, Freiburg 1956 insbes. S. 48 ff., 76 ff.
196. De ver. rel. XL, 74 (208 ff.) CCSL 32, 235 f.
197. De ver. rel. XXVI, 48 (132) CCSL 32, 218.
198. Siehe unten S. 47.
198a. Vgl. HÄUSSLER S. 336, der aber das Moment der augustinischen Synthese verkennt, wenn er S. 337 die Aetateslehre zur bloßen Dekoration erklärt. Nicht auf die Anschauung von der kollektiven Entfaltung schlechthin verzichtet Augustin, sondern (wie im folgenden bewiesen werden soll) auf die Vermengung von Entwicklung und Fortschritt und einer Gegenwartsbestimmung mit Hilfe eines undifferenzierten Entwicklungsbegriffes.
199. De ver. rel. XXVI, 49 (134) CCSL 32, 218; Augustin spricht von spiritales aetates.
[155]200. De Gen. c. Man., c. 24 MPL 34, 193 f.; DEMPF, Sacrum Imperium S. 119.
200a. Mit actio ist hier wohl nicht nur die vernünftige Rede zu verstehen, sondern auch die Fähigkeit, sich vernünftig zu äußern, die cognitio öffentlich einzusetzen.
201. So ist es für Augustin nicht ausgeschlossen, daß die sechste Aetas so lange andauern könnte, wie die ersten fünf zusammengenommen; De div. quaest. LXXXIII, 1, 58, MPL 40, 43; dazu G. BEYERHAUS, Neuere Augustinprobleme HZ 127 (1923) S. 189 ff., hier S. 207 und GRUNDMANN, Studien S. 80, Anm. 5.
202. Augustin begründet es exegetisch. Die ersten zwei Zeitalter sind articuli evidentissimi et notissimi im AT, (De div. quaest. LVIII, MPL 40, 43), die übrigen drei unterscheidet er sicut Mattheus Evangelista distinxit (De trin. VI, 47 MPL 42, 892). AT und NT zählen aber vornehmlich nach Generationen. Darüber hinaus ist die Berechnung nach Jahren unsicher; zwar stimmt die Gesamtsumme des Lebens jeder Person der Vorsintflutgeneration im hebräischen Urtext und in den LXX überein, nicht aber die Geburtsjahre (DCD XV, 10, CCSL 48, 466 f.). Aus diesem Grund beruht die Rezeption der augustinischen Aetateslehre in die Komputistik (seit Isidor) auf einem Irrtum.
203. Enchirid. c. II, 8 ed. SCHEEL S. 73; c. 119. Vergleich mit den aetates des Einzelmenschen erwähnt. Die zweite Zeit beginnt mit Moses. Eine andere Variation chiliastischer Ausprägung finden wir bei Methodius von Olymp (Adam-Sintflut, Sintflut-Inkarnation), Convivium 7, 4 MPG 18, 129; EIBL S. 225. Man vergleiche aber die angedeuteten Periodeneinteilungen bei Euseb., oben S. 32 ff.
204. Das Folgende zu De Gen. c. Man. c. 23 MPL 34, 190 ff.; dazu WACHTEL S. 48 ff. insb. S. 60 ff.; LADNER S. 222 ff.; SCHOLZ S. 154 ff.; BOAS S. 177 f.; DEMPF S. 119; HIPLER S. 24 ff.
205. De ver. rel. XL, 74 (208) CCSL 32, 235 f.; Quae tamen (alimenta carnis des exterior homo, der auch proprio genere schön ist) corrupta, id est amittentia formam suam, in membrorum istorum fabricam migrant et corrupta reficiunt in aliam formam per convenientiam transeuntia et per vitalem motum diiudicantur quodam modo, ut ex eis in structuram huius visibilis pulchri quae apta sunt adsumantur, non apta vero per congruos meatus eiciantur.
206. Vgl. auch De ver. rel. XXVI, 48 (130) CCSL 32, 217; penitus obliviscenda crescenti; ebd. incipimus aliquid meminisse und DCD XVI, 43 infantia von fari non potest.
207. SCHOLZ S. 164 f. und unten S. 72 f.
[156]208. Unten S. 73.
209. Fr. BOLL, Die Lebensalter. Ein Beitrag zur antiken Ethnologie und zur Geschichte der Zahlen, Neue Jbb. f.d. klass. Altertum 1913, 1. Abt., 2. Heft S. 89—145.
210. Vgl. Ep. 138, I, 5 ed. GOLDBACHER CSEL 44, 130: aptum fuit primis temporibus sacrificium, quod praeceperat deus, nunc vero non ita est, aliud enim praecepit, quod huic tempori aptum esset, qui multo magis quam homo novit, quid cuique tempori accommodate adhibeatur, quid quanto impertiat, addat, detrahat, augeat minuatve immutabilis mutabilium sicut creator ita moderator, donec universi saeculi pulchritudo, cuius particulae sunt, quae suis quibusque temporibus apta sunt, velut magnum carmen excurrat. Zum Opfer und Opfergesetz vgl. unten S. 62 f.; in der jüdischen, auch antiken Tradition unten S. 53 Anm. 17. Weltgang als Gesang: oben S. 125 Anm. 9. Zur Akkommodation bei Augustin vgl. noch Adv. Jud. III, 4 MPL 42, 53: ut rerum signa suis quaeque temporibus conveniant; Con. Faustum VI, 7 MPL 42, 417; H. DE LUBAC, Exégèse Médiévale, les quatre sens de lécriture II, 1 = III, Etudes publiés sous la direction de la faculté de Théologie S.J. de Lyon—Fourvière 42, 1961 S. 347 Anm. 7.
211. Schematisch stellt sich die Aetateslehre nach De Gen. c. Man., De ver. rel., De div. quaest. wie folgt dar:
Infantia | ||
pueritia | ||
adolescentia | adolescentia des populus pius | |
iuventus | iuventus | |
pax senioris (gravitas) | gravitas | |
deterior aetas (senectus) | senectus = infantia etc. | |
als spiritales aetates des Gottesvolkes. |
212. De div. quaest. XLIV MPL 40, 28; LADNER S. 237 f.; GRUNDMANN, Studien S. 122 Anm. 2 (warnt vor Überschätzung der Aetateslehre als Ausdruck eines Entwicklungsgedankens, die er gerade anhand dieser Stelle »mehr morphologisch als biologisch« interpretieren will: m. E. ist dies kein Gegensatz und der Zusammenhang beweist das Umgekehrte). Vgl. oben Anm. 210.
213. Retr. I, 25, 44 CSEL 36, 121.
214. De div. quaest. LVIII, MPL 40, 42 ff.
215. T. HAHN, Tychonius-Studien. Ein Beitrag zur Kirchen-und Dogmengeschichte des vierten Jahrhunderts, Studien z. Gesch. d. Theol. u.d. Kirche, hg. v. N. BONWETSCH u. R. SEEBERG VI, 2, Leipzig 1900, S. 37, 57 ff., 60. Vgl. Augustin, Enchirid. 118 (unten S. 222 Anm. 9); [157]DCD XXII, 18 CCSL 48, 837 (Wachstum des corpus Christi). Augustin polemisiert gegen den Begriff corpus bipartitum bei Tychonius und schlägt statt dessen den Terminus: corpus permixtum vor. Dazu auch LADNER S. 261. Zum Eingreifen Augustins im Donatistenstreit F. VAN DER MEER, Augustinus als Seelsorger, übers. v. H. Greitemann, Köln 1953, S. 98 ff.
216. F. HOFFMANN, Der Kirchenbegriff des hl. Augustinus in seinen Grundlagen und seiner Entwicklung, München 1933, S. 236 ff.; LADNER S. 259; WACHTEL S. 121 f., (De bapt. V, 27, 38 CSEL 51, 295: in illa ineffabili praescientia Dei multi qui foris videntur intus sunt et multi qui intus videntur foris sunt). Vgl. KAMLAH, Christentum S. 136 ff.
217. KAMLAH, Christentum S. 313 f. (Mit Hinweis auf DCD XXII, 1 CCSL 48, 807); unten S. 45. Zur »Unsichtbaren Kirche« bei Augustin: WACHTEL S. 121 (ebd. Lit.); DEMPF S. 120 (Tychonius). Zur civitas Dei bei Tychonius: LADNER S. 263, Anm. 103.
218. KAMLAH, Christentum S. 133 ff. passim; J. RATZINGER, Herkunft und Sinn der Civitas-Lehre Augustins, nachgedr. in: Geschichtsdenken und Geschichtsbild im MA, S. 56 ff. Einige Vorschläge Kamlahs finden sich schon bei E. LEWALTER, Eschatologie und Weltgeschichte in der Gedankenwelt Augustins, ZKG 53 (1934) S. 1 ff., wenn auch weniger pointiert und mit einer anderen Terminologie; insbes. S. 5 (Ecclesia als eschatologische Größe), S. 42 ff. (Durch den Bruch mit dem Chiliasmus wird Augustin zum Universalhistoriker); Lewalters Unterscheidung zwischen geschichtstranszendenter und endgeschichtlicher Eschatologie ist der Unterschied zwischen Vollendung und Aufhebung der Geschichte und bezieht sich nicht, wie unsere Unterscheidung zwischen apokalyptischer und eschatologischer Endbestimmung, auf den Vorgang. Zur Diskussion der These Kamlahs siehe auch WACHTEL S. 114 ff.
219. DCD XX, 7 CCSL 48, 708 ff.; GRUNDMANN, Studien S. 86, Anm. 1; LADNER S. 224 ff.; WACHTEL S. 83 ff.; oben S. 39. Der Berechnung der Zeit, in der die Kirche auf Erden weilt, auf 365 Jahre, von Augustin DCD XVIII, 54 CCSL 48, 653 ff. widerlegt, schloß sich Tychonius an. (HAHN S. 79); dagegen stimmen beide in der Auslegung des Millenismus überein.
220. Ep. 199, 12, 46 CSEL 57, 284; WACHTEL S. 86 f.
221. 1. Tim. 6, 20 auslegend, worauf sich die Ausführungen in Common. XX (25) ff. beziehen. Wir zitieren nach VINZENZ V. LERINUM, Commonitorium pro catholicae fidei antiquitate et universitate adversus profanas omnium haereticorum novitates, ed. A. JÜLICHER, Sammlung [158]ausgewählter kirchen- und dogmengeschichtlicher Quellenschriften, Hg. G. KRÜGER 1. Reihe, 10. Heft, Tübingen 1925; Lit.: HARNACK, DG II S. 106 ff.; EIBEL S. 376 f.; LADNER S. 409 ff.; J. SPÖRL, Das Alte und das Neue im MA, HJb. 50 (1930), S. 297—341, 498—524, S. 299 (Vinzenz).
222. Comm. XVIII (24) ed. JÜLICHER S. 28 f.; dazu E. RÖSSLER, Göttliches und Menschliches, unveränderliches und veränderliches Kirchenrecht, Veröffentlichungen der Sektion für Rechts- und Sozialwissenschaft der Görres-Gesellschaft, hg. v. G. EBERS u.a., H. 64, Paderborn 1934 S. 151 f. insbes. S. 152. Tertullian: oben S. 24 f.
223. XXII (27) ed. JÜLICHER S. 33; Eadem tamen, quae didicisti doce, ut, cum dicas nove, non dicas nova. XXIII (28) beginnt mit der Frage: Sed forsitan dicit aliquis: nullusne ergo in ecclesia Christi profectus habebitur religionis? und fährt fort mit der Unterscheidung zwischen wahrem Fortschritt und Wandlung.
224. Oben S. 23 ff.
225. Comm. XXIII (29) ed. JÜLICHER S. 34. Pulchritudo, ratio seminis sind der Augustinischen Entwicklungslehre entnommen, oben S. 38 f. Von primordialia semina oben Anm. 195.
226. Ibid.; vgl. XXIII (30) ed. JÜLICHER S. 35: consequens est, ut — primis atque extremis sibimet non discrenpantibus — de incrementis triticeae institutionis triticei quoque dogmatis frugem demetamus, ut, cum aliquid ex illis seminum primordiis accessu temporis evolvatur, nihil tamen de germinis proprietate mutetur Das ähnliche Bild bei Tychonius, oben S. 41 u. Anm. 215.
227. Oben S. 36 (Hieronymus).
228. Bekanntlich unterschied Augustin selbst (Retract. II, 69, 1 CSEL 36, 180 ff.) die polemischen Teile (die ersten fünf Bücher zur Widerlegung der Schuldvorwürfe, die folgenden fünf zur Widerlegung der heidnischen Theologie und Ethik) vom systematischen Teil (die letzten zwölf Bücher) seines magnum opus et arduum.
229. DCD IV, 7 CCSL 47, 104. Quamquam Romanum imperium adflictum est potius quam mutatum, quod et aliis ante Christi nomen temporibus ei contigit et ab illa est adflictione recreatum, quod nec istis temporibus desperandum est. Wenn Augustin dennoch nicht von renasci spricht (zum Renaissancebegriff des 4. Jahrhunderts LADNER S. 16 ff. ebd. Rutilius Namatianus), so vielleicht darum, weil er dem Vorgang Eigenständigkeit und folglich unbegrenzte Dauer absprechen würde; der Schlußsatz lautet: Quis enim de hac re novit voluntatem Dei? Vgl. LADNER S. 251 ff. (insbes. S. 253), WACHTEL S. 91 f., zur älteren Lit. BAYERHAUS S. 207.
[159]230. DCD 1, 1—2, CCSL 47, 1 ff.
231. PAULUS OROSIUS, Historiarum adv. paganos L. VII, VII, 43 ed. C. ZANGEMEISTER, Leipzig 1889 S. 301: Explicui ab initio mundi usque ad praesentem diem cupiditates et punitiones hominum peccatorum, conflictationes saeculi, iudicia Dei, quam brevissime et quam simplicissime potui, Christianis tamen temporibus, propter praesentem magis Christi gratiam, ab illa incredulitatis confusione discretis. Weitere Belege K.A. SCHÖNDORF, Die Geschichtstheologie des Orosius, Diss. Munchen 1952 S. 49; vgl. KAMLAH, Christentum S. 183 sowie W. FREUND, Modernus und andere Zeitbegriff des Mittelalters, Neue Münstersche Beiträge z. Geschichtsforschung hg. v. K. VON RAUMER 4, Köln—Graz 1957 S. 19 ff.
232. Histor. III, 8, ed. ZANGEMEISTER, S. 72 f.; SCHÖNDORF S. 37 ff.; LÖWITH S. 163; PETERSON S. 97 ff.
233. Histor. VII, 41; VII, 43; ed. ZANGEMEISTER S. 296 ff.; SCHÖNDORF S. 115 ff.; LÖWITH S. 160.
234. Hist. VII, 27, ed. ZANGEMEISTER S. 268 ff.; AUGUSTIN, DCD XVIII, 52 CCSL 48, 651 f.; KAMLAH, Christentum S. 145.
234a. DCD X, 32 CCSL 47, 311; Vgl. Ep 102 (oben S. 147 Anm. 137). Hierzu WACHTEL S. 24, 48, 133 und oben S. 29.
235. DCD XV, 1 CCSL 48, 453; vgl. XIV, 1 CCSL 48, 414: duo quaedam genera humanae societatis.
236. DCD XI, 19, CCSL 48, 338: non naturae, sed voluntatis malum; XI, 28 CCSL 48, 348 f.: In hoc autem libro de civitate Dei, quae non peregrinatur in huius vitae mortalitate id est de angelis sanctis Deo contrahentibus quod coepimus explicemus; XI, 29 ebd. (Gegenwartsform). Die Geschichte der Engel ist abgeschlossen, ihre Zugehörigkeit zur einen oder anderen Gemeinschaft ist unwiderruflich.
237. DCD XII, 22 CCSL 48, 380.
238. XV, 1 CCSL 48, 453.
239. DCD XI, 12 CCSL 48, 333: sine fine se habiturum omni molestia carentem societatem angelorum in participatione summi Dei ; XVIII, 48 CCSL 48, 647: Nunc autem, quando et hi replent ecclesias, quos tamquam in area ventilatio separabit, non apparet tanta gloria domus huius (der noch zu weihende Tempel, die Kirche) quanta tunc apparebit, quando, quisquis ibi erit, semper erit. Vgl. Anm. 242.
240. DCD XII, 1 CCSL 48, 355. Augustin war sich also selbst bewußt, daß seine Bestimmungen der civitas Dei leicht den Anschein erwecken könnten, es handele sich um zwei civitates Dei. So tatsächlich [160]wurde der Begriff seit Reuters Augustinischen Studien ausgelegt. Den Lösungen Kamlahs und Wachtels soll hier nicht widersprochen werden, wohl aber das Schwergewicht des civitas-Begriffes nicht auf das eschatologische, sondern auf das genetische Moment der konstitutiven Entscheidung gelegt werden. Vgl. E. GILSON, Les métamorphoses de la cité de Dieu, Louvain-Paris 1952 S. 56. Auf den Willen als Moment der Individualisierung des Weltalterbildes gehen die Ausführungen HÄUSSLERS (S. 336) aus; doch siehe auch oben Anm. 198 a.
241. DCD XII, 6 ff. CCSL 48, 359 ff.; XII, 7 ebda. 362 Willenslehre (nemo igitur quaerat efficientem causam malae voluntatis). Siehe auch Anm. 236.
242. DCD XV, 1 CCSL 48, 454: Superna est enim sanctorum civitas, quamvis hic pariat cives in quibus peregrinatur, donec regni eius tempus adveniat, cum congregatura est omnes in suis corporibus resurgentes
243. DCD XVIII, 1 CCSL 48, 592: De civitatum duarum, quarum Dei una, saeculi huius est altera, in qua est etiam ista peregrina, exortu et processu et debitis finibus me scriptum esse promisi.
244. Oder anders: der irdische Bürger des Gottesstaates erstrebt, der himmlische Bürger hat seinen endgültigen Ort im ordo; die Entscheidung des Menschen ist eine stets neu zu fällende, die der Engel der himmlischen Bürger eine einmalige und immerwährende.
245. DCD II, 21 CCSL 47, 52 ff. IV, 4 CCSL 47, 101 ff.; XIX, 21 CCSL 48, 687 ff. (CICERO, De re publ. I, 25 ed. ZIEGLER, S. 24 f.); WACHTEL S. 137 ff.; F.G. MAIER, Augustin und das antike Rom, Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft 39, hg. v. W. SCHADEWALDT u.a., Stuttgart 1955, S. 189 f.
246. Oben S. 28 f. und Anm. 133.
247. Hierzu MAIER S. 148 ff.; KAMLAH, Christentum S. 281 ff., und unten S. 47 f.
248. DCD XIX, 24 CCSL 48, 695: Si autem populus non isto, sed alio definiatur modo, velut si dicatur: ‚Populus est coetus multitudinis rationalis rerum quas diligit concordi communione sociatus‘, profecto, ut videatur qualis quisque populus sit, illa sunt intuenda, quae diligit. Und im Folgenden: non absurde populus nuncupatur nach dieser Definition. Und schließlich: secundum istam definitionem nostram Romanus populus populus est et res eius res publica.
249. Friedensstreben als Naturgesetz DCD XIX, 12 CCSL 48, 657 ff. Es [161]liegt auch in pervertierter Form den Kriegen zugrunde, und es gilt auch für die wilden Tiere.
250. DCD XIX, 13 CCSL 48, 679; vgl. XV, 4 CCSL 48, 456 f.
251. Vgl. ebd.; und oben S. 38.
252. DCD XIX, 7 CCSL 48, 671: Post civitatem vel urbem sequitur orbis terrae, in quo tertium gradum ponunt societatis humanae, incipientes a domo atque inde ad urbem, deinde ad orbem progrediendo venientes. Doch die Expansion der Eintracht geht auf Kosten ihrer Intensität, qui utique, sicut aquarum congeries, quanto maior est, tanto periculis plenior etc.; denn der Mensch mag »lieber mit seinem Hund als mit einem Fremdsprachigen« zusammenleben, die wahre Gemeinschaft entwickelt sich jedoch in der gegenseitigen Annäherung und Anpassung. Die Natur, die den irdischen Frieden erstrebt, setzt seiner Verwirklichung selbst Grenzen.
253. DCD XIX, 15 f. CCSL 48, 682 ff.; natürliche Ordnung und Knechtschaft als Folge des Sündenfalles, vgl. XVIII, 2 CCSL 48, 593; LEWALTER S. 26 ff.
254. Oben Anm. 252.
255. Oben Anm. 249.
256. Dazu noch III, 10 CCSL 47, 71 f. und KAMLAH, Christentum, S. 321. Augustin betrachtet im Anschluß an Justin die Zeit vor dem Aufkommen der Großreiche, also vor Ninus, als eine Zeit, in der die libido dominandi im zwischenstaatlichen Bereich noch nicht vorherrschte (DCD IV, 6 CCSL 47, 102 f.); und demnach vergleicht er das unterschiedliche Wachstum des babylonischen und römischen Reiches: während der Ausdehnung des ersten waren die Völker noch kriegsuntüchtig und daher gefügig; Rom hatte sich gegen eine bereits kriegserfahrene Welt zu behaupten, daher wurde das römische Reich stärker (XVIII, 22 CCSL 48, 612 f.; vgl. unten S. 104 f.). Rom zerbarst unter der eigenen Größe (XVIII, 45 CCSL 48, 643: tamquam se ipsa non valens ferre sua se quodam modo magnitudine fregerat; vgl. unten S. 100 ff. u. Anm. 220). Aber im Gegensatz zu Justin steht scheinbar die Lehre von der Knechtschaft und der Gewalt als Folge der Erbsünde. Doch handelt es sich bei Augustin in der Zeit vor Ninus — und also auch im »Staate« Kains oder der ersten Noachiden — keinesfalls um eine aurea aetas im absoluten Sinne, sondern um die Zeit, in der der wahre Charakter der civitas terrena (und also gewissermaßen sie selbst) noch nicht offenbar wurde. Erst mit dem Turmbau trat der gottlose Staat zutage (XVI, 10 CCSL 48, 512: apparuit civitas, hoc est societas, impiorum). Die »Kollision« (KAMLAH, Christentum S. 335) [162]hat ihre Parallele bei Ambrosius (oben Anm. 173), ist aber hier eher eine Frage der unterschiedlichen Betonung. Über die Quellen Augustins zur röm. Geschichtsschreibung MAIER S. 78 ff. Die Unvollkommenheit des irdischen Friedens XIX, 27. Siehe auch COCHRANE S. 512. Der Gedanke, daß Macht sich selbst zerstört, erinnert auch an die manichäische Vorstellung vom Bösen, von der Finsternis, die eine selbstzerstörerische Kraft ist; nur ist (vgl. oben S. 36 f.) bei Augustin das Drama kein kosmisches, sondern historisches Geschehen. Vgl. H. JONAS, The Gnostic Religion, Boston 21963 S. 213 f.
257. DCD XV, 7 CCSL 48, 460 f.; vgl. GILSON a.a.O. (oben Anm. 240). Die Unterscheidung zwischen uti und frui geht auf die Unterscheidung Philos zwischen ktÁsij und crÁjij zurück und hat in der rabbinischen Literatur Vorformen und Parallelen: F. BAER, Israel among the Nations, An essay on the history of the period of the second Temple and the Mishna and on the foundations of the Halacha and Jewish Religion, Jerusalem 1955 (hebr.), S. 49. Der Gedanke Augustins läßt sich auch so wiedergeben: Der irdische Staat betet, wenn überhaupt, den wahren Gott in der gleichen Art wie die Götter an; deswegen ist wohl der Götterkult seine genuine Religion. Die Entwicklung des irdischen Staates bringt es mit sich, daß er den Dämonen verfällt, DCD XIX, 9 CCSL 48, 673 u. ö. Die civitas terrena ist noch nicht, sie wird erst der Teufelsstaat werden.
258. DCD XV, 1 oben Anm. 242 (Kain und Abel); und das Folgende.
259. DCD XIX, 12 CCSL 48, 677.
260. DCD XIX, 17 CCSL 48, 683 ff. In diesem Zusammenhang muß auch die bekannte Stellungnahme zum christlichen Kaiser (V, 25 CCSL 47, 119) gesehen werden. Von einer Wende ist nicht die Rede, nur von der Möglichkeit, auch als Christ höchste irdische Würden zu erlangen.
261. Bei A. WACHTEL, der wie LADNER, PETERSON und KAMLAH den Unterschied zwischen der augustinischen u. eusebianischen Geschichts-theologie seiner Darstellung zugrunde legt, heißt es dennoch (S. 68): »Den Weltreichen kommt so die geschichtliche Mission zu, die Völker für die civitas Dei bereitzustellen.« Demnach übernahm Augustin zumindest für die vorchristlichen Zeiten den Gedanken einer mittelbaren praeparatio evangelica durch den Staat. Davon kann m. E. nicht die Rede sein. Wohl heißt es, die Kirche bediene sich des irdischen Friedens (XIX, 17 CCSL 48, 684 f.) und begünstige ihn, z. B. durch Gebet für den irdischen Herrscher (XIX, 26 CCSL 48, 696 f.); nicht aber, der Verbreitung des Evangeliums habe [163]die Weltmonarchie vorangehen müssen. Treffend H. FUCHS, Der geistige Widerstand gegen Rom in der antiken Welt, Berlin 21964 S. 23 f., 90 ff.
262. DCD XVI, 3 CCSL 48, 503.
263. DCD XVI, 12 CCSL 48, 515: unde incipit esse notitia eius evidentior. Das bezieht sich, neben der Hl. Schrift, also der Geschichtsschreibung (vgl. DCD XV, 3, S. 502: ad eum [Sem] quippe gradatim pervenit narratio), auch auf die Geschichte selbst.
264. DCD XVI, 43 CCSL 48, 548 ff.; Zitat S. 550.
265. Vgl. oben S. 47 f. über den irdischen Staat, der den wahren Gott anbetet.
266. DCD XVIII, 45 CCSL 48, 641 ff. (und nur in dieser Antwort auf die Frage quare non ante venit Christus stimmt Augustin mit Eusebius überein.).
267. DCD XVIII, 27 CCSL 48, 618; hierzu WACHTEL, S. 67 f.
1. GUIBERT VON NOGENT, Tractatus de incarnatione contra Judaeos III, 6 MPL 156, 519. Dazu BOAS, Primitivism S. 203 ff. und H. REUTER, Geschichte der religiösen Aufklärung im MA vom Ende des 8. bis zum Anfang des 14. Jhs. II, Berlin 1877 (Neudruck Aalen 1963), S. 107; vgl. I (1875) S. 167 ff. Vom letzten kommen auch ebda. I, 37 f. (AGOBARD VON LYON Adv. Fredegisium IX, MPL 104, 164 C); I, 101 ff. (Berengar); 135 ff. (Roscelin) weitere Beispiele, die uns aber nicht verleiten dürfen, die Betonung der Historizität als Merkmal einer »religiösen Aufklärung« zu deuten. Am deutlichsten wird dies, wenn wir der Frage nach den Wundern und ihrem historischen Ort nachgehen. Für Augustin (nicht in DCD, sondern in De vera rel. XXV, 128 CCSL 32, 216 f.), waren sie Zeichen der frühen Kirche, die aufhörten, damit man sich nicht an sichtbare Beweise gewöhne und auf einer niedrigen Entwicklungsstufe (geistig) verharre. Siehe unten S. 66 Anm. 81; KAMLAH, Christentum, S. 312. Vgl. TAJO, Sentent. II, 12 MPL 80, 794 B: In exordio nascentis Ecclesie necessaria fuerunt signa vel miracula. Ut enim ad fidem cresceret, miraculis fuerat nutrienda. ODO VON CLUNY, Collationum Libri tres, [164]I, 25 MPL 133, 536: De signis vero illud sciendum, quia iuxta Scripturam: ›unicuique rei tempus suum est sub coelo‹ (Eccl. 3, 17). Unde sancta Ecclesia signis ad corroborandum suorum fidem in primordiis suis indiguit. Nunc vero constante iamdudum fidei statu signa admodum non requirit. Solche und ähnliche Stellen sind nur vorsichtig als Zeichen einer besonders rationalistischen Skepsis und bis zum 13. Jh. auf keinen Fall als Zeichen »religiöser Aufklärung« auszulegen, wenn diese auch nur die teilweise Relativierung des eigenen Standpunktes bedeuten soll. Sie sind vielmehr Ausdruck der stets vorhandenen Tradition christlichen Fortschritts-bewußtseins. In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf das reichhaltige Material auch für den mittelalterlichen Akkommodationsgedanken bei LUBAC, Katholizismus S. 216 ff. hingewiesen.
2. WILHELM VON CHAMPEAUX, Dial. inter Christianum et Judaeum, MPL 163, 1054 (Wirken contra naturam); 1065 (mutando in melius renovabit); 1065 (medicina); 1066 (Konzessionen Gottes); 1070 c: Sed Deus totus rationabilis, imo ipsa ratio nihil irrationabiliter facere voluit, qui cuncta sub ratione disposuit. Demnach ist die Grundsatzfrage, die seit Petrus Damiani wieder aufgeworfen wurde, ob Gott contra naturam handeln könne — sie ist von Damiani im Zusammenhang der Lehre vom Wunder dahingehend beantwortet, daß Gott sogar Geschehenes ungeschehen sein lassen kann (De div. omnipotentia V ff., XII ed. P. BREZZI e B. NARDI, Editione Nationale dei classici del pensiero Italiano 5, Florenz 1943 S. 70 ff., 118 ff.; ÜBERWEG-GEYER S. 187; über die Quellen A. ENDERS, Petrus Damiani u. die weltliche Wissenschaft, Beiträge z. Gesch. d. Phil. d. MAs, hg. v. C. Bäumker VIII, 3, Münster 1910 S. 16 ff., S. 17 Anm. 1) — nur von mittelbarer Bedeutung für den Akkomodationsgedanken, denn »nicht müssen« bedeutet keinesfalls »nicht vorziehen«. Ausgangspunkt ist AUGUSTIN, Contra Faustum XXVI, 3 MPL 42, 480: Deus autem, creator et conditor omnium naturarum, nihil contra naturam facit. Augustinisch ist auch die Antwort Hugos von St. Victor sowie der meisten Theologen des 12. Jhs. Dazu auch THORNDIKE II S. 58 ff.
3. De scripturis et scriptoribus sacris 2, MPL 175, 11; ebda. c. 24 MPL 175, 24; De sacramentis Christ. fidei Prol. 2, 3 MPL 176, 183 f.; De vanit. mundi MPL 176, 716. Auf den Zusammenhang seiner Geschichtseinteilung als Grundlage der Sakramentenlehre mit der Hinwendung zur historice-Exegese, die ja zur systematischen Befragung der jüdischen Exegese führte, weist B. SMALLEY, [165]The Study of the Bible in the Middle Ages, Oxford 21952, S. 90 ff. hin.
4. De sacr. I, 8, 12 MPL 176, 313 f.
5. HUGO VON ST. VICTOR, De sacramentis christianae fidei II, 6, 4 MPL 176, 450 A; und am Ende des Kapitels: Rursus quemadmodum in principio baptismus a Joanne secundum solum sacramentum dabatur, ut ii baptizandi usum non noverant, erudientur; sic in novissimo a quibusdam fidelibus circumcisio dispensatorie secundum solum sacramentum suscipiebatur, ne ii qui circumcidi consueverant scandalizentur. Über den Gedanken der »Zwischenzeit« in der Scholastik des 13. Jhs. GÖSSMANN (unten S. 221 Anm. 6) S. 280 f. Der Ausdruck bonum in tempore suo (vgl. auch De van. mundi 4 MPL 176, 740 C) ist für GRUNDMANN, Studien S. 99 f. Kennzeichen der Unterscheidung zwischen Joachim und der katholischen Tradition, wenngleich der Vf. »nicht einmal behaupten« möchte, daß sich der Gedanke nur bei Joachim fände (S. 100). Aber mit diesem Ausdruck enthält Hugos Lehre der allmählichen Sakramentenentwicklung, der »Zwischenzeiten«, der Lehrentwicklung, schon den Entwicklungsbegriff Joachims, jedoch ohne die Frage nach der Entwicklung in den christiana tempora (unten S. 59). Was Joachims Entwicklungsgedanken so historisierend erscheinen läßt, ist nur die Annahme eines dritten Zeitalters in der Geschichte, durch welche auch Fortschritte in der Gegenwart nur bona in tempore suo werden. Vgl. unten Anm. 12. Eine mögliche Wurzel des Ausdruckes und des Gedankens mag Gen. 6, 9 sein. Von Noah heißt es, er sei vir iustus atque perfectus in generatione sua, und Hugo erläutert (De van. mundi 3 MPL 176, 725 D): er sei nur comparatione pessimorum justus gewesen. Diese Exegese wird er von Raschi, der sich den »Auslegern in malam partem« (dorschim lignai) anschließt, übernommen haben.
6. An secundum mutationes temporum mutata sit fides: De sacr. I, 10, 6 MPL 176, 335 ff.; dazu M. GRABMANN, Die Geschichte der scholastischen Methode, Freiburg 1911 (Neudruck Basel/Stuttgart 1961) II, S. 276 ff.; GRUNDMANN, Studien S. 123 f.; J. BEUMER S.J., Der theoretische Beitrag der Frühscholastik zu dem Problem des Dogmenfortschritts, ZKTh 74 (1952) S. 205 ff., insbes. S. 209 ff., S. 220 ff.; LUBAC, Exégèse III (= II/1) S. 356.
7. De sacr. I, 10, 6 MPL 176, 337 D. AUGUSTIN, DCD X, 14 CCSL 47, 288: sicut unius hominis, ita humani generis, quod ad Dei populum pertinet, recta eruditio per quosdam articulos temporum tamquam aetatum profecit accessibus; ähnlich Enn. in Ps. 118, XVI, 6 [166]und Enchr. 118 f. (hier in der Erörterung der quatuor differentiae der Heilsgeschichte und der sich in ihnen gleichbleibenden cognitio Christi). Dazu H.-J. MARROU, Das Janusantlitz der historischen Zeit (oben Anm. 9) S. 354 f.; M.-D. CHENU, Conscience de lhistoire et la théologie au XIIme siècle, AHDL 21 (1954), S. 107 ff., 119. GREGOR D. GR., in Ezech. II, 4, 12 MPL 76, 980 f.: sciendum est quia et per incrementa temporum crevit scientia spiritalium patrum. Plus namque Moyses quam Abraham, plus Prophetae quam Moyses, plus apostoli quam Prophetae in omnipotentis Dei scientia eruditi sunt. Fallor si haec ipsa Scriptura non loquitur: ›Pertransibunt‹, inquit, ›plurimi et multiplex erit scientia‹ (Dan. 12, 4) quanto mundus ad extremitatem ducitur, tanto nobis aeternae scientiae aditus largius aperitur und ebda. II, 4, 7 col. 977 D: quia una est veterum ac novorum patrum fides. Vgl. auch TAJO, Sent. II, 12 MPL 80, 792. Andere mittelalterl. Belege, besonders des 12. Jhs., LUBAC, Exégèse III S. 345 ff. — Auf die Verbindung mit Dan. 12, 4 spielen auch Walahfrid Strabo (unten S. 63), BERNHARD V. CLAIRVAUX (wie Hugo unter ausdrücklicher Berufung auf Gregor; MPL 182, 1040), Otto v. Freising (unten S. 95) und ABAELARD (Dial. I, 5 MPL 188, 1147; BEUMER S. 218 Anm. 71) an. Die Abhängigkeit der Stelle bei Hugo von St. Victor vom Brief Bernhards v. Clairvaux hat H. WEISWEILER, Die Arbeitsmethode Hugos von St. Victor, Ein Beitrag zum Entstehen seines Hauptwerkes De sacramentis, Scholastik 20—24 (1949) S. 59 ff., 232 ff., insbes. S. 60, 63 f. nachgewiesen. Aber Bernhard gibt die Tradition wieder, die viktorinische Terminologie fehlt (mysterium salutis, nicht, wie bei Hugo, effectus salutis etc.). Der Daniel-Vers pertransibunt plurimi etc. findet sich auch in der jüdischen Tradition in ähnlicher Bedeutung, vgl. ABRAHAM BAR CHIJA, Megillat hamegalle, ed. POZNANSKI, S. 3. Der Satz Gregors (per incrementa) ist also, direkt und indirekt, einer der meistzitierten in der theol. Literatur. Vgl. auch unten S. 53 (progressus religionis) und unten S. 65 (Anselm von Havelberg).
8. De sacr. I, 10, 6 MPL 176, 339 C; I, 10, 7 MPL 176, 340 (Hinweis auf Beda); AUGUSTIN Enchirid. 118 f.; GREGOR D. GR., oben Anm. 7; BEDA, Super act. apost. expositio MPL 92, 953: Et si sacramenta pro temporum ratione discrepent, fides tamen una eademque concordat. Nach Augustin, Enchirid. auch das Sentenzenwerk aus der Laoner Schule (Sententie Anselmi, hg. F. Pl. BLIEMETZRIEDER, Anselm von Laon, Systematische Sentenzen = Beiträge zur Gesch. d. Philos. des MA, hg. v. Cl. BÄUMKER XVIII, 2—3 Münster 1919, S. 78 ff.), wo das tempus regenerationis et reparationis hominum nach [167]den Zeiten der lex naturalis, der scripta lex und der gratia beschrieben werden und anschließend zwischen dem Wissen der wenigen und dem gleichbleibenden Glauben aller boni unterschieden wird. Weitere Belege und Literatur oben Anm. 7.
9. Zur Unterscheidung De sacr. I, 10, 3 MPL 176, 331: Duo sunt in quibus fides constat: cognitio et affectus, id est constantia vel firmitas credendi etc.
10. De sacr. I, 10, 6 MPL 176, 336. Daß es sich nicht um hypothetische Gegenmeinungen handeln müsse, beweist A.M. LANDGRAF, Dogmengeschichte der Frühscholastik I, Regensburg 1952 S. 30 ff. Vgl. LUBAC, Exégèse III S. 346 Anm. 6 (Origenes).
11. Ebd. MPL 176, 336 C: Haec si vera sunt etc.
12. Hugo unterscheidet die homines naturalis legis von den homines legis scriptae und diese wiederum von den homines gratiae nach Wesen und Wirksamkeit: dem Wesen nach sind die ersten aperte mali, die zweiten ficte boni, die dritten vere boni; jedes dieser genera hominum war zu jeder Weltzeit vertreten, tamen tempus naturalis legis ad aperte malos pertinet, qui illi tunc et numero plures et statu excellentiores fuerunt. Das gleiche gilt für das tempus legis, wobei homines in timore servientes wohl nicht nur Juden sind. Im tempus gratiae sind zwar die vere boni nicht in der Überzahl, dennoch ist ihr status ›excellentior‹, da sie Dei gratia publice anteferuntur etiam ab iis qui in moribus contradicunt: De sacr. nat. et scriptae legis dial. MPL 176, 32 B. Vgl. De sacr. I, 8, 11 MPL 176, 312 f.; De arca Noe mystica 5 MPL 176, 688 f. Dazu GRUNDMANN, Studien S. 90 und W.A. SCHNEIDER, Geschichte u. Geschichtsphilosophie bei Hugo von St. Victor = Münstersche Beitr. z. Gesch. forschung, hg. v. A. EITEL III, 2 Münster 1933, S. 54 f. Auch hier läßt sich eine Grundkategorie des joachimitischen Geschichtsdenkens zurückverfolgen: Geschichte als die »Bewegung von soziologischen Gruppen«, nicht als »Werk von einzelnen Heroen«. (E. BENZ, Die Kategorien der religiösen Geschichtsdeutung Joachims, ZKG 50, 1931, S. 24 ff., insbes. S. 27).
13. Dialogus inter Philosophum Judaeum et Christianum, MPL 178, 1614 f.: Quid enim? mirabile est, cum per seriem et temporum successionem humana in cunctis rebus creatis intelligentia crescat, in fide, cuius errori summum periculum imminet, nullus est profectus? Hierzu REUTER, Aufklärung I S. 215 und 323 Anm. 1 (Zitat); zum Charakter der Schrift und ihrem Ort in der Polemik gegen das Judentum H. LIEBESCHÜTZ, Die Stellung des Judentums im Dialog des Peter Abaelard, MGWJ 83 (47) 1939, S. 390 ff.; [168]treffend der Vergleich mit dem Dialog Damianis. Kennzeichnend für die Zeit die Rezeption der jüdischen Exegese (hier wurde LIEBESCHÜTZ von B. SMALLEY bestätigt, oben S. 164 Anm. 3. Dazu neuerdings H. HAILPERIN, Raschi and the Christian scholars, Pittsburgh 1963) die Befragung eines jüdischen Gelehrten. ALANUS AB INSULIS, Contra Haer. III, 2 MPL 210, 402 C: Ideo autem hoc mysterium Deus Judaeis in veteri lege figuris velavit, sicut et alia ad fidem pertinentia, ut secundum temporis accessum, Christianae religionis fides haberet progressum. Nam ante legem Mosaicam sufficiebat alicui credere quod unus esset Deus, idemque remunerator esset bonorum In veteri tamen Testamento, seu tempore legis Mosaicae, majores quibus revelatum erat, credebant Deum trinum et unum; simplices vero credentes quod ipsi credebant et in hac fide salvabantur. (Vgl. die ähnliche Definition des Glaubens der Einfältigen HUGOS V. ST. VICTOR, De sacr. I, 10, 3 MPL 176, 331 D). Ähnlich ALANUS ebd. I, 44 MPL 210, 350 bei BEUMER S. 211. Auch Alanus macht sich mit der jüdischen Exegese vertraut bzw. mit der talmudischen Parallele der christlichen Dreizeitalterlehre, oben S. 130 Anm. 28. Ein neuer, mit Vernunftgründen argumentierender Typus der Religionspolemik (oben S. 51 ff.) gegen Juden oder Häretiker (Anselm v. Havelberg, u. S. 64 ff.) ist das Kennzeichen d. 12. Jhs. Zum Aufklärungsbegriff oben S. 164 Anm. 1.
14. JOACHIM VON FIORE, Super quat. Evang. 105; LUBAC, Exégèse III S. 144, Anm. 2.
15. PETRUS ALFUNSI, Dial. MPL 157, 667 ff. (allmähliche Veränderung des Gesetzes). Über die Streitschrift siehe A.L. WILLIAMS, Adversus Judaeos, A Birds-Eye View of Christian Apologiae until the Renaissance, Cambridge 1935 S. 233 ff. Die Streitschrift bereitete den Weg für eine neue Art der Polemik gegen das Judentum. Die bisherige Polemik war gekennzeichnet durch die Annahme, die Juden hätten sich in keiner Hinsicht seit dem alttestamentlichen Israel geändert. Sie sollten daher als ewiges testimonium toleriert und in der Befolgung der lex scripta nicht behindert werden (A. LESCHNITZER, Die Juden im Weltbild des Mittelalters, Berlin 1935, insbes. S. 25; vgl. unten S. 75). Im gleichen Sinne werden noch Abner und Paulus von Burgos die Ausführungen des Maimonides über die Entwicklung des Gesetzes (unten Anm. 17) aufgreifen und umwandeln (WILLIAMS S. 271; zur Offenbarungsgeschichte der Trinität bei Abner [Alfonsus von Valladolid] J.F. BAER, A History of the Jews in christian Spain [hebr.], Tel Aviv 21959 S. 192 ff.). Doch mit der Kenntnis des jüdischen nachbiblischen Schrifttums bei christlichen [169]Autoren (oft durch konvertierte Juden), auch mit der Kenntnis der karaitischen Ablehnung des »mündlichen« Gesetzes, kam eine neue Argumentation auf: die Juden hätten durch verwerfliche Zusätze zum Gesetz gewissermaßen eine auch mit dem mosaischen Gesetz unvereinbare Häresie begangen. Das ist der wesentliche Grund neben der vermeintlichen Blasphemie in der Verfolgung und Verbrennung der Talmudbücher im 13. Jh., deutlich z. B. im Brief Innozenz IV. an Ludwig den Heiligen vom 9. Mai 1244 (S. GRAYZEL, The Church and the Jews in the XIIIth Century, Philadelphia 1933 S. 250 f. Zum jetzigen Stand der Diskussion über die Verbrennung und die vorausgegangene Disputation J.F. BAER, Zur Kritik der Disputationen des R. Jechiel von Paris und des R. Mosche ben R. Nachman, Tarbiz 2 (1931) S. 172 ff.; J. ROSENTHAL, The Talmud on Trial, JQR 47 (1956—7) S. 150 ff.; E. URBACH, Baalei hatosaffot [hebr.], Jerusalem 1955, S. 371 ff.; J. KATZ, Exclusiveness and Tolerance [hebr.: bejn jehudim legojim], Jerusalem 1960 S. 109 ff.). Der Beginn dieser Art der Argumentation, die bis Eisenmenger fortdauert, ist im 12. Jh. anzusetzen. PETRUS VENERABILIS, der sich z. T. auf Petrus Alfunsi stützt, kennt sie: Profero tibi coram universis, o Judaee, bestia, librum tuum, illum talmud tuum, illam egregiam doctrinam tuam, propheticis libris et cunctis sententiis authenticis praeferendam (Tract. adv. Judaeorum inveteratam duritiem c. 5 MPL 189, 602 C—D). Über die Kenntnis, die Alanus ab Insulis von Stellen des chelek (Sanhedrin) hatte, haben wir oben (S. 15) berichtet. Über lateinische Übersetzungen des Kapitels im 13. Jh. CH. MERCHAVIA, Zur Frage Raschis im Kapitel »Chelek«, Tarbiz 33 (1964) S. 259 ff. Grundlegend zur polemischen Lit. überhaupt E.E. URBACH, Étude sur la littérature polémique au moyen-âge, Rev. Etudes Juifs 1935. Ich hoffe, an einer anderen Stelle den hier angedeuteten Fragenkomplex ausführlicher beschreiben zu können.
16. BARON VI S. 141 ff.; S. 397 Anm. 169. In der antiken jüdischen Tradition z. B. Vajikra rabba 22, 8 (folgende Anm.) und zur Halacha: Menachot 29b (Akiba und Moses).
17. MAIMONIDES, Führer der Verirrten III, 32 (hier übers. nach der hebr. Übersetzung Tibons, hg. J. EBEN-SCHMUEL-KAUFMANN, Jerusalem 1947; in dt. Übers.: A. WEISS, Philos. Bibliothek 184 b, Leipzig 1924, S. 197 f.): »betrachtest Du die göttlichen Wirkungen (peulot elohiot), will sagen die natürlichen (tivijot) Wirkungen, so werden Dir aus ihnen die List Gottes (ormat haschem) und seine Findigkeit (tachbulato) in der Abstufung aller Angelegenheiten eines [170]Individuums (hadragat injene klal haisch injan achar injan) ersichtlich. So z. B. in der Abstufung der Bewegungen und der Glieder und ebenso ließ Gott seine List und Findigkeit walten (heerim veassa tachbula) in jedem einzelnen der Säugetiere, das äußerst weich (gliedrig) bei seiner Geburt sei (lihjotam keschejiwaled betachlit harakut) und nicht mit trockener (harter) Speise ernährt werden könne bis die Glieder sich allmählich und stufenweise erhärten (rischon rischon behadraga); und auf gleiche Weise der Führung und vom selben erhabenen Führer ist vieles in unser Gesetz (tora) aufgenommen worden, so (der Grundsatz), daß nichts plötzlich von einem Extrem ins andere hinüberwechseln kann (schei efschar latset min hahefech el hahefech pitom), und daher es der menschlichen Natur nicht entspricht, von allem Gewohnten plötzlich abzulassen; und zur Zeit, als Gott Moses, Friede sei ihm, ausgesandt hatte, um uns zu einem ›Priesterreich und heiligem Volk‹ (Exod. 16, 6) zu machen war der in aller Welt verbreitete Brauch, an welchen alle gewöhnt waren, und der Kult, in welchem man aufwuchs, die Opfergaben von Tieren aller Art in jenem Tempel, in dem man Götzenbilder (zlamim) aufstellte. Damals befahl seine (Gottes) Weisheit und List, die sich in allen seinen Geschöpfen offenbart, daß wir jene Dienstformeln gänzlich abschaffen sollen, denn dieses würde keiner aufnehmen, da die Natur des Menschen ist, stets dem Gewohnten nachzugehen (kefi teva haadam, schehu note tamid lamurgal)«; ähnliches Vajikra rabba 22, 8 ed. M. MARGULIES, Jerusalem 1956 III S. 517 f. Im folgenden über die allmähliche Erziehung zur Freiheit usf. Vgl. auch III, 35: notwendig in seiner Zeit. Über die Anfänge der historischen Betrachtung der Gesetze J. GUTTMANN, Philosophie des Judentums, Gesch. d. Philosophie in Einzeldarstellungen I, 3, München 1933, S. 204; ebd. über den Einfluß des Maimonides auf die Anfänge der Religionswissenschaften im 17. Jh.; und BARON a. a. O. (mit Literatur; Maimonides interpretiert die Einführung einiger Gesetze als Notwendigkeit für eine Agrargesellschaft im Unterschied zur gegenwärtigen Urbangesellschaft, so die Bestrafung von Diebstahl). Daß Jesus und Mohammed gekommen sind, auch um den Weg für den König-Messias zu ebnen (lejascher derech lamelech hamaschiach; Mischne tora, Hilchot melachim XI) gehört ebenso in diesen Zusammenhang der evolutionären Geschichtsdeutung wie seine Interpretation von jemot hamaschiach als historische Zeit. (Darüber SCHOLEM, Messianische Idee S. 50 ff.; ebd. Lit.). Ohne Zweifel werden, neben der Geschichtsphilosophie [171]Vicos, Lessings, Herders und Hegels auch diese und ähnliche Ausführungen des Maimonides auf die erste systematische Geschichtsphilosophie des Judentums, auf den More Nebuche Hazman (Führer der Verirrten der Zeit) des Nachman Krochmal gleichermaßen Einfluß gehabt haben; nur ist »Entwicklung« bereits individualisiert gedacht als Entfaltung des Volksgeistes; aber »mittelalterlich« ist noch der Versuch einer eschatologischen Gegenwartsbestimmung mittels des Entwicklungsgedankens. Siehe auch oben S. 15 u. Anm. 30.
18. Topographia Hibernica III, 10, Giraldi Cambrensis opera V, ed. J.F. DIMOCK, Chronicles & Memorials of Great Britain and Ireland in the Middle Ages, (Rolls series) 21, 5 London 1867, S. 149 ff., Zitat: S. 151. Vgl. P. KIRN, Aus der Frühzeit des Nationalgefühls, Leipzig 1943, S. 92 ff., insbes. S. 95 f.
19. Ebd.: Cum enim a silvis ad agros, ab agris ad villas, civiumque convictus, humani generis ordo processerit, gens haec, agriculture labores aspernans, et civiles gazas parum affectans, civiumque iura multum detractans, in silvis et pascuis vitam quam hactenus assueverat nec desuescere novit nec descire.
20. Ebd. S. 153. Maßlosigkeit: III, 27 S. 173: Sunt tamen nonnulli inter hos optimi, et sine fermento sincerissimi. Est enim gens haec cunctis fere in actibus immoderata, et in omnes affectus vehementissima. Unde et sicut mali deterrimi sunt, et nusquam pejores, ita et bonis laudabiliores non reperies. Freiheit: III, 46, S. 189; Treulosigkeit: III, 19, S. 165.
21. Als Einteilungsprinzip der Weltgeschichte von Isidor von Sevilla eingeführt, freilich als chronologisches Prinzip, das es bei Augustin nicht war (oben S. 155 Anm. 202). Am ausführlichsten von BEDA, De temp. rat. MG AA XII, 247 ff. nach De Gen. con. Man. dargestellt; neben der augustinischen Periodeneinteilung gelangte über England auch eine andere Sechsteilung in die hochmittelalterliche Literatur, die das dritte Zeitalter mit Moses (anstatt David) beginnen läßt. Hierzu M. FÖRSTER, Die Weltzeitalter bei den Angelsachsen, in: Neusprachliche Studien, Festgabe Karl LUICK (Die Neueren Sprachen, Beiheft 6) Marburg 1925, S. 183 ff.; 190 ff. (nicht-augustinische Reihe). SCHMIDT, Aetates mundi S. 308 ff.; A.-D. VON DEN [172]BRINCKEN, Studien zur lateinischen Weltchronistik bis in das Zeitalter Ottos von Freising, Düsseldorf 1957 S. 90 ff. Als Einteilungsschema der Kirchengeschichte GREGOR D. GR. Mor. I, 12, 19 MPL 76, 108 (Hier die drei aetates der Kirche: pueritia, iuventus, adolescentia als Sinnbild der Trias). Zum Weinberggleichnis fügt Gregor seiner Quelle (HIERONYMUS, Comm. in Ev. Math. III, 20 MPL 26, 145 ff.) die Aetateslehre hinzu (Hom. in Ev. I, 19 MPL 76, 1154 f.); vgl. TAJO, Sententiae III, 4 MPL 80, 853 f.: Sciendum est quia sicut in corpore, ita etiam sunt incrementa aetatis in mente; es folgt die Aetateseinteilung nach dem Weinberggleichnis im Anschluß an Gregor; vgl. auch Sent. II, 12 MPL 80, 792. Weinberggleichnis und Aetates seit Augustin GRUNDMANN, Studien S. 88; SCHMIDT S. 301 ff. Es stimmt zwar, daß der Weltchronistik und mithin der Beschäftigung mit der Weltgeschichte und ihren Periodisierungsschemata nach wie vor die Aufgabe zukam, »dem Gläubigen die Einsicht in das chronologische Koordinatensystem der Heilsgeschichte, mit dessen Hilfe der eigene Standort innerhalb der temporum series« bestimmt werden konnte, zu gewähren (so H. BEUMANN, Topos und Gedankengefüge bei Einhard, AKuG 33, 1951, S. 337 ff., S. 345). Aber weder von einem Abschätzen der Zeit, die bis zum Ende übriggeblieben ist, noch von einer Bestimmung des heilsgeschichtlichen Ortes der unmittelbaren Gegenwart innerhalb der sexta aetas auf anderem Wege kann die Rede sein, sondern stets nur von einer Wiederholung der Bestimmung der Gegenwart als aetas sexta. So ist auch GREGOR VON TOURS, Hist. Fran. Prol. l. ed. KRUSCH-LEVISON MG SS. rer. Mer. I S. 3 (bei BEUMANN ebd. Anm. 25) zu verstehen: Illud etiam placuit propter eos, qui adpropinquantem mundi finem disperant, ut, collectam per chronicas vel historias anteriorum annorum numeram, explanitur aperte, quanti ab exordio mundi sint anni. Über die Behauptung hinaus, daß das Ende naht, weil das gegenwärtige Zeitalter als sechstes errechnet werden kann, läßt sich auch nach Gregor keine Aussage machen.
22. Siehe oben S. 39, 41 f.; unten 173 Anm. 23; 56 f.
22a. Die Bezeichnung »apokalyptisch« hat hier für uns die gleiche Bedeutung wie im I. Kap.; doch einige Unterschiede zur Antike seien hier angedeutet. Die »apokalyptische« Endzeitbestimmung ist nicht mehr einheitlich. Dreierlei ist nunmehr darunter zu verstehen: (1) Formen der Endzeitberechnung, die seitens der Theologie stets bekämpft wurden (daß dies nicht bloß für die jüdischen und christlichen Lehrmeinungen gilt, sondern für den Islam [173]ebenfalls, zeigt I. GOLDZIEHER, Vorlesungen über den Islam, Heidelberg 1910 S. 229 f. und Anm. 15). Das gleiche gilt für die Berechnung des Tausendjährigen Reiches und im Spätmittelalter für die astrologischen Geschichtsspekulationen. (2) Formen der Endzeitbestimmung, die zwar keine Jahreszahlen, wohl aber Ereignisund Gestaltenfolge voraussagen, die mit der Gegenwart beginnen. (3) Auch bei der Apokalyptik der letztgenannten Art hebt sich die Gruppe ab, deren Weissagungen nur den Nachweis liefern sollen, daß die Endzeit noch nicht angebrochen ist. Von dieser Art ist der größte Teil mittelalterlicher Apokalyptik bis zum 13. Jh. Diese Differenzierungen entstanden aus dem verständlichen Grunde, daß der Gegensatz zur Apokalyptik diese selbst affizierte und verwandelte.
23. MG Registrum Epp. Gegorii, ed. HARTMANN 1899, II Ep. XI, 37, S. 309; BEDA, Historia Ecclesiastica I, 32 ed. C. PLUMMER, Venerabilis Bedae opera historica, Oxford 1896 (Neudruck 1946) S. 69; (XI, 66 MPL 77, 1203): Praeterea scire vestram gloriam volumus, quia, praesentis mundi iam terminus iuxta est, et sanctorum regnum venturum est, quod nullo umquam poterit fine terminari. Appropinquante autem eodem mundi termino, multa inminet, quae antea non fuerunt; videlicet inmutationes multa inminet, de caelo et contra ordinationem temporum tempestates, bella, fames, pestilentiae, terrae motus per loca Vos itaque siqua ex his evenire in terra vestra cognoscitis, nullo modo vestrum animum perturbetis, quia idcirco haec signa de fine saeculi praemittuntur, ut de animabus nostris debeamus esse solliciti, de mortis hora suspecti et venturo iudici in bonis actibus inveniamur esse praeparati.
23a. Sie ist schon bei AUGUSTIN (DCD XVIII, 50 f. CCSL 48, 648 f.) vorhanden, freilich nur um zu beweisen, daß die ecclesia stets in Verfolgung lebt.
24. W. KAMLAH, Apokalypse und Geschichtstheologie, die mittelalterliche Auslegung der Apokalypse vor Joachim von Fiore, Historische Studien hg. v. E. EBERING, 285, Berlin 1935, S. 61 ff. (Zitat S. 62 f.), insbes. S. 64 ff. Am Beispiel der apokalyptischen Pferde kurz dargestellt auch bei E. MEUTHEN, Der Geschichtssymbolismus Gerhohs von Reichersberg, in: Geschichtsdenken und Geschichtsbild im Mittelalter, hg. W. LAMMERS, Darmstadt 1961, S. 207 ff. Hingegen GREGORS symbolische Deutung des incrementum ecclesiae Mor. XXV, 17 MPL 76, 758 f.: er deutet die 120, die in Jerusalem den Hl. Geist erwarten werden, als Summe der Zahlen [174]1—15, da 8 Ewigkeit, 7 universitas temporalitalis zusammen 15 ergeben und die Summe der Zahlen das incrementum ecclesiae versinnbildlicht (BORST Turmbau II, 1 [1958] S. 433). Übernommen von GERHOH VON REICHERSBERG, De invest. Antichrist I, 19 Ldl III, 319 f., jedoch — und das macht den Unterschied — chronologisch konkretisiert (vgl. P. CLASSEN, Gerhoch von Reichersberg, Wiesbaden 1960, S. 225).
25. H. LÖWE, Von Theoderich d. Gr. zu Karl d. Gr., Das Werden des Abendlandes im Gesch.bild des frühen MA, DA 9 (1952) S. 353 ff., insbes. 363 ff. Seit dem Erscheinen Christi multae gentes a Romano imperio recesserunt heißt es auch in der Chronik ISIDORS, MG AA 11, 454 (LÖWE S. 367; neuerdings auch H. MESSMER, Hispania-Idee und Gotenmythus, Zürich 1960, insbes. S. 57 ff.: »Die Provinzialisierung des historischen Gesichtskreises«). »Neu« ist diese Auffassung bei RUPERT V. DEUTZ (in Apok. X, 17 MPL 169, 1143; De vict. verbi Dei VI, 11 MPL 169, 1345), wie ADAMEK S. 89 ff. meint, nicht. Über die Entwertung der konstantinischen Wende im Frühmittelalter im allgemeinen LÖWE, Von Theoderich , S. 360 ff.; für BEDA dagegen ist die konstantinische Wende die Zäsur, nach der »die Christen aus ihren Höhlen, Wüsten und Wäldern« endgültig in die Öffentlichkeit zurückkehrten (wenn auch nur vom »Ende einer Verfolgung« die Rede ist): HE 1, 8 (ed. PLUMMER S. 22), und das Beispiel Konstantins gilt ihm als Typus der Christianisierung. Der Fall Roms bleibt wiederum nur Episode.
26. So LÖWE S. 379 ff., insb. 49 ff.; C. ERDMANN, Die nichtrömische Kaiseridee, in: Forsch. z. polit. Ideenwelt d. FrühMA, aus dem Nachlaß hg. v. F. BAETHGEN, Berlin 1951, S. 19 ff. Dagegen H. BEUMANN, Nomen Imperatoris, Studien zur Kaiseridee Karls d. Gr., HZ 185 (1958) S. 515 ff. insbes. S. 537 ff.
27. F.-C. SCHEIBE, Geschichtsbild, Zeitbewußtsein und Reformwille bei Alcuin. AKuG 41 (1959) S. 35 ff.
28. NOTKER V. ST. GALLEN, Gesta Karoli 1, 1 ed. H.F. HAEFELE, MG SS rer. Germ. NS 12 (1959) S. 1: Omnipotens rerum dispositor ordinatorque regnorum et temporum, cum illius admirande statue pedes ferreos vetestaceos comminuisset in Romanis, alterius non minus admirabilis statue caput aureum per illustrem Karolum erexit in Francis. Das gilt wohl nicht nur der Bildungsreform, mit deren Schilderung Notker fortfährt; der Zusammenhang mit der Bildungsreform ist aber wesentlich für die Bedeutung der fünften Monarchie. Zu dieser Stelle: LÖWE S. 400 f. und ders. in WL II S. 278 (Lit.); III, 352.
[175]29. LÖWE S. 389 (u. Anm. 136; Cathewulf). So auch ADSO VON MONTIER-EN-DER in seiner Epistola ad Gerbergam Reginam de ortu et tempore Antichristi, hg. E. SACKUR, Sibyllinische Texte und Forschungen, Halle 1898, S. 110: Dem Kommen des Antichrists geht die discessio regnorum a Romano imperio voraus. Hoc autem tempus nondum venit, quia, licet videamus Romanorum regnum ex maxima parte destructum, tamen, quamdiu reges Francorum duraverint Romani regni dignitas ex toto non peribit quia in regibus suis stabit. Adso versteht unter dem fränkischen Romerbe vor allem einen Rechtsanspruch; auch die Wendung qui Romanum imperium tenere debent deutet darauf hin.
30. Zuletzt W. GOEZ, Translatio Imperii. Ein Beitrag zur Geschichte des Geschichtsdenkens und der politischen Theorien im MA und in der frühen Neuzeit, Tübingen 1958, S. 77 ff. Die erste bekannte Anwendung des Begriffes auf die Franken ist bekanntlich in der Vita Willehadi (MG SS II S. 381) gefunden worden.
31. A. HAUCK, Kirchengeschichte Deutschlands, Berlin 91958, III S. 491 f.; E. BERNHEIM, Mittelalterliche Zeitanschauungen in ihrem Einfluß auf Politik und Geschichtsschreibung, I. (einziger) Teil: Die Zeitanschauungen, Tübingen 1918 S. 74 (S. 63 ff. zur Eschatologie überhaupt). P.E. SCHRAMM, Kaiser, Rom und Renovatio. Studien zur Gesch. des römischen Erneuerungsgedankens vom Ende des karolingischen Reiches bis zum Investiturstreit, Leipzig 1929 II, 15; GRUNDMANN, Studien S. 81 Anm. 2 (Lit.); ADAMEK S. 78 ff.; C. VOORMANN, Studien zu Odo von Cluny, Diss. Frankfurt 1951, S. 38 ff. (Lit.); H. FOCILLON, Lan mille, Paris 1952, insbes. S. 41 ff., 54 ff.; A. TÖPFER, Das kommende Reich des Friedens, Zur Entwicklung chiliastischer Zukunftshoffnungen im Hochmittelalter, Forschungen z. mittelalterlichen Gesch. hg. v. H. SPROEMBERG u. a. H. 11, Berlin 1964 S. 12 ff.; BORST, Katharer S. 72, Anm. 2 mit dem Hinweis auf Rodulfus Glaber, Hist. II, 12. Aber gerade Glaber (unten S. 77 ff.) bringt uns auf einen bisher verkannten bzw. auf ein Jahrhundert später angesetzten Tatbestand. Endzeiterwartungen mögen weder intensiver noch verbreiteter gewesen sein (das läßt sich bei der Beschaffenheit ihrer Wiedergabe selten abwägen); sie regen aber einen Denker (wie Glaber), der durchaus auf der Höhe der theologischen Bildung steht, zu einer Antwort an, die zwar vor Endzeitberechnungen warnt, in der Sache aber insofern umschwenkt, als auch sie den Versuch einer genaueren Bestimmung der eigenen Zeit in der Heilsgeschichte enthält, also den Versuch einer Gegenkonstruktion.
[176]32. Außer der Untersuchung SACKURS (oben Anm. 29) siehe C. ERDMANN, Endkaiserglaube und Kreuzzugsgedanke im 11. Jh. ZKG 51 (1932) S. 384 ff. (Rainer von Florenz, kumäische Sibylle, Benzo von Alba, Überarbeitungen Adsos) und die allgemeinen Darstellungen von F. KAMPERS (Die deutsche Kaiseridee in Prophetie und Sage, München, 21896, S. 26 ff., insbes. 45 ff.) sowie neuerdings von N. COHN, Das Ringen um das tausendjährige Reich S. 22 ff., 38 ff. (Tanchelm u. Eudes v. Stella, Kreuzzüge usf.) 54 ff., bei dem jedoch eine Analyse der Literaturgattung fehlt, und TÖPFER a.a.O. Über apokalyptische Stimmungen im ersten Kreuzzug siehe P. ALPHANDÉRY, La Chrétienté et lidée de Croisade I, Paris 1954 S. 50 ff., 73 ff., 127 ff., 160 ff. und J. PRAWER, A History of the Latin Kingdom of Jerusalem, (hebr.), Jerusalem 1963 I S. 95 ff., 143 f. Am Ende des 12. Jh. dringen unter arabisch-jüdischem Einfluß astrologische Motive in die Prophetie hinein; H. V. GRAUERT, Meister Johann von Toledo, SB der Münch. Ak. d. Wiss., phil-hist. Kl. (1901), S. 111 ff.; dazu F. BAER, Eine jüdische Messiasprophetie auf das Jahr 1186 und der dritte Kreuzzug, MGWJ 70 (1926) S. 113 ff. (Rückführung auf das Buch Magillat hamegalle [oben S. 128 Anm. 24] und auf die messianische Bewegung des David Alrai). Vgl. auch J. EBEN-SCHMUEL, Midresche Geula, Jerusalem 1954 (hebr.), S. 261 ff. Zur arabischen Apokalyptik der Zeit s. R. HARTMANN, Eine islamische Apokalypse aus der Kreuzzugszeit, Schr. d. Königsberger Gelehrten Gesell., geisteswiss. Kl., 1. Jahr Heft 3 (1924) S. 89 ff. Erst nach Abschluß der Arbeit wurde mir das Buch von TÖPFER zugänglich. Dem Verfasser ist der Gegensatz Revolution — Evolution erst mit Anselm von Havelberg (S. 22 ff.; Revolutionsgedanke, S. 11 ff.) demonstrierbar, wohingegen wir diesen Gegensatz als wesentlich in der Ausbildung der Geschichtstheologie überhaupt erkennen wollen.
33. Z.B. BERNHARD VON KONSTANZ Ldl I S. 513, DEMPF S. 211; von den Zeugnissen einer Aktualisierung der Exegese ist der an Mathilde von Tuscien gerichtete Kommentar zum Hohen Lied eines der interessantesten. Zu 1, 4 (capite nobis vulpes parvulas, que demoliuntur vineas etc.) heißt es: vulpes sunt heretici ›Que demoliuntur vineas‹ id est ecclesias dei ; diese destructio wird mit der discessio a Romano imperio gleichgesetzt, und dieses kann nach unserem Exegeten nicht mit dem rex Romanorum gleichgesetzt werden, da das Römerreich sich schon lange in Auflösung befindet. Also kann nur vom Papst, dem wahren imperator Romanorum, die Rede sein. Aber wiederum heißt es nicht: die [177]Vorgänge der Zeit sind Endzeitvorgänge, sondern: sie könnten es werden, wenn das wahre Imperium, das Papsttum, nicht verteidigt wird. Das soll vornehmlich die (heilsgeschichtliche) Aufgabe Mathildes sein. — Abgedruckt u. kommentiert von B. BISCHOFF, Der Canticumkommentar des Johannes von Mantua, in: Lebenskräfte in der abendländischen Geistesgeschichte, Dank und Erinnerungsgabe an Walter GOETZ , hg. v. B. BISCHOFF u. a., Marburg 1948, S. 22 ff., Zitate, S. 41 f. Es ist kein Zufall, daß diese und ähnliche Beispiele (Rainer v. Florenz, oben Anm. 32) der Reformpartei entstammen.
34. So war z. B. Bedas Hinwendung zur hebraica veritas in der Errechnung der Weltaera auch vorbeugend gegen Endzeitberechnungen auf 6000 Jahre gedacht; W. LEVISON, Beda as Historian, in: Aus rheinischer u. fränkischer Vorzeit (Ausgew. Aufsätze), Düsseldorf 1948, S. 352; BRINCKEN, Studien S. 110 f. zur Epistola ad Pleguinam. Eine positive Gegenwartsbestimmung in der sexta aetas fehlt auch bei ihm.
35. Außer der unten S. 209 Anm. 173 genannten Lit.: W. FREUND, Modernus und andere Zeitbegriffe des Mittelalters, einige Bemerkungen auch bei E.R. CURTIUS, Europäische Literatur u. lateinisches Mittelalter, Bern 31961, S. 256 ff.; weiteres unten S. 84 ff.
36. Zwar heißt es (ed. SACKUR, S. 111): Damit nicht der Antichrist subito et improvise komme, werden Henoch und Elias voraufgeschickt; aber auch dies gehört bereits zum eschatologischen Endakt. Auf die Aufhebung der Naturordnung bezieht sich die Stelle, in der es vom Antichrist heißt, er werde Naturkatastrophen und -umwälzungen plötzlich herbeiführen (S. 108: arbores subito florere et arescere etc.). Am unvorbereiteten »sogleich« oder »sobald als « liegt die Anziehungskraft der Endzeitverkündigung. Caeterum anno stellae de coelo cadentes apparuere, ita ut omnes qui hoc viderunt, instantis saeculi consummationem esse putarent heißt es in einer Nachricht der Historia Miscella (MURATORI I, 1 S. 159) z. J. 763, die z. B. von SIGEBERT V. GEMBLOUX übernommen wurde (MG SS VI S. 333). quod statim finito mille annorum numero Antichristus adveniret, et non longe post universale iudicium succederet war der Inhalt der Endzeitpredigt, die Abbo von Fleury bekämpfte; von einer anderen Weissagung, die besagte, das Ende werde absque ullo scrupulo mit dem Aufeinanderfallen von Karfreitag und Annuntiation, sagt Abbo, sie sei in der ganzen Welt verbreitet gewesen; das heißt zumindest, daß er sie von verschiedenen Quellen zu hören bekam (ABBO V. FLEURY, [178]Apologeticus ad Hugonem et Rodbertum Reges Francorum, MPL 139, 461 ff., Zitat col. 471 f.; WADSTEIN S. 15). Zur grundsätzlichen Bedeutung der Plötzlichkeit siehe auch oben S. 11 ff.
37. Der Ausdruck ist joachimitisch, nicht aber die Sache. JOACHIM VON FIORE, Liber figurarum, ed. TONDELLI, libro delle figure, 1, S. 43, Enchrid. in Apokal., ed. J.C. HUCK, Joachim von Floris und die joachimitische Literatur, S. 290; ähnlich Vita Urbani III Papae c. 3, MURATORI III, 476, 1 (DU CANGE s.v. Aetatuncula): Liber Apokalypsis aetatis sextae a Christo incohante decursum exponit, ipsamque aetatem sextam in sex aetatunculas depertitam
38. So etwa HONORIUS AUGUSTODUNENSIS, Spec. Ecclesiae, MPL 172, 1079 f. (Vigilien und Lebensalter.) Die besondere Neigung Hildegards von Bingen zur biologisierenden Metaphorik hat mit einem Versuch der vernünftigen Begründung der Heilsgeschichte wenig zu tun, wohl aber mit der Gleichung Makrokosmos-Mikrokosmos, als welche schon Beda die Aetateslehre hinstellte. An Tertullian erinnert Liber divinorum operum III, 7, 16 MPL 197, 978B: Et prophetia verbis infantium similis erat, quorum verba intelligi non possunt, sed postquam maturiores fuerint, tunc verba ipsorum intelliguntur, et sic ante incarnationem Verbi prophetia ignota fuit, nec intelligebatur; in christo autem aperiebatur, quia ipse radix ramorum omnium bonorum existit. Radix enim primum gramen profert, et gramen germen, deinde germen ramos, rami vero flores et flores fructum: et sic etiam et radix Adam ostendit, gramen patriarchas, germen prophetas, rami sapientes, flores vero legalia praecepta, fructus autem Filium Dei incarnatum, qui per aquam fideles et credentes in remissionem peccatorum reduxit. (Hierzu mit anderen Beispielen aus der Zeit LUBAC, Exégèse III S. 353); ob hier, wie bei Tertullian, Anlehnung an den Clemensbrief vorliegt? Zur Benutzung der Pseudoclementinen im folgenden vgl. auch die von J.C. HUCK, Joachim von Floris und die joachimitische Literatur, Freiburg 1938, S. 287 aus dem Cod. lat. Paris No. 2042 fol. 96 gedruckte Stelle: Ita enim genus humanum post culpam primi hominis ad sui conditoris noticiam gradatim redire decebat, ut quod primo tempore radicaret in patre, secundo germinaret in filio, tercio in spirito sancto fructus experiretur dulcedinem Vgl. auch HILDEGARD ebd. III, 7, 2 MPL 197, 962 D; III, 7, 9 MPL 197, 969. Über die Einteilung der Zeitalter in »männliche« und »weibliche« und deren vermutliche Abhängigkeit von den Pseudoclementinen H. LIEBESCHÜTZ, Das allegorische Weltbild der heiligen Hildegard von Bingen, Studien der Bibl. [179]Warburg, hg. v. F. SAXL 16, Berlin 1930, S. 119 ff., insbes. S. 142 ff.; TÖPFER S. 33 ff. Hildegard sieht die »männliche« Epoche mit Heinrich IV. von der »weiblichen« abgelöst; auch für sie ist die Zeit Gregors VII. die Wende. Gerade diese Gedankenreihen zeigen aber, wie wenig »Vision« und »Deutung« bei Hildegard mit Prophetie oder gar apokalyptischer Prophetie gemein haben. Nur ist die Begründung keine unmittelbar exegetische, sondern eine scheinbar apodiktisch-visionäre. Ob die »docta ignorantia« Hildegards eine subjektive Wahrheit ist, wage ich nicht zu entscheiden. Wichtig für unseren Zusammenhang ist die Tatsache, daß bei Hildegard ein Merkmal des »deutschen Symbolismus« besonders deutlich zum Ausdruck kommt: die Betrachtung der Geschichte als Teil des kosmischen Dramas. Wir werden sehen, daß den organologischen Metaphern in der reflektierenden Geschichtsschreibung eine andere, vom Kosmischen abstrahierende Funktion zukam.
39. Z.B. RICHARD VON ST. VICTOR, Expositio in Apokalypsim, MPL 196, 764 f. (hierzu KAMLAH, Apokalypse S. 118, Anm. 4); siehe auch oben S. 52. Diese Erkenntnislehre gipfelt in der historisierenden Bewertung der bisherigen Geschichtstheologie bei Joachim von Fiore. Joachim hatte zwei methodische Ausgangspunkte: die Ablehnung von Pseudoprophetie und Endzeitberechnung und ihr Ersatz durch die solide Grundlage der concordantia ließ die Frage aufkommen, warum seine Wahrheiten neu sind und nicht schon vor ihm »entdeckt« wurden. Seine Antwort bestand bekanntlich im Hinweis auf die fortschreitende Selbsterkenntnis jedes Zeitalters. GRUNDMANN, Studien S. 71 (Joachims Stellungnahme zur herkömmlichen Trias, Expos. in Apokal. Venedig 1527, Neudruck Frankfurt/M. 1964, Introd. V, 5, c.)
40. Concordantia Veteris ac Novi Testamenti, Venedig 1519 (Neudruck Frankfurt/M. 1964) II, 1, 5 Bl. 8 c—d. Eine ausführliche Begründung für die Unterscheidung zwischen Entwicklungs- und Fortschrittsbegriff im Denken Joachims versucht. E. BENZ, Die Kategorien S. 30 ff; DERS., Ecclesia Spiritualis, Kirchenidee und Geschichtstheologie der franziskanischen Reformation, Stuttgart 1934 (Neudruck Darmstadt 1964) S. 9 ff. Neuerdings auch DERS., Schöpfungsglaube und Endzeiterwartung, München 1965 Kap. III: Endzeiterwartung und Entwicklungslehre im Mittelalter, S. 62 ff. Daß Joachim »der erste Geschichtstheologe, der den Begriff des Fortschritts in die Geschichtstheologie eingeführt hat« sein soll (S. 51), [180]ist unverständlich. Wichtig S. 59 zur Dialektik von Entwicklung und Umwälzung.
41. Oben S. 52. Bei einem anderen Zeitgenossen heißt es zum Glaubensfortschritt, der Glaube der simplices im Zeitalter des AT genügte der Urkirche propter qualitatem temporis nicht mehr (HILDEBERTUS CENONANENSIS, Sermones in Septuagesima, MFL 171, 1073). Gemeinsam ist auch die Vorstellung von Zwischenperioden oder sich überschneidenden Perioden, die wir außer bei Hugo von St. Victor in besonderer Deutlichkeit bei Anselm von Havelberg finden werden. Über Joachim und sein Verhältnis zum »deutschen Symbolismus« neuerdings auch M.W. BLOOMFIELD, Joachim of Flora, A Critical Survey of his Canon, Teachings, Sources, Biography and Influence, Traditio XIII (1957) S. 248 ff., insbes. S. 278 ff.
42. Vor Joachim wurde mit Recht nur die Zuordnung der drei Zeitalter ante legem, sub lege, sub gratia zu je einer Person der Trinität bei Rupert von Deutz erwähnt. (GRUNDMANN, Studien S. 91 u. a.). Keinen Zusammenhang mit den Lehren Joachims hat die modalistische Lehre des Spaniers Migetius (8 Jh.) von den Offenbarungsstufen des Vaters in David, des Sohnes in Christus, des hl. Geistes in Paulus (ELIPANDUS VON TOLEDO, Ep. ad Miget. 3, MPL 96, 860 f.); HAUCK, KG II S. 298 ff.; R. SEEBERG, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Darmstadt 61959 III S. 58. Das gleiche gilt für die vagen Andeutungen bei Johannes Scotus Erigena, daß das ZA des hl. Geistes in der historischen Zeit beginnt (Comm. in Evang. Joh., MPL 122, 308: die Geschichte des Priestertums im ZA des natürlichen und schriftlichen Gesetzes, der Gnade und der vollen Wahrheit). Nur der vielleicht ausgeprägteste Gedanke, daß das Weltende kein plötzlicher, sondern ein allmählicher Vorgang in der Erkenntnis selbst ist, kommt bei Erigena zum Ausdruck (REUTER, Aufklärung I S. 61 f.; E. WADSTEIN, Die eschatologische Ideengruppe: Antichrist, Weltsabbat, Weltende und Weltgericht in den Hauptmomenten ihrer christlich-mittelalterlichen Entwicklung, Leipzig 1896, S. 43). Dies ist aber nicht, wie BOAS, Primitivism S. 202 meint, eine Vorform joachimitischer Gedanken. Richtig: GRUNDMANN S. 95 Anm. 1.
43. MEUTHEN S. 245 f.
44. GERHOH V. REICHERSBERG, De investigatione Antichristi, Ldl III S. 307 f.; CLASSEN S. 223; ähnlich schon LIEBESCHÜTZ, Hildegard S. 138 ff. Vgl. TÖPFER S. 28 ff.
45. De inv. Antich. III, 9 ed. SCHEIBELBERGER, Opera hactenus inedita I, Linz 1875, S. 371; CLASSEN S. 233. Das Bild von der Morgenröte [181]auch in: De quarta vigilia noctis 13, Ldl III, 514 (CLASSEN S. 294). Vgl. VIVIANI PRAEMONSTRATENSIS Harmonia sive tractatus de libero arbitrio et gratia, MPL 166, 1321 ff. col. 1327 (zu adveniat regnum tuum): Regnum hoc necdum ex toto pervenit in nos, quotidie tamen paulatim adveniat, sensimque magis ac magis dilatat terminos suos Vgl. auch HEINRICH VON ALBANO, De peregrinante civitate Dei I, MPL 204, 260 B (ebd. col. 267 die allmähliche Vorbereitung des Evangeliums, ebd. II col. 287 C der gleiche Gedanke in Verbindung mit der von Heinrich oft aufgeführten Aetateslehre. Über das Hervorheben der individuellen Annäherung zum himmlichen Jerusalem durch die Teilnahme am Kreuzzug im Gegensatz zur nur sekundären Bedeutung des irdischen Kreuzzugszieles beim Kardinal dAlbano und Kreuzzugsprediger siehe PRAWER II S. 7 ff. Ebd. auch zu Gerhoh als Kritiker des Kreuzzuges.).
46. SCHNEIDER S. 114. Zum Gespräch Gerhohs: CLASSEN a.a.O.
47. DCD XIV, 1 CCSL 48, 414; BORST, Turmbau II/1 S. 401 ff.
48. DCD XIX, 17 CCSL 48, 685; BORST, Turmbau, a.a.O.
49. ISIDOR, De eccles. officiis I, 44, MPL 83, 776 f.
50. GREGOR, Register I, 41 MG Epp. 1, 57; BORST, Turmbau II/1, S. 433.
51. MPL 143, 764; auf diese Stelle machte mich Prof. W. BERGES aufmerksam.
52. HRABANUS MAURUS, MG Epp. 5 (Epp. Kar. aevi 3) S. 520 Z. 15 ff. R. FAULHABER, Der Reichseinheitsgedanke in der Literatur der Karolingerzeit bis z. Vertrag von Verdun, Ebering, Hist. Stud. 204, Berlin 1931, S. 27 f.; LÖWE, folg. Anm.
53. H. LÖWE, Regino von Prüm u. d. historische Weltbild der Karolingerzeit, in: Geschichtsdenken u. Geschichtsbild, S. 91 ff.; »Geschichtsfeindlichkeit« ebd. S. 109. Vom »karolingischen Rationalismus« hat zuerst H. LIEBESCHÜTZ, AKuG. 33 (1950), S. 17 ff. gesprochen.
54. Ed. A. BORETIUS u. K. KRAUSE MG Capit. 2, 473 ff.; (MPL 114, 919 ff.); Lit.: WL III S. 322 (Anm. 102 ältere Literatur); HAUCK, KG II S. 677; DEMPF, Sacrum Imperium S. 159 f. (im Vergleich zu Agobard); BORST, Turmbau II, 1 S. 513 ff. (Sprachentwicklung).
55. De eccl. rer, conclusio S. 516 Z. 30.
[182]56. Das Folgende zu De eccl. rer. c. 2 S. 476. Vgl. AUGUSTIN oben S. 156 Anm. 210 (CSEL 44, 130).
57. Ebd.: consequenter etiam aedificationem templorum et sanguinis non solum animalis, sed etiam humani immolationem sibi fieri exposcebant.
58. De eccl. rer. c. 23, S. 499 Z. 19 ff.
59. Vgl. oben S. 52. Vgl. auch die folgende Stelle bei Walahfrid: Sicut autem supra ostendimus crescente in processu temporum religionis honore institutionum ecclesiasticarum usque ad plenitudinem decus crevisse, ita et huius mystici lavacri gradatim per temporum augmenta in maius celebratio crevit. c. 27 S. 509 Z. 17 ff.
60. De eccl. rer. c. 3 S. 477 f. (Kirchenbau); c. 7 S. 481 (Kirchensprache; dazu BORST a.a.O.): Multae res sunt apud singulas gentes, quarum nomina ante cognitionem ipsarum rerum apud alias incognita sunt; sicque fit saepissime, ut rerum intellectus alii ab aliis addiscentes nomina quoque et appellationes earum vel integre vel corrupte cum nova intelligentia in suam proprietatem trahant. Ut ab Haebreis Graeci, Latini et barbari amen, alleluia et osanna mutati sunt etc.
61. Für das Folgende, außer den bereits angeführten Stellen, De eccl. rer. c. 26, S. 507: Quia vero tanta est in ipsis diversitas officiis non solum pro varietate gentium ac linguarum, verum etiam in una gente vel lingua pro temporum mutatione vel magistrorum studiosa institutione, omittam quae infinita sunt, hoc tantum affirmans, quod plenarius officiorum ordo, qui nunc per Romanum orbem servatur, post antiquitatem multis temporibus evolutam institutus (institutis) et ad omnem eminentiam sanctae religionis est dilatatus. Crescente enim fidelium numero et haeresium pestilentia multiplicius pacem maculante catholicam necesse erat augeri cultum verae observationis, ut et clarior religio accedentium ad fidem animos invitaret et auctior cultus veritatis constantiam catholicorum adversus inimicos ostenderet.
62. Liber de synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis ed. F.G.A. WASSERSCHLEBEN, Leipzig 1840 (Nachdruck Graz 1964) S. 2 (ed. KURZE im Vorwort seiner Chronikausgabe, SS rer. Germ. Hannover 1890, S. XX); dazu LÖWE, Regino a. a. O. u. S. 125 Anm. 97; BORST, Turmbau II, 1 S. 538 f. P. KIRN, Aus der Frühzeit d. Nationalgefühls, Leipzig 1943, S. 36 (verweist nur auf CAESAR, De Bell. Gall. I, 1; VI, 11).
63. BORST Turmbau II, 2, S. 661.
64. Lib. de syn. causis oben Anm. 62.
[183]65. W. BERGES, Anselm v. Havelberg in der Geistesgeschichte d. 12. Jh., Jb. f. d. Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands 5 (1956) S. 38 ff. S. 56 f. Zur Ethik siehe auch K. FINA, Anselm v. Havelberg, Untersuchungen zur Kirchen- u. Geistesgeschichte d. 12. Jh., Diss. Würzburg 1955, S. 141 ff. 148 ff.
66. Dialogi III, 6 MPL 188, 1217; vgl. III, 2 MPL 188, 1211 c.
67. Dial. II, 24 MPL 188, 1204; dazu BERGES, Anselm S. 41.
67a. Ausgangs- und Anhaltspunkt ist stets das Gemeinsame: Anselm sowie Niketas halten sich in der Argumentation des II. Buches (des ersten der Disputation) eng an Gregor von Nazianz; Vgl. Dial. II, 1 MPL 188, 1165 mit GREGOR VON NAZIANZ, Oratio XXIX (Orat. theologica III, 2 ff.) ed. J. BARBEL = Testimonia, Schriften d. altchristlichen Zeit 3, hg. v. A. STUIBER, Düsseldorf 1963 S. 128 ff. Über weitere Anlehnungen (siehe auch unten Anm. 75) Anselms an Gregor, vgl. zu M. VAN LEE (s. folg. Anm.): Annuaire de lUniversité de Louvain 1936/39 S. 750 ff. sowie J. DE GHELLINCK, Le mouvement théologique du XIIe siècle, Bruxelles-Paris 121948 S. 375 ff., insbes. 376 Anm. 8. Wahrscheinlich war auch hier Burgundio von Pisa der Übersetzer. Von der modernen deutschen Literatur über Anselm wurde diese Entdeckung zum größten Teil übersehen, obwohl sie die Originalität Anselms, in den theologischen sowohl wie in seinen geschichtsspekulativen Ausführungen, mehr in die Anwendung und Verknüpfung von Ideen als in deren Formulierung verlegt. Über Verlauf und Struktur des Gesprächs siehe auch J. BEUMER, Ein Religionsgespräch aus dem 12. Jh., ZKTh 73 (1951) S. 465 ff; ebd. S. 467 f. Vernunft, Hl. Schrift, Konzilien; auch in diesem Aufsatz Beumers fehlt der Hinweis auf Gregor.
68. Dial. II, 22. 23 MPL 188, 1198 f., 1202; bei BEUMER S. 207 der Vergleich mit ANSELM VON CANTERBURY, De processu Sancti Spiritus 20, MPL 158, 315: Non tantum suscipere cum certitudine debemus, quae in sacra Scriptura leguntur, sed etiam ea, quae ex his, nulla alia contradicente ratione, rationabili necessitate sequuntur. Doch die eigentliche Quelle Anselms ist auch hier (vgl. die vorangegangene Anm. sowie unten Anm. 75) Gregor von Nazianz. Vgl. auch M. VAN LEE, Les idées dAnselm de Havelberg sur le dévelopement des dogmes, Anal. Praem. 14 (1938) S. 5 ff. Die Frage, ob Anselm auch nach den vier Konzilien weiteren Fortschritt erwartet, kann darum nicht beantwortet werden, weil er vom neuen zu berufenden Konzil nichts »Neues« erwartet. Man beachte die Betonung auf das paulatim auch an dieser Stelle bei Anselm und vgl. mit Dial. III, 14 MPL 188, 1230 C—D.
[184]69. Dial. II, 13 MPL 188, 1183 B: non subito accedere possumus; II, 27 MPL 188, 1209 B: Porro verba haec: Spiritus sanctus procedit a Filio, quoniam hactenus non sonuerunt publice in Ecclesiis Graecorum, nequaquam subito possunt induci, ut sine aliquo scandalo plebis vel aliquorum minus prudentium publice doceantur vel scribantur.
70. Dial. III, 19 MPL 188, 1239 C—D; III, 20 col. 1245 B; insbes. II, 27 MPL 188, 1209 B — 1210 A—B.
71. Dial. I, 13 MPL 188, 1160 A—B; KAMLAH, Apokalypse S. 69: »immerhin kann Gott sich einlassen auf die Zeit, ohne sich selbst aufzugeben. Man schiebt zwar gern den Teufel als Beweger des Geschehens vor, aber auch Gott kann varietas bewirken.« Der Gedanke ist nicht von Anselm allein ausgesprochen; wir fanden ihn schon bei Guibert v. Nogent, oben S. 51. Von fragilitas carnalium sprach Walahfrid Strabo in der Darlegung de göttlichen Akkommodation, oben S. 62.
72. BERGES, Anselm S. 52. Von einer »List der Vernunft« — der göttlichen Weisheit — sprach in der Tat Maimonides (ob. S. 169 Anm. 17), ohne dem Akkommodationsgedanken Wesentliches hinzugefügt zu haben. Über Gregor von Nazianz als Quelle unten Anm. 75.
73. Dial. I, 13 MPL 188, 1160 A; vgl. Hugo von St. Victor, De sacr. II, 6, 3 MPL 176, 345 D: Sciendum est quod divinae dispensationis ordo et ratio poposcit, ut sicut ab initio, procurrente tempore, magis et magis adventus salvatoris appropinquavit, sic semper magis ac magis effectus salutis cresceret et cognitio veritatis
74. Zur Epocheneinteilung Anselms: HAUCK, KG IV, S. 444; DEMPF S. 241 ff.; GRUNDMANN, Studien S. 92 ff.; KAMLAH, Apokolypse, S. 64 f.; J. SPÖRL, Grundformen hochmittelalterlicher Geschichtsschreibung, München 1935 S. 21 ff.; BERGES, Anselm S. 50 ff. Vgl. folgende Anm.
75. Dial. I, 5 MPL 188, 1147; man vergleiche Walahfrid Strabo oben S. 62 und Hugo von St. Victor oben S. 52. Die eigentliche, unmittelbare Quelle auch des Akkommodationsgedankens Anselms ist jedoch GREGOR VON NAZIANZ (siehe oben Anm. 67a), Orat. theol. V, 25 ff. ed. BARBEL S. 261; auch hier handelt es sich um eine teilweise wörtliche Übersetzung:
Orat. V, 25: | Dial. I, 5: |
DÚo gegÒnasi metaqseij b wn pifanej k toà pantÕj aînoj, a ka dÚo diaqÁkai kaloàntai, ka seismo gÁj, di¦ [185]tÕ toà pr£gmatoj peribÒhton: ¹ mn ¢pÕ tîn edèlwn p tÕn nÒmon, ¹ d ¢pÕ toà nÒmou prÕj tÕ eÙagglion. | Notandum est autem quod duae transpositiones sunt famosae vitae, et famosae religionis, quae [185]etiam duo Testamenta vocantur, et utraque cum attestatione terraemotus (vgl. Hebr. 12, 16, 18) propter ipsarum rerum magnitudinem. Haec quidem facta est ab idolis ad legem Haec autem a lege ad Evangelium, ubi terraemotus factus et magnus |
ka tr ton seismÕn eÙaggelizÒmeqa, t¾n nteàqen p t¦ kese met£stasin, t¦ mhkti kinoÚmena, mhd saleuÒmena. taÙtÕn d a dÚo diaqÁkai pepÒnqasi. t toàto; oÙk ¢qrÒwj metekin»qhsan, oÙd Ðmoà tÍ prètV kin»sei tÁj gceir»sewj. t noj neka; ednai g¦r ¢nagkaon. na m¾ biasqîmen, ¢ll¦ peisqïmen. tÕ mn g¦r ¢koÚsion oÙd mÒnimon. ìsper § b v katcetai tîn ∙eum£twn À tîn futîn: tÕ d koÚsion monimèterÒn te kai ¢sfalsteron. di¦ toàto paidagwgikîj te ka atrikîj tÕ mn Øfaire tîn patr wn, tÕ d sugcwre, mikrÒn ti tîn prÕj ¹don¾n ndidoÚj: | Tertius vero terraemotus futurus praedicator, quando, istis finitis et consummatis, ad ea transitus erit, quae neque amplius movebuntur. In istis duabus transpositionibus, sive mutationibus, divina sapientia tanta varietate paulatim usa est, |
lgo d t ; ¹ prèth t¦ edola perikÒyasa t¦j qus aj sunecèrhsen: ¹ deutra t¦j qus aj perieloàsa t¾n peritom¾n oÙk kèlusen: eta æj ¤pax dxanto t¾n Øfa resin, ka tÕ sugcwrhqn sunecèrhsan: o mn t¦j qus aj, Ði d t¾n peritom»n: ka gegÒnasin, ¢ntmn qnîn, 'Ioudaoi : ¢nt d toÚtwn, Cristiano , taj kat¦ mroj metaqsesi klapntej p tÕ eÙagglion. | ut primo idola recidens hostias permiserit; secundo hostias auferens circumcisionem non prohibuerit; deinde circumcisionem substrahens salutare baptisma cum evangelica institutione et doctrina persuaserit: et ita de gentibus Judaeos, de Judaeis autem Christianos fecit, et paulatim substrahendo, et transponendo, et dispensando, quasi furtim ab idolorum cultura ad legem, a lege autem, quae quidem ad perfectum non duxit, ad perfectionem Evangelii paedagogice et medicinaliter deduxit, et tandem substracta omni dispensatione, omnem perfectionem Christianae legis edocuit. |
[186]Die z. T. wörtliche Übersetzung hält auch Orat. V, 26 — Dial I, 6 an (neben der oben Anm. 67a zitierten Lit. siehe auch die Andeutungen bei LUBAC, Katholizismus S. 226 Anm. 31, S. 399 ff. sowie BLOOMFIELD S. 285 zum »objektiven Dogmenfortschritt«; zur Stelle selbst vgl. auch VAN LEE, Les idées S. 15 und GRUNDMANN S. 93). Ob Anselm den Vergleich mit dem Pflanzlichen bei Gregor nur der Kürze wegen wegließ? Auch die Aetateslehre brachte er ohne den Lebensaltervergleich.
76. Daß Anselms Aetateslehre anstatt der Perioden Abraham-David, David-transmigratio die Perioden Abraham-Moses, Moses-David, David-Christus setzt (Dial. I, 4 MPL 188, 1145) ist m. W. bisher unbeachtet geblieben und bedeutet, daß er sich um ein einheitliches Schema bemüht, in welchem je zwei Perioden die Zeitalter ante legem und sub lege ausmachen.
77. Dial. I, 6 MPL 188, 1148 B (nach Gregor v. Nazianz; oben Anm. 75).
78. Dial. I, 6 MPL 188, 1149 A—B.
79. Ibid., ibid.: et sancta Ecclesia pertransiens per diversos status sibi invicem paulatim succedentes, usque in hodiernum diem renovatur et semper renovabitur.
80. Dial. I, 10 MPL 188, 1152 ff.; quasi pacificus: col. 1153 A; col. 1153 B: quid enim est in falsis fratribus, nisi mors interfectrix animarum ?
81. Dial. I, 10 MPL 188, 1157 A; vgl. AUGUSTIN, De vera rel. XXV, 128 (oben S. 163 A. 1), jedoch bei Augustin nur auf die nascens ecclesia bezogen.
82. Über die Folge der Ordensgründungen bei Anselm SPÖRL, a. a. O. und vor allem G. SCHREIBER, Studien über Anselm von Havelberg, Zur Geistesgeschichte des MAs, Analecta Praem. 18 (1942), S. 5 ff., insbes. 23 ff., S. 33 ff.; DERS., Anselm von Havelberg u. die Ostkirche, ZKG 60 (1941) S. 354 ff., insbes. S. 362 ff., 365 ff. Das war Ansatzpunkt und Beweisziel der Schrift.
83. KAMLAH, Apokalypse S. 68 Anm. 22.
84. Dial. I, 1 MPL 188, 1142 C. Vgl. Anselms Schreiben an Eckbert von Huysberg, MPL 188, 1122 C.
1. Nur insofern auch die mittelalterliche Geschichtsschreibung bestimmte geschichtstheologische Voraussetzungen mitbringt »gehören« [187]im Mittelalter »Geschichtsschreibung und Geschichtstheologie eng zusammen« (E. GILSON, Der Geist der mittelalterlichen Philosophie, dt. Üb. R. SCHMÜCKLER, Wien 1950, S. 423), nicht aber in jedem Falle als bewußte Bemühung um eine Geschichtsdeutung (siehe oben S. 55 ff.).
2. Etymologiarum sive originum libri XX I, 41, 1. ed. LINDSAY, Oxford 1911 (Neudruck 1957). Zur Quellenfrage M. SCHULZ, Die Lehre von der historischen Methode bei den Geschichtsschreibern des Mittelalters, (VI—XIII. Jh.) = Abhdlgg. z. mittleren u. neueren Gesch. 13, Berlin/Leipzig 1909, S. 20, Anm. 2; allgemein K. KEUCK, Historia, Geschichte des Wortes und seiner Bedeutung, Diss. Münster 1934, S. 12 ff. Zum Wortgebrauch bei Isidor vgl. Etym. V, 39, 30 (Helius pertinax ann. I. nihil habet historiae); VI, 12 (historia als Buch, KEUCK S. 66). Eine ähnliche Unterscheidung wie die zwischen res gestae und historia ist die zwischen series temporum und Chronik als descriptio temporum (V, 28, 39). Isidor spricht hier von historia im Singular; gelegentlich wird historia unbestimmt gebraucht für eine Anzahl von Geschichtswerken: z. B. WIDUKIND, Gesta Sax. I, 8 ed. WAITZ/KEHR MG in us. schol. 1904, S. 9 Z. 3—8, I, 14 S. 21 Z. 4—5 — wohl aus der noch zu erläuternden Anschauung heraus, Geschichte könne nur in einer Form am besten geschrieben sein.
3. Deren fundamentum die historia oder veritas historiae ist; HRABANUS MAURUS, Comm. in Gen. MPL 107, 655 (nach HIERON., De bened. Iacob, MPL 23, 1308): Sed prius historiae fundamenta ponenda sunt, ut aptius allegoriae culmen prioris structurae super-imponatur (vgl. J.B. HABLITZEL, Hrabanus Maurus. Ein Beitrag zur Gesch. d. mittelalterlichen Exegese. Biblische Studien, hg. v. O. BARDENHEWER XI, 3, Freiburg i. Breisgau 1906 S. 15); daher ist die historisch-exegetische Arbeit nur »Materialsammlung«: ut ex multorum librorum collatione veritas sacrae historiae pateat (ib. 1128). Hugo von St. Victor bezeichnet seinen Leitfaden des Geschichtsunterrichtes als »fundamentum fundamenti«: Oportet nos ex omnibus brevem quandam summam colligere, quasi fundamentum fundamenti: hoc est primum fundamentum quem facile possit omnibus comprehendere et memoria retinere. Tria igitur sunt, in quibus [188]precipue cognitio pendet rerum gestarum, id est personae et loca et tempora. (De trib. maximis circumstantiis, ed. W.M. GREEN, Speculum 18, 1943 S. 491).
4. GREGOR D. GR., MG Epp. 1, 223; JOHANN V. SALISBURY, Polycrat. VII, 12 (ed. C.C.I. WEBB, Oxford 1909 II, S. 144). historice besitzt als Faktum nur eine Bedeutung, spiritualiter viele. Überhaupt wird im Mittelalter historia, historicus zum Synonym des Aus-sich-Begreiflichen: Si enim huius vocabuli significatione largius utimur non tantum rerum gestarum narrationem, sed illam primam significationem (esse didicimus), heißt es bei HUGO VON ST. VICTOR (Didascalicon 1, VI, 3 MPL 176, 801; vgl. De script. 3 MPL 175, 12 A und De sacr. Prol. c. IV, MPL 176, 185). Nicht nur historia als Bericht, Augenzeugenbericht, wie bei Isidor von Sevilla u. a. (unten S. 193 Anm. 45), in Übereinstimmung mit der antiken Definition, sondern diese gesamte prima significatio im Gegensatz zur significatio mystica, id est occulta leitet daher ROBERT VON MELUN, Sent. 1, I n. 1 von historia, id est video ab. Die meisten angeführten und weitere Belege bei LUBAC, Exégèse II S. 474, 425, 428 Anm. 6. Vgl. auch unten S. 190 Anm. 17.
5. ARNULF, Hist. Mediol. 1, Prol. MURATORI IV, 8; zahlreiche Belege auch bei LUBAC, Exégèse II S. 425 ff. Sancta simplicitas als rhetorischer Begriff: P. LEHMANN, Die Heilige Einfalt, HJ 1938 (58) S. 305 ff., vor allem aber E. NORDEN, Die antike Kunstprosa vom VI. Jh. v. Chr. bis in die Zeit der Renaissance, Darmstadt 51958 II S. 529 ff. sowie die Untersuchungen E. AUERBACHS zum stilus humilis (Mimesis, Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, Bern 21959 S. 44 ff.).
6. Siehe unten S. 207 Anm. 158.
7. Cnutonis regis gesta sive encomium Emmae reginae auct. Monacho sancti Bertini, ed. PERTZ SS rer. Germ. in us. Schol. (1865) S. 1; siehe SCHULZ S. 6. Weitere Belege SCHULZ S. 5 ff.; SIMON, Arch. f. Dipl. 4—6 (1958) S. 52 ff. Die Wahrheitsliebe bedeutet Unparteilichkeit: Historiographi debitum est nec assentione nec amore nec odio nec timore a veritatis tramite declinare (RUDOLF VON ST. TROND, Gest. Abbat. Trudonensium, ed. KÖPKE MG SS X S. 250). Der Historiker steht zwischen Scylla und Charybdis: WILHELM VON TYROS, Rec. des hist. des croisades, Hist. Occid. I, 1 (Paris 1844) p. 1. Regino von Prüm entzieht sich der eigenen Aufgabe des Historiographen — Erlebnisbericht —, z. T. indem er die Geschichte der Lebenden späteren Fortsetzern der Chronik überläßt (Praef., ed. KURZE S. 1).
[189]8. Die Briefe J. BURCKHARDTS, hg. v. MAX BURCKHARDT, Bd. IV (1960), S. 130 (1863 an Wilhelm Vischer). Deutlich ist der Anklang an QUINTILIAN, Institutio oratoria X, 1, 31 ed. L. RADEMACHER, Leipzig 21959 II S. 239: Est enim ‹historia› proxima poetis et quodam modo carmen solutum est et scribitur ad narrandum, non ad probandum. In den Weltgeschichtlichen Betrachtungen heißt es denn auch (hg. v. R. MARX, Stuttgart 1955 S. 216), die historischen Wissenschaften seien »einstweilen« von der Auffindung von Lebensgesetzen ausgeschlossen, weswegen sie »bloßen literargeschichtlichen Wertschätzungen« anheimfallen.
9. Oben Anm. 2 Vgl. OTTO V. FREISING, Gesta Fred. II, 41 ed. WAITZ MG SS rer. Germ. in us. schol. (1912), S. 150 Z. 11 ff.
10. Apud veteres bedeutet den Begriffswandel: ähnlich Etym. IX, 3, 19, wo es noch deutlicher heißt: Tyranni Graece dicuntur. Idem Latine et reges. Nam apud veteres inter regem et tyrannum nulla discretio erat Fortes enim reges tyranni vocabantur ; die später einsetzenden Begriffseinschränkungen schreibt Isidor nicht der Christianisierung allein zu. Iam postea in usum accidit tyrannos vocari pessimos atque inprobos reges (es folgt ein Vergil-Zitat). Gleichgültig also, ob es sich um einen einengenden oder erweiternden Bedeutungswandel eines Wortes handelt, glaubt Isidor, daß die Etymologie dennoch erkennbar ist und das Wort noch immer die vis verbi (Etym. I, 29, 1. Dazu und zu den klass. Quellen überhaupt neuerdings R. SCHRÖTER, Studien zur varronischen Etymologie = Abhandl. d. Ak. d. Wiss. u. Lit. Mainz, Geistes- u. sozialwissenschaftl. Kl. 12, Wiesbaden 1959 insbes. S. 806 ff. Vgl. auch zur Anschauung überhaupt C. PRANTL, Geschichte der Logik im Abendland, Leipzig 1855, Neudruck Berlin 1955 I S. 516) wiedergibt. Zu einer gänzlich anderen Kategorie gehören Begriffe, die ihrem Wesen nach oder aufgrund des gegenwärtigen Wissensstandes der etymologischen Forschung entzogen sind: die Worte, welche iuxta arbitrium humanae voluntatis vocabula acceperunt wie Sklaven ihren Eigennamen (Etym. I, 29, 3) und die, welche temporis vetustate ita mutata sunt, daß sie nicht mehr rekonstruiert werden können. Etym. IX, 2, 38; vgl. VII, 6, 3 und I, 29, 5.
11. Etym. I, 44, 4.
12. Etym. I, 41, 1.
13. COCHRANE, Christianity and Class. Culture S. 458 ff. (verweist auf Heraclit Frg. 129); ebd. zur Historia im Gegensatz zur Logographie (Herodot, II, 45).
[190]14. KEUCK a.a.O. (oben Anm. 2).
15. Etym. I, 44, 1: Annales sunt res singulorum annorum Historia autem multorum annorum vel temporum est, cuius diligentia annui commentarii in libris delati sunt. Es ist auch der Topos: »aus vielen Büchern eins machen«.
16. Über diese Zusammenhänge in der griechischen Historiographie siehe R.G. COLLINGWOOD, The Idea of History, Oxford 1961 (Neudruck) S. 27 f. Zu der von Collingwood angedeuteten Frage der »Umschreibung« siehe hier im folgenden.
17. ISIDOR VON SEVILLA, De ord. creaturarum MPL 83, 939—940; bei LUBAC, Exégèse I S. 183 Anm. 5. Und noch bei CAMPANELLA heißt es zur Geschichtsschreibung: Dicitur simplex, hoc est »pura«, quoniam non habet sensum alium, nisi quem verba primo exprimunt, et in hoc differt a parabola Solius tamen sacrae historiae est alios sensus admittere mysticos (Historiographia liber unus iuxta propria principia = Rationalis philosophiae pars quinta c. 1, ed. L. FIRPO, Tutte le opere di Tommaso Campanella, Turin 1954, I S. 1226).
18. JOH. VON SALISBURY, Hist. pont., Prol. ed. M. CHIBNALL, London 1956 S. 3: Valet etiam noticia cronicorum ad statuendas vel evacuandas prescriptiones et privilegia roboranda vel infirmanda
19. Darum entschuldigt sich WIPO, Gest. Chuonr. 5, ed. BRESSLAU MG SS in us. schol. 21915 S. 26, daß er seinen Bericht mysticis rationibus durchsetzt. Die Ausnahme ist dadurch gerechtfertigt, daß er zwar eine Deutung bringt, die aber aus der Sache selbst einleuchtet. Vgl. unten S. 83 f.
20. Etym. V, 31, 9 ff. Daher heiße Mitternacht intempestum; Medium autem noctis actum caret. (Vgl. auch ISIDOR, De natura rerum II, 3 ed. J. FONTAINE — Bibliothèque de lécole des hautes études hispaniques 28, Bordeaux 1960 S. 181, ebd. der Hinweis des Hg. auf VARRO, De lingua Latina 6, 2, 7).
21. Etym. I, 41, 2; andere Belege SCHULZ S. 66 ff. Auf die (oben S. 187 Anm. 2) aus der kurzen descriptio temp. zitierte Stelle: Helius Pertinax nihil habet historiae folgt Etym. V, 39, 31: Macrinus ann. I. Huius brevitas vitae nihil gestorum habet.
22. CENSORINUS, De die natali c. XXI, 1 ff. ed. Fr. HULFSCH, Leipzig 1897, S. 44 f. Vgl. E. SPRANGER, Die Kulturzyklentheorie und das Problem des Kulturverfalls, SB Preuß. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 1926, S. XXXV ff., S. 22, Anm. 5. (Hinweis auf Vico) und SCHOLZ, Glaube und Unglaube S. 164 (Hinweis auf Eusebius und Augustin).
23. Phil. MELANCHTHONIS chron. Carionis, Opera ommnia, ed. C.G. [191]BRETSCHNEIDER, Corp. Reform. XII, Halle/S. 1844, S. 714; KLEMPT, oben S. 131 Anm. 29.
24. Oben S. 131 Anm. 29. In ähnlicher Weise versteht J. HUIZINGA, Zur Geschichte des Begriffes Mittelalter, übers. u. hg. v. K. KÖSTER, Stuttgart 1954, S. 213 ff., insbes. 220 ff., die Dreiteilung der Geschichte nach temps passé, temps moien, temps présent im anonymen »Le débat des hérauts darmes de France et dAngleterre« — als Unterschied zwischen mythischer, historisch-vergangener, gegenwärtiger Zeit. Vielleicht gewinnt die Erklärung le temps moien dit de memoire domme größere Schärfe, wenn man ihr den Begriff der Geschichtsschreibung als memoria im Gegensatz zum Mythos (Varros zweites Zeitalter) zugrunde legt. Dann können auch Gestalten mythisch und historisch zugleich sein: nach den Quellen, in denen sie auftauchen. — Zum Exkurs HUIZINGAS, a.a.O., S. 226 f.: Noch vor dem Liber de promissionibus taucht der Begriff medium tempus auf (unsere Arbeit, S. 27 Anm. 79) und wir fanden ihn auch bei Hugo von St. Victor, eben als »vermittelnde« Zwischenzeit, als Übergangszeit, als tempus legis. Vgl. RANDOLFUS ARDENS, Homiliae in epist. et evangel. Dominici II, 13 MPL 155, 2042 C: Fuit autem lex ordinata, id est statuta medio tempore inter tempus legis naturalis et tempus gratiae Aber ob die humanistische Einteilung sich an diese, an die joachimitische oder an die antike Terminologie der Einteilungsprinzipien hält, wird schwer auszumachen sein.
25. Tim. 21e — 25d; (dt. Übertragung v. F. SCHLEIERMACHER). Vgl. G. ROHR, Platons Stellung zur Geschichte, Diss. Kiel 1931 S. 108 und HÄUSSLER S. 325.
26. FLAV. JOSEPH. Con. Apionem I, 6—7; Opera ed. B. NIESE V, Berlin 1955 S. 7; »Chaldäer« wohl in der Bedeutung wie Dan. 2, 2.
27. Ebd. I, 4, ed. NIESE S. 6.
28. Ebd. I, 3 ff.; vgl. I, 13, ed. NIESE S. 5 f., 12 f.
29. FRUTOLF VON MICHELSBERG, Chron. ed. WAITZ MG SS VIS. 34; FRECHULF VON LISIEUX, Chron. MPL 106, 919; OROSTUS, Hist. I, 1; HIERON., Chron. Euseb., Präf. Caes. ed. R. HELM GCS 24 (1913) S. 7 ff.; TERTULLIAN, De Pallio 2 (CCSL II, 734 ff.); THEOPHILUS VON ANTIOCHIEN, Ad Autol. III, 26 (hier Cyrus und Darius). Dazu A—D. VON DEN BRINCKEN, Weltären S. 137 und B. SCHELLE, Frechulf von Lisieux, Untersuchungen zu Leben und Werk, Diss. München 1952, S. 42; zu Ninus: JACOBY, RE 17. 1 Sp. 2051 ff.
30. Hexaem. I, 7 ed. SCHENKEL CSEL 32, 1, S. 6.
31. Talm. Bab., Bab. Batra 121, 2; weitere Belege: I. HEINEMANN, Darchei [192]haagada, Jerusalem 21954 S. 206 Anm. 12. Nur um die »Übersichtlichkeit« kann es sich jedoch nicht handeln; dann wären die Perioden durch hervorragendere Personen getrennt. Zur Periodisierung oben S. 12 ff.
32. TERTULL. De Anima c. 50, 4 CCSL II, 856; SULP. SEVERUS, Vita Martini c. 24 (25), CSEL I, 133 f. hierzu L. NEUBAUR, Die Sage vom Ewigen Juden, Leipzig 1884 S. 2.
33. NEUBAUR a.a.O., S. 6 ff. (ROGER VON WENDOWER, Flores Historiarum u. MATTHAEUS PARISIENSIS, Chronica majora z. J. 1228). Neubaur betont den Zusammenhang mit der religiösen Polemik. Tatsächlich spricht Matthaeus von einem Leben in argumentum fidei christianae des Joseph-Cartaphylus. Chron. majora, ed. H.R. LUARDS, London 1876 (Rolls-Series 57), III S. 161.
34. Über die Entwicklung und Umwandlung seit der Reformation: A. LESCHNITZER, Der Gestaltwandel Ahasvers, In zwei Welten, Siegfried Moses zum 75. Geburtstag, Tel Aviv 1962, S. 470 ff.
35. JOH. V. SALISBURY, Hist. pont; Präf. Prol., ed. CHIBNALL S. 1 ff.
36. Ebd. c. 1 ed. CHIBNALL S. 4: ut cronicis Sigeberti narratio nostra continuari possit, a concilio Remensi, in quo ille suam finit, ordimur nostram. Über Archivalien und Urkundenbenutzung unten S. 201 Anm. 99. Vgl. auch ORDERICUS VITALIS MPL 188, 15 B.
37. Ebd. Prol., ed. CHIBNALL S. 2 f.
38. Oben S. 39; S. 171 Anm. 21 (Beda).
39. Vgl. unten S. 104.
40. Gesta Chuonr. Prol., ed. BRESSLAU S. 6.
41. Darum z. B. Ariani episcopi aeclesiam opprimerunt, quorum tempora non digerentur, quia hostes Christi iudicantur: HIERONYMUS ex Euseb. MPL 27, 498; übernommen z. B. von HERMANN VON REICHENAU, MG SS V, z. J. 328.
42. HEGEL, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte hg. v. H. GLOCKNER, Stuttgart 1928 (Jubiläumsausgabe Bd. XI) S. 97 ff.
43. Sehr klar wurde die notwendige Subjektivität des Vorurteils, daß »Geschichte« mit der Summe der »zufälligen« schriftlichen Überlieferung gleichbedeutend sei, in einem Vortrag des Herrn Prof. R. LENNERT vor der Historischen Gesellschaft zu Berlin am 16. 7. 1964 begründet. Daß diese Subjektivität auch und gerade für die »historischen« Zeiten gilt und keinesfalls zufällig, sondern Ausdruck des »Siegeszuges« von Klassen in ihren Zeiten ist, scheint Walter BENJAMIN zu meinen, wenn er den »Historismus« mit dem »dialektischen Materialismus« (wie er ihn verstand und für sich beanspruchte) konfrontiert (vgl. unten S. 220 Anm. 1).
44. RODULFI GLABRI Historiarum sui temporis libri quinque, ed. M. PROU, Raoul Glaber, les cinq livres de ses Histoires, Collection des textes pour servir à létude et à lenseignement de lhistoire 1, Paris 1896; MPL 142, 611—698; über sie zuletzt: M. VOGELSANG, Der cluniazensische Chronist Rudolfus Glaber, Ein Beitrag z. cluniazensischen Geschichtsschreibung, Stud. und Mitteilgg. z. Gesch. d. Benediktinerordens 67 (1956) S. 25—38, 277—297 als Zusammenfassung ihrer Diss.: M. VOGELSANG, Rudolfus Glaber, Studien zum Problem der cluniazensischen Geschichtsschreibung, Diss. München 1952; ebd. Lit. Das Buch enthält viele gute Einsichten, besonders für die Erzählmethode und das Aufbauproblem. Übertrieben ist der Versuch, die gesamte mittelalterliche Geschichtstheologie im Ansatz bei Glaber finden zu wollen, ihre ausschließliche Ableitung von Augustin wird sich als sehr einseitig zeigen. Unverzeihlich im Erscheinungsjahr der Arbeit sind jedoch Anachronismen wie die »Hochhaltung des Führerprinzips« als Kennzeichen germanischen Denkens bei Glaber (S. 141 ff.) oder die Bemerkung, daß die »Judenfrage« von Glaber »oft berührt« sein soll (S. 115).
45. Zur historia-Definition bei ISIDOR V. SEVILLA (Etym. I, 41, 1, oben S. 70 ff). Auch bei Glabar heißt es, er habe multiplicia haec, quae videntur fieri zu beschreiben (Praef. ed. PROU S. 1) und an einer anderen Stelle: prout certa relatione comperimus, vel visuri superfuimus (I, 1, 4 ed. PROU S. 5) vgl. Anm. 47 (eventus).
46. Praef. ed. PROU S. 2. An der chronologischen Folge hält Glaber weitgehend auch nach Buch I., das der Vorgeschichte seit Karl d. Gr. (die etwaige Verfassungszeit der Werke von Beda und Paulus Diaconus, die er fortsetzen will) gewidmet ist, fest.
47. Er möchte das vielfältige Geschehen, die novitates, tam in ecclesiis Dei, quam in plebibus (Praef. S. 1; vgl. I, 1, 4 S. 5: tam in sacris ecclesiis quam in utroque populo) beschreiben, da dies nach Beda und Paulus Diaconus, quorum uterque historiam propriae gentis, vel patriae condidit, nicht geschah. Zum Topos »Fortsetzung« u. der Vorstellung der Geschichtsschreibung seit dem Beginn wirklichen Geschehens als einer Kontinuität vgl. oben S. 76. Zum hier angedeuteten Topos »Profan- und Kirchengeschichte zugleich schreiben«, unter S. 205 Anm. 135.
48. RUD. GLABER, Vita sancti Guillelmi abbatis Divionensis 27, MPL 142, 718 C; vgl. hist. Praef. ed. PROU S. 2 (multiplicius); multiplicia [194]prodigiorum signa IV, Praef. S. 90; non his minora ebd. Zur Sache VOGELSANG S. 30 Anm. 1.
49. Zusammengestellt: VOGELSANG S. 57 ff. Für Glaber steht es auf Grund dieser Vorzeichen fest, daß der Satan im Jahre 1000 entfesselt worden sei (II, 12, 23 S. 50).
50. Hist. Praef. ed. PROU S. 2: Non secius ergo quae dicuntur, quin solito multiplicius, circa millesimum humanati Christi Salvatoris contingerunt annum (das kommt zu den perplura devenisse im vorangehenden Satz hinzu). Vgl. die Datierung II, 7, 13 S. 39; II, 8, 15, S. 41; II, 11, 22 S. 49; III, 4, 13 S. 62; III, 7, 24 S. 71; III, 8, 26 S. 74. In der Praefatio des IV. Buches (ed. PROU S. 90) heißt es dann: Post multiplicia prodigiorum signa, quae tam ante quam post, circa tamen annum Christi Domini millesimum in orbe terrarum contigere, plures fuisse constat sagaci mente viros industrios, qui non his minora, propinquante ejusdem dominice passionis anno millesimo fore praedixere; quod utique evidentissime contigit; vgl. Datierung IV, 4, 9 S. 99; IV, 5, 14 S. 103; IV, 9, 24 S. 112. Zur Einteilung siehe die folgende Anm.
51. E. SACKUR, Studien über Rodulfus Glaber, NA 14 (1889) S. 377 ff., insbes. S. 386 ff., 392, 400 (auch zur Einteilung überhaupt).
52. Das drückt sich so aus, daß hier allein nach der Inkarnation (im Unterschied von den anderen Büchern, oben Anm. 49) datiert wird: I, 1, 2 S. 2; I, 1, 4 S. 5; II, 5, 1 S. 34.
53. Daß Glaber an die »buchstäbliche Bedeutung der 1000 Jahre der Apokalypse« glaubte (ADAMEK S. 83 ff., ähnlich K. GRUND, Die Anschauung des Rodulfus Glaber in seinen Historien, Diss. Greifswald 1910, S. 9 ff. und allgemein WADSTEIN, S. 8 ff. insb. 15 ff.), ist ein Irrtum. Dagegen mit Recht VOGELSANG, S. 54 ff., insb. S. 59 ff., wobei aber das eigentliche Ziel Glabers, eine nicht chiliastische und nicht apokalyptische Begründung der Gegenwart als Beginn der Endzeit, aus der Ablehnung des »Chiliasmus« verkannt wird.
54. Hist. Praef. ed. PROU S. 2 (inseramus). Figura ist nicht nur typos, wenn auch immer typologisch begründet, sondern auch forma, Ordnungsschema. Siehe folgende Anm. Zur Wandlung des Begriffes: E. AUERBACH, Figura, Archivum Romanicum 22 (1938) = Neue Dantestudien, Istanbul 1944 S. 11 ff.
55. Hist., I, 1, 2 ed. PROU S. 2; Multiplicibus figuris formisque Deus, conditor universorum distinguens ea quae fecit Von der »Vielfalt« der Ereignisse und der Zeichen war schon oben die Rede.
[195]56. Histor. I, 5, 25 ed. PROU S. 23: In quo videlicet canone omnis procul dubio forma invenitur expressa mundani saeculi.
57. Hist. I, 1, 2 S. 2 ff. (Makrokosmos-Mikrokosmos).
58. So VOGELSANG S. 24 ff.
59. Siehe oben S. 34 f. Ähnlich, aber ohne die historische Vierstufenlehre, VICTORIN VON PETAU, De fab. mundi, MPL 5, 304 f. HRABANUS MAURUS hat weder in seiner Genesisexegese noch in den Erörterungen zur quaternitas in De laudibus cancti crucis (MPL 107, 133 ff.) Ähnliches. Vgl. P. ROUSSET, Raoul Glaber, in: Rev. dhistoire de léglise de France 36 (1950) S. 12; VOGELSANG S. 30 Anm. 2. Sie scheinen anzunehmen, daß es sich um eine in der Tradition der Zahlensymbolik stehende, aber originelle Konstruktion handelt. Ein guter Überblick zur Tradition der Tetradenschematik in der Makrokosmos-Mikrokosmos-Gleichung im MA: LIEBESCHÜTZ, Hildegard S. 101 ff. (S. 105, Anm. 2 zitiert er Glaber, auch hier fehlt der Hinweis auf Ambrosius).
60. Dies wird auch von VOGELSANG S. 31 f., S. 75 zugegeben.
61. Hist. I, 1, 3 ed. PROU S. 5: ab adventu denique incarnati Verbi ac deinceps omne saeculum iustitia implet, regit et circumdat, veluti ceterarum (sc. virtutum) finis ac fundamentum, sicut dixit suo Baptistae veritas: ›Decet‹, inquiens, ›nos implere omnem iustitiam‹. Der iustitia entsprechen im Vorausgehenden von den Elementen die Erde (I, 1, 2 S. 3: Conformen quoque terra gerit speciem mundi infimi, iustitiae speciei in intellectuali, scilicet subsistens atque immobilis collocatio recte distributionis), von den Sinnen der tactus qui omnium constat infimus, ceterisque solidius ac stabilius (ebd. S. 4), von den Paradiesesflüssen der Euphrat (cuius nomen abundantiam sonat: I, 1, 3 S. 4).
62. Für Glaber ist die Friedensbewegung in der Darstellung seiner eigenen Zeit positiver Mittelpunkt: Hist. I, 5, 20 ff. ed. PROU S. 19 ff.; II, 2, 3 S. 29 f.; IV, 5, 14 S. 103 f.; V, 1, 15 S. 126. Die Aufgabe des Kaisers ist moderamen iustitie exercere (IV, Praef. S. 90; ähnlich V, 4, 24 S. 132: Tu o rex qui censuram debes tenere totius iustitie. Vgl. AUGUSTIN DCD XIX, 16; ähnlich u. a. WIDUKIND, Res Gest. Sax. Praef. l. III, ed. HIRSCH S. 100; dazu auch BEUMANN, Widukind, S. 215). Negativer Mittelpunkt in Glabers Schilderung sind die Taten des entfesselten Satans (unten S. 61). Die Versöhnung der Natur mit der Geschichte ist eine von Glaber nicht formulierte Konsequenz. Doch gehören zu den Signa auch Aufruhr und Beschwichtigung der Naturelemente (IV, 4, 10 [196]S. 100: Videbantur enim inter se ipsa elementa pugnam discordiae agere; IV, 5, 14 S. 103). Vgl. ROUSSET S. 14 f., 16 ff.
63. Hist. I, 1, 4 ed. PROU S. 5: Cum ergo omnipotentis Christi virtus ubique terrarum principes ad suum incurvasset imperium, tanto minus viguit terror Caesarum, quanto iura illorum veratius comprobantur plus extitisse ex timore ferocitatis quam ex amore pie humanitatis. Sic denique paulatim tota illorum stirps a prefato imperio dipertita atque evacuata ut maius indigeret sui dominio urbs Romana eiusque populus, quam ut olim consueverat promere leges et iura externis patriis ac civibus.
64. Das nomen imperii kann also nach Glaber nur dem zukommen, der reale Macht und Legitimation besitzt. Zur Problematik von nomen und res im Politischen siehe H. BEUMANN, Nomen imperatoris. Studien zur Kaiseridee Karls d. Gr., HZ 185 (1958), S. 515 ff. Und neuerdings A. BORST, Kaisertum und Namenstheorie um 800, Festschrift Percy Ernst Schramm, hg. v. P. CLASSEN u. P. SCHEIBERT, Wiesbaden 1964 I S. 36 ff., insbes. S. 47 f.; vgl. unten S. 212 Anm. 199 Glaber kennt nicht die »nichtrömische Kaiserwürde« (C. ERDMANN, Forschungen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters S. 1 ff.), obgleich er Beda kannte (oben S. 193 Anm. 46) und versteht unter Usurpation durch die gentes wohl die Herrschaft der Ostgoten und Langobarden über Italien. Die Herrschaft Byzanz ist ihm eine legale (I, 4, 16 ed. PROU S. 17). Zur »Ebenbürtigkeit« vom Imperium und fränkischem regnum im Faktischen (duo regna) bei Glaber K.F. WERNER, Das hochmittelalterliche Imperium im politischen Bewußtsein Frankreichs (10.—12. Jh.) HZ 200 (1965) S. 1 ff., insbes. S. 25 ff. Treffend auch die Bemerkung über den »Optimismus« Glabers (S. 25 Anm. 1). Kein Unterschied wird allerdings zwischen der faktischen und eschatologischen Wertung bei Glaber gemacht.
65. Zum Begriffspaar imperium terrenum — imperium Christi bei Glaber und zu seinen nichtaugustinischen Bedeutungen richtig VOGELSANG S. 71 ff., insbes. S. 74 ff. Zur Wandlung des Begriffs imperium christianum seit der Karolingerzeit siehe BEUMANN a.a.O. und DERS., Die Historiographie des MA als Quelle für die Ideengeschichte d. Königtums, HZ 180 (1955), S. 449 ff., gegen H. LÖWE, Von Theoderich d. Gr. zu Karl d. Gr., DA 9 (1952) S. 379 ff.
66. Hist. I, 2—3; I, 3, 7 S. 9 endet das Karolingergeschlecht (regale seu imperiale illorum genus regnandi finem accepit) mit Lothar und Ludwig. I, 4, 8 S. 8: Praescriptorum igitur regum genere exinanito [197]sumpserunt imperium Romanorum reges Saxonum. Also keine translatio, sondern Usurpation.
67. Hist. I, 4, 16 ed. PROU S. 17: Sed interim libet commemorare quibus claudibus praescriptorum regum temporibus tam externis quam intestinis sit flagellatus orbis Romanus (geht auf die Auseinandersetzung mit Byzanz ein) Et quoniam magis contingebat tyrannide imperare, quam vel liberali pietate, vel originali propagine idcirco par erat talium contumaciam, cum sibi subditis crebris infestationum plagis atterere.
68. Namentlich der Sarazenen, Normannen und Ungarn per intervalla defunctorum regum seu imperatorum tam in Italia, quam in Galliis, priusquam restaurarentur (I, 5, 20 ed. PROU S. 19).
69. Auch die Usurpation des nomen imperii zählt darunter; oben Anm. 64.
70. Oben Anm. 66 (priusquam restaurarentur).
71. Hist. I, 5, 22 ed. PROU S. 21.
72. Hist. III, 9, 33 ed. PROU S. 82 ff.; IV, 5, 14 ff. S. 103 ff.; oben S. 195 Anm. 60.
73. Hist. I, 5, 23 ed. PROU S. 21 (ad pacis tutelam).
74. Glaber leitet Cluny von cluescere = crescere ab III, 5, 18 ed. PROU S. 67; Pflege der iustitia et pietas ibid. (VOGELSANG S. 108); Verdienste um den Frieden II, 8, 16 S. 43; IV, 5, 15 f. S. 104 f.; V, 1, 15 ff. S. 126 ff.
75. Hierzu schon WADSTEIN S. 21, ff.
76. Hist. II, 6, 10 ed. PROU S. 37.
77. »Vorboten des Satans«, zusammengestellt bei VOGELSANG S. 57 ff. Vgl. Hist. IV, 9, 24 ed. PROU S. 112 ff. u.ö. Glaber ist »der erste Schriftsteller, der eine theologische Widerlegung der ketzerischen Lehren« im Mittelalter versucht (insb. l. III) A. BORST, Die Katharer, Schriften der MGH 12, Stuttgart 1953 S. 1 ff., 71 ff. Gegen die Versuche, in Cluny und Glaber die gregorianische Reform antizipiert zu sehen (so H. V. LINDHEIM, Rodulfus Glaber, Leipzig 1941, insbes. S. 19, 62), mit Recht VOGELSANG S. 84 ff., gestützt auf die Ergebnisse Hallingers.
78. Hist. IV, 1, 3 ed. PROU S. 93: Nunc per diversa terrarum regatur sceptris.
79. Hist. V, 5, 26 ed. PROU S. 135.
80. Hist. I, 5, 24 ed. PROU S. 23: Hoc quippe soli Deo nosse competit, cur humanum genus maius seu minus propriae salutis capax efficitur in diversis partibus orbis.
[198]81. Ebd. S. 22 ff. Der Bezug auf Normannen und Sarazenen ergibt sich aus dem Zusammenhang.
82. Hist. I, 5, 25 ed. PROU S. 23 f.: cautius nihilominus prospiciendus est Sacer Scripturarum canon.
83. Ebd.; vgl. oben S. 78 f. u. Anm. 54.
84. Ebd. S. 23 f.
85. Hist. I, 5, 26 ed. PROU S. 24 f. I, 5, 25 endet: Atque idcirco quanto praesentis seculi terminus inminet propius, tanto ista fieri que dicuntur contigerit frequentius.
86. Daß dieses nicht als Endzeitberechnung aufzufassen ist, beweist Hist. Praef. ed. PROU S. 2: Et idcirco prout valeo, primitus dumtaxat ostensurus, quamquam series annorum a mundi origine pernotata, secundum Hebraeorum historias a Septuaginta Interpretum translatione discrepet. Wohl kannte Glaber auch hier die Überlegungen Bedas. Zwar haben wir hier eine »apokalyptische« Endzeitbestimmung, jedoch so, daß ihre chronologische Ungenauigkeit ebenfalls zu ihren Bestandteilen gehört.
87. WIPO, Gesta Chuonr. 5, ed. BRESSLAU S. 26.
88. Eine ähnliche, aber nicht die gleiche Problematik behandelt E. AUERBACH in seiner Charakteristik der mittelalterlichen Vermischung des stilus sublimis mit dem stilus humilis. AUERBACH, Mimesis S. 44 ff., 73 ff., 149. Wipo unterscheidet zwischen zwei der Historiographie abträglichen Verfahren: das Übergewicht der Rhetorik (figurae verborum) und die Deutung tieferer Zusammenhänge. Was die Rhetorik anbelangt, fordert er nicht einen stilus humilis, sondern betont den Charakter der Historiographie als Tatsachenbericht. Neu ist diese Forderung nur gegenüber den rationes mysticae.
89. Unten S. 199 Anm. 92.
90. WENRICH VON TRIER, Epistola c. 8, ed. K. FRANCKE, MG Ldl I S. 297, Z. 5 ff.: in unserer Sprache stünden hier Evolution und Revolution einander gegenüber. Vgl. auch Ldl I S. 298, Z. 26 ff. Beide Stellen interpretiert bei J. FUNKENSTEIN, Das Alte Testament im Kampfe zwischen regnum und sacerdotium zur Zeit des Investiturstreits, Diss. Basel 1933 (Dortmund 1938) S. 17; ebd. Lit. Es gehört vielleicht in diesen Zusammenhang, daß Wenrich die [199]Sanktionierung des Krieges als unvereinbar mit der bischöflichen Würde und christlichen perfectio hinstellt; C. ERDMANN, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, Forschungen zur Kirchen- und Geistesgeschichte 6, Stuttgart 1935, Neudruck 1955, S. 215.
91. Die allmähliche Verwilderung der Kirche seit den Ottonen: HUMBERT VON SILVA CANDIDA, libri III Adversus simoniacos, ed. THANER, Ldl I S. 183 ff. Charakteristisch für den allmählichen Vorgang ebd. S. 185 Z. 8 ff.: Sic quod prius fuerat furtum quodque gradatim factum est latrocinium, ad tantam iam venit tyrannidem etc. Zur allmählichen Verbreitung der Simonie nach Humbert: DEMPF S. 181. Vgl. WIDO VON FERRARA Ldl I S. 552 f., 565 ff.: Investiturrecht der Laien zunächst nicht in seiner ganzen verheerenden Konsequenz erkannt. (Auf diese Stelle wies mich Herr R. HÄCKER hin.) Der ANONYMUS VON YORK benutzt seine Umwandlung der heilsgeschichtlichen Trias nicht zur Ankündigung einer noch bevorstehenden historischen Zeit des allgemeinen Priestertums (DEMPF S. 202), sondern zur Begründung des heilsgeschichtlichen Primats des Königtums; das Primat der römischen Kirche sieht er, seit der Besiegung der Ketzer, als Anachronismus (Ldl III S. 660; DEMPF S. 205). Die intensive historische Argumentation bedeutet noch nicht begründete Gegenwartsbestimmung; die eigentliche »Begründung« sind bei Humbert die Machenschaften des Antichrist, und Bonizo von Sutri stellt die gegenwärtige Verfolgung der Kirche in der Reihe aller vorangegangenen. Siehe auch oben S. 176 Anm. 32.
92. Que enim major olim confusio fuit in Babilonia, quam hodie est in ecclesia? In Babylonia confusae sunt linguae gentium; in ecclesia dividuntur linguae et mentes credentium (SIGEBERT V. GEMBLOUX, Codex Udalrici Nr. 113, Monumenta Bambergensia ed. Ph. JAFFÉ, Bibl. rer. Germ. V, Berlin 1869 S. 201 f.); es ist auch die Erfassung der untersten sozialen Schichten durch den Streit, die ihn bewegt: laici sacra misteria temerant et de his disputant (MG SS IV S. 363 Z. 4 ff.) Quid aliud etiam muliercularum textrina et opificium officinae iam ubique personant, quam totius humanae societatis iura confusa (Apol. Ldl II S. 438, Z. 4 ff. HAUCK, KG III S. 782 ff., 802 f.; 805 Anm. 1). Humbert sah in der Verknechtung der Kirche eine Gefahr, die die Gefahren der Völkerwanderungszeiten, Normannen- und Ungarneinfälle weit übertrifft. Zur Bedeutung der häufigsten Schlagwörter der Polemik A. MAYER-PFANHOLZ, Die Wende von Kanossa, Eine Studie zum Sacrum Imperium. Hochland 30 (1932—3) S. 385 ff., insbes. S. 391 (ARNULF, Gesta archiep. Mediol. MG SS VIII, 23, 27); FREUND, [200]Modernus S. 58 ff.; demnächst ausführlich R. HÄCKER, Die Krise des Investiturstreits im Bewußtsein der Zeitgenossen.
93. Sie war Hauptquelle für die Jahre 922—1057; abgedruckt MG SS VI S. 1 ff., Lit.: G. BUCHHOLZ, Die Würzburger Chronik, Leipzig 1879; BRINCKEN, Studien S. 155 ff.; WH I, 3 S. 477. Sie wurde 1090 (ebenfalls im Würzburger Stephansstift) fortgesetzt und von BUCHHOLZ rekonstruiert. Über die Benutzung der Continuatio und andere schriftliche Quellen Frutolfs siehe G. BUCHHOLZ, Ekkehard von Aura, Untersuchungen zur deutschen Reichsgeschichte unter Heinrich IV. und Heinrich V., 1. (einziger) Teil, Leipzig 1888, insbes. S. 31 ff. BUCHHOLZ schrieb noch alle fünf Fassungen der Chronik Ekkehard von Aura zu; Breßlau bewies 1896 die Verfasserschaft Frutolfs für die bis zum Jahre 1099 reichende Fassung A (NA 21, 1896, S. 139 ff.); eine Vermutung HAUCKS (KG III S. 955 Anm. 3) aufgreifend, bewies I. SCHMALE-OTT (DA 12, 1956, S. 363 ff.), daß auch die Fassung C nicht Ekkehard angehören könne, und vermutete den Verfasser in David von Würzburg, dem Chronisten Heinrichs V. Die Fassungen Ekkehards sind, mit Ausnahme von B, kaiserfeindlich. Otto benutzt die Chronik bis 1106 und bemerkt sodann (Chron. VII, 11 ed. HOFMEISTER S. 323), daß er bisher ex Orosii quam Eusebii ex eorum, qui post ipsos usque ad nos scripserunt libris exzerpiert habe und von nun an sich an Augenzeugen und Selbsterlebtes halte. Es ist also vor allem der Kreuzzugsbericht Ekkehards, den er noch über Frutolf hinaus benutzt.
94. BUCHHOLZ, Ekkehard S. 4; BRINCKEN, Studien S. 155 ff.; DIESELBE, Die Welt- und Inkarnationsära der christlichen Zeitrechnung durch Bamberger Komputisten, DA 16 (1960) S. 155 f.; O. MAYER, Weltchronik u. Computus im hochmittelalterlichen Bamberg, Jb. f. fränk. Landesforsch. 19 (1959), S. 241 ff. betont, daß F. zur Umakzentuierung des Interesses vom Trivium auf das Quadrivium in Bamberg entscheidend beitrug.
95. MG SS VI S. 70 Z. 29 ff.: ob delectationem noticiae rerum mirabilium (Briefe Alexanders an Olympia u. Aristot.); vgl. S. 62 Z. 9 ff.: quibus delectationi querentium utcumque valeam satisfacere. Der Chronist denkt hier nicht nur, wie BUCHHOLZ, Ekkehard S. 5 meint, an sich, sondern auch an die Leser.
96. Man muß sich hierbei vergegenwärtigen, daß Frutolf zwar nicht, wie etwa Gregor von Tours, Nithard, Otto von Freising, Wilhelm von Tyros unmittelbaren Zugang zum Politischen und zu den politischen Personen hatte; andererseits war aber das Kloster Michelsberg zur Zeit Frutolfs keinesfalls eine ruhige Insel der [201]Gelehrsamkeit; es stand »mitten im deutschen Reichsmönchtum« und paßte sich schwer der Reform an (K. HALLINGER, Gorze-Kluny, Studien zu den monastischen Lebensformen und Gegensätzen im Mittelalter, Studia Anselmiana XXII—XXIII, Rom 1950, S. 345 ff.). Über Bamberg am Vorabend des Investiturstreites siehe C. ERDMANN, Studien zur Briefliteratur Deutschlands im 11. Jh., Schriften der MGH 1, Stuttgart 1938 (Nachdruck 1952) S. 225 ff.; I. HÖSS, Die Stellung Frankens im Investiturstreit, Mainfränkisches Jbb. 2 (1950), S. 30 ff.
97. Meistens stellt Frutolf die Widersprüche fest, um ihre Lösung dem prudentior lector zu überlassen (MG SS VI S. 49 Z. 35 f.; S. 55 Z. 17; S. 70 Z. 30 ff.; S. 99 Z. 3 ff., 1 ff.; vgl. auch S. 69 Z. 44 ff.; S. 97 Z. 7 ff.; S. 100 Z. 18; S. 182 Z. 13). Eine echte concordia versucht er in einigen exegetischen Fragen aufzustellen (MG SS VI S. 53 Z. 9 ff., S. 20 ff.; S. 52 Z. 42 f.) Meistens aber in chronologischen Fragen. Seine Kriterien sind: Korruption der Handschriften, Irrtum oder Mißverständnis des Verfassers (auch z. B. des biblischen Chronisten, MG SS VI S. 52 Z. 42 f.). Dazu MANITIUS III S. 354 f.; BUCHHOLZ, Ekkehard S. 9 ff.; SCHULZ, Methode S. 40, 46, u. ö.; LASCH S. 49.
98. Über Bernold von Konstanz und die Anfänge der sic-et-non- Methode in der Kanonistik M. GRABMANN, Die Geschichte der scholastischen Methode, Freiburg 1909, Neudruck Basel—Stuttgart 1961, I, S. 234 ff. Vgl. schon HAUCK, KG III S. 961. Über die Arbeit der Konstanzer Domschule neuerdings J. AUTENRIETH, Die Domschule von Konstanz zur Zeit des Investiturstreites, Forschungen z. Kirchen- u. Geistesgesch. NF 3, Hechingen 1956, insbes. S. 149 ff., 159 ff.
99. MG SS VI S. 201 (Absetzung des Papstes in der Wormser Synode; MG Legg. II S. 44); die Darstellung der Canossa-Ereignisse ist einem Papstbrief entnommen (MG SS VI S. 202; Gregorii VII Regist. ed. CASPAR IV, 12 S. 311 ff.) und anschließend hießt es: Sed quia quidam dicunt, ipsius papae auctoritate et consilio Rudolfum in regno sublimatum, quidam vero negant, Heinricum regem ab eo fuisse excommunicatum eiusdem papae dicta quaedam, super his potissime, non incongruum videtur annotare. Ait enim in quadam epistola Den Beschlüssen der Brixener Synode stellt er (MG SS VI, 203; MG Legg. II S. 51) einen Brief Anselms von Lucca an den Gegenpapst Wibert gegenüber. Man kann hier gewiß nicht von einer Eigenart Frutolfs sprechen, bedenkt man, daß »the lavish use of documents« von Eusebius als »new type of [202]historical exposition« eingeführt wurde (A. MOMIGLIANO, Pagan and Christian Historiography in the fourth Century A.D., in: The Conflict Between Paganism and Christianity in the 4th Century, ed. A. MOMIGLIANO, Oxford 1963, S. 91) und von da an die christliche Geschichtsschreibung, insbes. die Kirchengeschichtsschreibung, bestimmt (W. LEVISON, Beda as Historian S. 371 f.). Wohl aber ist bei Frutolf die Neigung, umstrittene Ereignisse in Version und Gegenversion ohne eigenen Kommentar aus Akten zu schildern, eine Neigung, die als Fortführung seiner quellenkritischen Methode — Aufstellung von diversitates, Überlassen des Urteils dem prudentior lector — angesehen werden darf und eine neue Variante darstellt. Dagegen war der Einzug der Urkunde als spezifisches Beweismittel in mittelalterlichen Chroniken ein Novum seit dem 11. Jh. (darüber schon B. LASCH, Das Erwachen und die Entwicklung der historischen Kritik im MA, Breslau 1887, S. 51 ff.; SCHULZ S. 25 f.): SIGEBERT VON GEMBLOUX führt eine Urkunde als Probamentum (MG SS IV S. 470) an; vgl. ERDMANN, HZ 154 (1936), S. 508 (Hugo von Fleury); Frutolf bringt den Wortlaut der Privilegien Leos IX. an Bamberg (z. J. 1052). Umgekehrt spricht Johann v. Salisbury vom Nutzen der Geschichtsschreibung als Rechtsnachweis (oben S. 72). Eine Gattung für sich sind die Klosterchroniken, die Chartulare und Chroniken zugleich sind (Folcuin, Gesta abb. Sithiensium, vgl. MANITIUS II S. 213; Chron. Monast. S. Michaelis Virdunensis, Chron. Laureshamense, Chron. Epternacense MG SS 21 S. 334 ff.; S. 23, S. 38 ff. u. a.), die als Beweisgrundlage für Besitzansprüche konzipiert wurden. So verwandelt sich im 12 Jh. auch der Topos: revidieren, von neuem schreiben, der seit der Karolingerzeit sich auf das Stilistische bezog (RICHER, Historiarum l. IV, ed. WAITZ, MG SS rer. ferm. in us. schol. Hannover 1877, S. 1; HUGO V. FLEURY MPL 163, 979 A) und wird nunmehr auf die neue Arbeitsweise angewandt: TOMELLIUS, Hist. Hasnoniensis MG SS XIV, 149: Exigis a me antiquam Hasnoniensis coenobii constructionem novo stylo cudere passimque in archivis divisam in unum volumen colligere. Auch der Topos: aus vielen Büchern eins machen, ist antikes Erbgut und schon bei Diodor vorhanden; neu ist, daß man das Sammeln vornehmlich von Urkunden als novus stylus empfindet.
100. BRINCKEN, Studien, Taf. VI, bemüht sich, die Verteilung des Stoffes in den Weltchroniken zu bestimmen. Dem Wunsch, die eigene Zeit nicht zu bevorzugen, steht der Wunsch, Lokalgeschichte hinter Reichsgeschichte zu stellen, sobald Nachrichten über letztere verfügbar [203]sind, gegenüber. BUCHHOLZ, Ekkehard S. 32. Beide Charakteristiken fügen sich zu einer Tendenz zusammen: die Überwindung der naiven, topozentrischen Darstellungsweise, die den eigenen Ort und die eigene Zeit in den Mittelpunkt stellt und Ereignisse wahllos häuft, je mehr die Darstellung sich dem eigenen Ort und der eigenen Zeit nähert.
101. Z.J. 1066, 1091—1092, 1094, 1096; MG SS VI S. 197, 199, 207.
102. Das Elogium gehört jedoch der Fassung C an.
103. MG SS VI S. 198, Z. 14 ff. von Otto übernommen; Chron. VI, 34.
104. Vgl. dazu Bruno. MG SS rer. Germ. XV (SS V S. 332).
105. Der Bericht ist chronologisch und inhaltlich falsch. Für das Folgende vgl. BUCHHOLZ, Ekkehard, S. 46 f., 49 u. Anm. 1, sowie die dort angeführten Belege. Außer bei dieser Gelegenheit, die er wohl eher als einen unüberlegten Schritt — mit gravierenden Folgen allerdings — beschreibt, spricht Frutolf von Agnes nur noch mit Bewunderung; z. J. 1062 (S. 199); z. J. 1069 (S. 199).
106. Chron. ed. HOFMEISTER VI, 3, S. 265 Z. 2. ff.; unten S. 107 ff.
107. MG SS VI S. 197 Z. 42 ff.; S. 199.
108. Die dissensiones sind zuerst genannt. Das beweist zumindest, daß hier keine Differenzierung der »Ursachen« vorliegt und daß man nicht behaupten kann, es handle sich hier um Kirchengeschichte, während wir es vorhin — bei dem Bericht über den Streit um das Herzogtum Schwaben und seine Folgen — mit Profangeschichte zu tun hätten: so nämlich erklärt es BUCHHOLZ.
109. MG SS VI S. 197.
110. MG SS VI S. 201 (z. J. 1075). Seine Rolle in der Beseitigung des Cadalusschismas z. J. 1063 (S. 199); z. J. 1072: Vir sanctissimus — ebd. jedoch seine vermutliche Rolle im sächsischen Aufstand.
111. MG SS VI S. 197.
112. Chron. VI, 39 S. 302.
113. Vgl. unten S. 107 f.
114. MG SS VI S. 199.
115. MG SS VI S. 200 (z. J. 1071).
116. MG SS VI S. 200 (z. J. 1072).
117. MG SS VI S. 200 Z. 17 ff.
118. Von VII, 10 abgesehen, wo beide imperatores der Christenheit Deo contrarii genannt werden.
119. Z.J. 1073 (S. 200): Der Brief Alexanders. Über den wahren Inhalt dieses Briefes, siehe BUCHHOLZ, Ekkehard S. 35.
120. MG SS VI S. 201 Z. 1 ff.
121. MG SS VI S. 201.
[204]122. MG SS VI S. 201 Z. 1 ff. (vgl. oben Anm. 118): aecclesia Dei tam gravi tempestate per abusionem novitatum tuarum periclitatur
123. MG SS VI S. 202 Z. 5 f.
124. MG SS VI S. 202 (1078 Schlacht bei Mellrichstadt, 1079 Schlacht bei Flarchheim, der König zieht sich in orientalem Franciam zurück).
125. MG SS VI S. 203 Z. 35 ff.
126. MG SS VI S. 204.
127. Die Annahme BRINCKENS, Studien S. 192, es trete 1085—1096 ein »Erlahmen der Erzählfreude« bei Frutolf in Erscheinung, ist überflüssig. Näher liegt die Annahme, daß er von den wichtigsten Ereignissen dieser Jahre, die sich z. T. in Italien konzentrieren, geringe oder keine Kenntnis hatte. Immerhin berichtet er 1086 (S. 206) von den Kämpfen um Würzburg, nachdem er ausführlich die Zusammenkunft bei Berkach (S. 206) geschildert hat.
128. MG SS VI S. 197—202.
129. BUCHHOLZ, Ekkehard S. 46.
130. Ich denke hierbei z. B. an die streng gegliederten und voneinander unterschiedenen Ursachen, die Wilhelm von Tyros für den Verfall des Kreuzzugstaates seiner Zeit anführt (GUIL. TUR. De reb. transmar. gest. XXI, 7).
131. Über Wandelbarkeit, Entwicklung als biographisches Prinzip: P. KIRN, Das Bild des Menschen in der Geschichtsschreibung von Polybios bis Ranke, Göttingen 1955 S. 108 ff. Zu Adam von Bremen, der seine Kategorien auch programmatisch Gest. Hamab. eccl. Pont. III, 1—2; 71 (ed. SCHMEIDLER, Mon. in us. schol. 1917, S. 142 ff., 218 ff.) darlegt: MISCH III/1 S. 168 ff., KIRN S. 119. Man vergleiche auch Frutolfs Bild von Heinrich IV. mit dem WILHELMS V. MALMSBURY, Gesta Reg. S. 342 f., H. RICHTER, Englische Geschichtsschreiber d. 12. Jh., Neue dt. Forschungen, Abt. ma. Gesch., hg. V. F. BAETHGEN 4, Berlin 1938, (S. 117) oder auch mit der Apologie, die Ekkehard von Aura seiner Revision des Charakterbildes Heinrichs V. beifügt (MG SS VI, 265; vgl. GERHOH VON RICHERSBERG, De invest. Antich. I, 23 Ldl III, 332; bei KIRN S. 125 f.). Daß Otto von Freising sich nicht für biographische Motivationen interessiert, schwächt die These, er wolle das Individualitätsprinzip einführen, zumindest, was die Praxis der Geschichtsschreibung betrifft, erheblich. (KOCH, unten S. 211 Anm. 195).
132. HUGONIS FLORIACENSIS S. Benedicti Monachi Chronicon ed. Bernhard ROTTENDORF, Münster 1636; Auszüge und Prologe der 1. und 2. Fassung Historia Ecclesiastica ed. WAITZ MG SS IX, 342 ff.; [205]zum Titel siehe Anm. 132; Lit.: MANITIUS III S. 518 ff.; VON DEN BRINCKEN, Studien S. 193 ff.; ZIMMERMANN S. 54 ff.
133. MG SS IX S. 349 Z. 26 ff.: Non quod non sitis satis decenter magnis virtutibus adornata, sed quod semper in melius proficere commonemus. Aecclesiasticam enim relegens historiam etc.
134. Ebd. Z. 50: Siquidem per historiam preteriti temporis series comprehenditur et per regum et imperatorum successiones multa necessaria perscrutantur. Im Widmungsbrief der Modernorum regum Francorum actus an die Kaiserin Mathilde heißt es denn auch, er habe zuvor (in der Chronik) die Geschichte des Romanum imperium erzählt und gehe nunmehr zur Geschichte der französischen Könige über (MG SS IX S. 376; siehe unten S. 92); ob die Bezeichnung »Kirchengeschichte« ganz zutrifft, scheint mir also nicht ganz sicher, trotz Prooem. I S. 351 Z. 12 und obwohl ein großer Teil von Hugos Zusätzen sich auf die Kirchengeschichte bezieht.
135. MG SS IX S. 351 Z. 24; 355 Z. 48 (Lucas texeret historiam). Vgl. GREGOR V. TOURS, Histor. Praef. l. II, ed. KRUSCH—LEVISON S. 36 (mit der antiken Begründung aus der Notwendigkeit der Synchronisation); HRABANUS MAURUS, In I Machab. Prol. MPL 109, 1128 B: partim vero de aliarum gentium historicis contexui. (LUBAC, Exégèse II S. 433); OTTO V. FREISING, Chron. ed. HOFMEISTER S. 3 Z. 11; S. 8 Z. 20 ff., S. 105, mit Bezug auf beide civitates; eine andere Möglichkeit des Ausdrucks texere HIERON. MPL 27, 825 (Isaia evangelii historiam texere videatur; vgl. OTTO V. FREISING, Chron. ed. HOFMEISTER, S. 72 Z. 4 ff.); der Ausdruck bedeutet auf jeden Fall, verschiedenes zu verbinden, sei es Profan- und Heilsgeschichte, sei es (Isaia aus dem Vorherwissen) Geschichte des AT und NT. Vgl. auch folgende Anm.
136. Widmungsbrief MG SS IX S. 350: Praeterea huius historiae liber nimis profunda latenter continet aecclesiae sacramenta; Prol. II, S. 354 f. (ed. ROTTENDORF S. 27): curabo nunc iuxta historiae textum legentibus notificare, quomodo processit recta eruditio fidei (unten Anm. 144).
137. MG SS IX S. 350; 354.
138. Chron. ed. ROTTENDORF S. 23 f.; OROSIUS, Histor. II, 1 ed. ZANGEMEISTER, S. 34 f.; BRINCKEN, a. a. O. Anm. 59.
139. Chron. ed. ROTTENDORF S. 71.
140. Chron. ed. ROTTENDORF S. 24; AUGUSTIN DCD XVIII, 27, CCSL 48, 611 f. (mater-filia); OROS. II, 1 f. (unten s. 101).
141. Chron. ed. ROTTENDORF S. 7: ita quippe gens ipsa late per orbem terrarum arma circumtulit, ut qui res eius legunt, non unius gentis, [206]sed humani generis facta discant, et ad construendum eius imperium contendisse virtus et fortuna videantur. Daß die Geschichte des Imperiums »Chronik« schlechthin bedeuten kann, wissen wir etwa aus der (Regensburger) Kaiserchronik, ed. SCHRÖDER, Mon. Dt. Chron. 1, 1. Abt. (1892), Z. 15 ff.: Ein buoch ist ze diute gelihtet / daz uns Rômisches rîches wol berihtet / gehaizzen iz crônicâ
142. Chron. ed. ROTTENDORF S. 24; OROSIUS, Hist. I, 1; VII, 2 ed. ZANGEMEISTER, I, 1; VII, 2.
143. Chron. ed. ROTTENDORF S. 23; vgl. AUGUSTIN DCD XVIII, 27 CCSL 48, 618 (auch XVI, 41; XVIII, 45 CCSL 48, 547; 643).
144. MG SS IX, 355 Z. 57 f.
145. MG SS IX, 354 Z. 56 ff.
146. MG SS IX, 354 Z. 18 f. AUGUSTIN DCD X, 14 CCSL 47, 288 (oben S. 165 Anm. 7). Hugo benutzt später eine ähnliche, aber individualisierte Wendung; über Gerbert v. Reims heißt es: propter scienciam qua pollebat quasi per quosdam gradus in ecclesia sancta per intervalla temporum meruit exaltari (Modern. reg. Franc. actus, MG SS IX S. 385).
147. Vgl. HUGO V. FLEURY, Liber de regia potest. Ldl II S. 485.
148. MG SS IX S. 354 Z. 21 ff. zusammengesetzt aus AUGUSTIN DCD XIV, 1 (CCSL 48, 414) und XV, 1 (CCSL 48, 453).
149. Ed. SACKUR MG Ldl II, 466 ff.; auf die organologischen Gleichnisse machte schon O. GIERKE, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Berlin 1868/1913, Neudruck Darmstadt 1954, III, 515 Anm. 2 f. aufmerksam. Über die vermittelnden Tendenzen H. BÖHMER, Kirche und Staat in England und der Normandie im 11. u. 12. Jh. Leipzig 1899, S. 164 ff.; insbes. 165. Zur biblischen Argumentation J. FUNKENSTEIN, Das AT im Kampfe zwischen regnum und sacerdotium S. 20 ff.
150. Widmungsbrief an Heinrich I. v. England, Ldl II, 466; CARLYLE IV S. 266 ff.; zur Rex imago Dei, episcopus imago Christi Lehre bei Hugo, ihrer Rückführung auf den sog. Ambrosiaster und Verbindung mit den Gedanken des Yorker Anonymus: W. BERGES, Die Fürstenspiegel (oben S. 150 Anm. 155); KANTOROWICZ, The Kings Two Bodies, S. 56 Anm. 30, S. 161; ebd. Lit. F. KERN, Gottesgnadentum u. Widerstandsrecht, hg. v. R. BUCHNER Darmstadt 21954 S. 96 Anm. 198.
151. Oben S. 91.
152. MG SS IX, 356; Ldl II S. 483 ff.
153. MG SS IX S. 363 f.
[207]154. Liber qui modernorum regum Francorum continet actus, MG SS IX S. 376 Z. 35 ff.
155. MG SS IX S. 384 (z. J. 987); ab illo die also hier wörtlich zu verstehen, da davor die ascensionis dominicae hervorgehoben wird.
156. MG SS IX S. 394 Z. 47. Deutlicher wird ORDERICUS VITALIS, bei dem es heißt: (MPL 188, 647 C): Antiqua nempe miracula Deus Abraham super iterabit, dum fideles illexit, et sine rege saecularique exactione per Urbanum papam commonuit etc.
157. Jedoch gegen SPÖRL, Grundformen, insbes. S. 63 (Normannen als Träger der Gegenwarts- und Zukunftsgeschichte) H. WOLTERS, Ordericus Vitalis, Ein Beitrag zur Klunyazensischen Geschichtsschreibung, Wiesbaden 1955, insb. S. 141. Eine bewußte, spezifisch heilsgeschichtliche Gegenwartsbestimmung im Sinne des Themas meiner Arbeit fand ich bei Ordericus nicht, wohl aber können seine piae meditationes als Beispiel der Trennung zwischen Geschichtsschreibung und Reflexion dienen.
158. Hoc opus nostrum, quod de duabus civitatibus intitulavimus: Chron. Prol. 1. VIII, ed. HOFMEISTER MG SS rer. Germ. in us. schol. 21912, S. 390; vgl. ebd. Vorwort S. X ff.
159. Nemo autem a nobis sententias aut moralitates expectet. Historiam enim, in qua civium Babyloniae vicissitudines ac labores civiumque Christi inter eos progressus et profectus texantur (vgl. unten S. 94) Chron., Prol. l. II S. 68, Z. 23 ff.; vgl. VI, 23 S. 386. Dazu P. BREZZI, Ottone di Frisinga, Bulletino dellInstituto storico Italiano per il medio evo e archivio Muratoriano 54, Rom 1939 S. 129 ff.; S. 223.
160. SCHULZ, Methode S. 104, 127 f.; H. WOLTERS, Geschichtliche Bildung im Rahmen der Artes Liberales in: Artes Liberales, Studien u. Texte zur Geistesgeschichte des MA 5, hg. v. J. KOCH, Leiden—Köln 1959, S. 66 f., 74 ff.; GRUNDMANN, Geschichtsschreibung im MA, in: Dt. Philol. im Aufriß, hg. v. W. Stammler, Berlin 1958 Sp. 1273 f. Wenn dagegen SIGBEERT VON GEMBLOUX seine Chronik ad physicam zugehörig weiß (De script. eccl. MPL 160, 588 A), so meint er nicht die Erzählung, sondern die Chronologie. Als appendix artium bezeichnete HUGO VON ST. VICTOR (Didasc. III, 4 MPL 176, 768 f.) die Historia.
161. Von septem liberales disciplinae ist ISIDOR, Etym. I, 1, 3 (ed. LINDSAY) [208]die Rede nach der Unterscheidung zwischen ars (aliquid opinabile tractare) und disciplina (veris disputationibus aliquid disserere); vgl. CASSIODOR MPL 70, 1203 B.
162. ISIDOR, Etym. I, 44, 5 (allerdings zur Grammatik gehörig): Nam historiae sunt res verae quae factae sunt; argumenta sunt quae etsi non facta sunt, fieri tamen possunt; fabulae vero sunt quae nec factae sunt nec fieri possunt, quia contra naturam sunt. Vgl. QUINTILIAN, Instit. orat. II, 4, 2 ed. RADEMACHER I S. 77.
163. Widmungsbrief S. 5: Sic et cronographorum facultas habet fugit enim mendacia, eligit veritatem. Ebd. Z. 16 officium. Geschichte bei Otto gleichberechtigte ars: SCHULZ, Methode S. 8.
164. VI, 23 S. 286; HAUCK IV S. 504; J. HASHAGEN, Otto von Freising als Geschichtsphilosoph u. Kirchenpolitiker, Leipziger Studien aus dem Gebiet der Geschichte VI, 2, 1900 S. 83 sowie J. STABER, Eschatologie u. Geschichte bei Otto von Freising, in: Otto von Freising, Gedenkgabe zu seinem 800. Todesjahr, hg. v. J.A. FISCHER, Freising 1958 S. 106 ff., S. 113; J. SCHMIDLIN, Die geschichtsphilosophische u. kirchenpolitische Weltanschauung Ottos von Freising, Studien u. Darstellungen auf dem Gebiet der Geschichte im Auftrage der Görresgesellschaft u. des HJ, Freiburg 1906 S. 11.
165. Prol. III, S. 131; vgl. Prol. VI, S. 307 und unten S. 105.
166. Vgl. oben S. 207 Anm. 159.
167. Darum auch die häufige Selbstermahnung, ad hystoriae seriem reverti (IV, 4 S. 191) und die grundsätzliche Erörterung I, 3 S. 41: Einige Autoren meinen fälschlich, die heidnischen Geschichtsschreiber hätten die Urzeit nicht gekannt; das läßt sich nur so erklären, daß sie Barbaren nicht für glaubwürdig hielten, oder quod tunc primo scripta aliqua auctoritate digna arbitrentur, cum per annorum digestionem in ordinem redacta fuerunt (vgl. SCHMIDLIN S. 14). Ähnlich, jedoch nur auf die Datierung bezogen, HUGO V. FLEURY, MG SS IX S. 355; (hier das Wort von den aniles fabulae, welches an PETRUS DAMIANI Opusc. 13. De perfectione Monach, c. 23 MPL 145, 324 C—D — dazu MANITIUS III S. 72, SPOERL, Grundformen S. 20 — erinnert). Schon HAUCK, KG IV S. 504 hat gesehen, daß Otto scharf zwischen Geschichtsdeutung und Geschichtsschreibung unterscheidet.
168. Widmungsbrief S. 5 Z. 17 ff.
169. Prol. I, S. 6 Z. 14 ff.
170. Vgl. HUGO VON ST. VICTOR, De van. mundi IV, MPL 176, 739 f., insbes. 740 C. Daß prol. II von Hugos Traktat beeinflußt ist, beweist auch die Übernahme der translatio-scientiae-Idee, vielleicht [209]auch der Gebrauch des Wortes experimentum (MPL 176, 739 C—Chron. Prol. II, S. 7 Z. 18), auf jeden Fall aber der Aufstieg per visibilia ad invisibilia, Geschichte als Folge von miseriae. HASHAGEN S. 30.
171. Prol. II S. 68 Z. 23 ff.; vgl. Prol. I S. 9: Quorum alter (Augustin) de gloriosae civitatis Dei exortu sive progressu debitisque finibus disputavit. Alter vero contra eos, qui temporibus Christianis priora praeferentes de rerum humanarum variis ac miserrimis eventibus usque ad tempus suum texuit hystoriam. SCHMIDLIN S. 11 (mit Recht gegen HASHAGEN S. 83 Anm. 6), S. 46 f., S. 58 f.
172. Prol. V S. 226. Dazu BREZZI S. 282 f.; H.-M. KLINKENBERG, Der Sinn der Chronik Ottos von Freising, in: Aus MA und NZ, G. Kallen zum 70. Geburtstag, hg. I. ENGEL und H.-M. KLINKENBERG, S. 63 ff., insb. S. 65; STABER S. 121 (vgl. jedoch unten Anm. 243).
173. Siehe auch oben S. 146 Anm. 128; J. SPÖRL, Das Alte und das Neue S. 328 (Johannis Cottonis Musica c. 5 und andere Belege zur Musikwissenschaft; JOH. V. WINTERTHUR MG SS nov. ser. III S. 129; Alex. de Villa Dei) und E.H. KANTOROWICZ, The Kings Two Bodies, Princeton 1957 S. 254 Anm. 187 (Memoriale c. 25, S. 48; geht aber auf Otto von Freising Prol. V zurück) und S. 277 Anm. 7 (ebd. Lit. zu den »Zwergen auf den Schultern von Riesen«, dem Ausspruch Bernhards von Chartres).
174. Siehe oben S. 165 Anm. 7.
175. Prol. I (an Isingrim) S. 7 Z. 18; vgl. II, 13 S. 82 Z. 20 ff. und dazu CH. CH. MIEROW, The Two Cities by Otto, Bishop of Freising, New York 1928, Introd. S. 30 u. Anm. 141.
176. Quarum rerum previdere et quasi somniare divinitus inspirati homines causas potuere. Nos vero non solum credere, sed et videre quae praemissa sunt possumus (Prol. V S. 227 Z. 24 ff.) ergäzt das Prol. V S. 226 Z. 25 ff. Gesagte. KLINKENBERG S. 63 betont mit Recht, daß dieser Gedanke in den Gesta nicht vorkommt.
177. KLEMPT (oben S. 130 Anm. 28); J.W. ALLAN, A History of Political Thought in the Sixteenth Century, London 21961, S. 406, S. 431 ff.
178. Prol. III S. 133 Z. 23: Hic iam quod supra distuli solvendum puto (Machtstellung des Imperiums); VI, 36, S. 305: Hic quod supra distuli solvendum puto (Hofmeister: auf II, 3 bezogen. Auch dort folgt dem Versprechen, suo loco den losgerissenen Stein in der Danielvision zu deuten, der Zusatz, man könne es in der Gegenwart aus Erfahrung). IV, 32 S. 224 Z. 6 ff.: Hic quod supra promisi [210]dicendum puto (auf I, 25 bezogen) bezieht sich zwar nur auf das Eindringen der Franken nach Gallien, dient aber auch der Deutung (Vergleich Rom — Franken).
179. Prol. III, S. 131 begründet er die Notwendigkeit rationem reddere, aber VI, 23 S. 286 Z. 9 ff. ist der schon oben (S. 94) erwähnte Gegensatz res gestas scribere — rationem reddere zu finden; allerdings handelt es sich einmal um die Frage, warum Christus im Zeitalter des Augustus geboren werden wollte, VI, 23 jedoch dagegen nicht um teleologische Deutung, sondern um eine Beurteilung des Rechtes Ottos, Leo abzusetzen; VI, 36, S. 305 Z. 5 bringt er seine sententiae — hier als Deutung, Meinung zur Deutung der Danielvision verstanden — Prol. II (oben S. 207 Anm. 159) versichert er, weder sententiae noch weitere moralitates zu bringen, nachdem er an unpassender Stelle die Bedrängnisse der eigenen Diözese erwähnt und dabei die weltlichen Fürsten verurteilt hat. Lit. oben S. 208 Anm. 164; die Lösung SCHMIDLINS ist unklar.
180. Unmittelbare Eingriffe Gottes: HASHAGEN S. 72 f., SCHMIDLIN S. 49 f. H. MÜLLER, Die Hand Gottes in der Geschichte, Diss. Hamburg 1949 S. 112 ff.
181. V, 36 S. 261: nos, qui ad ostendendas mutationes rerum res gestas scribimus.
182. Prol. VIII, S. 390; (Hugo von St. Victor, Joh. Scot. Erigena unten S. 111); HASHAGEN S. 62; SCHMIDLIN S. 25 f.; EB. F. OTTO, Otto von Freising u. Friedrich Barbarossa in: HVj 31 (1938), S. 27 ff., nachgedruckt in: Geschichtsdenken und Geschichtsbild S. 247 ff., insbes. S. 260 ff.
183. Prol. I, S. 7; IV, 31 S. 222 ff.; VI, 36, S. 305; Prol. VII, S. 308.
184. Prol. V, S. 228; Prol. VII, S. 309. Von zahlreichen Interpretationen ist die von J. SPÖRL, Civitas Dei im Geschichtsdenken Ottos von Freising, in: Geschichtsdenken und Geschichtsbild S. 316 f. eine der wenigen, die den civitas-permixta-Begriff als »nebensächlich« bezeichnen; vgl. auch DERS., Grundformen S. 42; SCHMIDLIN S. 65; treffend Eb. F. OTTO S. 262 f.; gegen OTTO jedoch muß an der »Historisierung« des civitas-permixta-Begriffes (im Gegensatz zu Augustin) festgehalten werden, wie ich in dem Folgenden zu beweisen versuche.
185. I, 10 S. 49; V, Prol. S. 228 Z. 13 ff.
186. Prol. VIII S. 390 Z. 2 ff. Der Unterschied zwischen der Gegenwart und der Zeit, antequam plenitudo gentium introiret, besteht darin, daß damals die civitas Dei »verborgen war«, und [211]das heißt: sich zwar zum größten Teil aus dem populus Dei rekrutierte, sich aber mit ihm nicht deckte und erst mit Christus »offenbar« wurde in der Kirche.
187. Prol. VII, S. 309, Z. 24: Quod temperamentum propter hereticos vel excommunicatos ex regibus posuimus. Vgl. Prol. V S. 228: der Staat wird ein gemischter, weil nicht nur das Volk (wie seit Christus), sondern auch die Fürsten (quia omnis non solum populus, sed et principes) katholisch wurden (darum nicht Konstantin).
188. III, 22 S. 162 (Häretiker, bellum intestinum im Staat Christi, der Kirche).
189. O. BRUNNER, Abendländisches Geschichtsdenken, in: Neue Wege der Sozialgeschichte, Göttingen 1956 S. 168, insbes. S. 181 f.; ähnliche Urteile müssen insofern nach dem genauen Maß der Beeinflussung, das wir an einigen Stellen zu bestimmen versuchen, modifiziert werden.
190. Auf Grund der unterschiedlichen Interpretation Augustins glaube ich A. HARTINGS, Civitas Dei — civitas mundi in den Werken Ottos von Freising im Hinblick auf Augustins »De civitate Dei«, Diss. (masch.), Bonn 1943, insb. S. 37 ff., 50 ff. widersprechen zu müssen.
191. Prol. V, S. 228, Z. 23 ff.
192. Prol. VIII, S. 309 f.
193. Prol. V, S. 227, Z. 1: humana potentia; V, 36 S. 260 Z. 15 (vgl. Z. 5): potestas temporalis (Otto vermeidet hier den Ausdruck Weltstaat) wird in ihrem Lauf von Ost nach West schwächer, gleicht einem sich wälzenden Kranken.
194. Prol. IV, S. 183 Z. 2 ff. Auch HIERONYMUS, dessen pessimistische Auslegung der eusebianischen Reichstheologie (oben S. 36) nicht nur aus dem Bewußtsein der Reichskirche herrührte, wolle eine Kirchengeschichte ab adventu Salvatoris usque ad nostram aetatem id est ab apostolis usque ad nostri temporis faecem schreiben und zeigen, quomodo et per quos Christi Ecclesia nata sit, et adulta, persecutionibus creverit et martyriis coronata sit: et postquam ad Christianos principes venerit, potentia quidem et divitiis maior, sed virtutibus minor facta sit: Vita Malchi, MPL 23, 5; E. SEEBERG, Gottfried Arnold, Meerane 1923, Nachdruck Darmstadt 1964 S. 275 ff.; CURTIUS S. 413 Anm. 2; LADNER S. 252 Anm. 57.
195. Gesta Frid. I, 5 ed. WAITZ MG SS rer. Germ. in us schol. 1912, S. 16 ff.; dazu J. KOCH, Grundlagen d. Geschichtsphilosophie Otto v. Freising, in: Geschichtsdenken u. Geschichtsbild S. 321 ff. = Münchener Theol. Zeitschr. 4 (1953), S. 79 ff. Aus der Verbindung von Gesta I, 5 und I, 54 f. (KOCH S. 341; vgl. schon BREZZI S. 276 f.) [212]glaubt Koch, den Individualitätsgedanken (Mensch als aktives und seiner mutabilitas bewußtes Wesen) zur Basis der Geschichtsphilosophie Ottos (im Gegensatz zur Geschichtstheologie Augustins) machen zu können. I, 54 hat aber seinen besonderen Stellenwert; diese Individualität, auch wenn sie als »Unähnlichkeit« mit allen Generationen vor oder nach dem bestimmten Individuum gekennzeichnet wird, bedeutet nur soviel wie Willensfreiheit, nicht aber den Versuch, historische Individualität einzufangen. Daß der einzelne eine gesetzmäßige historische Bewegung aufhalten, aber nicht ändern kann — das ist ja, wie mir scheint, der Grund, warum Otto die Gesta Frederici in einer anderen Stimmung als die Chronik, aber mit denselben Prinzipien schreiben konnte.
196. KLINKENBERG S. 65 ff.
197. VI, 36 S. 305 Z. 13 ff.
198. I, 30 S. 65; AUGUSTIN DCD XVIII, 21 CCSL 48, 611 ff.; vgl. OROSIUS II, 2 ed. ZANGEMEISTER S. 37 (sicquidem sub una eademque convenientia temporum illa cecidit, ista surrexit illa tunc quasi moriens, dimisit haereditatem: haec vero pubescens, tunc se agnovit haeredem etc.) und das folgende zur Arbeitsweise Ottos. Die I, 31 ebd. aus Orosius übernommene Schilderung des Endes Sardanapallus — ermordet von seinem medischen Heerführer Arbaces, während er in Weiberkleidern spann (Oros.: vir muliere corruptior I, 19 ed. ZANGEMEISTER S. 30, Z. 9 f.) demonstriert die Schwäche — Verweiblichung — der Machtträger, ist also von Otto als Explikation Augustins gedacht. Von Arbaces, fügt Otto zusammenfassend hinzu, wurde gegen Sardanapallus das eigene Reich aufgewiegelt: Macht zerstört sich selbst. Dazu die letzte Nachricht vom Assyrerreich I, 19 S. 53 f.
199. I, 32 S. 66 Z. 14 ff.; OROS. II, 2 ed. ZANGEMEISTER S. 36 Z. 34; potestas und proprietas. Hier wie an anderen Stellen der Chronik, an denen von regnum und imperium die Rede ist, unterscheidet Otto nicht etwa zwischen nomen und res, Bezeichnung und wirklicher Macht, sondern sieht die »Sache« des Imperiums (oder Königtums) aus nomen (dignitas), auctoritas und potentia (potestas) zusammengesetzt. Ursprünglich vereinte Babylon den Namen, die rechtmäßige Befehlsgewalt und die Machtwirklichkeit in sich. Der allmähliche Niedergang des Reiches ist nichts anderes als die Auflösung der drei Bestandteile und ihre Verteilung zunächst auf zwei, dann auf drei Träger: Babylonier, Meder, Perser. Ausdrücklich ist die Parallele zu Rom gezogen (IV, 31 unten S. 102). Das nomen [213]allein ist tatsächlich leer; mit Frutolf und Einhard spricht Otto (V, 21 S. 249) vom inane nomen regium und unterscheidet zwischen res und nomen simul ac res bei Pippin (V, 23 S. 250). Über ähnliche Anschauungen von den nomina actualia im 9. Jh. BORST, Kaisertum und Namenstheorie S. 46 ff.; vgl. auch oben S. 196 Anm. 64 (Glaber).
200. I, 32 S. 66, Z. 5 ff.: mutatione tamen sui omnimodis sibi minatur interitum; die mutatio meint hier (wie allgemein zum Phänomen der translationes Prol. I S. 7 f. mit derselben Wendung auf caput mundi bezogen: ipsiusque occasus toti corpori minatur interitum) die noch nicht vollendete translatio ad Medos.
201. Prol. II S. 68 (Nach OROS. II, 1 ed. ZANGEMEISTER, S. 35 ff., nur anstatt Afrikaner — Karthager — Perser).
202. Ebd. OROS. II, 1; OTTO V. FR. II, 27 ff.; S. 99 Z. 24, S. 100, Z. 3. 23 (Ottos Zusatz: quasi ad huc vivente paedagogo; tamquam paedagogo defuncto).
203. OTTO III, 6, S. 142; OROS. VI, 20 ed. ZANGEMEISTER S. 227; AUGUSTIN DCD XVIII, 27 (oben S. 49; WACHTEL S. 65 ff. insb. 67).
204. II, 26 S. 99 Z. 6 ff. (nach Oros.) Wie sehr ihm an dem Grundsatz: Macht zerstört sich selbst durch Gegenmächte, die sie auch bei ihren Trägern hervorruft, gelegen ist, sehen wir II, 19 S. 89 (nach OROS. II, 17 ed. ZANGEMEISTER S. 59 Z. 2): Die Athener erkannten (während des peloponnesischen Krieges), daß sicut res parvae (Oros.: minimae res) concordia crescunt, sic maximas discordia dilabi (Oros.: labi). Die Stelle steht zwischen eigenen Erörterungen; auch macht sich Otto die Mühe, Oros. nach Sallust (Jug. X, 6) zu korrigieren. Der Satz war ihm wichtig.
205. II, 29 S. 100; S. 99 Z. 23 war im selben Zusammenhang von der infantia des römischen Volkes die Rede; Otto übernahm von Orosius die Einteilung der römischen Geschichte in aetates (oben S. 28 f.).
206. III, 2 S. 136 Z. 11; S. 138 Z. 5 ff.; vgl. II, 39 S. 113 f. (Z. 33 ff.).
207. Oben S. 91 f.
208. II, 49 S. 127 Z. 8 ff.; II, 51 S. 129 Z. 8; LUCAN, Phars. I, 81 (AUGUSTIN, DCD XVIII, 45 und OROS. VI, 13 ed. ZANGEMEISTER S. 210 bringen zwar ähnliche Gedankengänge, aber Otto hat aus Lucan selbst ergänzt); VI, Prol. S. 261 Z. 27 (Franken). Andere Lucan-Stellen: I Prol. S. 7 und II, 29 S. 100 Z. 21 f. (Diadochen). Zur Stellung und Einfluß Lucans im MA: E.M. SANFORD, Quotations from Lucan in Medieval Latin Authors, The American Journal of Philol. 55 (1934) S. 1 ff.
209. II, 51 S. 128 f. (vgl. AUGUSTIN DCD TIT, 7 oben S. 161 Anm. 252).
[214]210. OROS. II, 3 ed. ZANGEMEISTER S. 38 Z. 3 ff.: Ecce similis Babyloniae ortus et Romae, similis potentia, similis magnitudo, similia tempora, similia bona, similia mala; tamen non similis exitus similisve defectus illa interfectione regis orbata, haec imperatore secura est. Et hoc quare? quoniam ibi in rege libidinum turpitudo punita, hic Christianae religionis continentissima aequitas in rege servata est etc. Orosius wiederum interpretiert, wenn er die Christen zu »Wächtern« des Römerreiches macht, die Aussagen Augustins am Anfang von DCD über die tempora Christiana zu weit; oben S. 44. Otto bringt einen neuen Standpunkt, er spricht mit Orosius nur von ortus und progressus (III, 6 S. 141; VI, 22, S. 285), aber gegen Orosius vom ähnlichen finis (IV, 30 S. 223 Z. 11: non solum ortus eius, sed et finis Babylonico similis).
211. Prol. III. S. 132 Z. 1 ff. (im Zusammenhang der Frage quare non ante venit Christus); hierzu MÜLLER S. 130, sowie S. 114 ff., S. 129. (Ordo mutationis, Gesta I, 66 S. 94 ist allerdings kein Ausdruck Ottos, er steht im Brief Papst Eugens III.).
212. Siehe oben S. 28 und FRUTOLF VON MICHELSBERG, MG SS VI S. 54 Z. 69.
213. Vgl. oben S. 212 Anm. 199.
214. Das und das Folgende nach IV, 31 S. 222 f. (eigene Reflexionen); vgl. BREZZI S. 286 f. (Einheit und Individualität im Translationsprozeß).
215. Vgl. oben S. 211 Anm. 195 (melius ad summum quam in summo).
216. Vgl. dagegen OROSIUS II, 3 ed. ZANGEMEISTER S. 37, der zwar auch den Vergleich Arbaces — Alarich bringt, aber mit Vorbehalt: Babylon spoliata opibus regno, Rom irrupta et opibus spoliata, non regno, manet adhuc. Vgl. oben S. 210.
217. VI, 22 S. 285 (famosae mutationes im Gegensatz zu »zeitweiligen Unterbrechungen«).
218. IV, 33 S. 226 Z. 5: cum iam Roma cadente Francia ad accipiendam coronam surrexit; unausgesprochen bleibt die Folgerung, daß demnach die byzantinische Herrschaft auch nur Tutorenstellung hatte. Z. 7 setzt novitas und volubilitas im jetzigen Leben gleich — das ist auf die potentia zu beschränken, da die sapientia echte, bleibende Fortschritte macht (Prol. V S. 226 Z. 22: nova invenire) und die Kirche »stets ein neues Volk gebiert« (oben S. 100).
219. VI, 24 S. 286 Z. 24: Vide regnum Teutonicorum cum regno Francorum affine et quodammodo cognatum principium habere.
220. VI, 22 S. 285 Z. 15: vel, ut aliis videtur, rursum ad Francos, unde quodammodo elapsum fuerat, retranslatum est; eclypsis Z. 23 ff. [215]Von einer retranslatio sprach sogar Frutolf nicht. Die Interpretation dieser Stelle fehlt bei GOEZ, Translatio S. 112 ff.; über ähnliche Stellen bei Otto als Vorläufer des französischen Schlagwortes vom reditus regni Francorum ad stirpem Caroli KERN S. 26 Anm. 59.
221. V, 35 S. 259: cum et ipsum (sc. regnum Francorum) auctor omnium Deus in illo, ad quem profecerat, statu manere nollet, in se ipsum miserabiliter dividi ac per hoc desolari et imminui (vgl. unten S. 168 Anm. 243); V, 36 S. 260 stellt dies in den allgemeinen Zusammenhang der Geschichte der irdischen potestas: von Ost nach West wandernd findet sie keine Ruhe, wie ein Kranker, der sich stets wälzt. Man beachte das febricitantis, mundialis dignitas volvi et revolvi; crebris revolutionibus se iactant huc et illuc — da sie auf die translationes gemünzt sind — schon recht nahe an unseren Revolutionsbegriff kommen, so daß seine Ableitung aus der Astrologie (E. ROSENSTOCK—HUESSY, Die europäischen Revolutionen, Jena 1931 S. 7 ff.; LADNER, Reform S. 30; als historischer Terminus seit VILLANI, z. B. Chronica IV, 89 — la subita revolutione — bekannt) ergänzt werden muß.
222. Siehe S. 101.
223. Prol. VI S. 261; vergleicht den Weltlauf mit dem Meer, die Menschen mit den reptilia maris. Ubi minores a maioribus sorberi ac ad ultimum se ipsos, cum materiam non invenerint, discerpere conspicimus. Unde illud: in se magna ruunt (LUCAN, Phars. 1, 81). Vgl. AUGUSTIN DCD XIX, 7 (Wasser als Gleichnis des Erdkreises; von Hofmeister nicht angemerkt) u. XVIII, 45 (unter dem Gewicht eigener Größe zerbrechen; oben S. 47 u. Anm. 256).
224. I Prol. S. 7 Z. 19 ff.; LUCAN, Phars. I, 135 (HOFMEISTER; SANFORD S. 7) über Pompeius. Alle Verse Lucans, die Otto einfügt, beziehen sich also auf Niedergang durch Zwietracht. Zum nomen vgl. oben S. 212 Anm. 199.
225. III, 3 S. 139 Z. 6 ff.
226. Hierzu gehört auch, daß er seit den Reichsteilungen im 8. Jh. bis zu seiner Gegenwart in Wirklichkeit zwei regna konstatiert: V, 35 S. 229.
227. AUGUSTIN DCD XIX, 7; 12 f. — 15; vgl. oben S. 47 ff.
228. HASHAGEN S. 50; SCHMIDLIN S. 81; SPÖRL, Grundformen S. 32 f. u. a.
229. DCD XVIII, 22 (oben S. 161 Anm. 256).
230. II, 51 S. 128 f.: Ecce enim, Romanae rei publicae status cum quanto non solum hostium, sed et civium detrimento profecerit
[216]231. I, 6 S. 44.
232. DCD IV, 6 (zur Stellung der Urstandslehre Justins bei Augustin oben S. 47 und KAMLAH, Christentum und Geschichtlichkeit S. 335).
233. Epit. I, 1; diese Gedanken kannte Otto auch durch Frutolf (unten Anm. 235), so daß unsere Frage, warum Otto eine andere Begründung sucht, berechtigt ist und nicht mit dem Einwand, er könnte die Augustinstelle übersehen haben, abgewiesen werden kann. Zum Einfluß Justins im Mittelalter: F. LANDSBERG, Das Bild der alten Geschichte in mittelalterlichen Weltchroniken, Diss. Basel 1934 (Berlin 1934), S. 10, 47 ff., 85 f. u. ö.; zu Otto v. Freising bringt LANDSBERG keine Urstandslehre.
234. EUSEB. (Rufin) I, 2, 19 (oben S. 32 f.); CICERO, De invent. I, 2 (HOFMEISTER). Wenn STABER S. 112 den Zusammenhang der Urstandslehre bei Otto berücksichtigt hätte, anstatt sie lediglich mit dem Entwicklungsbegriff der Moderne zu konfrontieren, wäre er kaum zum Schluß gekommen, sie habe »mit einem historischen Entwicklungsbegriff nichts zu tun«. Das gleiche gilt m. E. von der Bemerkung STABERS S. 113 f. vgl. unten S. 119 f.
235. MG SS VI S. 34; LANDSBERG S. 61 ff. Frutolf kannte auch die Chronik Frechulfs von Lisieux, in der ein Kapitel den aurea-aetas- Vorstellungen, die Frechulf neben das biblische Zeugnis setzt und nicht miteinander in Einklang zu bringen wagt, gewidmet ist. Hierzu SCHELLE, Frechulf von Lisieux S. 54 ff.; LANDSBERG S. 47 ff. Unverständlich, wieso W. GOEZ, Zur Weltchronik des Bischofs F. v. L. in: Festgabe Paul Kirn zum 70. Geburtstag dargebracht, hg. E. KAUFMANN, Berlin 1961 S. 110, behauptet, er habe zuerst auf die Benutzung durch Frutolf aufmerksam gemacht; LANDSBERG, den er des öfteren benutzt (ebd. S. 96, Anm. 17), bewies es bereits in einem Fall (S. 49).
236. Wobei der einzelne, der der libido dominandi verfällt, in keinem Fall gerechtfertigt ist durch den ihm verborgenen Sinn seiner Handlung; gerade in Ninus, dem Begründer der ersten Weltmacht, erfüllte sich das Wort: Omnis, qui acceperit gladium, gladio peribit (I, 7 S. 46 Z. 25 f., Matth. 26, 52).
237. Prol. III S. 130 ff. HASHAGEN S. 72; SCHMIDLIN S. 94. Bei beiden ist der traditionelle Zusammenhang nur lückenhaft aufgestellt; darum der eigene Beitrag Ottos auch nicht exakt definiert. Die Abweichung von OROSIUS VII, 1 ergibt sich aus der Abweichung von Augustin.
238. Vgl. oben S. 29 ff. EUSEBIUS S. 32 f.; AUGUSTIN S. 41; 44 f.
239. Siehe oben S. 94 f.
[217]240. Prol. III S. 132 Z. 24 ff.
241. Damit ist Hebr. 5, 12 aus dem ursprünglichen und dem üblichen exegetischen Zusammenhang (mosaisches Gesetz) herausgehoben.
242. III, Prol. S. 134 Z. 14 ff. Man beachte, daß er in diesem Zusammenhang auch nicht die Ost-West-Bewegung der Weltmacht erwähnt, die allenfalls als Begründung hätte dienen können (wie etwa bei Orosius oder Hugo von St. Victor, oder bei Otto selbst. Oben S. 208 Anm. 170).
243. Man darf bei Otto nicht, wie es z. B. STABER S. 121 tut, kausale und teleologische Deutung gegeneinandersetzen; ist es doch seine Methode, die Finalursachen in den Wirkursachen zu erkennen. Kennzeichnend dafür ist z. B. auch Prol. VII S. 308 Z. 17 ff.: Die Juden haben ihren Untergang, heißt es hier, selbst verschuldet; dieser Untergang kam aber der universitas gentium zugute (durch die Aufhebung der nationalen Schranken in der Verbreitung des »Lichtes der Wahrheit«) und entsprach somit einem Ziel. Die Ausführungen stehen im Zusammenhang der Frage nach der göttlichen Führung der Welt, im Anschluß an die Interpretation des Investiturstreits. Treffend zum Verhältnis von immanenter Naturgesetzlichkeit und Teleologie bei Otto: BREZZI S. 160.
244. IV, 4 S. 188 ff. (vgl. III, 14 S. 150 Z. 6).
245. III, 6 S. 142 (nach Oros. VI, 20 ed. ZANGEMEISTER, S. 226 Z. 12); IV, 4 S. 189.
246. IV, 4 S. 188 Z. 11 ff. (Z. 21 wieder Betonung der Allmählichkeit); S. 189 Z. 22 (vgl. Z. 5 ff.).
247. IV, 5 S. 191 Z. 12 ff.
248. IV, 31 S. 223 Z. 22 ff. (sedis mutatio). Eingeleitet Z. 16 ff. (allmählicher Aufstieg, allmählicher Untergang).
249. VI, 36 S. 305.
250. VI, 34 S. 303 Z. 5 f. Mit der folgenden Interpretation glauben wir die Schwierigkeit, die BREZZI S. 293 ff. in Ottos Beurteilung der Dekadenz des Reiches aufzeigt, aufheben zu können.
251. Prol. IV, S. 180 ff.; IV, 3 S. 187 und dazu IV, 5 S. 191 Z. 12 ff.; V, 35 S. 259 Z. 10 ff.; V, 36 S. 260 Z. 29 ff.; VI, 3 S. 264 Z. 3 ff.: die exaltatio der Kirche geschieht je auf Kosten der irdischen, weltlichen Macht, auch wenn diese bereits im Dienst der Kirche steht.
252. VI, 32 S. 300 Z. 11 ff.; VI, 33 S. 301 Z. 6; VI, 34 S. 302 Z. 24 (in pristinam libertatem reducere); S. 303 Z. 23.
253. VII, 9 S. 319 f.; VII, 16 S. 331: Igitur Romano imperio multis modis in se attrito (zum Wormser Konkordat); VII, 24 S. 347 f., VII, 34 S. 367 f. (perturbationes, confusio).
[218]254. Oben S. 86 ff.
255. Prol. IV S. 182 Z. 25: Sed dicis priori personae licuisse, quod istam ex sanctitate officii habere nec decet nec expedit — und Otto gesteht, er wisse darauf keine Antwort. Es folgt die oben S. 100 zitierte Stelle (Gegensatz melior — felicior im Status der Kirche einst und jetzt, wobei deutlich die subjektive Mißbilligung im Gegensatz zur Erkenntnis der objektiven Notwendigkeit steht, denn S. 182 Z. 2 ff. heißt es: Quibus hoc modo respondetur, quod mundiali dignitate, quae regalia dicuntur, Dominus ecclesiam suam honorare voluit. Ex Dei enim id ordinatione factum ratio, quam supra reddidimus, declarat. Daß Otto dabei an einen allmählichen und zugleich notwendigen Vorgang denkt, der mit Konstantin begann und im Investiturstreit seinen Höhepunkt fand, glauben wir nachgewiesen zu haben. Vgl. oben Anm. 246.
256. So angedeutet Prol. VII S. 309 Z. 10: Verum quia regno decrescente ecclesia in presenti quoque in magnum montem crescens in magna auctoritate stare cepit vgl. VII, 16 S. 331 f. (Z. 19 ff.).
257. VII, Prol. S. 309 Z. 2 ff.
258. VI, 35 S. 304 Z. 21 ff.: Lego et relego Romanorum regnum gesta et nusquam invenio quemquam eorum a Romano pontifice excommunicatum vel regno privatum (vgl. SIGEBERT VON GEMBLOUX Ep. adv. Paschal. papam Ldl II S. 463: si enim utriusque legis totam bibliothecam, si omnes expositores revolvam exemplum huius apostolici precepti non inveniam. Einen anderen Anklang an den Traktat Sigeberts findet HOFMEISTER; Prol. S. 309 Z. 7 = Ldl II S. 459).
259. Spiritali gladio bezieht sich auf die Exkommunikation, materiali gladio auf die Absetzung (vgl. Anm. 258).
260. Per omnia culpandi seien die Priester, die das Reich mit weltlichen Mitteln bekämpfen — argumentiert er mit Sigebert, meint aber eher Aufforderung zum Widerstand als das spezielle Problem, ob Kleriker Waffen tragen dürfen; lebt er doch im Zeitalter der Kreuzzüge. Über diese Frage in der Streitschriftenliteratur, C. ERDMANN, Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens S. 212 ff.
261. Prol. VII S. 308 f. Im ganzen Abschnitt spricht Otto die Sprache der Streitschriftenliteratur. Vgl. auf dieser Seite Anm. 258. Auch das Argument: in der Sache mochte die Kirche im Recht gewesen sein, in den Mitteln habe sie sich vergriffen, gehört dazu. Der einen Kompromiß suchende Wenrich von Trier stellte die Laieninvestitur nahezu wie seine Parteigegner als bloße consuetudo, die durchaus durch bessere ersetzt werden konnte, hin. Siehe oben S. 84.
[219]262. VI, 36 S. 306. Hierzu SCHMIDLIN S. 27 und SCHMIDT, Philol. Anmerkungen (in der dt. Übers. der Chronik, hg. v. W. LAMMERS = Ausgew. Quellen z. dt. Gesch. d. MA 26, Frhr.-v.-Stein-Gedächtnisausgabe hg. v. R. BUCHNER S. 682 ff.), S. 699.
263. VII, 9 S. 320: Et nota, quod haec nostra tempora, quae utique novissima creduntur, tanquam prioribus sceleribus finem inpositura ac velut mundi terminum ex flagitiorum immanitate minantia et ex obposito regnum Christi appropinquaturum prodentia, sicut quosdam sceleratissimos ac mundi amatores avidissimos, sic alios zelo Dei ferventissimos ac caelesti desiderio plenissimos habent; ut, sicut hos nequiciae spiritus, iam ›modicum tempus habens‹ et ob hoc amplius inardescens, amplius ad vicia inflammat, sic istos dulcedo regni caelestis, quasi iam in ianuis posita, ad amorem suum magis alliciat.
264. DCD XXII, 30 CCSL 48, 866.
265. VII, 35 S. 373. Gegen KLINKENBERG S. 74 f. auch (mit anderen Argumenten) TÖPFER S. 26 ff.
266. VIII, 17 S. 414 ff.
267. Oben S. 59.
268. HUGO VON ST. VICTOR, De scripturis et scriptoribus sacris, c. 17, MPL 175, 24. Diese Einteilungen der porrectio temporis wurde auch von Richard von St. Victor in seinem Liber Excerptionum IV, 1 (ed. J. CHATILLON, Paris 1958, S. 129 f.) übernommen, jedoch ohne die Begründungen. Die status ähneln denen Ottos v. Freising (oben S. 97 f.) oder des Johannes Scotus Erigena (oben S. 180 Anm. 42). Aetates (zur Feststellung der inaequalitas in den spatia temporum, Augustin, oben S. 39), tempora auch oben S. 52 ff. Unter Sacra Scriptura versteht Hugo auch (De script. c. 6 MPL 175, 15 f.) die patres im NT (in Parallele zu den agiographi des AT), unter materia sacrae scripturae folglich auch Gesamtgeschichte, wenn diese als verbum incarnatum cum omnibus sacramentis suis tam praecedentibus quam futuris, definiert wird (c. 17), also das opus reparationis (c. 2 col. 11; vgl. oben S. 52 u. Anm. 3). Über Quellen und andere Belege für die vier successiones H.H. GLUNZ, Die Literarästhetik des europäischen Mittelalters, Frankfurt 21963 S. 583 ff.
269. Erst im VIII. Buch deutet Otto die sechs Posaunen vor dem Endgericht als die heiligen Prediger in jedem der sechs Zeitalter. Bebezeichnenderweise benutzt er das Bild nicht als Deutungsschema der Kirchengeschichte. VII, 14 S. 411.
270. Die Vorstellung von der Bewegung des Imperiums von Ost nach [220]West mag bei HUGO VON ST. VICTOR (De van. mundi MPL 176, 720 B—C) als Korrektur des Orosius entstanden sein, der die Weltmacht alle cardines mundi durchlaufen sah (OROS., Hist. II, 1 ed. ZANGEMEISTER, S. 34 f.). Translatio sapientiae: De van. mundi MPL 176, 767. Zum Ursprung CURTIUS S. 38 Anm. 5. Mutabilitasstabilitas in De van. mundi oben S. 208 Anm. 170.
271. WILHELM V. MALMESBURY, De gestis regum Anglorum Libri quinque ed. W. STUBBS, 1887 (Rolls Series 90) II S. 417. (nach LUCAN, Phars. IV, 579). Hierzu RICHTER S. 119 f.
272. VIII, 2 S. 394 f. (mysterium iniquitatis und eigentliche iniquitas).
273. VIII, 3 S. 395 ff.
274. VIII, 9 S. 402 ff. (transitus).
275. VIII, 19 S. 418 (inestimabilis velocitas nach Hugo v. St. Victor; vgl. HOFMEISTER Anm. 3).
1. Die Gegenüberstellung von Apokalyptik und Geschichtstheologie, die uns als wichtiges Kriterium gerade in den Arbeiten G. SCHOLEMS begegnete (oben S. 125 Anm. 7, S. 132 Anm. 30), hat W. BENJAMIN in der Gegenüberstellung von »Messianismus« und teleologischer Geschichtsbetrachtung zum Gradmesser jeglichen Geschichtsdenkens machen wollen; Geschichtsphilosophische Thesen XVII; Theologisch-politisches Fragment, in: Illuminationen, Ausgewählte Schriften, Frankfurt 1961, S. 277, 280 f. u. ö. In seiner Typologie der »utopischen Mentalität« hat auch K. MANNHEIM, Ideologie und Utopie, erweiterte engl. Übers. v. L. WIRTH u. E. SHILS (Ideology and Utopia. An Introduction to the Sociology of Knowledge), New York 1936, Kap. IV insbes. S. 219 ff., den Entwicklungsgedanken im »zweiten« liberal-humanitären Typus utopischen Denkens, aber auch in den anderen Typen mit Ausnahme des Chiliasmus bestimmt. Wichtige Bemerkungen zum Entwicklungsbegriff in der christlichen Geschichtstheologie sowohl wie für seine philosophischen Implikationen heute auch bei BENZ, Schöpfungsglaube und Endzeiterwartung, obgleich eine Umschreibung des Begriffes und seiner Möglichkeiten fehlt. Das Buch erschien erst kurz vor der Drucklegung meiner Arbeit. Zur evolutionären Umdeutung der Apokalyptik in der frühen Neuzeit siehe E.L. TUVESON, Millenium and Utopia, A Study in the Background of the Idea of Progress, Berkeley-Los Angeles 1949.
[221]2. Man denke an Jerem. 2, 2 und Hos. 11, 1 (Quia puer Israel). Vgl. oben S. 28 f.
3. Ch. H. HASKINS, The Renaissance of the 12th Century, New York 21957, S. 224.
4. H. HELBLING, Saeculum humanum, Ansätze zu einem Versuch über spätmittelalterliches Geschichtsdenken, Schriften des Istituto Italiano per gli storici XI, Neapel 1958.
5. BENZ, Ecclesia Spiritualis, insbes. S. 368 ff. (Arnald v. Villanova): TÖPFER S. 102 ff.
6. Vgl. neuerdings E. GÖSSMANN, Metaphysik und Heilsgeschichte, Eine theologische Untersuchung der Summa Halensis (Alexander von Hales), Mitteilungen des Grabmann-Instituts der Universität München, hg. v. M. SCHMAUS (Sonderband), München 1964, insbes. S. 251 ff. (S. 255 f. Zur Allmählichkeit und Abstufung des Religionsfortschrittes). Über die Übereinstimmung von Heilsplan und immanenter Entwicklung in der politischen Theorie bei Thomas v. Aquin siehe BERGES, Fürstenspiegel S. 114 f., 201 f. Allgemein zum Fortschrittsgedanken des Aquinaten M. DE WULF, Philosophy and Civilization in the Middle Ages, New York 1953, S. 266 ff.
6a. MARSILIUS VON PADUA, Defensor pacis I, 11, 3 ed. R. SCHOLZ, MG Fontes Juris Germ. Antiqui in us. schol (1932) S. 54 ff., insbes. S. 54 Z. 21 ff.: Quod quidem videre sat est experiencia nota per addicionem et substraccionem ac totaliter in contrarium mutacionem quandoque factam in legibus, secundum diversas etates et secundum diversa tempora eisdem etatis. Das geht über die aristotelische Entwicklungslehre oder über die im folgenden ausgeführte Lehre von der Akkumulation des Wissens und der Erfahrung hinaus und mag aus der Erfahrung der Kommunen (SCHOLZ Anm. 3) geschrieben worden sein. Zur politischen Erfahrungslehre bei Thomas BERGES a. a. O. S. 196; zur Fortschrittslehre überhaupt siehe vorherige Anm.
7. De vulgari eloquentia I, 9—10 ed. E. MOORE—P. TOYNBEE, Le Opere di Dante Alighieri, Oxford 1924, S. 383 ff., BORST, Turmbau II/2, S. 869 ff.
8. BRUNNER, Abendländisches Geschichtsdenken S. 185.
9. Das Bewußtsein der eigenen geschichtstheologischen Voraussetzung hat Bonaventura so ausgedrückt: Nam fide credimus, aptata esse saecula verbo vitae; fide credimus, trium legum tempora, scilicet naturae, Scripturae et gratiae sibi succedere et ordinatissime decurrisse; fide credimus, mundum per finale iudicium terminandum esse; in primo potentiam, in secundo providentiam, in tertio [222]summi principii advertentes; (Itinerarium mentis ad Deum I, 12, Quaracchi V, 298 b; vgl. AUGUSTIN, Enchiridion c. 118 ed. SCHEEL S. 73).
10. Zusammenfassend zum Entwicklungsgedanken BORST, Turmbau IV (6) S. 1952 ff.
11. Ansätze, Geschichte als Entwicklung zu begreifen, sollten im Verlauf unserer Studie nicht aus schierer Begegnungsfreude der Moderne mit ihren vermeintlichen »Vorläufern« auch dort vermutet werden, wo sie sich nur durch mehrdeutige Termini, Gleichnisse und Topoi dem heutigen Betrachter aufzudrängen scheinen. Mehrdeutig sind cursus, procursus, processus, progressus, paulatim proficere, incrementa temporum, incrementum usf., insofern sie einmal den Ablauf der Zeit schlechthin, zum anderen Fortschritt, seltener aber die mittlere Kategorie der Entwicklung ausdrücken. Auch wiederkehrende Vorstellungskomplexe — Topoi im weitesten Sinne des Wortes — wie die Aetateslehre und das Gleichnis zum Menschenleben konnten nur als Hinweis, nicht als Beweis für das Vorhandensein eines Entwicklungsprinzips gelten. Unser Versuch zielte dahin, Topoi-Indices in eine historische Topologie umzuwandeln.
12. Weltgeschichtliche Betrachtungen, ed. MARX S. 4 ff.
13. E. TROELTSCH, Der Historismus und seine Probleme, Tübingen 1922, S. 36; F. MEINECKE, Klassizismus, Romantizismus und historisches Denken im 18. Jh., Werke IV, hg. v. E. KESSEL, München 1959 S. 264.
Petrus Abälard, Dialogus inter Philosophum, Judaeum et Christianum. MPL 178, 1609 ff.
Abraham bar Chija, Sefer Megillat haMegalle, ed. Poznanski, Berlin 1924
Adam von Bremen, Gesta Hammaburgensis Ecclesiae pontificum, ed. B. Schmeidler, MG SS in us. schol. 1917
Agobard von Lyon, Adversus Fredegisium, MPL 104, 159 ff.
Alanus ab Insulis, De fide catholica contra Haereticos libri quattour, MPL 210, 305 ff.
Ambrosius Enarrationes in XII psalmos Davidicos, MPL 14, 963 ff.
Ambrosius, Hexaemeron, ed. C. Schenkel, CSEL 32 = Ambrosius I
Anonymus von York, Tractatus Eboracenses, ed. H. Boehmer LdL III, 642 ff.
Anselm von Canterbury, De processione Sancti Spiritus MPL 158, 285 ff.
Anselm von Havelberg, Dialogi, MPL 188, 1139 ff.
Anselm von Laon, Systematische Sentenzen, hg. v. F. Pl. Bliemetzrieder (Beiträge zur Geschichte der Philosophie im Mittelalter, hg. v. Cl. Bäumker, XVIII. 2—3, Münster 1919).
Arnobius, Adversus nationes, ed. C. Marchesi, Corp. Script. Lat. Paravianum, Turin 21953
Augustin, Adversus Judaeos, MPL 42, 51 ff.
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Augustin, De Genesi contra Manichaeos, MPL 34, 173 ff.
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Augustin, De vera religione, CCSL 32, S. 187 ff.
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[224]Augustin, Retractationes, CSEL 36
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12 kekrummna ¢pÕ katabolÁj; Heimlichkeiten von Anfang der Welt (Luther)
16 recta ratio: rechte Vernunft.
18 non potest in unum: das Geschöpf kann dem Schöpfer nicht vorauseilen, auch die Welt kann alle ihre Geschöpfe nicht auf einmal ertragen.
19 irrationabiles
animalia: diejenigen, die die Erfüllung der Zeit nicht erwarten können, sind gänzlich unwissend und unterstellen Gott die Schwäche ihrer eigenen Natur. Sie kennen weder Gott noch sich selbst, wollen nicht sein, als was sie geschaffen sind, zum Leiden bestimmte Menschen, sondern übertreten das Gesetz der menschlichen Art und wollen Gott, dem Schöpfer, ähnlich sein, bevor sie Menschen werden. Sie, die viel unverständiger sind als die stummen Tiere, wollen keinen Unterschied zwischen dem ungeschaffenen Gott und dem geschaffenen Menschen.
¢p' arcÁj tleioj: von Anfang an vollkommen
20 secundum tempus: der Zeit entsprechend
kaqÕ
n»pia: sofern es aber erst jüngst entstanden ist, insofern ist es auch unmündig.
praefiguratio, praeformatio: Vorgestaltung (in die Zukunft weisende Ereignisse und Gestalten.)
Ð gennhtÕj
Qeoà: der gewordene und gestaltete
zum Ebenbild und zur Ähnlichkeit des ungewordenen Gottes wird.
prÕj tleion: zur Vollkommenheit hin
plhs
on toà ¢genn»tou ginomuno: nahe der Vollkommenheit gelangen
reformatio in melius: Umgestaltung zum Besseren
21 character indelebilis: unzerstörbares Merkmal
qualis igitur
caeleste regnum: Wie die Fügung des Gottessohnes, so ist die Form der Lebewesen, und wie die Form der Lebewesen, so ist der Charakter des Evangeliums. Es gibt vier Formen von Lebewesen, vier Evangelien und eine vierfältige Fügung des Herrn. Deshalb wurden dem Menschengeschlecht vier Testamente gegeben: eines vor der Sintflut unter Adam; das zweite nach der Sintflut unter Noe; das dritte [248]durch die Gesetzgebung unter Moses; das vierte aber, das den Menschen erneuert und alle anderen in sich enthält, ist im Evangelium, das die Menschen auf Flügeln ins himmlische Reich erhebt.
22 si esset
derelinqueretur: wäre es die Stadt des großen Königs, wäre es nicht völlig verlassen.
necesse fuit
assueverat: es war nötig, die Fesseln der Knechtschaft zu lösen, an die sich der Mensch schon gewöhnt hatte.
extendit et implevit: erweitert und erfüllt hat.
23 cultior de die: von Tag zu Tag kultivierter
24 veritatem
cognominavit: sich die Wahrheit nannte, nicht die Gewohnheit.
pravae consuetudines: schlechte Gewohnheiten
una
irreformabilis: nur eine, als einzige unbeweglich und nicht zu verbessern
Ut, quoniam
spiritu Sancto: Da die menschliche Mittelmäßigkeit nicht alles auf einmal fassen kann, soll sie allmählich gelenkt, ausgerichtet und in der Disziplin zur Vollkommenheit gebracht werden durch den Heiligen Geist, den Stellvertreter des Herrn.
25 pro temporibus
personis: je nach den Zeiten, Umständen und Personen
primordialis
lex: das allererste und allgemeine Gesetz
quasi matrix
Dei: gleichsam als Muster aller Gebote Gottes
subito
Johannes: plötzlich war Christus, plötzlich Johannes
perfectio ad meliora: Aufsteigen zum Besseren
nam idem
creaturae: denn der Gott der Gerechtigkeit ist derselbe wie der Gott der Schöpfung.
divine agere: göttlich handeln
ex aequo
deo: mit Gott auf eine dem Göttlichen angeglichene Weise handeln
conversabatur
homine: würde Gott menschlich, handelte er auf eine dem Menschlichen angeglichene Weise.
26 pro captu
conversata: sich entsprechend der Fassungskraft der menschlichen Mittelmäßigkeit herabgelassen hat.
proponam
hominis: ich behaupte: Gott hätte nicht in die Gesellschaft der Menschen eintreten können, wenn er nicht menschliche Sinne und Affekte angenommen hätte, durch die er die Macht seiner Majestät, unerträglich für die menschliche Mittelmäßigkeit, erniedrigte. Das [249]war zwar seiner unwürdig, aber notwendig für den Menschen, und deshalb doch Gottes würdig, denn nichts ist so sehr Gottes würdig wie das Heil des Menschen.
27 nihil
expectat: nichts ohne Alter ist, ein jedes seine Zeit erwartet. Aspice
promoveri: Sieh, wie die Kreatur sich allmählich zur Frucht entwickelt.
sic et iustitia: so ist es auch mit der Gerechtigkeit
iustitia
maturitatem: (die Gerechtigkeit) stand zunächst in den Anfängen, von Natur aus Gott fürchtend, dann kam sie durch Gesetz und Propheten in die Kindheit, dann durch das Evangelium in die strahlende Jugend; jetzt steht sie durch den Parakleten in der Reifezeit.
30 logika oÙs
ai; nÒej: Vernunftwesen
fuca
: Seelen
prÒnoia: Fürsorge
pa
deusij: Erziehung
31 st£sij: Aufruhr
33 swt»rion dÒgma: Heilslehre
34 non
qnoj: zweifelsohne neue Volk
p£ntwn
poluanqrwpÒtaton: Das menschenreichste aller Völker
felix
innocentia: glückliche Schuld (fruchtbarer als die Unschuld)
pars virtutum: Teil der Tugenden
ubi
ceterarum: wo es Gerechtigkeit gibt, ist auch Eintracht aller übrigen Tugenden.
35 prudentia
diluvium: Klugheit (die Zeit vom Beginn der Welt bis zur Sintflut)
temperantia: Mäßigung
fortitudo: Tapferkeit
impletio: Erfüllung
prava observatio: schlechte Beachtung
36 mobilis ordo: bewegliche Ordnung
37 Genus
dediti: Menschengeschlecht von Adam bis zum Ende unserer Zeit; zwei Geschlechter: dem einen gehört die Masse der Ungläubigen an, dem anderen die Reihen des Volkes, die dem einen Gott ergeben sind.
sic proportione
vita est: nach demselben Verhältnis ist das ganze Menschengeschlecht, gleich dem Leben eines Menschen,
homo
coelestis: irdischer Mensch — himmlischer Mensch [250]dispensatio
providentiae: zeitliche Anordnung und Heilmittel der göttlichen Vorsehung
tamquam publice: gleichsam öffentlich
38 quia simul
omnia: weil sie nicht alles auf einmal haben kann
seminales rationes: Vernunftsamen, Logossamen
decorum suum: seinen Schmuck
spiritales aetates: geistige Zeitalter
non
provectibus: nicht nach den Jahren, sondern nach den Fortschritten
39 nullo tempore: durch keine Anzahl von Jahren
41 quare
Christus: warum Christus nicht früher gekommen ist.
Quia omne
iuventutis: Denn alles Schöne stammt von der höchsten Schönheit her; die irdische Schönheit aber tritt in den Dingen hervor, die vergehen und aufeinanderfolgen. Denn jedes einzelne Zeitalter eines jeden Einzelmenschen hat seine Schönheit
Wie es also sinnlos ist, wenn jemand beim Menschen, der doch der Zeit unterworfen ist, nur Jugend will, so handelt auch derjenige sinnlos, der für das ganze Menschengeschlecht nur ein Zeitalter ersehnt; denn es hat seine Lebensalter wie ein einzelner Mensch. Der von Gott gesandte Lehrer, durch dessen Nachfolge der Mensch zum besten Zustand gelangt, konnte zu keiner anderen Zeit als im Mannesalter kommen.
ab initio
Christum: von Anfang an wurde durch Christus Gnade verliehen
intus videri: scheinbar darin zu sein
intus esse: wirklich darin zu sein
42 mutata
extremum: auf das äußerste änderte
profectus
docere: Fortschritt des Glaubens (auf neue Art lehren)
permutatio
docere: Veränderung (Neues lehren)
religio animarum: Religion der Seelen
ratio corporum: Vernunft der Körper
aetatum
gradibus: stufenweise in Lebensaltern und Jahrhunderten
43 recta
regula: rechte Regel des Fortschritts
pulcherrimus
ordo: äußerst schöne Ordnung des Wachsens
ratio seminis: Wesen des Samens
processu
explicent: im Laufe der Jahre verändern und entfallen
murmurantes: die Murrenden
ordo renascendi: Ordnung der Wiedergeburt
44 series calamitatum: Aufeinanderfolge von Unglücksfällen
Haec est
penetrabile: Das ist der allgemeine Weg zur Erlösung der [251]Seele, d. h. allen Völkern durch göttliche Barmherzigkeit eröffnete. Aber keiner, der davon inzwischen Kenntnis gewonnen hat oder noch gewinnen wird, durfte fragen oder wird fragen dürfen: Warum überhaupt? und: Warum so spät? Denn der Entschluß dessen, der aussendet, ist vom menschlichen Verstand nicht zu durchdringen.
46 coetus multitudinis: Versammlung einer Menge
consensus iuris: Übereinstimmung im Recht
communio utilitatis: Gemeinsamkeit des Nutzens
47 Ordo est dispositio: Ordnung ist die Verteilung der gleichen und ungleichen Dinge, die jedem seinen Platz zuweist.
Et hoc est iam credunt: Und es ist die Eigenart des irdischen Staates, Gott oder Götter zu verehren, mit deren Hilfe er in Siegen und irdischem Frieden regieren will, nicht aus Sorge zu helfen, sondern aus Herrschsucht. Die Guten nämlich benutzen die Welt, um Gott zu genießen, die Bösen aber tun das Gegenteil: sie wollen Gott benutzen, um die Welt zu genießen; jedoch daß er existiert und sich um menschliche Angelegenheiten kümmert, glauben sie schon.
48 in quo Dei adumbrata: In dessen (des jüdischen Volkes) Heiligen der Gottesstaat in der Fremde wandelt und in welchem er insgesamt geheimnisvoll angedeutet wird.
49 et regni spiritales: und es erhob sich der Anfang eines irdischen Reiches, in dem jedoch geistige Güter nicht fehlten.
51 exempla mutationis: Beispiele der Veränderung
52 opus conditionis: Werk der Schöpfung
opus restaurationis: Werk der Wiederherstellung
Oportuit enim
putarentur: Es ziemte sich nämlich, daß auch die Riten, die nicht mehr bestehen sollten, nicht plötzlich und überstürzt, sondern allmählich, gleichsam mit Verehrung, fallengelassen werden, auf daß sich zeige, sie seien zu ihrer Zeit gut gewesen. Und ähnlich sollten die Riten, die neu beginnen sollten, nicht plötzlich verpflichtend sein, sondern in Ruhe und Würde eingeführt werden, damit man nicht annehme, sie seien fremd und unnötig von anderswo herbeigebracht worden.
quaestio
modernorum: Schulfrage nach dem Glauben der Alten und der Neuen
secundum
patrum: mit dem Lauf der Zeit wuchs auch das Wissen der geistlichen Väter.
crevit
alia esse: mit der Zeit wuchs der Glaube in allen und wurde größer, aber er veränderte sich nicht, um anders zu werden.
[252]53 illustriores: bedeutendere Personen
vere boni: die in Wahrheit Guten
aperte mali: die in aller Offenheit Bösen
ficte boni: die nur scheinbar Guten
Noluerunt
tempore: Die Juden wollten sich nicht mit der Zeit ändern.
status excellentior: besserer Zustand
54 gens silvestris
recedens: ein rauhes, ungastliches Volk, das nur von Tieren und tierisch lebt, ein Volk, das sich von der ersten, der Lebensweise der Hirten, nicht abgewandt hat.
tanquam
altero: gleichsam in einer anderen Welt
55 incrementum Ecclesiae: Vermehrung der Kirche
nascens
fratres: entstehende Kirche, Verfolgung, Häretiker, falsche Brüder
58 aetatunculae: kleine Zeitalter
61 Ut, cum
existerent: Obwohl es so viele große Völker auf der Erde gibt, die nach verschiedenen Riten und Sitten leben und sich durch eine Vielfalt von Sprachen, Waffen und Kleidung unterscheiden, bestehen dennoch nicht mehr als zwei Arten menschlicher Gemeinschaft. dum peregrinatur
diversum est: während sie auf Erden wandert, Bürger aus allen Völkern beruft und in allen Sprachen eine wandernde Gemeinschaft sammelt, ohne sich darum zu kümmern, inwieweit Unterschiede in Sitten, Gesetzen und Einrichtungen bestehen.
quae varie
observantur: die auf verschiedene Weise an verschiedenen Orten beobachtet werden.
Quod enim
schisma generetur: Was nämlich nicht gegen den Glauben und die guten Sitten verstößt, das kann man gleichgültig beobachten und der Gemeinschaft wegen, in der man lebt, befolgen, damit nicht wegen der verschiedenen Bräuche eine Glaubensspaltung entsteht.
Nil obsunt
omnes: Die nach Ort und Zeit verschiedenen Bräuche stehen dem Heil der Gläubigen nicht entgegen, da ja ein Glaube ist, der durch die Liebe Gutes schafft, soweit er kann, und alle einem Gott anvertraut.
62 Differentia
orbem diffusa: In der Vielzahl der Völker darf es keinen Unterschied geben, da es nur eine katholische Kirche gibt, die über die ganze Welt verstreut ist.
diversitatum confusio: Verwirrung der Verschiedenheiten
fragilitas carnalium: Hinfälligkeit des Fleisches
daemonum
sub divo: Dämonenanbeter; unter freiem Himmel [253]omnipotens
sciebat: der allmächtige und geduldige Schöpfer will sich überall um seine Schöpfung kümmern, da er weiß, daß wegen der Schwäche des Fleisches nicht alle Bräuche gleichmäßig aufgehoben werden können.
63 Nec mirum
erit scientia: Es darf nicht wundernehmen, daß es von den Messen hieß, sie seien, als es noch am Notwendigen fehlte, nur allmählich vermehrt worden; denn wir sehen, daß bis heute Lesungen, Kollekten und verschiedene Arten von Lobpreisungen zu den fast im Übermaß vorhandenen hinzugefügt werden, damit auch in diesen Dingen jenes Prophetenwort als erfüllt erkannt werde: Viele werden wandeln und vielfältig wird das Wissen sein (Dan. 12, 4).
Nec non et
regionibus: Man muß auch wissen, daß, wie sich die verschiedenen Völker untereinander in Herkommen, Sitten, Sprache und Gesetzen unterscheiden, auch die heilige allgemeine, über den ganzen Erdkreis verstreute Kirche Unterschiede in den kirchlichen Gebräuchen kennt, obwohl sie im Glauben einig ist. In Gallien und Germanien findet man nämlich bei den kirchlichen Verrichtungen andere Gebräuche als in den orientalischen Reichen, in den überseeischen Gebieten.
64 hoc pessimo tempore: in dieser schlechten Zeit
et licet
discordia: und obwohl man die verschiedenen Sitten und kirchlichen Gebräuche für die Verschiedenheit eines jeden Volkes hält und alle Römischen Kirchen keineswegs dann übereinstimmen können, so darf es dennoch bei den kirchlichen Sakramenten keine Unterschiede geben.
65 liber de
electum: Buch über die Einheit der Kirche und die Vielfalt des Lebens vom gerechten Abel bis zum jüngst Erwählten
facta est
generationem: Diese Vielfältigkeit wurde geschaffen nicht wegen einer Veränderlichkeit des unveränderlichen Gottes, der immer derselbe ist und keine Jahre kennt, sondern wegen der veränderlichen Schwäche des Menschengeschlechtes und der zeitlichen Veränderung von Generation zu Generation.
opportebat
veritatis: Es mußten im Ablauf der Zeiten die Zeichen der geistlichen Gnade zunehmen, die mehr und mehr die Wahrheit selbst enthüllten, damit so mit dem Heilsglauben die Kenntnis der Wahrheit sich mit der Zeit vermehre.
66 Paedagogice et medicinaliter: wie ein Lehrer und Arzt
insolita
usitata: gewöhnlich bewundern alle mehr das Ungewohnte als das Gewohnte.
viri religiosi: Angehörige religiöser Orden
[254]67 quare tot
fiunt: Warum geschehen so viele neue Dinge in der Kirche Gottes?
Omnem
mobiliorem: Jede Religion ist um so verächtlicher, je veränderlicher sie ist.
70 narratio
dinoscuntur: Erzählung von Geschehnissen, durch die erkannt wird, was sich in der Vergangenheit ereignete
dicta autem
vidisset: im Griechischen sagt man Geschichte ¢pÕ toà storen, das heißt sehen oder erkennen. Bei den Alten schrieb nämlich nur der Geschichte, der dabei gewesen war und das, was er schreiben wollte, gesehen hatte.
71 annales
non novit: Annalen (der Jahre, die unsere Zeit nicht mehr kennt)
quae auditione colligimus: was wir vom Hörensagen haben
Quaeque enim
nominaverunt: Was nämlich an Erinnerungswürdigem zu Haus und draußen, zu Wasser und zu Lande jährlich in den Kommentaren niedergelegt ist, heißt nach diesen jährlichen Ereignissen Annalen.
72 historialiter
designantur: historisch sind sie geschehen, geistig deuten sie die Geheimnisse der Kirche an.
Nam tempus
humanos: Zeit ist an sich nicht faßbar, sondern nur durch menschliche Handlungen.
digni memoria: erinnerungswürdig
haec disciplina
mandatur: diese Disziplin (die Geschichte) gehört zur Grammatik, da das, was der Erinnerung wert ist, schriftlich überliefert wird.
primum ab
continentur: das erste vom Beginn des Menschen bis zur ersten Katastrophe, das wegen der Unbildung adelon (das dunkle, verborgene) heißt; das zweite von der Katastrophe bis zur ersten Olympiade, das, weil viel Fabelhaftes aus ihm berichtet wird, das mythische heißt; das dritte von der ersten Olympiade bis in unsere Zeit; es wird das historische genannt, weil seine Ereignisse in wahren Geschichten zusammengefaßt sind.
73 ut libri post Livium: damit die prophetischen Bücher besser verstanden werden, ist die Geschichtsschreibung aller Zeiten heranzuziehen. Die jüngeren mögen wohl beachten, daß Herodot seine Geschichte fast dort beginnt, wo Jeremias aufhört. Die Weltgeschichte wird also kontinuierlich: die prophetischen Bücher, Herodot, Thukydides, Xenophon, Diodor über Philipp, Alexander und seine Nachfolger, Polybius, Livius und dann andere nach Livius.
[255]75 quasi
Instrumenti: gleichsam
ein Epilog zum Alten Testament Lucas
plurimi sapientes: Lucas beschreibt die Kindheit der gerade geborenen Kirche; ihm folgt Eusebius von Caesarea, der die Kirche im Wachstumsprozeß zeigt. Im Mannesalter beschreibt sie Cassiodor, der in dieser Disziplin berühmte Männer, wie er sie auch bei seinen chronikalischen Aufzeichnungen als Vorgänger hatte, als Nachfolger hinterließ. Dazu gehören Orosius, Isidor, Beda und andere, auch zu unserer Zeit sehr weise Männer.
secutus
monachus: ihm folgte Sigebert, der Mönch von Gembloux. licet aliquas
invenerim: obgleich ich einige Notizen zu bemerkenswerten Ereignissen in kirchlichen Archiven auffand.
76 Acta vero notaretur: Man glaubte, daß die Geschichte eines Staates zusammen mit seinen Lenkern stirbt, wenn nicht das, was geschieht, aufgezeichnet wird.
77 eventus, signa: Ereignisse, Zeichen
figurae: zeichenhafte Gestaltungen
78 memoriale
temporum: Aufzeichnung des Laufs der Zeiten
maxima iam
millesimum: die bedeutendsten Ereignisse und Vorzeichen, die um das Jahr 1000 nach Christi Geburt und im Jahr selbst vorgefallen sind
»signa«
salvatoris: Zeichen um das Jahr 1000 nach Christi Geburt
80 totius orbis
Romanum: dem römischen Großreich, das den ganzen Erdkreis beherrschte
stirps Caesarum: Geschlecht der Cäsaren
81 Evacuato
subjugare: Als das Geschlecht der früheren Könige ausgestorben und jeder Streit beigelegt war, blühte der Erdkreis im schönen Frieden neuer Könige wieder auf, und Christi Reich begann durch das Wasser der heiligen Taufe die Tyrannen überall sich zu unterwerfen.
Sacro
defectum: Durch das heilige Wort erkennt man klarer, daß im Verlauf der letzten Tage, wenn die Liebe unter den Menschen erkaltet und die Bosheit übermächtig wird, gefährliche Zeiten für die Seelen bevorstehen. Auch durch vielfältige Äußerungen der alten Väter wird nahegelegt, daß, wenn die Habgier zunimmt, der Niedergang der früheren religiösen Rechte und Ordnungen etwa dort eingesetzt habe, von wo aus sie sich zu fortschreitendem Wachstum habe erheben müssen.
82 hoc competit: das zu wissen steht nur Gott zu.
[256]omnis
saeculi: jede Gestaltung der weltlichen Zeit ausgedrückt gefunden wird
spaciatim
temporum: allmählich im Wachsen der Zeit
opera pietatis: Werke der Frömmigkeit
ultionem
retributionis: Rache der verdienten, gerechten Vergeltung
paulatim
exordio: allmählich vom Beginn des Menschengeschlechtes an
per sex
ostenta: in einem Zeitraum von sechstausend Jahren
zur Erziehung der Menschen, indem er ihnen deutlich und häufig Zeichen gibt
83 licet parva
pollent: mögen sie auch klein erscheinen, dennoch durch verborgenen Sinn große Bedeutung haben
Sed quoniam
commentari: Aber da eine öffentliche Geschichte geschrieben wird, die das Herz des Lesers mehr durch die Neuheit der Ereignisse als durch rhetorische Figuren gewinnen will, ist es wohl besser, die Tatsache als solche zu berichten, als sie durch mystische Erklärungen unklar zu kommentieren.
84 Illud sane agitata: Jenes nämlich, daß über die kirchlichen Lehen entschieden wird, sie sollten Immunität von jedem weltlichen Recht haben, über die Bischöfe, daß sie keinesfalls durch die Hand des Fürsten in ihr Bischofsamt eingeführt werden sollen: obwohl das wegen der Neuheit der Sache auf den ersten Blick Anstoß erregt, so wäre es doch nicht unvernünftig, wenn die Sache nicht gerade zu diesem Zeitpunkt, mit solcher Heftigkeit und solchem Streit vorangetrieben worden wäre.
85 delectatio mirabilium: Freude an der Aufzeichnung wunderbarer Dinge
86 quod magnum commotionum: was die Ursache großer Erschütterungen wurde, die das Reich verwirrten
87 multa
et permanet: Wir sehen für gewiß an, daß viele Übel daraus entstanden und noch vermehrt wurden; denn da begannen Streit im Reich, Erschütterung der Kirche, Zerstörung der Klöster, Herabsetzung der Geistlichkeit, Geringschätzung jeglicher Gerechtigkeit und Frömmigkeit, die heute noch andauern.
plenus
meritis: voller Verdienste der Heiligkeit
donec
non volumus: bis einige Fürsten aus Mißgunst das Kind der Mutter wegnahmen und sie aus der Regierung des Reiches drängten; zu diesen gehörte auch Herr Anno, Erzbischof von Köln.
Wir wollen nicht entscheiden, mit welcher Absicht er es tat und ob es der göttlichen Gerechtigkeit gefiel.
[257]quod seminarium
fuit: was der Keim größter Zwietracht wurde principes
ducti: einige Fürsten aus Mißgunst
consilio quorundam: auf den Rat einiger hin
88 his discordiae
succrescere: durch diese Saat der Zwietracht widerfuhr es dem König, daß sich eine große Zahl von Verschwörern gegen sein Leben und sein Königtum bildete.
non sine
consilio: nicht ohne Rat der sächsischen Großen
Quid multa
succrevit: Was soll ich dazu noch viel sagen? Dieser Samen der hauptsächlichen Zwietracht sproß und wuchs heran zu — weh mir! — ewig dauernden und bejammernswerten Todesfrüchten von Schlachten und Aufruhr, Raub und Brand, sogar Schismen und Häresien.
89 Hiltebrandus
coepit: Hildebrand, der dann Gregor hieß, war der nächste auf dem Römischen Stuhl; unter ihm begannen neue und unerhörte schismatische Irrtümer den römischen Staat und die gesamte Kirche zu erschüttern.
Inter haec
testatur: Was dabei geschah, bezeugt die ganze Welt durch ihre Erschütterung.
91 paulatim exsurgere: allmählich sich auszudehnen
cessante iam
Judaeorum: als das Reich und das gesetzliche Priestertum der Juden schon hinfällig wurden
mundo
uniret: er brachte der Welt den heilbringenden Glauben, um in ihm durch sein Wirken das heidnische und das jüdische Volk mit sich zu verbinden und zu vereinigen.
Nam si
abolevisset: Wenn er nämlich früher gekommen wäre, hätte vielleicht das Alter der Zeit alle Vorschriften des neuen Gesetzes zerstört.
92 velut
presentis: wie ein Lehrer wurde es den rohen, fleischlichen Menschen anfangs vorgelegt, um sie zu erziehen und sie durch Angst vor drohender Strafe von der Sünde zurückzuhalten.
recta
temporum: richtige Erziehung zum Glauben in den einzelnen Stufen und Abschnitten der Zeitalter und Zeiten
terreni
disposita: die Einrichtung des irdischen Reiches nicht von Gott, sondern von den Menschen geschaffen und angeordnet
noster
dignatus est: unser Schöpfer und Heiland hat es für recht befunden, durch ein heiliges Geheimnis zugleich König und Priester zu heißen.
93 et ab illo
separatum: und von jenem Tage an bis zum heutigen blieb das Reich der Franken vom römischen Reich losgelöst und getrennt.
[258]gesta dei per Francos: Gottes Taten durch die Franken
per
manum: durch die Schar des christlichen Volkes
94 fuga et electio: Meiden und Auswählen
res enim
proposuimus: wir haben uns nämlich vorgenommen, Geschichte zu schreiben, nicht, Rechenschaft über die Geschichte abzulegen.
95 quo ordine
historia: in welcher Ordnung dieses Geschichtswerk verläuft
principalia regna: Hauptreiche
non
ordine: nicht in Form einer Streitschrift, sondern in der Ordnung des Erzählens
Grammatica
perspicatiores: je jünger die Schriftsteller sind, die sich mit der Wissenschaft der Grammatik befassen, desto klarsichtiger sind sie.
Pertransibunt
scientia: Viele werden hindurchgehen, und die Wissenschaft wird vielfältig sein (Luther).
96 (eodem
) nova invenire: (im gleichen Geiste) Neues hervorbringen
(processu
edocemur): Wir werden durch die fortschreitende Zeit und durch die Erfahrung umso besser belehrt, je fortgeschrittener das Zeitalter ist, in dem wir stehen.
senium mundi: Greisenalter der Welt
ex ipsis
experimentis: aus den Erfahrungen unserer eigenen Zeit
translatio studii: Übertragung der Lehre
translatio imperii: Übertragung der Kaiserherrschaft
98 reprobi: die Bösen
duae
regalis: Zwei Personen, eine priesterliche und eine königliche
99 perfida
civitas: der glaubenslose Staat der ungläubigen Juden und der Heiden
usus locutionis: Sprachgebrauch
Ego enim
felicior: Wenn ich meine eigene Meinung sagen soll, so erkläre ich, daß ich durchaus nicht weiß, ob Gott die Erhöhung seiner Kirche, die wir jetzt erleben, besser gefällt als ihre frühere Erniedrigung. Ihr früherer Zustand scheint nämlich besser gewesen zu sein, ihr heutiger glücklicher.
100 sententiae vel moralitates: Lehren und Moralsprüche
[259]ut de meo
videtur: wenn ich meine eigene Meinung sagen soll; es scheint
nativum: das Geborene
compositum: das Zusammengesetzte
melius est
summo: es ist besser, zum Höchsten zu streben als im Höchsten zu sein
solo nomine: nur dem Namen nach
101 tamquam
stare: gleichsam nachdem der Erzieher gestorben war, eigene Macht und eigene Freiheit zu haben
Iam enim
debuit: der Zustand des Staates war nämlich schon so weit fortgeschritten, daß er nicht mehr weiter fortschreiten konnte. Und da er von außen nicht gestürzt werden konnte, mußte er, wie der Dichter sagt, in sich selbst zusammenfallen.
quod nunc
subducitur: das bald durch Niederschläge anwächst, bald durch natürlichen Verlust abnimmt
102 propriae
deseruit: seinem eigenen Willen überließ
Sed
infinimus: aber niemand kommt plötzlich in die Höhe, und niemand stürzt plötzlich von der Höhe in die Tiefe.
cum ad
apicem venit: nachdem es ins kraftvolle Alter gekommen war, wuchs es allmählich, unterwarf zunächst die Nachbarstädte, dehnte sich dann immer weiter aus und gelangte schrittweise zur höchsten Stellung auf dem Erdkreis.
in summo
terra: an die höchste Stelle, über die man auf Erden nicht weiter hinaus kann
paulatim
posita: allmählich die Kräfte zu verlieren und stand gleichsam schon im Greisenalter
103 in se magna ruunt: Großes fällt in sich zusammen.
magna
umbra: groß ist der Schatten des Namens.
105 libido
dominationis: Verlangen nach Herrschaftsausbreitung quare
Christus: warum Christus nicht früher gekommen ist.
veritatis non capaces: nicht in der Lage, die Wahrheit zu erfassen non
lacte: nicht mit fester Speise, sondern mit Milch
106 inter cives
profecit: unter den Bürgern der Welt Boden gewann und in allmählichem Wachstum zu solcher Höhe emporstieg.
in allmählichem Wachstum stieg sie zum höchsten Gipfel und zur Monarchie empor.
Vide regno
imminui: Sieh, wie das Reich Christi wächst und so das Reich der Welt allmählich schwindet.
[260]quae semper
est: das bedeutet immer den Untergang schon sinkender Staaten.
107 Lapis
excisus: der Stein, der nicht von Händen geschleudert wurde
Itaque cum
dividitur: Während, wie ich oft gesagt habe, die Krone des Reiches vom priesterlichen Schwert geschlagen werden sollte, war es in sich selbst uneinig.
109 non eius
(gladio): nicht mit ihrem Schwert, dem geistlichen nämlich, sondern mit dem eigenen, materiellen Schwert
Tanta mutatione
properemus: In dieser Veränderung, in der sich die Zeit von der Vollkommenheit zum Niedergang wendete, möchten wir das sechste Tagewerk beschließen, um nun unter Gottes Führung zum siebten und zur Ruhe der Seelen zu eilen, die dem Jammer dieses Lebens folgt.
110 Omnes hii positi: Diese alle sind abgeschlossen von allen jammervollen Weltläuften und stehen nach Vollendung des Sechstagewerkes im Frieden des wahren Sabbats, einem Vorgeschmack der ewigen Ruhe.
111 materia Sacrae Scripturae: Stoff der Heiligen Schrift
duo status
pertinent: zwei Zustände (der alte und der neue), weil sie zur Existenz des Menschen gehören
religio, sapientia, potentia: Frömmigkeit, Weisheit und Macht
112 saepe transferens: es befreite sich oft von der Herrschaft und übertrug sie von einem auf den anderen.
Abaelard 53, 64, II 7, II 13
Abarbanel, Isaak I 27
Abbo von Fleury II 36
Abraham bar Chija I 24, I 27, II 7
Adso von Montier-en-Der 57, II 29, II 36
Agobard von Lyon II 1
Alanus ab Insulis 15, 53, I 28, II 13, II 15
Alcuin 55
Alexander von Roes 54
Ambrosius 28, 34, 35, 74, 79, 81, I 137, I 146, I 166—I 174, I 256
Anonymus von York III 91
Anselm von Canterbury II 68
Anselm von Havelberg 60—67, II 13, II 32, II 65—84
Anselm von Laon II 8
Aristoteles 16, I 34
Arnobius I 86, I 137
Arnulf von Mailand III 5, III 92
Ascensio Mosis I 12, I 26
Augustin 20, 28 f, 36—50, 52, 55, 58, 61, 63, 76, 91 f, 95, 101 f, 104 f, 110, 116, I 9, I 125, I 137, I 143 f, I 184—267, II 1 f, II 8, II 23a, II 47 f, III 62, III 143, III 146, III 148, III 198, III 203, III 208 f, III 223, III 227, III 232.
Bacon, Francis 73, I 29
Baruch, syrischer 13, I 18, I 23, I 26
Beda 75, II 8, II 21, II 23, II 25, II 34, II 38
Berengar von Tours II 1
Bernhard von Clairvaux 60, II 7
Bernhard von Konstanz II 33
Bernold von Konstanz 90, III 98
Bodin, Jean 97, I 29
Bonaventura I 9, IV 9
Burckhardt, Jakob 70, 120, III 8
Campanella, Tommaso III 17
Celsus 29, I 44
Censorinus 72, III 22
Cicero 46, 102, 104, I 133, III 234
Clemens v. Alexandrien 31, I 141
Clemens Romanus 18, I 49, I 122
Cyprian 28
Danielbuch (AT) 13, 63, 95 f, 109, I 8, I 12, II 7
Dante Alighieri 118, IV 7
Demokrit I 41
Einhard III 199
Elipandus von Toledo II 42
Esrabuch (Apokr.) 18—20, 75, I 3 f, I 6—8, I 10—12, I 22 f, I 46—48, I 53, I 59
Eusebius von Caesarea 31—35, 104 f, I 137, I 151—165, I 203, I 266, III 99, III 234
Florus I 131
[262]Frechulf von Lisieux III 29, III 235
Frutolf von Michelsberg 84—93, 104, 107 f, III 29, III 93—129, III 199, III 212, III 220, III 233
Gerhoh von Reichersberg 59 f, 110, II 24, II 44 ff, III 131
Giraldus Cambrensis 54, II 18—20
Gregor d. Gr. 52 f, 55, 61, 63, II 7, II 21, II 23 f, II 50, III 4
Gregor von Nazianz 65, II 67a, II 68, II 72, II 75
Gregor VII. 24, 60
Gregor von Tours II 21, III 135
Guibert von Nogent 51, II 1, II 71
Hegel 76, I 81, III 42
Heinrich von Albano II 45
Henochbuch, äthiop. 13, I 2, I 6, I 12, I 16, I 19, I 21, I 26
Henochbuch, slaw. I 19, I 24,
Hermann von Reichenau III 41
Hieronymus 36, 76, I 125, I 137, I 227, II 21, III 41, III 135, III 194
Hildegard von Bingen II 38,
Hippolyt v. Rom 30, 36
Honorius Augustodunensis II 38
Hrabanus Maurus 62, II 52, III 5, III 59, III 135
Hugo von Fleury 90—93, 101, III 99, III 132—156, III 167
Hugo von St. Victor 52 f, 59 f, 65, 75, 110 f, II 2—13, II 41, II 73, II 75, III 3 f, III 24, III 170, III 182, III 242, III 268, III 270, III 275
Humbert von Silva Candida III 91 f
Irenäus von Lyon 10, 14, 18, 22, 24, 26—29, 55, 65, I 50—84, I 96, I 123 f, I 173
Isidor von Sevilla 55, 61, 70—72, 75, II 21, II 25, II 49, III 2, III 10—12, III 15, III 17, III 20 f, III 45, III 161 f
Joachim von Fiore 53, 59 f, 110, II 5, II 14, II 37, II 39—42
Johannes von Mantua II 33
Johannes von Salisbury 75, III 18, III 35—37, III 99
Johannes Scotus Erigena II 42, III 182, III 268
Jordanes 28, 102, I 132
Josephus Flavius 74, III 26
Justin (Geschichtsschreiber) I 256
Justin Martyr 21, 104 f, III 232
Lactanz 28 f, 102, I 125—135, I 172, III 173
Leo IX. 61
Leone Ebreo I 24, I 28
Livius 28, 102, I 133
Lucan 103, III 208, III 224
Lukas-Evang. 14, 75
Lukrez 17, I 42, I 43
Macrobius 76
Maimonides 53, II 17, II 72
Marcion 21
Marsilius von Padua 118, IV 6a
Matthäus-Evg. I 7, I 14, I 18, I 49
Matthäus Parisiensis III 33
Melanchthon 73, III 23
Melito von Sardes 33, I 147
Methodius von Olymp I 203
Midrasch rabba I 2, I 14, I 22, I 30, I 54, II 16
Nachman Krochmal II 17
Notker von St. Gallen II 28
[263]Odo von Cluny II 1
Ordericus Vitalis 93, III 156 f
Origenes 21, 30, I 44, I 125, I 136—150, I 165, II 10
Orosius 28, 44, 71, 91, 100—102, 104, I 132, I 231—234, III 29, III 142, III 198 f, III 201—205, III 208, III 210, III 216, III 237, III 242, III 245, III 270
Otto von Freising 58, 71, 77, 85—88, 93—113, 117, II 7, III 9, III 93, III 103, III 135, III 158—275
Paulus, Apostel 14, 37, I 25, I 146, I 188
Paulus von Burgos II 15
Pelagius I 146
Petrus Alfunsi 53, II 15
Petrus Damiani II 2, II 13, III 167
Petrus Venerabilis II 15
Philo v. Alexandrien 31, I 172, I 257
Plato 40, 73 f, I 24, III 25
Polybius 17
Porphyrios 41, 44, I 12, I 137
Poseidonius 16, I 37
Priscian 95, I 128
Prudentius 28, 35 f, I 175—181
Quintilian III 162
Ramban (Rabbi Mosche ben Nachman) I 27
Randolfus Ardens III 24
Raschi (Rabbi Schlomo Jitschaki) II 5, II 13, II 15
Regino von Prüm 63 f, II 53, II 62—64, III 7
Reuchlin I 28
Richard v. St. Victor II 39, III 268
Richer III 99
Robert von Melun III 4
Rodulfus Glaber 77—84, II 31, III 44—88
Roger von Wendower III 33
Roscelin II 1
Rudolf von St. Trond III 7
Rupert von Deutz II 25, II 42
Rutilius Namatianus 43, I 229
Sa adia Gaon 53
Sapientia Salomonis I 9
Seneca 16, 28, I 39, I 125, I 131
Servius 71
Sigebert von Gembloux 76, II 36, III 92, III 99, III 258
Stoiker 16
Sulpicius Severus III 32
Tajo von Saragossa II 1, II 7, II 21
Talmud, Babylonischer I 5 f, I 12, I 17, I 24, I 27, I 30, I 54, II 15 f, III 31
Tertullian 18, 20, 22, 24—30, 33, 39, 42, I 85—121, I 125, I 172, I 179, I 222, II 38, III 29, III 32
Theophilus von Antiochien 20, 22—24, I 22, I 71, I 78, I 89, III 29
Tychonius 41 f, 55, I 215, I 219
Varro 16, 40, 72, I 38, I 125
Victorin von Petau III 59
Vinzenz von Lerin 42 f, I 221—226
Virgil I 7
Vitruvius I 42
Voltaire 97
Walahfrid Strabo 62—64, II 54—61, II 71
[264]Wenrich von Trier 84, III 90, III 261
Wido von Ferrara III 91
Wilhelm von Champeaux 51, II 21
Wilhelm von Malmesbury 111, III 131, III 271
Wilhelm von Tyros 90, III 7, III 130
Wipo 76, 83, III 19, III 87 f
Xenophanes 15